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Heidelberger Zeitung — 1898 (Juli bis Dezember)

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Nr. 281 - 306 (1. Dezember 1898 - 31. Dezember 1898)
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https://doi.org/10.11588/diglit.42070#0581

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Erscheint täglich,
sonntags ausgeiwmmen.
Preis
Mit Familienblättern
, (monatlich 50 Pf.
ttei tn's Haus gebracht,
^rch die Post bezogen
. Idierteljährl. 1.25
"-sschließlich Zustellgebühr.
^lephon-Anschlutz Nr.'8S.


?nsertionsgebnhr
15 Pf. f>.r die Ispaltige
Petitzerce oder bereu Raum.
Für hiesige Geschäft- und
Privatanzeigen bedeutend
ermäßigt.
Gratis-Anschlag
der Inserate auf den Plakat-
tafeln der Heidelb. Zeitung
und den Plakatsäulen.
Telephon-Anschluß Nr. 82.

282.

Lrcitag, den 2. Ammber

1898.

*) Aus den „Gedanken und Erinnerungen" des Fürsten
^Marck (Stuttgart, bei Cotta), zwei Bände.

Bestellungen
«uf die Heidelberger Zeitung für den Monat December
werden bei allen Postanstalten, den Briefträgern, den Agen-
wn, vei den Trägern in der Stadt, sowie in der Expedi-
"On, Untere Neckarstraße Nr. 21, angenommen.
Bezugspreis: monatlich nur 50 Pfg., frei in's Haus
gebracht; durch die Post bezogen für den Monat December,
wenn am Schalter abgeholt, 42 Pfg., für Zustellgebühr
15 Pfg. weiter.
Fürst Bismarck und die Kaiserin Angusta.*)
Die Prinzessin Augusta vertrat unter Friedrich
Wilhelm IV. in der Regel den Gegensatz zur Regicrungs-
^litik; die neue Aera der Regentschaft sah sie als ihr
Hinisterum an, wenigstens bis zum Rücktritt des Herrn
W Schleinitz. Es lebte in ihr vorher und später ein Be-
Mfniß des Widerspruchs gegen die jedesmalige Haltung
Regierung ihres Schwagers und später ihres Gemahls.
M' Einfluß wechselte, und zwar so, daß derselbe bis auf
M letzten Lebensjahre stets gegen die Minister ins Gleich»
taucht fiel. War die Regierungspolitik konservativ, so
wurden die liberalen Personen und Bestrebungen in den
Muslichen Kreisen der hohen Frau ausgezeichnet und ge-
ordert; befand sich die Regierung des Kaisers in ihrer
Abeit zur Befestigung des neuen Reiches auf liberalen
^egen, so neigte die Gunst mehr nach der Seite der kon-
^rvativen und namentlich der katholischen Elemente, deren
isNterstützung, da sie unter einer evangelischen Dynastie
R häufig und bis zu gewissen Grenzen regelmäßig in der
Opposition befanden, überhaupt der Kaiserin nahe lag.
In den Perioden, wo unsere auswärtige Politik mit
Österreich Hand in Hand gehen konnte, war die Stim-
wung gegen Oesterreich unfreundlich und fremd; bedingte
Opfere Politik den Widerstreit gegen Oesterreich, so fanden
Msen Interessen Vertretung durch die Königin und zwar
Ws in die Anfänge des Jahres I86ä hinein. Während
der böhmischen Grenze schon gefochten wurde, fanden
w Berlin unter dem Patronate Ihrer Majestät durch das
Zkgan von Schleinitz noch Beziehungen und Unterhand-
wigen bedenklicher Natur statt.
L Herr v. Schleinitz hatte, seit ich Minister des Neu-
nen und er selbst Minister des königlichen Hauses ge-
worden, das Amt einer Art Gegenministers der Königin,
,W ihrer Majestät Material zur Kritik und zur Beeinflus-
Mg des Königs zu liefern. Er hatte zu diesem Behufe
w Verbindungen benutzt, die er in der Zeit, wo er mein
Abgänger war, im Wege der Privatkorrespondenz ange»
^Pft hatte, um eine förmliche diplomatische Berichterstat-
/wg in seiner Hand zu konzentriren. Ich erhielt die Be-
weise dafür durch den Zufall, daß einige dieser Berichte,
deren Fassung die Thatsache der Kontinuität der Be-
'chterstattung ersichtlich war, durch Mißverständniß der
Mdjäger oder der Post an mich gelangten und amtlichen
^richten so genau ähnlich sahen, daß ich erst durch ein-
^Ne Bezugnahmen im Texte stutzig wurde, mir das dazu
^hörige Couvert auS dem Papierkorb suchte und darauf
? Adresse des Herrn von Schleinitz vorfand. Zu den
samten, mit denen er solche Verbindungen unterhielt, ge-
Me unter Anderen ein Konsul, über den mir Roon unter
ein 25. Januar 1864 schrieb, derselbe stehe im Solde
°'l Drouyn de L'Huys und schreibe unter dem Namen
^wgfeld Artikel für das Memorial Oixlomati^uo,
w unter anderem der Okkupation der Rheinlande durch

Napoleon das Wort redeten und sie in Parallele stellten
mit unserer Okkupation Schleswigs.
Zur Zeit der Reichs glocke und der gehässige» An-
griffe der konservativen Partei und der Kreuzzeitung auf
mich konnte ich ermitteln, daß die Kolportage der Reichs-
glocke und ähnlicher verleumderischer Preßerzeugnisse im
Bureau des Hausministeriums besorgt wurden. Der Ver-
mittler war ein höherer Subalternbeamter Namens Bern-
hard (?), der der Frau v. Schleinitz die Federn schnitt
und den Schreibtisch in Ordnung hielt. Durch ihn wurden
allein an unsere höchsten Herrschaften dreizehn Exemplare
der Rcichsglocke, davon zwei in das kaiserliche Palais, be-
richtmäßig eingesandt und andere an mehrere verwandte
Höfe.
Als ich einmal den geärgerten und darüber erkrankten
Kaiser des Morgens aufsuchen mußte, um über eine höfische
Demonstration zu Gunsten des Centrums eine unter den
obwaltenden Umständen dringliche Beschwerde zu führen,
fand ich ihn im Bette und neben ihm die Kaiserin in
einer Toilette, die darauf schließen ließ, daß sie erst auf
meine Anmeldung heruntergekommen war. Auf meine
Bitte, mit dem Kaiser allein spreche» zu dürfen, entfernte
sie sich, aber nur bis zu einem dicht außerhalb der von
ihr nicht ganz geschlossenen Thüre stehenden Stuhle und
trug Sorge, durch Bewegungen mich erkennen zu lassen,
daß sie alles Höne. Ich ließ mich durch diesen, nicht den
ersten, Einschüchterungsversuch nicht abhalren,
meinen Vortrag zu erstatten. An dem Abende desselben
Tages war ich in einer Gesellschaft im Palais. Ihre
Majestät redete mich in einer Weise an, die mich ver-
machen ließ, daß der Kaiser meine Beschwerde ihr gegen-
über vertreten hatte. Die Unterhaltung nahm die Wendung,
daß ich die Kaiserin bat, die schon bedenkliche Gesundheit
ihres Gemahls zu schonen nnd ihn nicht zwiespältigen
politischen Einwirkungen auszusetzen. Zstese nach höfischen
Traditionen unerwartete Andeutung hatte einen merk-
würdigen Effekt. Ich habe die Kaiserin Augusta in dem
letzten Jahrzehnt ihres Lebens nie so schön gesehen wie
in diesem Augenblick; ihre Haltung richtete sich auf, ihr
Auge belebte sich zu einem Feuer, wie ich es weder vor-
her noch nachher erlebt habe. Sie brach ab, ließ mich
stehen und hat, wie ich von einem befreundeten Hofmanne
erfuhr, gesagt: „Unser allergnädigster Reichs-
kanzler ist heute sehr ungnädig."
(Schluß folgt.
Deutsches Reich
— Ueber den gestern (Donnerstag) erfolgten Einzug
des Kaiserpaares in Berlin wird berichtet;
Das Kaserpaar brach um 12'/° Uhr von Schloß Bellevue
zu dem Einzuge auf, der Kaiser im Mantel und mit dem Bande
des Schwarzen Adlerordens zu Pferde, die Kaiserin in offenem
vierspännigen Wagen, hinter ihnen das Gefolge, und trafen am
Brandenburger Thor gegen 1 Uhr, von einer ungeheuren Menschen-
menge jubelnd begrüßt, ein. Bürgermeister Kirschner, Stadt-
verordnetenvorsteher Dr. Langerhans nnd neun Vertreter der
Stadt hatten vor dem Thor Ausstellung genommen. Bürger-
meister Kirschner hielt eine Ansprache an das Kaiserpaar, in der
er gedachte, wie Gott es in fremdem Lande und auf hoher See
gnädig in seine Obhut nahm und es Werke des Friedens und der
Liebe schaffen ließ. Möge, so sprach der Redner, der Aufenthalt
des Kaisers im Vaterlande ein reich gesegneter sein und möge dem
Kaiser beschicken sein, dem preußischen und deutschen Volke den
Frieden zu erhalten und sein leibliches, geistiges und sittliches
Wohl kraftvoll zu fördern. Redner wandte sich dann an die
Kaiserin, die er als treue Gefährtin bei allen Anstrengungen der
Reife und als treue und liebende Gattin feierte, die alle deutschen
Herzen liebten. Möge jeder Tag, den das Kaiserpaar in den
Mauern Berlins verlebe, ein Tag hohen und ungetrübten Glückes
sein. Der Kaiser reichte dem Bürgermeister vom Pferde
herab die Hand und sagte, er freue sich, heimgekehrt zu sein.

Er gedachte dann der vielen und großen Eindrücke der Orient-
reise und reichte darauf dem Bürgermeister nochmals die Hand.
Vom Pariser Platz an begann das Spalier. Die Truppen prä-
sentirten und riefen Hurrah; die Musikkorps spielten. Artillerie
und Kavallerie zu Fuß bildete gleichfalls Spalier, ebenso die
Rekruten ohne Gewehr. Die Fahnen und Standarten sammelten
sich hinter dem Kaiser. Die Fahnenkompagnie und Standarten-
schwadron schlossen sich an. Der Jubel pflanzte sich fort; die
Kirchenglocken läuteten Im Lustgarten nahm der Kaiser den
Vorbeimarsch der Fahnen und Standarten und der in dieser
Richtung abmarschirenden Regimenter ab. Die öffentlichen und
viele Privatgebäude waren beflaggt. Das Wetter war trübe.
Im Publikum wurde es sehr sympathisch bemerkt, als
kurz vor dem Einzug des Kaisers die französische
Botschaft am Pariser Platz die Nationalflagge
hißte und der Botschafter auf dem Balkon dem Einzug bei-
wohnte. Auch die russische Botschaft Unter den Linden
hatte ebenso wie die anderen Botschaften geflaggt.
— In der deutschen Presse hat die Drohung des öster-
reichischen Ministers Thun, daß er eventuell mit Repressa-
lien gegen Deutschland wegen der Ausweisung österreichi-
scher (slavischer) Unterthanen aus Deutschland ergreifen
werde, sehr unangenehm berührt. Die Voss. Ztg. führt
aus: Was an der Ausweisungspolitik der deutschen Re-
gierung zu rügen ist. wird die öffentliche Meinung in
Deutschland rügen. Dem Grafen Thun und dem öster-
reichischen Abgeordnetenhaus spreche sie jede Berechtigung
dazu ab und verbitte sich jede Einmischung fremder Völker
und Regierungen in die inneren Angelegenheiten des
Deutschen Reiches, wie das Deutsche Reich sich taktvoll
jede Einmischung in innere Angelegenheiten fremder Staaten
und Regierungen zu enthalten weiß. — Die Kreuzztg.
bemerkt, Graf Thun hätte unzweifelhaft klüger gethan,
wenn er sich reservirter ausgedrückt und insbesondere die
Drohung unterlassen hätte, die, sollte er trotz alledem dazu
schreiten, sie zu verwirklichen, entschieden die österreichisch-
ungarischen Staatsinteresseu weit empfindlicher schädigen
müßte als diejenigen Deutschlands. Auch in Oester-
reich verkennt man nicht die Gefahren einer Politik, wie
sie vom österreichischen Ministerpräsidenten in Aussicht
gestellt morden ist. So schreibt die Wiener Neue Freie
Presse:
Besteht das deutsch-österreichische Bündniß noch? Ist es noch
immer, wie den Delegationen wiederholt vom Throne herab ver-
sichert wurde, die Basis unserer auswärtigen Politik? Diese
Frage wird nothwendigerweise durch die Antwort hervorgerufen,
die Graf Thun auf zwei andere Fragen ertheilt hat, auf die An-
fragen der Herren Engels und Jaworski in Betreff der Auswei-
sungen österreichischer Staatsangehöriger aus Preußen. In
dieser Antwort wird gegenüber der preußischen Staatsregierung
ein Ton angeschlagen, der zwischen Staaten, die in normalen
völkerrechtlichen Beziehungen zu einander stehen, nicht gewöhnlich,
zwischen Staaten aber, die in einem engen Bündnißverhältniß
zu einander sich befinden, nur dann verständlich ist, wenn die
Absicht besteht, entweder auf das En de die ses B ü n d n i ß-
verhältnisfes vorzubereiten, oder der Abneigung gegen
dessen Fortbestand Ausdruck zu geben.
— Durch allerhöchste Cabinetsordre vom 23. November
ist bestimmt, daß an Stelle der Chargenbezeichnung
„Corvetten-Capitän mit Oberstlientenantsrang" die Be-
zeichnung „Fregatten-Capitän" tritt.
Baden. Karlsruhe, 1. Dez. Der Bad. Land-
wirthschaftsrath hielt heute eine Sitzung ab. Ver-
handelt wurde das Thema vom Ankauf von Zuchtfarren
im bad. Oberland und von der Errichtung von Orts-
viehversicherungsanstalten. Näherer Bericht folgt.
Preußen. Der unter dem Pseudonym „Jgnotus"
'chreibende Korrespondent des Kopenhagener Linkenblattes
Politiken hat seiner Zeitung über eine Unterredung, die
er mit dem Oberpräsidenten von Schleswig-Holstein,
Staatsminister v. Köller, über die Ausweisungen
aus Nordschleswig gehabt hat, einen längeren Bericht ge-

Nur frisch gewagt.
Eine heitere Garnisongeschichte von Hugo Dinckelberg.
(Fortsetzung.)
b -Darf ich den Grund nicht erfahren? Ist Herr v. Ra-
xMu vielleicht nicht artig genug gegen Sie?" —„Sie nssen,
sfstr Graf, daß ich das Bücken und Biegen unv die honig-
Schmeicheleien eines Kesselheim nicht leiden mag!" —
ist Ihnen Herr v. Rabenau wohl nicht schön oder
M klug genug?" — „Sie spotten, Herr Graf!" — „Dann
Ihnen wohl zu bescheiden?" — „Bescheiden l" lachte
j.rbziska bitter, „ein Mann bescheiden, dem tagtäglich tau-
j-ffObial nachgesagr wird, wie schön er sei und welch' treff-
Ak» und tapferen Osficier das Regiment an ihm Habel" —
di?« sagt ihm denn das tagtäglich tausendmal?" — „Nun
m Welt, Jedermann, er sich selbst!" — „Er sich selbst? Da-
li („wein lieber ungnädiaer Kobold, täwcyen Sie sich. Herr
L Rabenau ist in der Thal bescheiden!" — „Nimmermehr!
di°, h Sie seine Haltung, das Tragen seines Kopfes, den ge-
tzAttschen Blick seines Auges!" — „Fränzchen! Fränzchen!
iebr ^tzt der Graf, „Sie scheinen den Rittmeister doch schon
genau betrachtet zu haben! Aber, Hand aufs Herz,
ljebx Baronesse, können Sie den Rittmeister wohl achten,
ikw sich anders vielte, anders den Kopf trüge, wenn in
ein Blick und ganzen Wesen nicht das Selbstbewusstsein
ib^Mcher Kraft läge? Nichts weiter ist es, als Selbstbe-
»lit» und soll der Mann nicht selbstbewußt sein, welcher
dr.ffeunundzwanzig Jahren es bereits bis zum Rittmeister ge-
tz^l hat und welcher die höchsten militärischen Orden, den
paar lo msrito und das eiserne Kreuz erster Classe
E? Sie sind ungerecht, Fränzchen; denn wenn Sie ihren
or anschauen, finden Sie in dessen imponirender Er-
»y°"!ung dasselbe Bewußtsein, welches ich überhaupt von
dx-. "dem Manne, vor allen Dingen von jedem Osficier for-
sxZ' Dünkelhafte Ueberhcbung und Eitelkeit aber sind un-
Eha? -"ruen Rittmeister nicht eigen, können einem gediegenen
ratter, wie er ihn unstreitig besitzt, überhaupt nicht eigen

sein." Der Gras sprach diese Worte mit großer Wärme, und
Franziska v. Stein hörte aufmerksam zu, dabei bald verneinend
den Kopf schüttelnd, bald bejahend nickend. — „So sind Sie
überzeugt," fragte sie dann, „daß Herr v. Rabenau nicht eitel
und eingebildet ist?" — „Gewiß bin ich das!" erwiderte der
Major. — „Mir ist er aver bisher immer so erschienen!" —
„Glaub's gern, kann Ihnen aber auch den Grund hierfür
sagen!" — „Da wäre ich begierig!" — „Ihrem Charakter,
liebe Franziska," sprach der Graf indem er zu dem Antreten
der Quadrille seine Dame durch den Saal führte, wider-
spricht jegliche unnatürliche Ueverhebung, jede unwürdige und
sinnlose Lobhudelei. Hier in der Stadt, besonders unter ei-
ner Reihe von Damen, wurde vor dem Eintreffen des Ritt-
meisters fast Abgötterei mit ihm getrieben. Das vertrug Ihr
Charakter nicht, Sie empfingen Herrn v. Rabenau schon mit
einem Vorurtheile und hielten ihn, weil Sie in unlerm Re-
giment leider auch schon recht dünkelhaft aufgeblasene Officiere
kennen gelernt haben, ebenfalls für einen solchen Windbeutel-
Renommisten." — Mit diesen Worten war das Paar bis in
die Mitte des Saales gekommen, wo der Graf des Com-
mandirens wegen sein Quans ausstellen wollte. Am Arme
die Gräfin führend, trat ihnen der Rittmeister v. Rabenau
entgegen. Franziska schaute zu ihm auf und ließ prüfend
ihre Blicke eine Weile aus dem Rittmeister ruhen, dabei be-
gegneten sich Beider Augen. Der Blick Rabenaus war
freundlich bittend, der Franziskas ernst und sinnend.
„Sie haben besohlen, Herr Graf, hier sind wir," tänzelte
Aurora Feuerstah! in die Gruppe hinein, Herrn v. Secken-
dorf an der Hand nachstehend, „welches Paar sollen wir sein.
daS erste, zweite, dritte oder vierte? Wer ist unser visü vis!
Ach, ich freue mich schrecklich aus die Quadrille, Quadrille ist
der schönste Tanz meines Lebens. Tanzen Sie auch gern
Quadrille, Herr Rittmeister? Wollen wir vis L vis tanzen,
Frau Gräfin?" und ein schmachtender, sehnsuchterfüllter Blick
flog zu dem schönen Rittmeister empor. „Angetreten!" rief
der Graf. „Wie ich sehe, sind die Quarc«s alle vollständig.
Erstes, zweites, drittes, viertes Paar! Herr v. Seckendorf,
Sie sind also drittes, Herr Jnspector Kunze, — bitte, treten

Sie hier heran — viertes Paar." Schnell ordnete der Graf
auch die übrigen Quarrss und die Quadrille begann.
(Fortsetzung folgt.)
Stadttheater.
Fz Heidelberg, 2. December.
„Hänsel und Gretel", Märchen-Oper von Humperdinck.
Das Glück dieser Kinderoper mit dem musikalischen Monstre-
apparat sucht seines Gleichen. Was das Interesse auch nach
langer Bekanntschaft mit dem Werk noch erhält, ist die überaus
geistreiche Partitur. Wenn man sie auch noch so genau zu kennen
vermeint, man entdeckt immer neue Feinheiten und Schönheiten.
Im Grunde genommen spielt sich die ganze Oper im Orchester
ab, und würden die Vorgänge auf der Bühne zur Pantomime
verwandelt, man vermißte kaum ernstlich etwas. Kapellmeister
Radig hat sich denn auch mit besonderer Liebe diesem großen
Orchester-Solisten zugewandt, und den Inhalt der schwierigen
Partitur nicht nur erschöpfend, sondern auch nachschöpfend aufs
glänzendste herausgeholt. Unfer Orchester macht in diesem Winter
eine ganz besonders bemerkbare Entwicklung durch, deren man
! sich herzlich freuen darf. Für den kleinen Raum unseres Theaters
> arbeitet es freilich viel zu dröhnend und zu gewaltig. Herr
, Radig hatte gestern fortwähnend nur zu dämpfen und zurück-
zuhalten, doch war fast Alles noch zu massig und stark.
Besonders muß dies auffallen bei den Miutaturstimmchen,
über die wir verfügen, und die meist im Kampf mit der großen
Orchestermasse rettungslos untergehen. Man war gestern be-
züglich der meisten der Darsteller glücklich, wenn man zuweilen
ein Textwort verstand.
Die außerordentlich schwierig geschriebenen Partien können
rontinirte Sänger nervös machen, für Anfänger sind sie die
wahre Angukur.
Das liebe Kinderpaar war den Damen Frey tag und
Mascha zugefallen. Erstere gab sich recht viel Mühe, was ihr
besonders im Spiel gute Früchte eintrug, ist aber noch rhythmisch
viel zu unsicher und hängt angstvoll am Kapellmeisterstab. Sehr
lieb, kindlich, auch musikalisch sicherer erwies sich Fränl. Mascha.
 
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