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Heidelberger Zeitung — 1898 (Juli bis Dezember)

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Nr. 203 - 228 (1. September 1898 - 30. September 1898)
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https://doi.org/10.11588/diglit.42070#0231
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Erscheint täglich.
"nmags ausgenommen.

Preis
"m Familienblättern

, monatlich 5V Pf-
.'tti in's Haus gebracht.
Mch die Post bezogen
. vierteljährl. 1-25
^'sÄließlich Zustellgebühr.

^Hon-Anschluß Nr. 82.

sÄrlbkWtt Kltiiilg.

Jnsertionsgebühr
15 P). für die Ispaltige
PeiitzeLe oder deren Raum.
Für hiesige Geschäfts- und
Privatanzeigen bedeutend
ermäßigt.
Gratis-Anschlag
der Inserate auf den Plakat-
tafeln der Heidelb. Zeitnng
und den Plakatsäulen.
Telephon-Anschluß Nr. 82.

Freitag, den 2. September

1898.

Bestellungen
A die Heidelberger Zeitung für den Monat September
^rden bei allen Postanstalten, den Briefträgern, den
Mten, bei den Trägern in der Stadt, sowie in der
kpediticn, Untere Neckarstraße Nr. 21, angenommen.
Bezugspreis: monatlich nur 50 Pfg-, frei in's Haus
Fracht; durch die Post bezogen für den Monat
evtember, wenn am Schalter abgeholt, 42 Pfg., für
^stellgebühr 15 Pfg. mehr.

Zweiter Zionisten-Kongreß.
(Franks. Ztg.)
H Basel, 29. August.
öffentliche Sitzung des zweiten Tages, reich an
svln" Debatten, zog sich über zwölf Stunden lang hin und
Geduld des Hörers auf die Probe. In langer Rede
sodann ein Mediziner, Prof. Dr. Mandelstamm (Kiew)
K r das Programm der Zionisten. Die Rede wies folgenden
°°ankengang auf:
durch und durch kranker Organismus, das ist das Juden-
e- Die bisherigen Heilmethoden — Assimilation und Taufe —
keine rationellen. Unsere Heilmethode, die zionistische,
lz>", Mr Gesundung führen. Die 7 Millionen des Ostens
rc d' Rumänien, Oesterreich) bilden nicht nur eine Glaubcns-
A"°ssenschaft, sondern eine Nation, wenn auch das nationale
^Mßtsein latent ist. Diesen osteuropäischen Juden steht die
"°"heit der westeuropäischen Juden gegenüber, die außer
lich, Amiden nicht viel Gemeinschaftliches mehr mit ihren öst-
"n Stammesgenossen hat. Diese Juden Westeuropas sagen,
Ulk > Deutsche, Franzosen re. mosaischer Konfession und bilden
Un„ die Judenfrage sei für sie gelöst. Aber das Judenvolk
H,.a >m Osten wie im Westen und der Gegensatz mit andern
tz, Aen tritt immer wieder hervor trotz der staatsbürgerlichen
w.v Mellung der Juden mit den Ariern. Die Judophobie, diese
Wose, besteht; die Judenfrage ist ein Erbübel. Vergeblich ist
ina^anuug derer, die glauben, daß mit der Lösung der sozialen
H auch Judeufrage gelöst werden könne. Die Art und
Sa» w'e die Juden zur Lösung der Judenfrage bis jetzt vorge-
AWn, gleich; der Kurpfuscherei. Der Zionismus will nun in der
vorgehen, daß er die Juden als Nation rettet und einen
tz.?."chst großen Theil des ökonomisch verkommenen jüdischen
lie« dor dem Untergang bewahrt. Für die Zionisten ist der
r,j.a>ospolitismus ein Traum. Um das zionistische Ziel zu er-
bedarf es eigenen Bodens, es bedarf Palästina'?. Nun
betr n mit Energie die innere jüdische Volkserziehung zu
viub OEv. Has nationale Selbstbewußisein zu heben. Der Jude
G, .-.?ufhören, sich seiner Abstammung zu schämen. Jüdische
lynchte und hebräische Sprache, besondere Jugendschrtften
tzi?eri als pädagogische Mittel von dem Redner empfohlen,
ütze, Erziehungsarbeit hat sich aber den Verhältnissen und Ge<
U " ver einzelnen Länder auznpassen, es ist zu individualisiren.
bild des Ostens besonders sind auch körperlich zu heben
dj, ,^„ist auf Hygiene hinzuwirken. Redner empfiehlt überhaupt
riui Endung jüdischer Turnvereine. Er schließt damit, daß das
^.Mal-jüdische Programm des Zionismus bei den Juden des
wie eine Erlösung gewirkt habe. Diese Volksbegeisterung
we zionistische Idee sei ein Trost und eine Hoffnung!
ßinKongreß schloß sich den Ausführungen des Redners an.
Mage der Kolonisation sprach Herr Motzkiu, der auf Grund
U,»" Anschauung den Zustand des gegenwärtigen jüdischen
wstina schilderte und eine Menge Details vorbrachte.
, vM der Äbeudsitzung gelangte der Referent des Koloni-
ÄiNk" "sausschusses, Dr. Pinncles, zu Wort. Die gestellten
itz^oge besagen im wesentlichen Folgendes: Die Kolonisation
Ex, .^"vas soll nach einer von der türkischen Regierung erlangten
tz. °^v"iß und unter Leitung einer vom Kongreß gewählten
H, ??Zsion durchgeführt werden. Diese Kommission, aus 10
eis!-» «"n bestehend, soll in London ihren Sitz haben. Die
h„l," Kolonisalionsschritte sollen mit den in der Türkei sich auf-
Koln»! Juden vorgenommen werden. Die Thätigkeit der
de, .istoibank soll zur Erwirkung der Kolonisalionserlaubniß bei
»--.Mischen Regierung beitragen. Die zionistischen Kolonial-
S^,,Mften sollen nach einem einheitlichen Plane arbeiten. Zum
e "'rd das Aktionscomits ersucht, wissenschaftliche Unter-
zur Klarstellung der rechtlichen Lage der Juden in der
M besonders in Palästina, zu veranlassen.

Deutsches Reich.
Berlin, 1. September.
— Die Nordd. Allg. Ztg. meldet: Der Kaiser be-
ehrte im Laufe des gestrigen Nachmittags den Reichskanzler
Fürst Hohenlohe mit einem längeren Besuche und nahm
den Vortrag desselben entgegen.
— Die Herb st Parade des Gardecorps wurde
heute Vormittag abgehalten. Sie war befehligt von Ge-
neral Bock v. Polach. Es erfolgte zweimaliger Vorbei-
marsch. Der Kaiser führte der Kaiserin das 1. Garde-
regiment vor, dessen Uniform er trug. Gegen Mittag
führte der Kaiser die Fahnen nach-dem Schlosse zurück
unter dem Jubel der Bevölkerung.
— Das in Wandsbeck garnisonirende Husaren-
regiment Nr. 15 ist vom Kaiser der Königin von
Holland verliehen worden und erhielt den Titel: Husaren-
regiment „Königin der Niederlande" (hannoverisches Nr. 15).
Der mit der Führung des Regiments beauftragte Major
Frhr. v. Diepenbroick-Grueter sandte ein Dankeltelegramm
an den Kaiser und ein Brüßungstelegramm an die Königin
der Niederlande.
— Der Rheinische Kurier erhält von dem Vorstands-
mitglied der Friedensvereine, Grafen Bothmer, eine Zu-
schrift, worin dieser kundgibt, daß Graf Murawiew,
der russische Minister des Auswärtigen, seit langen Jahren
dem Friedensvereine seine Sympathie ausdrückte.
— JmGeestemünder Fischereihafen verkehrten
im zweiten Vierteljahr 1898 451 Fischdampfer und 58
Segelfahrzeuge gegen 382 und 25 in der entsprechenden
Zeit des Vorjahres. Der Umsatz in den Versteigerungen
stellte sich auf: 7181128 Pfund Fische mit 860 132 Mk.
Erlös gegen 5 868 865 Pfund Fische mit 594 823 Mk.
Erlös in der gleichen Zeit des Vorjahres. Der Vergleich
ergibt einen erheblichen Zuwachs. Hauptsächlich wurde die
östliche Nordsee und das Skagerrak vis in das Kattegat
hinein befischt. In der Nordsee trafen die Fischer große
Schellfische und große Schollen nur in geringen Mengen
an. Im Skagerrak find meist recht befriedigende
Fänge an Rothzungen, Köhler, Seehechten und kleinen
Schellfischen erzielt worden. Die Geestemünder Fisch-
dampfer unternahmen 16 Reisen nach den isländischen
Gründen mit durchweg gutem Erfolge. Ein Dampfer er-
zielte einen Fang von 1100 Centnern. Bei den hohen
Preisen in der Charwoche brachte eine Ladung von 800
Centnern einen Erlös von 20119 Mk., den höchsten Be-
trag, der je für eine Ladung erzielt ist. Ein Fischdampfer,
der „Präsident Herwig", verunglückte in den isländischen
Gewässern. Er strandete an der Küste und ging völlig
verloren. Glücklicherweise wurde die gesammte Mannschaft
gerettet. Die zu Anfang d. I. begründete „Geestemünder
Herings- und Hochseefischerei-Aktiengesellschaft" hat nun-
mehr ihren Betrieb ausgenommen. Am 16. bezw. 18. Juli
d. I. sind die beiden ersten Dampfer zum Heringsfang
ausgegangen. Drei weitere Dampfer werden voraussicht-
lich im Laufe des kommenden Monats in Betrieb gestellt
werden. Jedes Fahrzeug setzt beim Heringsfang ein aus
150 Netzen bestehendes Netzfleth von etwa 5000 Meter
Länge aus.
— Folgender Brief eines deutschen Seeoffiziers
von dem Kriegsschiffe „Kaiserin Augusta" an seinen Bru-
der in der Heimath wird der Täglichen Rundschau zur
Verfügung gestellt. Der Brief, welcher Thatsachen schil-
dert, die bisher nur zum Theil bekannt waren, lautet
folgendermaßen:
Mariveles, den 14. Juni 1898.
Soeben verlassen wir Mariveles, um wieder nach Manila
in See zu gehen (3 Stunden Entfernung) und zwar unter „Klar

Frau Apothekers Liebesgeschichte.
Von Felix von Stenglein.
(Nachdruck verboten.)
sie wollte erst nicht, die Frau Apotheker, ober ich brachte
x^^ch^dazu, mir ihre Liebes- und Verlobungsgeschichte zu
ervi'^w wollen sie gewiß aufschreiben!" sagte sie, worauf ich
txÄMte: „Warum nicht? Es bleibt ja nun einmal das Jn-
hgAwnteste im Menschenleben, wie zwei Herzen sich gefunden
Die sann nach. „Ja, ja, aber 's ist bei mir solch eigene
.ukye, HZ könnten's Leute nachmachen wollen, und ob das
uchtig wäre-"
»Warum sollte es nicht richtig sein?"
ernk eigentlich pflegt doch der Mann sich die Frau zu
°?rn, und nicht umgekehrt, wie's bei uns geschah."
Gr schmunzelte, der Alte.
"I°rf ich?" fragte sie ihn.
bei antwortete er aus seiner Ecke, wo er
Wi-lk Lampe Schein die Zeitung las, und ein Lächeln
ob seine feinen Züge: „Fragst Du mich denn sonst,
Du darfst?"
ein^b /^te ihr Strickzeug in den Schooß und sah ihn mit
strengen Blick an. Dann aber zuckte es um ihre
Mn» r'El. »Ich zweifle nochmal daran, ob ich recht that,"
böünl ste, wieder zu mir gewandt. „Nämlich wenn er so
Aaai 'Ü wie eben. Wissen Sie, was ich glaube ? Es ist
w das Aufbäumen des bezwungenen Helden."
c^Das scheint mir auch," warf der alte Herr freundlich ein.
"prassele mit meinen Ketten."
mW lachte. Dann nahm Sie ihr Strickzeug wieder vor,
Fadeln flogen, und sie sann und sann . . .
und dann erzählte sie.
Vic.« weiundvierzig Jagre find's her. Da geschah's. Und
une ärgste Feindin hat mir dazu verholsen ....

Eines Tages spiel' ich Ball mit einer jungverheiratheten
Freundin, da geht ein Herr dicht am Gartenzaun vorüber.
Siebt uns garnicht an. Die Hände auf dem Rücken, den
Kopf vornüber wie in schwere Gedanken versunken, so geht
er dahin.
Emilie hielt ihn für 'nen früheren Offizier, ich für 'nen
Ausländer, Dichter oder Schauspieler.
Am nächsten Abend kommt er wieder und beachtet uns
ebenso wenig. Na, — an so etwas waren wir nicht gewöhnt,
und als er es noch einige Male so gemacht hatte, sag' ich zu
Emilie: „Du, so geht das nicht weiter. Paß auf, was wir
machen. Morgen stellst Du Dich an's Gitter, und ich stelle
mich gegenüber an die Linde. Und wenn er vorbeigeht,
werf' ich. Du fängst aber nicht, sondern läßt dem Unheil
seinen Gang- Der Ball wird aus Versehen ihn treffen, und
dann muß er aufseben. Von dem Eindruck, den er mir
macht, wird's abhängen, ob ich ihn um Entschuldigung bitt'
oder nicht."
Na, ja, so geschah's. Aber gesagt hab' ich nichts, als es
geschehen war. Denn als er mich mit so tiefem Ernst —
beinah möcht' ich sagen mit Verzweiflung — ansah und höf-
lich — als wollt' er mich um Entschuldigung bitten — den
Hut zog, da verging mir die Sprache. Wenige Sekunden
d'rauf halt' ich sie zwar wiedergefunden. Ich faßte Emilie
am Arm und sah sie starr an. Dann erklärte ich ihr mit
dem Auiflammen meines ganzen Menschen: „Der muß mein
werden!"
„Du bist nicht recht gescheit!" meinte sie und lachte mich
aus.
Aber ich dachte den ganzen Abend an ihn. Er batte so
was Vornehmes, so was Unglückliches.
Am nächsten Morgen fing ich mit meinen Nachforschungen
an, denn wenn ich ihn heirathen wollte, mußte ich doch erst
wissen, wer er war. Ein paar vertrauenswürdige Personen,
unsere Waschfrau und der Pedell vom Gymnasium, wußten
nichts. Mein Vater als Gymnasiallehrer mochte wohl von
ihm wissen. AVer es war schwer, meinem Vater deizukommen.
Unter seinen Freunden war er heiter, :m Hause still und zu-

Schiff". Die „Prinzeß Wilhelm" und der „Kormoran" sind
ebenfalls bei uns, der „Kaiser" mit dem Admiral liegt vor
Manila. Diesem hat der amerikanische Admiral Mit-
theilung gemacht, daß er auf jedes einlaufende Schiff, Handels-
oder Kriegsschiff, einen Offizier zur Kontrolle schicken würde.
— Die Antwort, welche Admiral D ie d r i ch s ihm ge-
geben, kannst Du Dir wohl denken. Auf die abweisende Ant-
wort hin hat der Uankee erklärt, er würde es dennoch durch-
führen. — Nun erhielten wir Befehl, unter „Klar zum Gefecht"
einzulaufen, was in etwa drei Stunden geschehen sein wird.
Vielleicht erhält die „Augusta" die Feuertaufe; nur schade, daß
wir meistens neue Mannschaften an Bord haben. Hoffentlich kann
ich diesen Brief noch heute ergänzen; sonst Gott befohlen . . - .
Es wird ja so weit nicht kommen, doch man soll ja auf Alles
vorbereitet sein; vorläufig Schluß.
Liebster Bruder! Die Sache ist im Sande verlaufen; der
Uankee hat sich nicht gerührt; keine Pinaß, nichts bewegte sich.
Wir liefen, die Fla gge statt unten, oben an der Gaffel führend,
ein, mit scharf gel adenen Geschützen und scharfen Torpedos in
den Rohren, das Oberdeck frei von Ventilatoren und sonstigem
beweglichen Zeug, Boote eingeschwenkt, und zwar liefen wir
ganz langsame Fahrt (8 Seemeilen), um dem Amerikaner doch
wenigstens Zeit zu lassen; doch wie wir ihn passirt hatten, gings
voll Dampf zum Flaggschiff. Die Stimmung au Bord war
herrlich; es brannte ein Jeder, mit der „Augusta" ins Feuer zu
gehen; denn es muß im Gefecht ein herrliches Schiff sein. Seine
Geschwindigkeit, seine fünf Torpedorohre, — übrigens, wie die
rothen Köpfe auf die gelben Torpedos geschraubt wurden, ging
es mir so eigen durch; sie sahen aus, wie in Blut getaucht, und
wenn man sich vergegenwärtigt, was sie enthalten, und wenn
man die Wirkung kennt, brrrr! — und dann die 15 Centimeter-
Schnellfeuerarmirung! — nun, er hat es wohl Angesehen; jeden-
falls war es für den Amerikaner eine moralische Niederlage, auf
die wir stolz sein können.
Holtenau, 1. Septbr. Nach einer sehr stürmischen
Nacht ist die Flotte heute früh im Begriffe, in den
Kaiser Wilhelm-Kanal einzulaufen. Der größte Theil der
Schiffe hatte Vormittags die Holtenauer Schleuse schon
passirt.
Aus der Karlsruher Zeitung.
— Seine Königliche Hoheit der Großherzog haben den
Kanzleisekretär Heinrich Diehm beim Geheimen Kabinet landes-
herrlich angestellt.
Karlsruhe, 1. Septbr. Der Großherzog und die
Großherzogin fuhren heute Nachmittag zusammen mit der
Herzogin von Genua zu Schiff nach Uhldingen und von
da zu Wagen nach Schloß Heiligenberg zum Besuch des
Fürsten und der Fürstin zu Fürstenberg. Die Rückkehr
nach Schloß Mainau findet am spateren Abend statt. —
Der Oberststallmeister von Holzing hat am 29. v. Mts.
den Tag begangen, an dem er vor 60 Jahren in den
Großherzoglichen Dienst eingetreten ist. 42 Jahre von
dieser Zeit hat Herr von Holzing im Hofdienst zugebracht.
Im höchsten Auftrag Seiner Königlichen Hoheit des Groß-
herzogs begab sich der General ü la suito Generalmajor
Müller am genannten Tage nach Rippoldsau zu dem Ju-
bilar und überbrachte demselben ein höchstes Handschreiben
mit den Glückwünschen Seiner Königlichen Hoheit und der
Benachrichtigung von seiner Erhebung in den Fceiherru-
stand unter dem Namen von Holzing-Berstett. Der Groß-
herzog ließ durch General Müller dem Gefeierten außerdem
sein Porträt überreichen und die Großherzogin widmete
demselben gleichfalls ein Andenken.
2l us 1 a n L
Frankreich. Oberstlieutenant Henry, der sich dem
irdischen Richter durch Selbstmord entzogen hat, stand im
51. Lebensjahre. Er hatte von der Pike auf gedient.
Seit 1896 war er Vorstand des Erkundigungsbureaus
des Generalstabs und als solcher der Nachfolger des
Ober stlieutenant Picquart. Ter Brief, den er gefälscht
hat, lautet, soweit er öffentlich bekannt geworden ist,
folgendermaßen: „ll'si In «ju'un ckopute vu interpolier

rückhallend. Wenn er gar werkte, daß man was von ihm
wollte, sah er sich sehr vor- Man mußte also diplomatisch zu
Werke gehen. Eines Abends gelang mir's. Wie, weiß ich
selbst nicht mehr, jedenfalls überrumpelte ich ibn und erfuhr,
daß der Unbekannte der neue Provisor von der Löwcn-
apotbeke sei.
Ich fand das eigentlich gar nicht Passend für ihn, Provisor
zu sein. Es war sozusagen ein schwerer Schlag für mich.
Doch ich überwand. Ich drang zu der Erkenntniß durch,
daß er ja nichts dafür könne, oder besser gesagt, daß es ja
kein Unrecht sei. Und die Hauptsache war und blieb doch
sein edles Gemüth, na und an dem zweifelt' ich keinen
Augenblick.
Wie aber seine Bekanntschaft machen? Zuerst stellte sich
bei mir 'ne Halsentzündung ein, ich ging also zur Löwen-
apotheke, um wir was zum Gurgeln zu holen, traf ihn aber
nicht. So kam's, daß ich nach acht Tagen um nichts weiter
gekommen war, höchstens, daß ich mich vielleicht noch mehr
in ihn verliebt hatte. Wenn er Emilie und mich im Garten
sah, grüßte er höflich, als ob er sich noch immer nachträglich
für den Wurf bedanken wollt', aber stehen bleiben oder mit
uns sprechen, — nein. Ich deutete meinen Eltern an, sie
möchten ihn einladen, aber damit hatte ich lein Glück, er batte
ja keinen Besuch gemacht und wollte offenbar keinen Verkehr.
Mein Vater sah mich über seine Brillengläser hinweg prüfend
an, er witterte einen Zweck; doch ich bemühte mich, so harm-
los wie möglich auszuiehen.
Endlich halt' ich's heraus: Mein Bruder mußte Apotheker
werden! Er mußte den Gedanken an den Lehrerberuf auf-
geben. Was war das auch weiter! Gewissensbisse machte ich
mir auch nicht. Denn erstens hatte ich mein Ziel zu fest im
Auge, und zweitens fielen mir nach einigem Nachdenken auch
allerhand Dinge ein, die den Apothekerberuf mit einer ge-
wissen Gloriole umgaben. So zum Beispiel halt' ich einmal
einen Apotheker-Gehilfen mit einem riesigen Blumenstrauß
daherkommen sehen und dann eine Unterhaltung zwischen ihm
und meinem Vater mit angedört. Der junge Mann hatte
die Pflanzen gesammelt um sie zu „bestimmen", wie man
 
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