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Heidelberger Zeitung — 1898 (Juli bis Dezember)

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Nr. 203 - 228 (1. September 1898 - 30. September 1898)
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https://doi.org/10.11588/diglit.42070#0305

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Telephon-Anschluß Nr. 82.

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Telephon-Anschluß Nr. 82.

Xr. 222.

Freitag, den 23. September

1888.

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werden bei allen Postanstalten, den Briefträgern, den
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an erfolgen kann und die bei verspäteter Bestellung ein-
tretenden Störungen vermieden werden.
Weiteres aus den Veröffentlichungen von Busch.
Zur Geschichte des Jahres 1866 bringt das Busch-Bismarck-
Tagebuch folgenden Beitrag: Bismarck erzählte dem Heraus-
geber: „Ungefähr 14 Tage vorher schickte ich Gablenz, den
Bruder des Generals, zum Kaiser nach Wien mit Vorschlägen
zum Frieden auf einer dualistischen Basis. Ich tnstruirte ihn, her-
vorzuheben, daß wir 700000 bis 800000 Mann unter den Waffen
hätten, die Oesterreicher ebensoviel. Es wäre besser für uns
beide, zu einer Verständigung zu gelangen und einen
Frontwechsel gegen Westen vorzunehmen, unsere Kräfte im Augen-
blick auf Frankreich zu vereinen, Elsaß wieder zu erobern und
Straßburg zu einer Bundesfestung zu machen. Die Franzosen
seien schwach im Vergleiche zu uns. Es gebe zwar keinen ge-
rechten Grund zum Kriege, aber wir könnten den anderen Mächten
sagen, daß Frankreich auch ungerecht handelte, als es Elsaß und
Straßburg nahm, von woher es seitdem fortgesetzt Süddeutsch-
land bedroht habe. Wenn wir diese Gabe den Deutschen bringen
könnten, würden sie unseren Dualismus annehmen. Die Oester-
reicher fällten dann im Süden herrschen und den Oberbefehl des
7. und 8. Armeekorps haben, während wir das 9. und 10. Korps
kommandiren und im Norden das oberste Bundeskommando haben
sollten. . . . Der Dualismus ist eine sehr alte Institution, fo alt
wie die Ingäwonen und Jstäwoncn, wie die Welfen und Waib-
linger. . . . Gablentz unterbreitete seinen Vorschlag dem Kaiser,
der nicht abgeneigt schien, darauf einzugchen, aber erklärte, er
müsse die Ansichten des Ministers der Auswärtigen Angelegen-
heiten, Meusdorfs, hören. Dieser indeß war eine schwachgeistige
Mittelmäßigkeit, unfähig für Gedanken solchen Kalibers; er sagte
seinerseits, er müsse erst einen Ministerrach halten. Die Minister
neigren zum Krieg gegen uns. Der Finanzminister sagte, er
glaube, sie würden uns schlagen, und er müsse zu allererst eine
Kriegsentschädigung von SOO Millionen von uns erlangen, oder
eine gute Gelegenheit, die Insolvenz des Staats zu erklären. So
kehrte Gablenz zurück, und einen oder zwei Tage später brachen
der König und ich nach dem Kriegsschauplatz auf."
Zu diesen Ausführungen, die von der Centrumspresse mit
scheinheiliger Miene, aber mit großem Behagen ausgeschlachtet
und als sensationelle Enthüllung bezeichnet werden, bemerkt ein
Mitarbeiter des Schwäb. Merk.: Die Angelegenheit ist, abgesehen
von anderen Mittheilungen, bereits in Sybels „Begründung des
Deutschen Reiches", 4. Band, sehr eingehend behandelt, selbst
bis auf die kleinen pikanten Züge, wie die Erklärung des Finanz-
ministers Grafen Larisch, daß er für Oesterreich binnen drei
Monaten eine preußische Kriegskontribution von SOO Mill, oder
Einen anständigen Bankerott auf Grund des Kriegs bedürfe.
Aur ist die Darstellung Sybels ungleich präziser, sauberer und
inhaltsreicher. Aber freilich, dasjenige, was die Centrumspresse
"iso große Aufregung verletzt, wird von dem berühmten Historiker
wcht berichtet. Busch stellt nämlich die Sache so dar, als habe
Bismarck die österreichische Regierung durch Gableuz gleichzeitig
wrt dem Vorschläge der dualistischen Basis zu einem gemeinsamen
^iege gegen Frankreich zum Zweck der Rückeroberung des Elsasses
?ufgefordert. Wer die, bekanntlich auf vollständiger Keuntniß
vis archivalischen Materials beruhende Sybel'sche Erzählung auf-
hwrksam liest, kann keinen Augenblick zweifelhaft sein, daß er es
m der Darstellung Buschs mit einem Erzeugniß der freien
Bhanlasie zu thun hat. Zunächst entstand die Mission Gablenz
barnicht der Initiative Bismarcks. Baron Anton Gablenz, ein
Kruder des österreichischen Generals und Slatthaliers in Holstein,
vatte den Vermtttlungsvorschlag, wahrscheinlich im Zusammen-
^ge mit seinem Bruder, der Manteuffel gegenüber diesen Ge-

8)

Mein Ludchen.
Erzählung von F. Arnefeldt.
(Fortsetzung.)
Es waren schöne inhaltreiche Stunden, die beide am Kla-
Lwr zubrachten, wo sie vierhändig spielten oder Ludovica des
Doktors wohlgeschnlte Baritonstimme begleitete, oder wenn
w x ""d der Mutter vorlas und sich an das Gelesene Ge-
wrachx knüpften, die sehr belebt werden konnten, denn das
untauglich sehr schüchterne junge Mädchen entwickelte bald
ik^ .überraschende Selbständigkeit des Urtheils und wußte
<LVe Meinung bescheiden, aber mit Sicherheit zu Vertheidigen.
Aem Doktor bereitete aber gerade dieses Auftreten so viel
Zfrgnügen, daß er, um es hervorzurufen, nicht selten einen
Streitfall in die Unterhaltung warf. Allerdings las und
^wijlrte man nicht immer, sondern machte Ausfahrten und
Mziergänge in die Umgegend und noch wohlthuender als
ein "^rührte Ludovica's ungeheucheltes, echtes Entzücken an
^alle^n tur- sich zum erstenmale vor ihr ent-
s^,.(Ar die junge Lehrerin gesehen hätte, als sie zaghaft und
M-ifhtern auf dem Bahnsteig in Kahla stand und nach dem
iy/jAu ausschaute, der ste nach Wildenstein bringen sollte,
hab- kaum in der gutgekleideten Dame wieder erkannt
Sem an einem warmen, klaren Nachmittag zu Anfang
q. memder neben der Frau Bürgermeisterin an dem auf dem
Mu hergerichteten Kaffeetisch saß.
stbl^- schien gewachsen zu sein, in Wahrheit hatte ihre Über-
bai?-»^ Gestalt nur eine sie sehr wohlkleidende Fülle erhalten,
siib , "llzu schmalen Wangen sich lieblich gerundet und
son'^» wie bie blassen Lippen sanft geröthet; ganz be-
ein Auge hatte aber ein Leben, einen Ausdruck und
sonl>°^^ erhalten, wodurch das Gesicht nicht nur anziehend,
"AM bedeutend erschien.
Er^ Frau Bürgermeisterin war nicht wenig stolz auf die
«ckueomffe ihrer guten „Fütterung", die sie auch in anderer
Eve zu unterstützen verstanden hatte- Sie war unerschöpf-

danken aussprach, auf eigene Hand ersonnen und war damit
zuerst an den österreichischen Minister Grafen Mensdorff heran-
getreten. Dieser hatte ihn an Bismarck geschickt, welch' letzterer
zwar behutsam, jedoch bereitwillig auf diesen letzten Versuch einer
friedlichen Lösung etnging. Der von ihm mit Gablenz zusammen
redigirte Vorschlag, den letzterer alsdann nach Wien überbrachte,
beschränkte sich auf die schleswig-holsteinische und die deutsche
Frage. Daß Bismarck in seinen Unterredungen mit Gablenz
von der Möglichkeit eines Krieges der vereinigten deutschen
Mächte gesprochen hat, erscheint nicht ausgeschlossen. Denn eben
damals — es war in den ersten Tagen des Mat — trat die
französische Begehrlichkeit sehr unverhüllt an ihn heran, eine Be-
gehrlichkeit, die er entschlossen war, nicht zu befriedigen. Aber
sicherlich hat er Gablenz nicht mit einem solchen Vorschlag an die
Wiener Regierung beauftragt. Denn Oesterreich war es, das
Napoleon Anerbietungen gemacht hatte, infolge deren dieser, da
er lieber mit Preußen abschließen wollte, dem preußischen Ge-
sandten unverblümt das Ansinnen der Abtretung des linken
Rheinufers stellte. Angesichts dieser Sachlage würde ein
Btsmarck'scher Kriegsvorschlag der erwähnten Art lediglich im
Handumdrehen das österreichisch-französische Bündniß perfekt ge-
macht haben. Wie Busch zu seiner Darstellung gekommen ist,
kann dahingestellt bleiben. Für seine historische Genauigkeit nur
dies eine Beispiel: Er läßt Bismarck sagen: „So kehrte Gablenz
zurück, und einen oder zwei Tage später brachen der König und
ich nach dem Kriegsschauplätze auf". In Wirklichkeit war die
Mission Gablenz Ende Mat gescheitert, und der Aufbruch nach
dem Kriegsschauplatz erfolgte einen vollen Monat später, am
30. Juni!
Im Jahre 1879 gab es die bekannte Verstimmung zwischen
Deutschland und Rußland. Auch hierüber hat Busch
Bismarck'sche Aeußerungen verzeichnet. Bismarck sagte dazu ein-
mal, indem er auf die russischen Jntriguen, die unter Gortscha-
kows Regime spielten, hiudeutete:
„Das kommt hauptsächlich von des Kaisers Schwärmerei für
Rußland. Ich bin auch russisch in meinen Sympathien, aher
nicht so blindlings wie der Kaiser, der, seinen Bruder, Prinz Karl,
und Prinzessin Alexandrine ausgenommen, in dieser Hinsicht am
Hofe ganz allein steht. Er sieht und hört nichts, und kein Argu-
ment und kein Beweisstück macht irgend welchen Eindruck auf
ihn. Er ging nach Alexandrowa, obwohl ich wiederholt und in
der bestimmtesten Weise dagegen protestirte. Sie treffen ungeheure
Vorbereitungen in Rußland, sie haben die Armee um 400000
Mann, soviel wie die deutsche Armee auf dem Friedensfuße stark
ist, vermehrt. Sie können jetzt 24 neue Divisionen in das Feld
stellen, das sind 12 Armeekorps. Und eine Masse Kavallerie
steht an der Wcstgrenze, die in 3 Tagen sich über uns ergießen
könnte. Die Berichte sind zuverlässig, und der Kaiser ist mit den
Thatsachen bekannt, aber er will sie nicht glauben. In Alexan-
drowa haben sie ihm mit sentimentalem Geschwätz und mit Er-
innerungen an die Königin Luise den Kopf verdreht, so daß er
die Gefahr nicht sieht und nichts mit ihm anzufangen ist. Und
doch ist es so klar! Gegen wen sind denn die Rüstungen be-
absichtigt? In Petersburg sagt man, Konstantinopel müsse auf
dem Umwege über Berlin erobert werden. Andere sagen, die
Straße führe über Wien, aber Wien müsse über Berlin erreicht
werden. Wir müssen uns darum nach Unterstützung umsehen,
und die Richtung, wo sie zu finden ist, ergibt sich von selbst. Der
vernünftige Theil der 42 Millionen Deutschen würde ein gutes
Einverftändniß mit Rußland sowohl wie mit Oesterreich vor-
ziehen. Aber wenn man genöthigt ist, zwischen beiden zu wählen,
dann weist Alles auf Oesterreich: nationale Erwägungen und
andere. In diesem Lande sind einige 9 oder 10 Millionen
Deutsche, und die Ungarn sind auch entschieden auf unserer Seite,
und die Tschechen — mit Ausnahme von einem Duzend Unver-
söhnlicher, die aber nicht von Belang sind — sind wenigstens ab-
geneigt, russisch zu werden. Aber nehmen wir einmal an, Oester-
reich wäre ein rein slavischer Staat. Rußland ist selber stark
genug, und wir können ihm keine große Hilfe sein. Oesterreich
ist der Schwächere van den beiden und zugleich doch ein werth-
voller Verbündeter, und wir können ihm eine große Hilfe sein.
Es kann uns auch in seiner Friedenspolitik stärken. Wenn wir
geeinigt sind, mit unseren 2 Millionen Soldaten Rücken an
Rücken, daun werden die mit ihrem Nihilismus sich sicher zwei-
mal besinnen, ehe sie den Frieden stören. Die Idee einer solchen
Allianz ist von den deutschen Fürsten sehr günstig ausgenommen
und in England ist man auch ganz damit einverstanden."

Deutsches Reich.
Berlin, 23. September.
— Wir führten neulich eine Aeußerung der sozial-
demokratischen Arbeiterzeitung in Dortmund an, die

sich im Herbeffuyren von Gelegenheiten gewesen, die eS ipr
ermöglichten, Ludovica zu beschenken, ohne daß diese sich da-
gegen wehren oder sich verletzt fühlen konnte. Heute fuhr
man nach Rudolstadt, morgen nach Jena, und bei solchen
Gelegenheiten wurden Einkäufe gemacht, dann war es eine
Wette, dann ein Vielliebchen, das sie an ihren Gast verlor,
und dann kam sie auch wieder einmal und sagte: Sie dürfen
es mir nicht abschlagen, ich habe dies oder das Stück unter
meinen Sachen gefunden, das sich für mich alte Frau nicht
mehr schickt und ordentlich nach einer jungen Besitzerin schreit."
Auf diese Weise war es der guten Frau gelungen, Lu-
dovica's sehr bescheidene Toilette in bedeutendem Maße auf-
zubessern; sie hätte aber dock weniger klug und eine weniger
feine Beobachterin sein müssen, wenn sie sich nicht gesagt
hätte, daß diese Äußerlichkeiten, daß diese gute Pflege, ja daß
selbst die geistige Entfaltung nicht im Stande gewesen sein
würde, ihren jungen Gast so zu verwandeln, wäre nicht noch
etwas anderes hinzugekommen. Aber wiederum war sie klug
und gut genug, nicht daran zu rühren, sondern still blühen
und reifen zu lassen, was unter ihren Augen emporwuchs.
Nur eins vermochte die Mutter sich nicht zu versagen, sie
sprach oft und gern mit Ludovica von ihrem Sohn, und er
war auch jetzt wieder der Gegenstand ihrer Unterhaltung ge-
wesen, während er mit dem Inspektor über die Felder geritten
war und die beiden Frauen für einige Stunden sich selbst
überlassen hatte.
Frau Mühlenbruch hatte soeben sich darüber ausgelassen,
daß es ihr doch besser scheine, Ernst hänge den Juristen an
den Nagel und widme sich ganz der Bewirthschaftung seines
Gutes. „Wie denken Sie darüber, Ludovica?" fragte sie nun
ganz unvermittelt.
Eine beiße Blutwelle ergoß sich über des jungen Mädchens
Gesicht, sie beugte sich herab und zerkrümelte ein Stück Kuchen,
das sie den Spatzen zuwarf, und sagte mit einem leichten
Seufzer: „Ach, wie kann ich das? Weiß ich mir doch selbst
nicht zu rathen. Sie wissen, mir ist eine Schulstelle in Nakel
angeboten und außerdem eine Stelle als Erzieherin auf dem
Lande."

angesichts der schändlichen Ermordung der Kaiserin von
Oesterreich die Einführung der Prügelstrafe gegen
Anarchisten für diskutirbar erklärte. Der Vorwärts
traute seinen Augen kaum, als er das gelesen hatte, und
sprach von peinlichem Aufsehen, das diese „Tactlofigkeit"
hervorgerufen habe. Mit diesem oberherrlichen Verweise
hat sich das Dortmunder Blatt aber nicht einschüchtern
lassen, sondern es kommt wieder in folgender Ausführung
auf die Angelegenheit zurück. „Wenn", so sagt es, „Prü-
gel wirklich zur Verhinderung von Mordthaten dienen, so
sind sie berechtigt. Der Gewinn, den die Prügel bringen,
übersteigt dann den Schaden, den sie anrichten, bei weitem.
Die entgegengesetzte Ansicht» halten wir für verbohrte Prin-
zipienreiterei. Es kommt also darauf an, ob Prügel wirk-
lich einen Mord zu verhindern geeignet sind. Diese Frage
bejahen wir, soweit es sich um anarchistische Morde han-
delt. So ziemlich alle anarchistischen Attentäter sind von
einer unsinnigen Ruhmsucht erfüllt gewesen. Diese war
ein wesentlicher Beweggrund der That. Solche Herostrate
helfen Ordnungsblätter züchten, die sich mit den Bildern
der Mörder „schmücken". Prügel aber entehren, sie befrie-
digen nicht die Ruhmsucht, sondern bewirken das gerade
Gegentheil; sie machen einen Menschen zum Gegenstand
des Spottes und der Verachtung, wenigstens wenn sie auf
Befehl einer mit Ansehen umkleideten Stelle, der Justiz,
ertheilt werden. Wenn auch einige Anarchisten so verdreht
sein könnten, ihre Hiebe als einen Grund des Stolzes
hinzustellen, so wird das Urtheil der übrigen Menschen
diese Anschauung sicher ersticken. In solchen Dingen regiert
das gemeinschaftliche Urtheil der Einzelnen." Der Vor-
wärts ist von dieser erneuten „Tactlofigkeit" natürlich noch
weniger erbaut.
— Der Geh. Commerzienrath Kröner in Stuttgart
hat, dem Schw. Merk, zufolge, gegen Dr. Moritz Busch
wegen der Veröffentlichung seines neuesten Werkes eine
Klage wegen Contractbruches anhängig gemacht.
— Die preuß.-h essische Eisenbahnbetriebs-
gemeinschaft hat für die ersten 5 Monate des laufen-
den Etatsjahres eine Einnahme von 523,3 Millionen Mark
oder 31,5 Millionen mehr als im gleichen Zeiträume des
Vorjahres ergeben.
— Aus Sansibar wird der Franks. Ztg. geschrie-
ben, daß man dort glaube, das deutsch-britische
Uebereinkommen, von dem gegenwärtig die Rede sei,
beziehe sich auch auf Sansibar. Es habe den Anschein,
als wolle England sich zu Gunsten Deutschlands aus
Sansibar zurückziehen. Thatsache sei, daß die Engländer
seit etlichen Monaten alle von ihnen auf Sansibar be-
gonnenen Straßen- und Leuchtthurmbauten unvollendet
gelassen, gewissermaßen deren Beendigung aufgegeben haben,
als wenn sie ein Interesse an der Fertigstellung dieser
Unternehmungen nicht mehr besitzen. Es wird sich em-
pfehlen, dieser Meldung der Franks. Ztg. gegenüber die
größte Zurückhaltung zu bewahren. Schön wäre es ohne
Zweifel, wenn Deutschland nun doch noch Sansibar er-
würbe. Erinnert sei daran, daß der letzte Sultan von
Sansibar, Seyid Ali Bin Said, zur Zeit auf deutsch-
ostafrikanischem Territorium lebt, wohin er sich nach der
Beschießung Sansibars durch die Engländer an Bord eines
deutschen Schiffes gerettet hatte.
Baden. Von einem Herrn, dem es vergönnt war,
während der letzten Manövertage bei Donaueschingen in
nächster Umgebung unseres Großherzogs zu weilen,
wird der Kraichg. Ztg. von der Lebensweise und Thätig-
keit des nunmehr im 73sten Lebensjahre stehenden Fürsten
eine Schilderung gemacht, welche seine körperliche Rüstig-
„Jch würde mich in Jyrer Stelle für die letztere ent-
scheiden, das Leben außerhalb der Stadt sagt Ihnen ent-
schieden zu," entgegnete die Frau Bürgermeisterin munter»
und Ludovica erröthete noch tiefer und stammelte:
„Ach, es wird nicht überall sein wie hier- Außerdem habe
ich meine Mutter in Nakel und —"
„Da kommt Ernst," unterbrach sie Frau Mühlenbruch, auf
Schritte lauschend, die ste im Vorzimmer zu vernehmen glaubte,
und Ludovica empfand ein Herzklopfen, das ihr den Athem
raubte. Wenige Minuten später trat der Doktor ein, und
während das junge Mädchen mit nicht ganz sicherer Hand
eine Tasse Kaffee eingoß und darbot, erzählte ihm die Mutter,
was sie soeben mit Ludovica über deren Zukunft gesprochen,
und forderte ihn auf, seine Meinung zu sagen.
Dr. Mühlenbruch lehnte sich in den Stuhl zurück, setzte
die Tasse und den Topf, aus dem er sich Sahne in den Kaffee
gießen wollte, auf den Tisch zurück und schaute schweigend,
aber doch mit einem beredten Ausdruck bald auf das junge
Mädchen, bald auf die Mutter, und die letztere, die doch seine
Entscheidung angerufen, schien jetzt gar nicht mehr gespannt, ste
zu hören. Es fiel ihr plötzlich ein, daß ste eine notwendige
Bestimmung in der Küche zu treffen hatte und sie verlieb
eilig das Zimmer; Ludovica wollte ihr folgen, aber Ernst
legte leicht die Hand auf den Arm und hielt ste zurück.
„Wofür möchten Sie sich entscheiden?" fragte er und da
sie mit der Antwort zögerte, fügte er hinzu: „Sie scheinen
noch unentschlossen zu sein, da möchte ich Ihnen eine Stelle
Vorschlägen, vielleicht entscheiden Sie sich für diese."
„Sie," fragte sie sehr erstaunt, „Sie hätten eine Stelle
für mich, Herr Doktor?"
Er nickte.
„An einer Schule oder in einem Privatbause?"
„In einem Privathause."
„Bei Bekannten von Ihnen?"
„Der Herr, der sie Ihnen bietet, ist ein sehr, sehr guter
Bekannter von mir und es handelt sich um die Erziehung
eines Knaben."
 
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