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Heidelberger Zeitung — 1898 (Juli bis Dezember)

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Nr. 255 - 280 (1. November 1898 - 30. November 1898)
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^Vhon-Anschluß Nr. 82.

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Telephon-Anschluß Nr. 82.

Kr. 277. Wes Klatt. Samstag, -en 28. Nlmmber 1898.

Nur frisch gewagt.
Eine heitere Garnisongeschichte von Hugo Dinckelberg.
(Fortsetzung.)
»Baronesse," erwiderte mild der Officier, „ich muß Ihnen,
M Sie zu beruhigen, die Wahrbett sagen. Ich kenne die
MMeraden v. Kcsselheim und v. Bülow, ich wußte daß Sie
diesen und von zehn anderen Herrn um den ersten Tanz,
M Polonaise, gebeten werden würden, ich mußte ferner ver-
Lvtheu, daß Sie mir, wenn ich vordem bei Ihnen um diesen
bat, eine abschlägige Antwort geben würden. Deshalb
Ä^ite ich vorhin dem Herrn v. Kesselheim mit, daß ich die
Monaise mit Ihnen tanzen würde. Dieser Herr, welcher
mit Herrn v. Bülow gleich verehrt, übermittelte diesem
, umphjrcnd und seinen Unmuth damit verbergend die Neuig-
und beide Herren verbreiteten sie sofort unter Alle,
"Ke sich Ihnen mit einer Engagementsbitte nahten."
. Franziska v. Stein mar durch diese Erklärung nur theil-
..s'se beruhigt. Theils fühlte sie sich durch diese geehrt, theils
sAmte sich ,hr Stolz gegen ein wider ihren Willen abge-
«wsseires Engagement! „So versuchten Sie es also Herr
Dister," sprach sie, „gegen meinen Willen über mich zu
> ttugen. Und wenn ich nun Nein sagte?" — „Ick bitte,
Sie dies nicht thun!" — „Und wenn ich es doch thäte?"
. „Sie werden unmöglich beim heutigen Feste eine Störung
Lj Ursachen wollen, und eine solche würde es sein. Schauen
uch um, Baronesse, man beachtet, man erwartet uns!
Und in diesem Augenblicke trat auch schon der Major hin-
i", und bat das Paar antreten zu wollen. Franziska v. Stein
^Uster^ Zwuuue und legte ihren Arm in den des Ritt-
sij,,"?iber ums Himmels willen," rief jetzt der Major, „da
la noch unsere Aurora!" Und wirklich saß" sie noch da,
d/u Mensch, kein Mann hatte sich um sie gekümmert, keiner
aus r lvn anwesenden früheren Liebhaber sie zu einem Tanze
Mfordert. Doch der Major wußte das auszugleichen.
bitte tausendmal um Verzeihung, Fräulein Aurora,"

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Bismarcks Gedanken und Erinnerungen.
Am nächsten Dienstag werden zwei Bände von Bis-
marcks Gedanken und Erinnerungen er-
scheinen. Inzwischen sind einige Blätter in den Stand
Metzt worden, einzelne Kapitel aus dem Werk abzudrucken.
M Proben zeigen, daß Bismarck sich seine Meisterschaft
M der politischen Darstellung bis ins hohe Alter bewahrt
M. Da wird Alles so kurz und bündig und dabei so er-
^öpfend und so klar dargestellt, daß es eine hohe Freude
?Mährt, der Feder des großen Kanzlers zu folgen, abge-
Ichen ganz von dem Inhalt des Werkes. Planche Haupt-
v'omente der Geschichte des werdenden neuen Deutschlands
^rden erst durch die Erinnerungen Bismarcks ins volle
^cht gestellt. So ist z. B. wohl bekannt, daß König
Wilhelm im Jahre 1866 nur schwer dazu zu bewegen war,
"vf die Annexion österreichischer Gebietsthecke und eine we-
ltliche Umgestaltung der Karte Süddentschlands zu ver-
achten. Aber erst aus Bismarcks Erinnerungen wird man
trüber im Detail unterrichtet. Bismarck erzählt:
, Als es darauf ankam, zu dem Telegramm Napoleons vom
L >nili (wodurch Napoleon sich in den preußisch-österreichischen
^"sst einmischte. Red.) Stellung zu nehmen, hatte der König
> M Friedensbedingungen so skizzirt: Bundesreform unter preußi-
"4er Leitung, Erwerb Schleswig-Holsteins, Oesterreich.-Schlesiens,
,Ms böhmischen GrenzstrichS, Ostfrieslands, Ersetzung der feind-
nchen Souveräne von Hannover, Kurhessen, Meiningen, Nassau
Mch ihre Thronfolger. Später traten andere Wünsche hervor,
theils in dem Könige selbst entstanden, theils durch äußere
Mslüsse erzeugt waren. Der König wollte Theile von Sachsen,
Hannover, Hessen aunectiren, besonders aber Ansbach und Bay-
MH wieder an sein Haus bringen. Seinem starken und berech-
Mu Familtengefühl lag der Rückerwerb der fränkitchen Fürsten-
.Mnwr nahe. Der starke dynastische Familiensinn war vielleicht
? Kaiser Friedrich III. noch schärfer ausgeprägt, aber gewiß ist,
"vß 1866 der König auf Ansbach und Bayreuth noch schwerer
Michtete, als auf Oesterreichisch- Schlesien, Teutschböhmen und
Eheste von Sachsen. Inzwischen hatte ich in den Conserenzen
M Karolyi und mit Benedetti die Bedingungen ermittelt, unter
."Mn der Friede erreichbar war. Benedetti erklärte für die Grund-
n»>e der Napoleonischen Politik, daß eine Vergrößerung Preu-
um höchstens vier Millionen Seelen in Norddeutschland,
Festhaltung Mainlinic als Südgrenze, keine französische
MUnischung nach sich ziehen werde. Er hoffte wohl, einen süd-
.Mschen Bund als französische Filiale auszubilden. Oesterreich
M ans dem deutschen Bunde aus und war bereit, alle Einrich-
Mgeu, die der König in Norddeutschland treffen werde, vorbe-
Msich der Integrität Sachsens, anzuerkennen. Diese Bedingungen
Mhielten alles, dessen wir bedurften: Freie Bewegung in Deutsch-
il, - Ich war nach allen vorstehenden Erwägungen fest ent-
flosst», die Annahme des von Oesterreich gebotenen Friedens
M Cabinetsfrage zu machen. Die Lage war eine schwierige;
Generälen war die Abneigung gemeinsam, den bisherigen
Mgesiauf abzubrechen, und der König war militärischen Ein-
im Laufe jener Tage öfter und bereitwilliger zugänglich
den meinigen. Am 21. Juli fand unter dem Vorsitze des
Mugs ein Kriegsrath statt, in dem beschlossen werden sollte, ob
Mer den gebotenen Bedingungen Friede zu machen oder der
Meg fortzusetzen sei. Eine schmerzhafte Krankheit, an
" ich litt, machte es nothwcndig, die Beralhung in
Mnem Zimmer zu halten. Ich war dabei der einzige Civilist in
Mform. Ich trug meine (Überzeugung dahin vor, daß auf die
Mfreichischen Bedingungen der Friede geschlossen werden müsse,
Pkb aber damit allein ; der König trat der militärischen Mehrheit

bei. Meine Nerven widerstanden den mich Tag und Nacht ergreifen-
den Eindrücken nicht, ich stand schweigend auf, ging in mein an-
stoßendes Schlafzimmer und wurde dort von einem heftigen Wein-
krampf befallen. Während desselben hörte ich, wie im Neben-
zimmer der Kriegsrath aufbrach. Ich machte mich nun an die
Arbeit, die Gründe zu Papier zu bringe», die m. E. für den
Friedcusschluß sprachen, und bat den König, wenn er diesen
meinen verantwortlichen Rath nicht annehmen wolle, mich meiner
Aemter als Minister bei Wciterführung des Krieges zu entheben.
Mit diesem Schriftstücke begab ich mich am folgenden Tage zum
mündlichen Vortrag. Der Widerstand, den ich den Absichten
Sr. Majestät in Betreff der Ausnutzung der militärischen Erfolge
und seiner Neigung, den Siegeslauf fortzusetzen, meiner Ueber-
zeugung gemäß leisten mußte, führte eine so lebhafte Erregung
des Königs herbei, daß eine Verlängerung der Erörterung un-
möglich war und ich mit dem Eindruck, meine Auffassung sei
abgelehnt, das Zimmer verließ mit dem Gedanken, den König
zu bitten, daß er mir erlauben möge, in meiner Eigenschaft als
Offizier in mein Regiment einzutreten. In mein Zimmer zurück-
gekehrt, war ich iu der Stimmung, daß mir der Gedanke nahe
trat, ob es nicht besser sei, aus dem offenstehenden, vier Stock
hohen Fenster zu fallen, und ich sah mich nicht um, als ich die
Thür öffnen hörte, obwohl ich vermuthete, daß der Eintretende
der Kronprinz sei, an dessen Zimmer ich ans dem Corridor vor-
übergegangen war. Ich fühlte seine Hand auf meiner Schulter,
während er sagte: „Sie wissen, daß ich gegen den Krieg gewesen
bin, Sie haben ihn für nothwendig gehalten und tragen die
Verantwortlichkeit dafür. Wenn Sie nun überzeugt sind, daß der
Zweck erreicht ist und jetzt Friede geschlossen werden muß, so
bin ich bereit, Ihnen beizustehen und Ihre Meinung bei meinem
Vater zu vertreten." Er begab sich dann zum Könige, kam nach
einer kleinen halben Stunde zurück in derselben ruhigen und
freundlichen Stimmung, aber mit den Worten: „Es hat sehr
schwer gehalten, aber mein Vater Hal zugcstimmt." Diese Zu-
stimmung hatte ihren Ausdruck gefunden in einem mit Bleistift
an den Rand einer meiner letzten Eingaben geschriebenen
Marginale ungefähr des Inhaltes: „Nachdem mein Minister-
präsident mich vor dem Feinde im Stiche läßt und ich hier außer
Stande bin, ihn zu ersetzen, habe ich die Frage mit meinem
Sohne erörtert, und da sich derselbe der Auffassung des Minister-
präsidenten angeschlossen hat, sehe ich mich zu meinem Schmerze
gezwungen, nach so glänzenden Siegen der Armee in diesen
sauren Äpfel zu beißen und einen so schmachvollen Frieden an-
zunehmen."
Es ist heute sonnenklar, daß Bismarck vollständig Recht
hatte, wenn er Oesterreich, Sachsen und die süddeutschen
Staaten schonte. Wir hätten heute weder das deutsche
Reich noch das österreichische Bündniß, wenn die vom
König Wilhelm gewünschten Amputationen an diesen
Staatsgebieten vorgenommen worden wären. Wir müssen
Bismarck dankbar sein, daß er wie ein Löwe für die Durch-
setzung seiner richtigen Ideen gekämpft hat. — Aehnlich
hat er später in Versailles dafür streiten müssen, daß
König Wilhelm in die Annahme des Titels deutscher Kaiser
willigte. Erst wollte Wilhelm I. vom Kaisertitel über-
haupt nichts wissen und später wollte er wohl den Titel
Kaiser von Deutschland, aber nicht den Titel deutscher
Kaiser sich gefallen lassen. Bismarck erzählt nun:
Die Zustimmung, die der Kronprinz zu meiner Ausführung
zu erkennen gab. reizte den alten Herrn noch mehr, so daß er
auf den Tisch schlagend sagte: „Und wenn es früher so gewesen
wäre, so befehle i ch jetzt, wie es sein soll." Damit stand er auf,
trat an das Fenster, den um den Tisch Sitzenden den Rücken zu-
wendend. Die Erörterung der Titelfrage kam zu keinem klaren
Abschluß; indessen konnte man sich doch für berechtigt halten, die
Ceremonie der Kaiserproklamation anzuberaumen, aber der König
hatte befohlen, daß nicht von dem deutschen Kaiser, sondern von
dem Kaiser von Deutschland dabei die Rede sei.
Diese Sachlage veranlaßte mich, am folgenden Morgen, vor
der Feierlichkeit im Spiegelsaale den Großherzog von Baden
aufznsuchen, als den ersten der anwesenden Fürsten, der voraus-
sichtlich nach Verlesung der Proklamation das Wort nehmen
würde, und ihn zu fragen, wie er den neuen Kaiser zu bezeichnen
denke. Der Großherzog antwortete: „Als Kaiser von Deutsch-
land, nach Befehl Sr. Majestät." Unter den Argumenten, die ich
dem Großherzog dafür geltend machte, daß das abschließende Hoch
auf den Kaiser nicht in dieser Form ausgebacht werben könne,
war das durchschlagendste meine Berufung auf die Lbatsache,
daß der künftige Text der Reichsverfassung bereits durch einen
Beschluß des Reichstags in Berlin präjudicirt sei. Die in seinen

sprach er so laut, daß es die nächststehenden Herren und
Damen vernehmen konnten, „daß ich so spät zum Engagement
antrete, aber ich batte noch gar vieles zu besorgen, mußte die
Musik noch instruiren und so weiter und so weiter!" Auch
Aurora hatte feuchte Augen, schnell wischte sie die Thränen
ab, sprang auf und hing sich dem Herrn Major an den Arm
mit den Worten: „Sie sind ein Engel, Herr Graf! Ich
danke Ihnen!" — Im Vorüberschreiten kam das Paar an
Freund Matze vorbei. »Was ist denn das?" flüsterte dieser
dem Grafen ins Ohr, „iehe ich recht? Sie mit der Morgen-
röthe zusammen!" — „Pst!" erwiderte leise der Graf, „pst!
Morgenröthe und Abendröthe können auch einmal zusammen-
kosen, wenn auch absichtsfrei und im Stande der Nothwehr!"
Fräulein Aurora Feuerstahl aber hing gar fest am Arm
des Grafen und warf ihr Stumpfnäschen wieder derart in
die Höhe, daß die untere Seite senkrecht auf der schmalen
Oberlippe stand und das Ende der Schmachtlocken fast um
eines Fußes Länge von Auroras schmalem Rücken entfernt
hing. Daß sich der Herr Rittmeister v. Rabenau nicht um
sie gekümmert hatte, ja daß sie, die an seiner Seite heute die
Gefeiertste, zu sein fest erwartet hatte, beinahe „sitzen geblieben"
war, batte Auroras Gemüth zuerst tief bewegt und erschüttert,
aber sie war seit Jahren daran gewöhnt worden, Kum-
mer und Herzeleid durch anderweite Tröstungen wieder zu
beruhigen, sie war zudem sehr crfinderilch im Aufsuchen sol-
cher Tröstungen, und so geschah es auch jetzt, als sie neben
der hoben und breiten Gestalt des Majors einhertrippelte.
Ihr Tänzer war nicht nur „Major", er war außerdem auch
noch „Graf", er war der Ehef des Balles — welche Aus-
zeichnung für Aurora, von diesem Herrn ausgefordert zu sein,
mit diesem Herrn vielleicht gar den Ball zu beginnen, die
Polonaise — o Himmel, welche Wonne! — anzusühren. An-
geführt sollte allerdings werden, aber nicht die Polonaise von
Aurora, sondern Aurora selbst-
Kaum hatte sich der joviale Herr Major über das sitzen-
gebliebene Bürgermeistertöchtcrlein erbarmt, da war ihm auch
schon gespensterbleich der Gedanke vor die Seele getreten,
daß er unbedingt die Polonaise anführen müsse, daß er dies

konstitutionellen Gedankenkreis fallende Hinweisung auf den
Reichstagsbeschluß bewog ihn, den König noch einmal nufzusuchen.
Die Unterredung der beiden Herren blieb mir unbekannt, und
ich war bei Verlesung der Proklamation in Spannung. Der
Großherzog wich dadurch aus, daß er ein Hoch weder auf den
deutschen Kaiser noch ans den Kaiser von Deutschland, sondern
auf den Kaiser Wilhelm ausbrachte. Seine Majestät hat mir
diesen Verlauf so übel genommen, daß er beim Herabtreten
von dem erhöhten Standpunkte der Fürsten mich, der ich allein
auf dem freien Plage davor stand, ignorirte, an mir vor-
üb erging, um den hinter mir stehenden Generalen die Hand
zu bieten, und in dieser Haltung mehrere Tage verharrte, bis all-
mählich die gegenseitigen Beziehungen wieder iu das alte Gleise
kamen.
Deutsches Reich.
— Die Thatsache, daß über den obersten Militär-
gerichtshof eine Verständigung zwischen Preußen und
Bayern zu Stande gekommen ist, wird überall lebhaft be-
grüßt. Der gesammte oberste Militärgerichtshof erhält
seinen Sitz in Berlin, die bayerischen Angelegenheiten wer-
den von einem Senat erledigt, besten Mitglieder und Vor-
sitzenden die Krone Bayerns ernennt. Das ist ein prak-
tischer Ausgleich, der Jedem das Seine gibt uud deßhalb
alle Theile befriedigen kann. Die meisten bayerischen Zei-
tungen, darunter alle liberalen, begrüßen die Einigung be-
treffs des obersten Militärgerichtshofs als ein hocherfreu-
liches Ereignis;, obwohl sie darin ein Zugeständnis Bayerns
erblicken. Die socialistischen und sonstigen reichsfeindlichen
Blätter sprechen von der Preisgebung eines weiteren Re-
servatrechls und einer Demüthiguug Bayerns. Dieses Ge-
schwätz nimmt niemand ernst; übrigens war die Sache
längst durch die beiderseitigen Regierungen vereinbart und
wurde zwischen dem Kaiser und dem Regenten bloß mit
wenigen Worten berührt; aber für die Veröffentlichung
erschien die Zusammenkunft als der geeignetste Zeitpunkt.
Baden. L.A. Karlsruhe, 25. November. Ein
Anarchist wurde heute morgen im „Storchen" verhaftet.
Derselbe war der hiesigen Polizeistation als solcher bereits
von Konstanz aus avisirt worden. Er ist aus Rußland
gebürtig und heißt Casimir von Kowalski. Derselbe war
von Baden-Baden aus hierher gekommen.
Hessen. Darmstadt, 25. Noo. In Gegenwart des
Großherzogs und der Großherzogin, des Prinzen Friedrich
,Leopold von Preußen als Vertreter des Kaisers, des Groß-
fürsten und der Großfürstin Sergius von Rußland, der
Minister und der Spitzen der bürgerlichen und militärischen
Behörden wurde heute Vormittag das von Prof. Friedrich
Schaper-Berlin geschaffene L a n d e s d e n k m a l mit dem
Standbilde des Großherzogs Ludwig IV. feierlich
enthüllt.
— Ministerialpräsident Küchler wurde zum Finanz-
minister ernannt.
Aus der Karlsruher Zeitung.
— Seine Königliche Hoheit der Großherzog haben dem
Gendarmerie - Wachtmeister Leopold Speck in Mosbach die
silberne Verdienstmeoaille verliehen und den Reallehrer Ludwig
Oehler an dec höheren Mädchenschule in Karlsruhe auf sein
Ansuchen wegen leidender Gesundheit unter Anerkennung seiner
langjährigen treu geleisteten Dienste auf Schluß des Winter-
halbjahres 1898/99 in den Ruhestand versetzt.
Ausland.
Oesterreich-Ungarn. Wien, 25. Nov. Dem Fremden-
blatt zufolge beschloß der Innsbrucker Gemeinde-
rath unter lebhaftem Beifall, sich an der Bismarck-
gedenkfeier durch Entsendung einer Abordnung zu
betheiligen.
Frankreich. Paris, 25. Nov. Die Criminalkammer
des Cassationshofes hat heute auf ihre gewöhnliche Frei-

aber unmöglich mit der kleinen Aurora thun könne, es würde
das von allen anderen Damen als ein unverzeihliches Ver-
brechen und von den Kameraden, sicherlich auch vom Herrn
Obersten, als unpassend, als ein Hohn auf die ganze Gesell-
schaft angesehen werden. Die kleine Feuerstahl galt nun ein-
mal als lächerliche Person und konnte unmöglich einen Ball
eröffnen, der das Stiftungsfest des Regiments verherrlichen
sollte und zu welchem so außerordentlich großartige Vor-
bereitungen getroffen waren. Freilich als der Graf die ent-
setzten Gesichter der bereits angelretenen Paare musterte, be-
sonders die der sogenannten „besten Gesellschaft", da wurde
er fast versucht, dieses Entsetzen zur vollsten Blüthe und
größester Emfaltung zu bringen und sich an dem Grimme und
Aerger der im Kaftengeiste steckenden Damen und Dämchen
zu weiden, aber — mit Aurora ging das trotz aller Ver-
suchung nicht. Ja hätte an seinem Arme ein junges, braves
und tadelfreies Kind eines wackeren Philisters, eine- schlichten
und rechtschaffenen Handwerksmeisters gehangen, der Graf
hätte sich nicht lang besonnen, mit einem solchen Mädchen
allen anwesenden Gräfinnen und Freifrauen voran zu schreiten,
hierin hätte der Major sogar eine reizende sinnbildliche Dar-
stellung des guten Einvernehmens zwischen Osficiercorps und
Bürgerstand gesehen, aber Aurora, deren stebenundzwanzig
Liebschaften fast öffentliches Geheimniß geworden, deren al-
berne Einbildung und Eitelkeit ui der Garnison sprüchwört»
sich, war entschieden einer solchen Ehre nicht würdig.
— (Fortsetzung folgt.)
Vermischtes.
— (Hochschulnachrichten.) Gleich Breslau läßt auch die
Universität Halle Frauen zu den anatomischen Cursen
zu, es befinden sich deshalb in diesem Wintersemester in Halle
6 Studentinnen der Medicin. Im Ganzen sind in Halle über-
haupt 11 Damen als Hörerinnen zugelassen, 6 hören Medicin und
5 Philosophie. Davon sind 6 Deutsche, 1 Dänin, 1 Engländerin
und 3 Amerikanerinnen.
 
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