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Heidelberger Zeitung — 1898 (Juli bis Dezember)

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Nr. 203 - 228 (1. September 1898 - 30. September 1898)
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Ar. 216.

Freitag, den 16. September

2)

Mein Ludchen.
Erzählung von F. Arnefeldt.
(Fortsetzung.)
Men,"' was sagst Du dazu?" fragte die Frau Bürger-
gier, mdem sie, den Brief noch immer in der Hand haltend,
Aeeder neben ihrem Sohne niederließ.
v»j."^r arme kleine Kerl!" sagte Ernst mitleidig. „Ich sehe
den MA den lang aufgeschossenen schmalen Burschen mit
tn^.Mleu Augen und bleichen Wangen, der sich beim Abi-
enten-Eramen verochst hat."
»Au meinst, es wäre das Abiturienten-Examen gewesen?"
Lien-Zweifel. Sie schreibt doch, die Kinder hätten in
Mir ^"Ein mit einander gespielt. Das Ludchen oder sagen
ar>7,.^r Ludwig muß ungefähr im gleichen Alter mit dem
tter Willy sein. Der arme Bursche thut mir leid.
"Mr auch," sagte die Mutter.
,wird eine arge Enttäuschung für die Frau sein, wenn
" M schreibst, wie die Sachen liegen."
HvAer müssen wir ihr die denn bereiten?"
Mi-gUsMühlenbruch schaute seine Mutter erstaunt an. „Ja,
° WM Du denn das abwenden?"
denke, wir lassen den Jungen eben kommen."
„Aber Mutter, wir sind ihm ja wildfremde Leute!"
tzesEas^wehr würden Bertha und Willy ihm auch nicht ge-
willst also schreiben, daß beide nicht mehr leben, daß
wMtem durch Erbschaft an uns gefallen ist und —"
ibunk Deiner gütigen Erlaubniß gedenke ich das nicht zu
Jnbnl. Ein Telegramm zu senden mit dem lakonischen
dEiahlt'u« Ludchen. Ankunft angeben. Rückantwort
"Aber Mutter!"
iMrmik "" Dir der Gast nicht angenehm ist, muß ich freilich
lagt-^verzichten, Du bist Besitzer von Wildenstein, nicht ich!"
ihr Mühlenbruch sehr würdevoll, aber der Schalk saß
Nacken.

Anarchistische Konventikel.
y Gelegentlich der scheußlichen That des Anarchisten
^ccheni bringen einige deutsche Blätter eine Mittheilung
Berlin, wonach in der ReichsHauptstadt und
nächster Umgebung auch heute noch anarchistische
"lwentikel bestehen. In ihnen verficht man den Anarchismus
^"wärtig nur theoretisch, aber wer weiß, wie leicht auch
ihnen heraus einmal eine Schreckenstat entspringt!
3n den anarchistischen Versammlungen erscheinen se-
hnlich „ui: die Elemente, die sich gern reden hören,
unter den Augen der Polizei, die wiederholentltch
Narchisten aus der Versammlung heraus verhaftet hat,
Obigen selbst die verbissensten und maßlosesten Agitatoren
Sprache. Die Anarchisten, die sich um Pawlo-
»."sch schaaren und auf etwas merkwürdige Weise das
EUe Leben, das Concurrenzblatt gegen den Armen Kon-
und den Socialist, ins Leben riefen, weil diese Blätter
r., u zu zahm waren, erscheinen gewöhnlich in Versamm-
.'wgen nicht, sie haben ihre Clubs und diese anarchi-
schen Clubbildungen haben namentlich in den
Porten Berlins, Weißensee, Rixdorf, Mvße Verbreitung
Eine ganze Anzahl Gesangvereine, in denen
"ch die deklamatorischen Vorträge gepflegt werden, steht
"ud gar auf anarchistischem Boden; und wohl des-
w erscheint in jeder Nummer des Armen Konrad ein
gemein schwulstiges, aufregendes Gedicht. Man behalte
r Augen, daß in ganz kurzer Zeit ein Ehrengeschenk
z", etlichen tausend Mark (I) für'die aus dem
L"chthaus entlassene deutsche Luise Michel, die Schneiders-
. Mr Agnes Reinhold, gesammelt wurde; ein Beweis, daß
ganz unbedeutend, wie mehrfach behauptet wird, die
^M'chistjsche Bewegung in Deutschland nicht ist. An der
Miunlung betheiligen sich auch schweizerische, italienische
spanische Anarchisten, ein Zeichen, wie sehr die
n^rchjsten aller Länder Zusammenhängen.
>e Schriften von Johann Most sind, ins Spanische
A^setzt, massenhaft unter den spanischen Anarchisten ver-
j^'tet; und deutsche Anarchisten sammelten für die Spanier,
'm Kerker von Montjuich saßen, immerhin nennenswerthe
uinmen. Michele Angiolillo, Acciarito, Henry, Vaillant,
Mchol, Caserio sind regelmäßig am 11. November, der
i s Grinnerungstag an die Hinrichtungen der Anarchisten
Chicago von den Anarchisten aller Länder feierlich be-
rgen wird, als wahre Heroen gefeiert worden. Für
N Anarchisten Koschemann, der wegen des Mordanfalls
"l den Polizeioberst Krause zu schwerer Zuchthausstrafe
"urtheilt wurde, waren in wenigen Tagen mehrere
Mndert Mark gesammelt. Als im August vorigen Jahres
"E ganze Anzahl Anarchisten in Mailand verhaftet wurde,
Me sich ebenfalls in den bei ihnen vorgefundenen Schrift-
"En an Lega, Caserio, Malatefta, Acciarito, daß die
Narchisten aller Länder eng Zusammenhängen. Man hat
r diesen Verhaftungen nicht die gebührende Aufmerk-
die n^»^schenkt. Der Mailänder Aufstand vom Mai ließ
di? ße der anarchistischen Gefahr scharf erkennen und
y? heutigen Nachrichten aus Mailand zeigen, daß der
""rchisnms dort immer noch frech sein Haupt erhebt.
- Ein aus Wien datirter Artikel der Köln. Ztg. skizzirt
un^ Stand der anarchistischen Propaganda in Europa
sä,« zugleich an, was die Regierungen zur gemein-
ten Bekämpfung bezw. Bewachung der Anarchisten thun.
^?>rd da berichtet:
^i.Die Schweiz hat vor zwei Jahren Verträge mit Oester-
und andern Staaten geschlossen, denen zufolge in
,j/'Eh ein Jnformationsbureau zur Ucberwachung gefähr-
^mer landflüchtiaer Personen errichtet wurde. Es dient

zum Austausch von Mittheilungen über solche Personen
mit der Wiener Staatspolizei. In Oesterreich ist die
„Propaganda der That" seit mehreren Jahren erloschen.
Was zuletzt noch von gefährlichem Anarchismus etwa in
der tschechischen Omladina steckte, wurde unterdrückt oder
scharf genug bewacht, um, soweit hierin Sicherheit zu ge-
winnen, als unschädlich gelten zu können. Deutschland
dürfte sich in ähnlicher Lage befinden. Die Propaganda
der That hat dort kaum noch Boden, aber es macht sich
dort ein „theoretischer Anarchismus" breit, der, dem Spiel
von Kindern mit Streichhölzern zu vergleichen, nicht ganz
ungefährlich erscheint. Das theoretische Spiel mit der Ver-
nichtung kann fanatisch veranlagte Köpfe zu praktischer Be-
thätigung erhitzen. Ungleich gefährlicher ist der Anarchis-
mus in den romanischen Ländern, Italien, Spanien,
Frankreich, wo er sich zu einer förmlichen Mördcrsekte ent-
wickelt hat, die ohne Rücksicht auf die Person nur tödtet,
um Schrecken zu verbreiten. In Spanien sind es die
Bombenwerfer von Barcelona, die wahllos in einem
Theater oder in einer Prozession viele Unschuldige tödten.
Ju Paris wirft man Bomben in die Kammer oder in ein
Kaffeehaus. Der serbische Gesandte wird angefallen,
Präsident Carnot durch den Italiener Caserio in Lyon
ermordet. Ein zweiter Italiener, Angiolillo, ermordet
den spanischen Ministerpräsidenten Canovas, ein dritter
die arme Kaiserin Elisabeth. Es ist kein Zweifel, daß
man gegen diese Mördersekte und ihre Propaganda des
Schreckens mit außergewöhnlichen Mitteln vorgehen muß,
um sie auszurotten. Sie erklären der menschlichen Gesell-
schaft den Krieg und stellen sich selbst außerhalb der Ge-
setze. Die menschliche Gesellschaft darf verlangen, daß kein
Staat ihnen unbeschränktes Asylrecht gewähre, sie in Ver-
einen und Zusammenkünften ihre Schreckensthaten planen
und vorbereitcn lasse, sondern Ausnahmegesetze für solche
Auswürflinge schaffe. Nicht die Freiheit der Schweizer
selbst will man beeinträchtigen, die ja nicht theilnahmen
an allen diesen Schandthaten, sondern die anarchistischen
Flüchtlinge aus andern Ländern, die ihre wahnwitzigen
Irrlehren ohne Hindrrniß, ohne Controle in der Schweiz
ausbrüten und von dort aus die Propaganda der That
betreiben. Früher war auch in Loudon ein Hauptsitz des
Anarchismus, aber die dortigen Anarchistenklubs sind in
den letzten Jahren durch Spaltungen, vielleicht auch durch
die Geschicklichkeit der dortigen Polizei, zerfallen. Man
bemerkt kaum noch etwas von der anarchistischen Propa-
ganda, die früher von London aus durch Schriftenschmug-
gel in alle Länder und namentlich auch nach Oesterreich
hin betrieben wurde. Was von solchen tschechischen und
deutschen anarchistischen Schriften über London kommt,
das kommt von Chicago, wo sich die Anarchisten zu ver-
schiedenen größeren Vereinigungen angesammelt haben.
Die Hinrichtung von vier ihrer Genossen in Chicago hat
längst die abschreckende Wirkung verloren. In Europa
mißbraucht die Mördersekte das sonst sehr achtenswerthe
Asylrecht der Schweiz. Was man der schweizerischen
Polizei vorwirft, ist nicht, daß sie die Kaiserin nicht ge-
nügend bewachte, da diese nicht bewacht sein wollte, son-
dern, daß man den Mörder nicht bewachte, der als
Anarchist signalisirt worden war. Zwar glaubt man in
Wien nicht, daß er direkte Mitschuldige oder Mitwisser
habe, aber sein anarchistisches Gebühren in Lausanne, die
Auffindung anarchistischer Schriften bei ihm hätten zum
Anlaß genommen werden müssen, ihn, wenn nicht festzu-
nehmen, so doch scharf zu überwachen. Hier könnten inter-
nationale Vereinbarungen und Maßregeln gegen die
anarchistische Pest vorbeugend eingreifen.

Deutsches Reich.
Berlin, 15. September.
— Für das kaiserl. deutsche Gericht in Kiautschon
sind jetzt Laienrichter ernannt worden. Nach der Absicht
der Marineverwaltung soll der Grundsatz der Selbstverwal-
tung auch in allen Zweigen des öffentlichen Lebens im
weitesten Umfang Platz greifen, sobald die nothweudige
Anzahl angesehener kaufmännischer Elemente dort heimisch
sein wird.
— Die demnächst zu Witzenhausen a. d. Werra ins Leben
tretende deutsche Colonialschule, deren Protektorat der
Fürst zu Wied übernommen hat, versendet einen Prospekt, in dem
betont wird, wie es angesichts der täglich wachsende» Aufgaben
des steigenden Wettbewerbs Deutschlands mit anderen Welt-
wirthschaft und Weltpolitik treibenden Staaten immer mehr als
dringendes Bedürfniß empfunden werde, für diese Aufgaben einen
Theil unserer landwirthschaftlichen, kaufmännischen und gewerb-
lichen Jugend besonders auszubilden. Die Colonialschule will in
erster Linie praktische Wirthschafts- und Plantagen-
beamte, Pflanzer, Landwirthc, Viehzüchter und Kaufleute für
die deutschen Colonieen und überseeischen Ansiedelungs-
gebiete tüchtig und vielseitig vorbereiten, damit sie möglichst in
allen Sätteln gerecht werden. Damit soll den jungen Söhnen
unseres Volkes der Ucbertritt und Weg zur praktischen Colonial-
arbeit gebahnt und erleichtert und ihnen zugleich nach dem Vor-
bilde des englischen „Oolomal oollsgs- und der holländischen
„Ackerbauschule für die Tropen" ein Theil der überseeischen Lehr-
zeit erspart werden. Mit dieser praktischen Vorbereitung für
überseeische Arbeit will die Colonialschuleneben den Landwirthen,
Gärtnern und Kaufleuten (ohne Unterschied der Confession) auch
evangelischen Missionsanwärtern dienen, die hierfür das Bedürf-
niß empfinden und vor oder während ihrer früheren Ausbildung
nicht genügend Zeit und Gelegenheit dazu gehabt haben. Auch
Regierungsbeamten, Offizieren und anderen will die Colonial-
schule in gleicher Weise eine erwünschte Einführung in die prak-
tischen Bedürfnisse und Aufgaben des Colonialdienstes bieten.
Die Anstalt ist zunächst für 40 Schüler eingerichtet. Der Lehr-
gang ist der Regel nach zweijährig, doch sind auch fakultative,
abgekürzte Curse zulässig. Schüler im Alter von 17 bis 25
Jahren finden zu Beginn jedes Halbjahres Aufnahme zu einem
jährlichen Lehr- und Pensionspreis von 8 bis 1200 M. tje nach
Ansprüchen wie nach Lage und Einrichtung der Zimmer). Ge-
schäftsführer sind Divisionspfarrer Fabartus und Chemiker Dr.
Popp, beide zu Coblenz.
Prenzlau, 15. Sept. Der Kaiser traf heute
früh 8 Uhr mittels Sonderzuges hier ein und fuhr durch
die mit Flaggen und Laubgcwinden reich geschmückte Stadt
nach dem Marktplatze. Die Schuljugend, die Kriegervereine
und die Schützengilde, die Feuerwehr, alle Gewerke bildeten
in den Straßen Spalier. Auf dem Marktplätze vor dem
Denkmal Kaiser Wilhelms!, hielt der Wagen
des Kaisers. Bürgermeister Mertens richtete an den Mo-
narchen eine Begrüßungsansprache. Der Kaiser erwiderte
darauf in längerer Entgegnung, in der er seiner Freude
darüber Ausdruck gab, Prenzlau zu sehen, das in unserer
vaterländischen Geschichte oft genug genannt worden sei
und in ihr eine gewisse Bedeutung habe. Anders seien
die Zeiten jetzt wie in der Zeit des Niedergangs des
preußischen Staates, die sein hochseliger Großvater, dessen
Standbild nunmehr die Stadt schmücke, mit durcherlcbt
habe. Es seien aber auch jetzt ernste Zeiten, in oenen
genug zu thun bleibe und besonders darauf geachtet wer-
den müsse, daß den Umsturzgelüsten kräftig ent-
gegengetreten werde. Wie nöthig das sei, beweise
das Geschehniß der letzten Tage. Darum sollten
gerade die Bürger, die in dieser Hinsicht viel zu nützen
vermöchten, immer in Treue und mit vollem Vertrauen zu
seiner Person und Regierung halten. Das würde zu ihrem
und'des Vaterlandes Heil gereichen. Der Kaiser sprach
die freudige Genugthuung aus, sich auf die Märker unter
allen Umständen verlassen zu können; er drückte dem
Bürgermeister, für seine Begrüßungsrede dankend, herzlich
die Hand.

„Wie kannst Du nur so etwas sagen!" rief Ernst mit be-
leidigter Miene. „Ich gönnte diesem abgearbeiteten Abiturien-
ten wahrhaftig, daß er für eine Zeit raste. Weiß selbst, wie's
thut, habe freilich immer bei Deinen Fleischtöpfen gesessen,
Mütterchen." Er streichelte ihr die Hand.
„So knapp wie bei der Frau Sophie Petermann ist es bei
uns allerdings nie gewesen, wenn wir es auch nicht so reich-
lich hatten, wie jetzt. Aber eben deshalb soll der Junge
kommen und es gut bei uns haben."
„Von Herzen gern, Mutter, aber wie willst Du das denn
cnstellen?"
„Nun ich sag' es Dir ja, ich sende das Telegramm und an
dem Tage, für den Herr Ludwig Petermann seine Ankunst
angemeldet hatt, schicken wir den Wagen an die Station und
lassen ihn abholen, ich werde ihm noch ein Erkennungszeichen
angeben."
„Wäre es nicht doch besser, Du schriebest?"
„Nein, nein! Keine lange Auseinandersetzung vorher.
Haben wir ihn hier oben, dann sag' ich ihm: „Mein lieber
Sohn, ich heiße nicht Frau Bertha, sondern Frau Luise
Müblenbruch und mein Sohn da ist nicht Ihr Spielgefährte
Willy, sondern der Dr- Ernst Müblenbruch, im übrigen macht
das aber gar keinen Unterschied, ich werde Ihnen den Zu-
sammenhang später erklären, Sie sind unser lieber Gast und
uns herzlich willkommen. Gehen Sie jetzt auf Ihr Zimmer,
schütteln Sie den Reisestaub ab und dann kommen Sie zu
Tische. Ach das wird ein köstlicher Spaß!"
Frau Mühlenbruch schlug in die Hände, lachte über das
ganze Gesicht und dabei traten ihr doch die Thränen in die
Augen.
Ernst ergriff ihre Hand, drückte sie an seine Lippen und
sagte gerührt: „Meine gute, gute Mutter! Ich möchte noch
selbst hinunter an die Station, um das Telegramm zu bestellen."
„Nein", entgegnete Frau Müblenbruch, „heute nicht mehr,
da würden meine armen Petermanns vielleicht bei nacht-
schlaseneer Zeit herausgepocht, aber morgen mit dem Frühesten
soll cs hinunter. Ach, wie freue ich mich! Ich will den

Burschen füttern, daß ihn seine eigene Mutter nicht wieder
erkennt. Ich danke Dir, mein Sohn, daß Du es mir erlaubst."
Dr. Mühlenbruchs hübsches Gesicht verfinsterte sich. „Thue
mir das doch nicht immer an, Mutter," sagte er mit einem
Ausflug von Ungeduld. „Was mein ist, ist Dein!"
„Laut Tante Bertha's Testament bist Du der Erbe von
Wilüenstein."
„Das weiß ich, dadurch ist aber keineswegs ausgeschlossen,
daß Du hier als gebietende Schloßherrin waltest."
„Bis Du eine solche heimsührst und ich mich auf mein
Altentheil zurückziehe."
Ernst Mühlenbruch lachte jetzt lustig auf. „Da wären
wir ja wieder bei unserem Hauptthema angelangt! Warum
Du mich nur mit aller Gewalt verheirathen willst, Mütterchen ?"
„Damit Du mir nicht ein alter, verknöcherter Junggeselle
wirst, das schrecklichste und gleichzeitig das beklagenswertheste
Geschöpf, das ich kenne!"
„Habe ich denn so starke Anlage dazu?" neckte der Sohn
und fügte, ohne ihr Zeit zur Antwort zu lassen, hinzu: „Jeden-
falls bat es bis dahm noch lange Zeit und für den Augenblick
fühle ich mich gar zu behaglich unter Deinen Fittigen, um
mir anderes zu wünschen."
Sie lächelte geschmeichelt, sagte aber kopfschüttelnd: „Das
mag für die Gegenwart ganz schön sein, Ernst, aber später,
später! Es giebt hier mehrere angesehene Familien mit
Töchtern in der Umgegend, Du solltest Besuche machen, Um-
schau halten, wir —"
„Ich bitte Dich, Mutter, gönne mir doch die paar Monate
Sommerruhe, soll ich mich denn selbst als jagdbares Wild
den geehrten Herrschaften präsentiren!"
„Du bist unverbesserlich," schmollte sie. „Ich sehe schon,
ich werde die Sache in die Hand nehmen müssen."
„Thue das, Mutter!" lachte er übermüthig, „aber thue es
auch gründlich. Bringe mir ein junges hübsches Mädchen,
bescheiden, anspruchslos, gebildet, unverdorben hierher auf
Wildenstein, so daß ich sie im täglichen Verkehr kennen und
lieben lerne und keinerlei Umstände und Unbequemlichkeiten
von meiner Werbung habe —" (Fortsetzung folgt.)
 
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