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Heidelberger Zeitung — 1898 (Juli bis Dezember)

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Nr. 203 - 228 (1. September 1898 - 30. September 1898)
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https://doi.org/10.11588/diglit.42070#0314

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und Zubilligung des Prädikats „Herr" an Unterbeamte '
bei Zustellung amtlicher Schriftstücke.
— Dem voreiligen Eifer, mit dem die sozialdemokra-
tische Rhein.Westf. Arbeiterztg., um ihrem tiefstenfAbscheu
gegen alles anarchistische Wesen Ausdruck zu geben, die
eventuelle Anwendung der Prügelstrafe gegen An-
archisten empfohlen hatte, folgt die Strafe auf dem
Fuß. Das Berliner Centralorgan der Sozialdemokraten
sandte ein paar kalte Wasserstrahlen nach Dortmund und
die haben gewirkt. Der Verantwortliche Redacteur der
Rhein. Wests. Arbeiterztg. beeilt sich, jede Gemeinschaft mit
den Ausführungen des Prügelstrafen-Artikels zu verleugnen.
— Dem Oberbürgermeister Zelle von Berlin, der am
1. October d. I. in den Ruhestand tritt, ist seitens der Stadt-
verordnetenversammlung der Reichshauptstadt eine Pension von
20000 Mk. bewilligt worden.
— Wie das Reuter-Bureau erfährt, ist die Nachricht
über eine beabsichtigte Abtretung Sansibars an
Deutschland unbegründet.
— Wie schon so viele seiner Vorgänger mußte auch
am Dienstag der Fettviehmarkt in Beuthen
(Oberschl.), da kein Auf trieb vorhanden war, ausfallen.
— In Kiautschou findet am 3. October der erste
öffentliche Landverkauf statt. Der Berliner Firma Selberg
und Schlüter ist die Ausführung der ersten Verwaltungs-
gebäude übertragen worden, auch Chausseen werden sofort
in Angriff genommen werden.
Breslau, 24. Sept. Heute Vormittag '/z12 Uhr
sand die Trauung der Prinzessin Theodora von
Sachsen-Meiningen, Schwestertochter des Kaisers, mit dem
Prinzen Heinrich XXX. von Reuß jüngerer
Linie statt. Vorher war im Kommandanturgebäude die
standesamtliche Eheschließung durch den Herzoglich Meiningen-
scheu Minister Heim vollzogen worden. Der Trauung
wohnten bei: Die Eltern der Braut, Ihre Majestäten die
Kaiserin Friedrich und der König von Sachsen, das Groß-
herzogspaar von Hessen, Prinz und Prinzessin von Schaum-
burg-Lippe, sowie die Spitzen der Militär- und Civil-
behörden.
Baden. Karlsruhe, 23. Sept. Wenn es sich be-
wahrheitet, daß gegen den Jahresschluß ein Mitglied des
Ministeriums des Innern in den Verwaltungsgerichtshof
als Kollegialmitglied ernannt wird, so dürfte nach dem
Schw. Merk, die Neuernennung in dem Ministerium auf
einen Bezirksbeamten fallen, der jetzt schon neben dem neu
ernannten Ministerialrath Straub genannt wurde. Straub
gehörte bekanntlich in der 2. Kammer der nationalliberalen
Partei an, und war eines ihrer arbeitsfreudigsten Mit-
glieder. Die gegnerischen Blätter wußten gelegentlich
von kleinen parlamentarischen Verstimmungen zwischen dem
Abgeordneten für Meßkirch-Stockach und dem Minister des
Innern zu reden, mit nicht zu verkennender Absicht. Die
jetzt erfolgte Berufung in das Ministerium legt den Werth
dieser parlamentarischen Betrachtungen ziemlich drastisch
dar. — Die sonstigen gestern verkündigten Verschie-
bungen und Ernennungen sind ohne politischen Be-
lang. Die Amtsvorstände erhalten in den letzten Jahren
nach längerer Dienstzeit den Titel als Geh. RegierungS-
Räthe, die Mitglieder des Ministeriums des großherzog-
lichen Hauses, der auswärtigen Angelegenheiten und des
Eisenbahnwesens den Titel „Leg.-Rath" und „Geh. Leg.-
Rath", der ursprünglich dem Ressort der auswärtigen An-
gelegenheiten ausschließlich angehörte, auch dann, wenn sie
sich nur mit dem Eisenbahnwesen beschäftigen. Da diese
etwas langen Titel, wie noch mehr jene der Geh. Ober-
Reg.-Räthe und der Geh. Oberfinanz-Rüthe doch nicht in
der Umgangssprache ohne einige Langweiligkeit und Zungen-
gefährdung gebraucht werden können, so hat sich auch in
unserem guten süddeutschen Baden allmählich die Uebung
herausgebildet, die also titulirten Herren kurzweg als Ge-
heime Räthe anzureden. Wieder eine Verbrüderung mit
dem Norden, eine Art von Beamtenkitt! Wirkliche Geh.
Räthe, d. h. Excellenzen, sind auch bei uns nur die Geh.
Räthe I. Klasse, daneben gibt es aber auch noch solche 2.
und 3. Klasse. Die beiden letzten Kategorien sind immer-
hin noch wirklichere Geh.Räthe als die vorgenannten völlig
unwirklichen, die sich des Vorzugs der Titelabkürzung er-
freuen.
L. X. Karlsruhe, 25. Sept. Wie dem Bad.
Nachr.-Bureau von kompetenter Seite mitgetheilt wird,
beruhen die gegenwärtig in der Presse verbreiteten Gerüchte
über einen Rücktritt des Staatsministers Dr. Nokk voll-
ständig auf Erfindung. Ebenso entbehren auch die immer
noch in Umlauf befindlichen Meldungen, welche der Ur-
laubsreise des Ministers v. Brauer nach Italien einen
polititschen Zweck unterschieben, jeder Begründung. Herr
v. Brauer befindet sich nur zu seiner Erholung in
Italien.
L. 6. Karlsruhe, 25. September. Die öffentliche
Bauarbeiterversammlung, die heute Vormittag im
„Auerhahn" Hierselbst stattfand, war, wie der anwesende Maler
Kolb seststellte, nur von etwa 1 Proz. der Arbeiterschaft besucht
und daher trotz der zur Annahme gelangten Protestresolution
gegen die Regierungserklärung bezüglich der Schäden im Bau-
gewerbe ziemlich bedeutungslos. Trotzdem darf nicht verkannt
werden, daß der Tagesredner Maurer Josef Kraus aus
Mannheim vielleicht manche thatsächlich vorhandene Mißstände
zur Sprache gebracht hat. Er tadelte vor allem den Mangel an
jedem Schutz gegen Witterungsunbilden während der Arbeits-
pausen und die mangelnden technischen Maßregeln gegen Unfälle.
Wenn in einem Jahre von 900000 Bauarbeitern 34000 verun-
glücken, so sei das ein Beweis dafür, daß die Vorkehrungen zum
Schutze der Arbeiterkuochen noch nicht hinreichend seien. Maurer
Gültling meinte, die Arbeiter sollten die Behörden wahrheits-
gemäß unterrichten und selber Hüter der Gesetze sein, woraus
Kolb gerade die Nothwendigkeit einer Organisation herleitete,
da der Einzelne bei wahrheitsgemäßen Berichten an die Be-

zeigen. Was man von ihnen gestern sah und hörte, erweckte in
dieser Hinsicht ein für sie günstiges Vorurtheil. Frl. Sander
gab in Ton und Geberde eine erheiternd wirkende Tante Kalmus.
So dürfen wir nach der gestrigen 15000 Mark-Leibrente
hoffen, daß uns in dieser Theater-Saison eine recht ansehnliche
Rente an Genuß und Unterhaltung zur Verfügung stehen wird.
U.

Hörden seine Stellung gefährde. Zum Schluß wurde die Reso-
lution angenommen, worin die Regierungserklärung zurückge-
wiesen und die Nothwendigkeit einer Organisation betont wird.
Elsaß-Lothringen. Metz, 24. Sept. Der Groß-
herzog von Baden traf um 5^ Uhr Abends vom
Manöver des XVI. Armeecorps bei Sierck hier ein und
stieg im „Europäischen Hof" ab. Um 7*/, Uhr begab
sich der Großherzog zur Tafel in das Offiziercasino des
Offiziercorps des bayerischen 8. Infanterieregiments „König
Johann von Sachsen", wo nach 9 Uhr die Musikcorps
der hier in Garnison stehenden bayerischen Truppen den
Zapfenstreich darbringen. Der Großherzog verweilt morgen
noch hier.
Preußen. In der Volkszeitung liest man Folgendes:
Das Domstift in der Stadt Naumburg wird als
nicht zur Stadtgemeinde gehörig angesehen. Die städti-
schen Behörden von Naumburg verlangten vor Jahresfrist
die Einverleibung des Domstiftes in die Stadtgemeinde und
der Oberbürgermeister Kraatz legte in einer Denkschrift dar,
daß die Sonderstellung des Domstifts für die Stadt einen
jährlichen Verlust von 45 000 Mk. bedeute. Nunmehr ist
das Domstift als selbstständiger Gutsbezirk anerkannt und
der in Naumburg residirende Domherr, General der Artill.
z. D. v. Voigt-Rhetz zum Gutsvorsteher ernannt worden.
So liegt mitten in der Stadt Naumburg ein selbstständiger
GutLbezirk, der aus dem Dome und den „Curien", d. h.
den Wohnhäusern und Gärten der Domherren, sowie aus
einigen Beamtenwohnungen besteht. Die Bewohner dieses
Gutsbezirkes brauchen keine Communalsteuern zu zahlen,
denn die communalen Bedürfnisse des Gutsbezirks werden
durch die Einkünfte des Domstifts gedeckt. Domherren
von Naumburg sind außer Herrn v. Voigt-Rhetz noch die
früheren Staatsminister, jetzigen Oberpräsidenten v. Putt-
kamer und v. Bötticher. Sie beziehen aus diesem Ver-
hältnisse erhe blich Einkommen ohne irgend welche besondere
Gegenleistungen._
Aus der Karlsruher Zeitung.
— Durch zahlreiche Zeitungen geht die Mittheilung, daß
auf 1. October d. I. eine Aeuderuug der Bestimmungen über die
Beförderung von Fahrrädern bei den Großh. Bad.
Staatseisenbabnen eintreten soll. Wir sind in der Lage mittheilen
zu können, daß diese Angabe der Begründung entbehrt.

Ausland
Schweiz. Bern, 24. Sept. Die Namen der vom
Bundesrath ausgewiesenen Anarchisten werden
voraussichtlich erst in einigen Tagen veröffentlicht. Unter
den Ausgewiesenen befinden sich Personen, die erst ermittelt
und verhaftet werden müssen, bevor die Ausweisung bewerk-
stelligt werden kann. Die Listen sind den Cantonsregie-
rungen mit den erforderlichen Anordnungen über die
Durchführung der Ausweisung zugegangen.
Frankreich. Paris, 24. Sept. Zu einer in dem
hiesigen Stadtviertel Clignancourt anberaumten Ersatz-
wahl für den Gemeindcrath will eine bedeutende Wähler-
gruppe Picquart als Kandidaten aufstellen.
Paris, 24. Sept. Heute sind Plakate, die mit dem
Porträt des Herzogs von Orleans versehen sind,
angeschlagen worden, die nach Art der Buchhändler-An-
zeigen die Ankündigung enthalten, daß demnächst der
Herzog von Orleans erscheinen werde.
Paris, 24. Sept. Clömenceau erzählt in der Au-
rore, Henry habe, als er die Fälschung eingestand, den
Namen einer hochstehenden Person genannt, der die Fäl-
schung bekannt gewesen sei, und diese habe wenige Stunden
später einen Offizier zu Henry geschickt, der ihm die Wahl
zwischen Degradation und Zuchthaus einerseits und dem
Selbstmord und der Pension für seine Frau anderseits
gestellt habe.
Rußland. Odessa, 24. Sept. 25 Offiziere und
707 Mann sind gestern zur Verstärkung der russischen
Truppen auf Kreta an Bord des Dampfers „Kiew"
nach Kreta abgegangen.
England. London, 24. Sept. Daily Telegr. meldet
aus Washington: Präsident McKinley habe beschlossen,
eine Botschaft an den Kongreß zu richten, die die Errich-
tung eines Kolonialminister u m s empfiehlt.
Türkei. Konstantinopel, 24. Sept, Das
Kasemattschiff „Assari Tewfik", die Korvette „Jdschalje"
und eine kaiserliche Jacht sind dazu bestimmt, Kaiser
Wilhelm zur Begrüßung in den Dardanellen ent-
gegenzufahren und ihn nach Konstantinopel zu geleiten.
Asien. Ueber die Palastrevolution in China wird noch
berichtet: Der Kaiser und alle hohen Beamten huldigten
am Freitag der Ka iser in - Witt w e. In Peking ist
alles ruhig. Die Krise wird russischen Einflüssen zu-
geschrieben. Li Hung Tschang und die russische Partei
sind wieder eingesetzt, die englische Partei ist ge-
schlagen und der Kaiser gezwungen worden, provisorisch
dem Throne zu entsagen. Dem Taotai von Shanghai ist
aus Peking der Befehl zugegangen, den bisherigen
Hauptrathgeber des Kaisers Kang-Iu-Mey zu
verhaften, der sich in Folge des Regentschaftsdeliktes
an Bord eines Dampfers von Peking nach Shanghai be-
geben hat. Der Taotai ersuchte den englischen Consul,
bei der Verhaftung des Flüchtigen mitzuwirken,, den er
als einen seines Amtes entsetzten Verbrecher bezeichnete.
Offenbar hat die Partei der Kaiserin die Absetzung des
Reformators beschlossen, dessen sofortige Hinrichtung nach
seiner Verhaftung wahrscheinlich wäre. Kang-Iu-Wey kam
in Shanghai an Bord des englischen Dampfers „Chung
Kiang" an. In Woosung wurde er auf Befehl des Ad-
mirals an Bord des englischen Kanonenbootes „Esk" ge-
nommen, um ihn vor der Rache Li Hung Tschangs zu
schützen. Die chinesischen Behörden verlangten die Aus-
lieferung, der Kapitän der „Esk" verweigerte sie.
Wei-Hay-Wei, 24. Sept. Das britische Kriegs-
schiff „Centurion" ist heute jplötzlich mit versiegelten
Ordres in See gegangen. Es wird geglaubt, es sei auf
dem Wege nach Taku und es werde von Tschifu aus von
den Kriegsschiffen „Victorious", „Narcissus", „Hermione",

„Fame" und „Hert Alacrity" begleitet. Die Lage wird
als sehr ernst angesehen._
Versammlung der KreisauSschüfse.
Konstanz, 22. Sept. Um Fragen der Kreisverwal-
tung zu berathen, traten heute Vormittag rund 30 Dele-
girte der 11 Kreisausschüsse des Landes im Sitzungs-
saal des Bürgerausschusses zusammen. Als Vertreter der
Regierung wohnten den Verhandlungen die Herren Geheime-
rath Engel Horn und Geh. Reg.-Rath Jung und als
Vertreter der Stadt die Herren Bürgermeister Ha ul ick
und Stadtrath L. Leiner bei. Der Vorsitzende des
Kreisausschusses Konstanz, Herr Oberbürgermeister Weber,
der die Versammlung begrüßte, wurde einstimmig zur Lei-
tung derselben berufen. Die Bad. Landesztg. berichtet
über die Verhandlungen:
1. Die Satzungen für die jährliche Landes Versammlung
der Kreise wurden gemäß den Anträgen des Herrn Oberbürger-
meisters Weber debattelos angenommen.
2. Ueber eine einheitliche Regelung der Versicherung gegen
Unfälle oder Haftpflicht, welche den Kreisen zur Last
fallen, berichtete Herr Bürgermeister G eld reich-Obeckirch, Vor-
sitzender des Kreisausschusses Offenburg. Nach dem Haftpflicht-
gesetz vom Jahr l874 haften die Kreise für Unfälle von Passan-
ten und Hausthieren, wie für Beschädigungen fremden Eigenthums,
sofern daran die Nachlässigkeit von Kreisbeamten oder der mangel-
hafte Zustand der Kreisstraßen und der vom Kreis verwalteten
Gemeindewege sammt den zugehörigen Dohlen, Geländern oder
sonstigen Schutzvorrichtungen daran schuld ist. So hatte der
Kreis Offenburg einem Mann, der nach dem Hochwasser von
1896 Nachts von dem geländerlosen Nothweg Zell-Oberharmers-
bach abstürzte und das Bein brach, gegen 1000 Mk. Schadenersatz
zu zahlen; das gerichtliche Urtheil stützte sich dabei auf Satz 1383
des bad. Landrechts. Um eine solche Belastung künftig zu ver-
meiden, erkundigte sich der Kreis Offenburg, welche Gesellschaft
ihm die günstigsten Bedingungen für eine Haftpflichtversicherung
biete. Der allgemeine deutsche Verstcherungsverein in Stuttgart
erklärte sich bereit, gegen eine Prämie von etwa 50 Pfg. für den
Kilometer des Straßennetzes des Kreises die Versicherung gegen
dessen Haftpflicht wegen Unfällen und Sachbeschädigungen bis
zum Betrag von 100000 Mk. im einzelnen Fall zu übernehmen,
welche an Gebäuden oder auf Straßen des Kreises in Folge nach-
lässiger Beaufsichtigung oder mangelhafter Beschaffenheit entstehen.
Da hierbei dem Kreis Offenburg, dem 133 Kilometer Wege
unterstehen, nur eine Versicherungsprämie von rund 65 Mk. er-
wachsen würde, so ist derselbe zur Rückversicherung gegen die
Haftpflicht bereit und fordert die übrigen Kreise auf, sich anzu-
schließen, um noch günstigere Versicherungsbedingungeu zu er-
langen. DaSGleiche schlägt derselbe vor bezüglich der Unfall-
versicherung von Arbeitern bei Kreisbauten, die nicht sonst ver-
sichert sind. Bekanntlich fordert das Bauunfallversicherungsgesetz
vom Jahr 1887, daß Bauarbeiter bis zu 2030 Mk. Jahres-
verdienst entweder durch Beitritt der Unternehmer zu ihrer Be-
rufsgenossenschaft oder durch die Selbstoersicherung leistungs-
fähiger Verbände gegen Unfälle zu versichern seien. Für die
Kreise ist Selbstversicherung erlaubt, aber auch hier kann ein
Kreis durch schwere Unfälle so belastet werden, daß Rückversicherung der
Privatgesellschaften wllnschenswerth wäre. Doch würde das auf
den einzelnen Kreis zu theuer kommen, so für Offenburg auf
600 Mk. jährlich; nur durch Zusammenschluß der 11 Kreise
ließe sich wohl eine Herabminderung der Prämiensätze erreichen.
In der Diskussion gingen die Ansichten über diese Vorschläge
auseinander. Es zeigt sich nicht allzuviel Neigung zur Rück-
versicherung, da Unfälle, für welche der Kreis nach den Gesetzen
über die Haftpflicht und die Unfallversicherung einzutreten hat,
nur ganz vereinzelt vorkämen und dem gegenüber die Prämien-
sätze unverhältnißmäßig hoch wären. So betonten die Herren
Rechtsanwalt Böckh-Karlsruhe und Abg. Frank-Pforzheim,
daß der Kreis Karlsruhe 2300 Kilometer Kreiswege habe, was
über 1100 Mk. Prämie für die Haftpflichtversicherung erfordern
würde. Dabei habe ihr Kreis während 13 Jahren kaum für
einen Haftpflichtfall aufzukommen brauchen, weßhalb die Selbst-
versicherung, wobei der Kreis durch jährliche Beiträge einen Ver-
sicherungsfonds ansammelt, vorzuziehen sei. Hingegen trat Herr
Mühleuvesitzer Dreher im Namen des Kreises Lörrach für die
Rückversicherung ein, welcher auch Herr Oekonom Stein vom
Kreisausschuß Mosbach, dem 1800 Kilometer unterstehen, sym-
pathisch gegenübersteht. Herr Weber theilte mit, der Kreis
Konstanz habe für den Unfall eines Kletnakkordanten bei der
Kieslieferung für Kreiswege, weil der Mann keiner Berufsgenosfen-
schaft angehürte, Entschädigung zahlen müssen; auch für die
Beschäftigung von Handwerksburschen in den Verpflegungs-
stationen und Arbeitsnachweisanstallen habe der Kreis, ob-
wohl dabei noch kein Unfall vorkam, die Rückversiche-
rung erwogen. Wohl mache der Kreis in jedem Ver-
trag mit einem Bauunternehmer zur Bedingung, daß dieser
nur versicherte Arbeiter beschäftige; aber bei kleineren Arbeiten
an Wegen müßten auch einzelne Taglöhner oder Kleinakkordanten
verwendet werden, welche nicht immer bei einer Berufsgenossett-
schaft versichert seien- Dasselbe betont Herr Major a. D.
Koehnhorn vom Kreisausschuß Heidelberg, der im Odenwald
im Winter armen unversicherten Bauern Arbeiten an den Kreis-
wegen zuwendet. Schließlich regte Herr Geh. Rath Engel-
horn an, ob nicht die 11 Kreise statt der Rückversicherung bei
Privatgesellschaften sich zu einer gemeinsamen Selbstoersicherung,
zu der jeder Kreis einen entsprechenden Beitrag leiste, zusammen-
thun wollten.
Beschlossen wurde, der Kreis Offenburg möge bei Versiche-
rungsanstalten sich über die äußersten Prämiensätze und bei den
11 Kreisen über ihre Stellung zu einem gemeinsamen Versiche-
rungsoerband erkundigen und darüber der nächsten Landes-
versammlung der Kreise berichten.
Es wurde noch verhandelt über die Unterbringung von
Geisteskranken und Trunkenbolden in Pflegeanstalten der
Kreise, oder in Heilanstalten des Staates (Berichterstatter: Herr
Rechtsanwalt König-Mannheim) und über die Unterstützung hilfs-
bedürftiger Invaliden durch Kreisbeiträge (Berichterstatter: Herr
Geh. Reg.-Rath Salzer-Emmendingen-.
Die nächste Landesversammlung der badischen Kreis-
ausschüsse findet in Heidelberg statt.
Nach fast vierstündiger Dauer wurden die Verhand-
lungen geschlossen, nachdem Herr Stadtrath Böck-Karls-
ruhe Herrn Oberbürgermeister Weber für deren umsichtige
Leitung gedankt hatte. Ein Mittagsmahl vereinte die
Kreisvertreter im Hotel Schönebeck, worauf ein Ausflug
nach der Mainau und Ueberlingen die ernste Tagung fröh-
lich beschloß._
Aus Stadt und Land.
Heidelberg, 26. September.
** Se. König!. Hoheit der Grotzherzog traf heute Vormittag
8.54 hier ein und reiste 9.05 nach Eberbach weiter, wo eine land-
wirthschaftliche Gauausstellung stattfindet. Daselbst sind grobe
Vorbereitungen für einen feierlichen Empfang getroffen. H°u^
Nachmittag 2.23 verläßt der Großherzog Eberbach und kehrt nach
Karlsruhe zurück. Se. Königl. Hoheit sieht vortrefflich aus.
* Ernennung. Herr Geh. Hofrary Prof. Georg M e Y e r
Hierselbst ist von Sr. Kgl. Hoheit mittelst StaatsmimstenM
entschließung vom 17. September zum Geheimen Naiv
II. Klasse ernannt worden. Dem beliebten und angesehenen
Hochschullehrer und Politiker zu dieser Auszeichnung die besten
Glückwünsche l
 
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