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Heidelberger Zeitung — 1898 (Juli bis Dezember)

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Nr. 281 - 306 (1. Dezember 1898 - 31. Dezember 1898)
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https://doi.org/10.11588/diglit.42070#0578
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Dollars. Die Artikel regeln weiter die Freilassung der
Gefangenen, die Herausgabe der Archive, die Räumung der
Philippinen und die Verzichtleistung auf alle Reclamationcn
wegen Schädigungen vor und nach dem Kriege. Spanien
werden für zehn Jahre dieselben Bedingungen für seine Ein-
fuhr wie Amerika zugestanden.
Le Mans, 30. Nov. Zu Ehren des Generals
Mercier, der am 8. Dezember den Oberbefehl über das
IV. Armeekorps aufgibt und in die Reserve übertritt,
gaben gestern Abend die Offiziere in der Handelsbvrse ein
Bankett. In Beantwortung eines auf ihn ausgebrachten
Trinkspruches dankte General Mercier für die unter den
gegenwärtigen Umständen bewiesene Sympathie.
Im weiteren Verlauf seiner Rede flocht er eine Anspielung
auf die sogenannten „Jntellectuellen von Byzanz" ein, die ge-
lehrte Debatten sühnen, während die Türken die Stadt ein-
nahmen. „Die Geschichte wiederholt sich häufig. Gegenwärtig
sehen wir vor den Thoren Frankreichs Türken mancherlei Art,
und man hat auch in dem theuren Vaterlande eine acute Krise
durch die jntellectuellen Byzantiner. Wir wollen nicht Männer
leerer Worte sein: wir sind und wollen bleiben Männer der
That. Unsere Thätigkeit wollen wir dazu verwenden, um uns
in der Lage zu erhalten, unsere Türken zu bekämpfen und zu
verjagen, an welcher Grenze und in welcher Form sie sich zeigen
sollten." Nur hierin allein könne die große militärische Ver-
schwörung bestehen, von der man spreche. Wenn man in der
nächsten Zukunft gezwungen sein werde, unsere Hülfe zu bean-
spruchen, so werden diejenigen, die uns beschimpfen, nur allzu
glücklich sein, wenn sie feststelleu, daß wir uns ihrem in so thö-
rtchter und verblendeter Weise unternommenen Werte widersetzten
und es überlebt haben. Mercier schloß mit einem Hoch auf das
IV. Armeekorps.
Diese anzügliche Rede des Generals, der als Kriegs-
minister im Prozeß Drcyfus eine Ungesetzlichkeit beging
und somit der Hauptschuldige ist, wird von den Blättern
scharf zurückgewiesen. Der Siöcle nennt die Rede eine
Schändlichkeit und eine Beleidigung des Kabinets Brisson,
der Regierung, der Republik und des Kassationshofes, der
die Revision der Dreyfussache mit Zustimmung aller Bürger
unternommen habe, die über dem Aberglauben der Tresse
stünden.
England. London, 29. Nov. Lord Kitchener
hat sich im Interesse einer Subscription für Schaffung
eines Fonds von 100000 Pfund Sterling zur Begrün-
dung eines „Gordon Memorial College" in Karthum an
die Oeffen'lichkeit gewandt. Die Königin hat sich bereit
erklärt, das Protectorat zu übernehmen; der Prinz von
Wales wird zweiter Patron. Lord Salisbury har Lord
Kitchener in einem äußerst warm gehaltenen Schreiben
feiner Unterstützung versichert.
London, 30. Novbr. Lord Chamberlain ver-
öffentlicht in soridors ma,AN2ins einen Weihnachtsartikel,
worin er sagt, es möge als Thatsache angesehen werden,
daß die Engländer jede Näherung zur angelsächsischen
Allianz willkommen heißen, daß sie fast jeden Schritt thun
werden in Erwiderung amerikanischen Entgegenkommens
und daß sie selbst nicht vor einer Allianz gegen die ganze
Welt zurückschrecken in der Vertheidigung der Ideale der
angelsächsischen Rasse, nämlich der Humanität, Gerechtigkeit
und Gleichheit.
Aus Stadt und Land.
Heidelberg, 1. December.
** Wahlen zum Bürgerausschnß. In einer gestern Abend
abgchalleuen Beiprecbuug der auf morgen anberaumten Er-
'atzwahl von zwei Stadtverordneten wurden die Herren
Glasermeister Aisenpreis und Oberamtsrichter Engel-
berth in Vorschlag gebracht.
Liederkranz. Bis jetzt fanden sich die Mitglieder des
Liederkranz nach den Museums Concerten stets im Museum zur
gemüthlichen Nachfeier zusammen. Da aber gegenwärtig ein Wechsel
in der Person des Restaurateurs im Museum stattfindet, so begeben
sich die Mitglieder des Liederkranz nach dem eigenen Vereinshause,
wo es für sie immer am gemüthlichsten ist. Der große, geräumige
Saal des Liedcrkranz war voll besetzt mit Liederkränzlern und
Liederkränzlerinnen. Auch die vortreffliche Solistin des Abends,
Fräulein Ger stacker, der Komponist der „Kassandra" Herr
Dr. Mai, sowie eine Anzahl auswärtige Gäste von Mannheim ec.
hatten sich eingefunden. Es entwickelte sich bald ein äußerst
animirtes Leben. Herr Dr. Keller erhob sich im Verlaufe des
Abends und sprach seine Freude über den gelungenen Verlauf des
Coucertes aus, welches wieder ein neues herrliches Blatt in der
Geschichte des Vereins sei. Ein begeistert aufgenommenes „Hoch"
auf den Dirigenten des Vereins, Herrn Direktor Weidt, den
Componisten Herrn Dr. Mai und Fräulein Gerstäcker bildete
durchgebildete Styl, den Direktor Weidt geschaffen hat, tritt
immer gleichmäßiger und gefestigter zu Tag.
Gestern erfreute namentlich der I. Baß durch besonderen
Wohlklang.
Für die Solopartie der Kassandra ist unbedingt eine große
dramatische Stimme, ein gewaltiger Umfang nathwendig. Sie
ist außerordentlich schwierig und anstrengend geschrieben, nament-
lich in Folge der vielen großen Intervallen.
Man darf es daher Fräul, Gerstäcker zur Ehre anreckmen,
daß sie, mit einer kleinen, zum aller-lyrischsten Lied geschaffenen
Stimme, die nicht in die erforderliche Tiefe hinabreicht, nach
einer gewissen Befangenheit in den ersten Takten den für sie so
schwierigen, fast unmöglichen Kampf mit den Tonmassen brav
und muthig durchzuführen wußte.
Dasselbe gilt für das Sopransolo in Schubert-Liszt „Die
Allmacht". Hier hat Liszt, so geistreich ec iuftrumentirte und
das herrliche Lied in das große Format umarbeitete, die Sing-
stimme schon an sich so geschrieben, daß sie kaum durchzudringen
vermag. Der Chor, im Anfang etwas unruhig, fand sich später
vortrefflich in das Werk.
Mehr einfacher Natur waren die drei a oaxslla-Nummern
von Spangeuberg, sehr hübsche, ungesuchte Khor-Eompositionen.
Die meiste Eigenart besitzt entschieden „Ich ging durch einen
grasgrünen Wald".
War die genannte Concertsängerin, Frl. Gerstäcker, an zwei
Stellen entschieden auf ihr nicht Zusagendes angewiesen, so
konnte sie sich dafür in vier Liedern schadlos halten. Die Dame
besitzt einen recht sympathischen, in der Höhe am besten ausgeben-
den, aber nicht starken, nach der Tiefe fast versagenden Sopran.
Sie singt mit gutem Geschmack und warmem Vortrag. Am
besten liegt ihr ganz Duftiges, Zartes, wie „Stille Sicherheit"
von Franz — ist das ein edles Lied! — oder das Wiegenlied,
das sie nach mehrfachem Hervorruf wirklich reizend hinhauchte.
Durch diskrete Begleitung unterstützte sie Herr Gompf.
Unser Orchester, das erst kürzlich im Bach-Vereins-Concert mit
und durch Liszt so überzeugend bewies, was es heute zu leisten
vermag, war auch der Kassandra eine sichere stütze.
Als alleinstehende Großmacht trat es gestern frisch und kräftig
in Massenets „Soenss uapolitmoss" hervor. Man möchte diesen
Massenet modernen Meyerbeer nennen. Es gilt von der Suite
übrigens nicht gerade „Hör Neapel und stirb". Was sie ohne

den Schluß der Rede des Herrn Dr. Keller. Der Liederkranz
sang alsbald Weidt's „Spielmannslied" mit Herrn Stoeß als
Solisten. Der melodienreiche Chor wurde sehr frisch und mit
schöner Klangwirkung vorgetragen; die Liederkränzler zeigten, daß
sie keinesfalls ermüdet waren. Frl. Gerstäcker sprach sich zu
den Vorstandsmitgliedern sehr lobend über das Stimmenmaterial
des Liederkranz und über die vorzügliche Schulung der Sänger,
aus. Herr Dr. M a i dankte dem Liederkranz und seinem wackeren
Dirigenten für die glänzende Durchführung des „Kassandra". Es
sei das dritte Mal, das sein Werk aufgeführt wurde, aber in der
Weise, wie es im Liederkranz gesungen wurde, sei es ihm noch
nicht zu Gehör gebracht worden. Zur großen Freude der Lieder-
kränzler übermachte Herr Dr. Mai sein Werk dem Liederkranz
zum Eigenthum. Ein neues Quartett, die Damen Betz und
Lang sowie die Herren Lang und Burkhard, erfreute die
Anwesenden mit zwei sehr gelungenen Liedern. Mitternacht war
längst vorüber, als die Letzten das Vereinshaus verließen und
das Eine ist gewiß, daß alle Anwesenden mit dem frohen Be-
wußtsein schieden, im Liederkranz wieder einmal genußreiche
Stunden verlebt zu haben.
Vk. Gartenbau-Verein. In der gestrigen Sitzung des Garten-
bau-Vereins wurde beschlossen, die Sitzung Ende December, wie
im Voijahre, ausfallen zu lassen. Da weitere geschäftliche Mit-
theilungen nicht Vorlagen, erhielt Herr Freiherr v. Güter das
Wort zu einem Vortrage: „Ueb er d a s O b st j a h r 189 8".
Als Ursachen der diesjährigen schlechten Obsternte gab Redner die
ungünstige Witterung und die vielen Krankheiten der Obstbäume
und Reben an. (Wegen Raummangels bringen wir ausführlichen
Bericht im nächsten Familienblatt.) Redner unterstützte seinen
interessanten und nützlichen Vortrag durch Vorzeigung von kranken
Blättern und von Schädlingen. Hr. Hofrath Pfitzer dankte im
Namen der Versammlung für den Vortraa. An den Vortrag
schloß sich eine Diskussion an- Hierauf sprach Herr Garieu-
inspeltor Massias über Chrysanthemenzucht und Kultur der-
selben und zeigte einige sehr schöne Exemplare vor. Die übliche
Gratisoerloosung von Topfpflanzen an die Mitglieder beschloß
die Sitzung.
A Variötö zum Zwinger. Das Programm vom 1.—16. De-
cember dürfte das Hervorragendste seiner Art sein, das bisher in
Heidelberg zur Aufführung gelangte. Es ist der Direktion ge-
lungen, den besten Verwandlungsschauspieler, Mr. Dimitri zu
gewinnen, welcher bei seinem Auftreten in allen Städten die
größte Sensation erregte. Herr Dimitri stellt in dem Stücke
„Ertappt" sämmtliche aktuelle Personen dar. Die Verwandlungen
sind so überraschend, daß das Publikum daran zweifelt, ob es
überhaupt nur eine Person ist. Außerdem tritt Mr. Dimitri noch
als Jongleur und Zauberkünstler auf. Das D'Osta Trio, zwei
Herren und eine Dame, leisten das Beste an dem flliegeudcu
Trapcts; ebenfalls eine Airaktion ersten Ranges. Ferner weist
das Programm den Balancenkünstler Paola Forori auf und Mr.
Willy (chinesische Spiele) Luftpotvourr:. Den gesanglichen Theil
vertreten Bianca Rosen und der Gesangshumorist Willy Rascheck.
Das Bestreben der Direktion, solche Capacitäten hierher nach
Heidelberg zu bringen, wird zweifelsohne einen erhöhten Besuch
der Varists-VorsteUnugen herdeifllhren und sichet wird die heutige
Vorstellung bei ausverkauftem Hause stattfinden.
-R- Von der Sternwarte. Auf dem hiesigen astrophysikalischen
Observatorium wurden in der Mitte des Novembers 6 neue
Asteroiden 13.—14. Größe auf photographischem Wege ent-
deckt. Dieselben sind deßhalv höchst interessant, weil sie zeigen,
daß die Durchstchligketl der Luft auf dem Königstuhl den Him-
mclsaufuahmen sehr zu gute kommt. Die lichtschwächsten Pla-
neten, welche noch als Spuren auf den Platten des Observa-
toriums zu erkennen sind, sind nach dieser Entdeckung noch um
eine Größenklasse weniger hell als die schwächsten Planeten, deren
Entdeckung mit dem gleichen Instrument auf der ehemaligen
Privat-Sternwarte hier in der Stadt möglich war.
ff Plötzlicher Tod. Mitten in der Arbeit wurde gestern Abend
Herr Julius Schloß, in Firma Kaufmann u Schloß, von
einem Schlaganfall betroffen, dem er alsbald erlag. Ein tragisches
Geschick schwebt insofern über der Firma, als ihre beiden frü-
heren Prinzipale, die Herren Simon Kaufmann und Julius
Schloß binnen wenigen Jahren und noch in rüstigem Mannes-
alter aus ihrer Thätigkeit gerissen wurden. Wie sein früherer
Gesellschafter war auch der nun Verlebte ein tüchtiger und ge-
wandter Kaufmann. In politischer Richtung gehörte Hr. Schloß
der nationalliberalen Partei an. Er erreichte ein Alter von nur
55 Jahren.
— Polizeibericht. Ein Droschkenkutscher wurde gestern
wegen fortueietzter Ruhestörung verhaftet; ein junger Mann
kam wegen Schmähung zur Anzeige.
ff Mannheim, 30. Nov. Arbeitsscheu und Leichtsinn brachten
den 20 I hre alten Zeichner Josef Dürweller genannt Reith
von Heidelberg auf die Bahn des Verbrechens. Er ist als Be-
trüger schon wiederholt und erheblich, zuletzt mit 9 Monaten
Gefängniß, vorbestraft. In letzter Zeit warf er sich auf eine
moderne Spezialität, das Fahrrad. Am 3. Octbr. d. I. lieh er
sich von dem Fahrradhändler Adam Krämer unter falschen Vor-
spiegelungen ein Rad im Werthc von 70 „/L und versetzte es.
Dasselbe that er mit einem von der Firma Kircher u. Co ent-
liehenen Fahrrad im Werthe von 100 und mit einem weiteren
Rad im Werthe von 200 „kL, das ihm der Tüncher Bernhard
Langlotz ebenfalls auf falsche Vorspiegelungen hin geliehen hatte.
Denselben Langlotz erleichterte er auch um ein Darlehen von 2
Als ihm der Kaufmann Ludwig SenSbach in Neckarau, der ihn
mit Langlotz bekannt gemacht hatte, später begegnete, und ihn
Programm schildert, ist wohl ein Fest in Sa. Lucia oder 4. bssso
xorto. Tarrantella, Sicilienne, Glockengeläute, Böllerschüsse —
veritable Böllerschüsse — Girondola rc. Es ist eine lustige, süd-
lich-heiße Komposition, etwas sehr grell (unter diesem Himmel frei-
lich!) und ein wenig brutal-äußerlich und effekthaschend.
Herr Weidt, der umsichtige und fein-musikalische Dirigent,
darf „einen ganzen Erfolg mehr" in seinem Tagebuch verzeichnen.
Or. 8.
Stadttheater.
O Heidelberg, 1. December.
„Niobe", Schwank in 3 Akten von Harry Paulton und
C. A. Paulton. Demsch von Oscar Blumenthal.
Der Figur der Niobe wie überhaupt den Gestalten des
klassischen Alterthums stehen wir, offen gestanden, nicht so ganz
unbefangen gegenüber. Es werden mit ihnen persönliche Lebens-
erinnerungen peinlichster Art in uns wachgeruscu, die eine
durchaus unrühmliche Periode in unserem Dasein betreffen.
Zumal die phrygische Königstochter ist uns im unangenehmsten
Gedächtniß, indem dieselbe nämlich schon einige Zeit vor Paulton
und Blumenthal von dem verstorbenen Ovid behandelt worden
ist, dessen göttliche Metamorphosen ja einen Grundpfeiler der
Gymnasiallektüre bilden. Daß es nun unter diesen Umständen
schwer fällt, dem Stoff sing ira ot stuckio gegenüber zu stehen,
wird jedes mitfühlende Herz begreifen. Damals haben wir
freilich — was wenigstens das sins stuckio anbelangt — im
vollsten Maße dieser Bedingung entsprochen. Das wurde uns
aber gerade zum Verhängnis, und jetzt wird uns dies Verhalten
zur Pflicht gemacht. So ändert sich das Leben und seine An-
forderungen. — Wenn man aber diese erste unangenehme Em-
pfindung überwunden hat, kann man sich über den Schwank
herzlich amüsiren. Auf dem Gebiet der grotesquen Komik sind
unsere Vettern jenseits des Kanals von den Tagen des Pickel-
herings an bis zu der tollen Lustigkeit des „Mikado" anerkannte
Meister und dieser Gattung gehört auch der Schwank an, der
einmal wieder in neuer Einftudirung auf unserer Bühne
erschien.
Eine gähnende Leere im Zuschauerraum, wie sie gestern
Abend herrschte, wirkt stets lähmend auf die Stimmung der
Darsteller. Zudem schien die Einftudirung des Stückes etwas

zur Verhaftung mitnehmen wollte, bedrohte er denselben Mit
Todtstecden, „da er nun doch verloren sei". Ferner stahl er aal
20. Septbr. d. I. dem Kaufmann Adols Traub aus dem Haust
0 7, 7 ein Fahrrad im Werthe von 200 und ein weiteres
Rad in einem Hause der Mainzer Straße in Frankfurt. Der
Eigenthümer des letzteren Rades kam dazu, schickte dem davon-
radelnden Diebe einen anderen Radfahrer nach, Dürweller wurde
eingeholt, und so kam das ganze Sündenregister des Burswen,
worunter auch zwei Logisschwindeleien figurirten, ans Licht. Da-
Gericht verurtheilte den raffinirten Schwindler zu 3 Jahren
Zuchthaus, 1800 Geldstrafe, eventuell weiteren 4 Monate"
Zuchthaus und zum Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte auf dre
Dauer von 4 Jahren.
8 0. Karlsruhe, 30. Nov. Der Bayerische Steuer-
ausschuß hat beschlossen, daß die großen Waaren-
Häuser mit einer Umsatzsteuer bis zu 3 Prozent belegr
werden sollen. Eine solche Sonderbesteuerung paßt natürlich den
Herren Tietz, Schmoller, Knopf, Michelsohn rc. nicht, weshalb
Herr Oscar Tietz-München einen „Aufruf an alle Kaufleute
Deutschlands" erläßt und jeden zur Abgabe seiner Adresse auk-
fordert, der die „Gewerbefreiheit unangetastet haben will". Wir
glauben, daß Herr Tietz für seine Adresse lediglich die Unter-
schriften der angeführten Consorten bekommt; dagegen dürfte
der adäquate Aufruf des Herrn Sieberling-Mainz in den
Kreisen der Kaufleute allgemeine Zustimmung finden. He"
Sieberliug bittet alle, die das Vorgehen des Bayerischen Sonder-
ausschusses mit Freuden begrüßen, um Zusendung ihrer Adresse
und gibt der Hoffnung Ausdruck, daß diesem Beschluß recht bald
sämmtliche Bundes st aaten folgen werden, „dam"
endlich den großen Waarenhäusern und Schleudcrgeschäften, die
Tausende und aber Tausende von kleinen Existenzen zu Grunde
richten, das Handwerk gelegt wird." ,
L. V. Karlsruhe, 20. Nov. Herr Dekan und Geistl. Rath
Benz ist heute Abend gegen 6 Uhr plötzlich infolge eines Herz-
schlags gestorben, im Beisein des Herrn Kaplan Epp, welcher
ihm die Sterbesakramente reichte. 2 Stunden vorher nahm He"
Benz, der sich bei sehr guter Laune befand, noch einen Besuch
entgegen. Die Aufbahrung der Leiche findet Donnerstag vo"
12 Uhr ab in der Stefanskirche statt, Abends 5Vs Uhr die
Ueberführung der Leiche von der Stefanskirche aus." Die Be-
erdigung ist Samstag 11 Uhr.
Aus Bade». Das neue FreiburgerRathhaus, welches
sammt Grund und Boden im Jahre 1894 zu 300000 Mk- ver-
anschlagt worden ist, kostet bis heute 450000 Mk., und wird,
wenn nach Jahresfrist fertig, 650 000 Mk. kosten. — Bei dem
Umbau eines Hauses in der Hirschstraße in Karls ruhe wurden
bei den Grabarbeiten im Kellerraum menschliche Knochen und
ein ziemlich gut erhaltener Zopi gefunden.
— (D i e n st n a ch r i ch t e n.) Der Kommandeur der 28.
Division in Karlsruhe, Generallicutenant von Grone, ist <"
Genehmigung seines Abschiedsgesuches zur Disposition gestellt
worden.

Kleine Zeitung.
— Küstrin, 28. Nov. Unter dem 19. Nov. ist Generalmajor
Lademaun, Kommandant von Küstrin, zur Disposition gestellt
worden. Mit ihm scheidet der letzte derjenigen akt iv e n Offisie"-
welche von der Pike auf gedient haben, aus der preußische"
Armee. Lademann gehörte als Unteroffizier des brandenburgische"
Pionier-Bataillons Nr. 3 zu den drei Leuten des Bataillons,
welche, der Sturmabtheilung des brandenburgischen Füsilier-Re-
giments Nr. 35 angehörend, durch einen Pulversack die Pallisaden-
wand im Gr iben der Schanze 2 der Düppelstellung am 18. Apr"
1864 öffneten. Er wurde deßhalb uuterm 11. Februar 1865 z»M
Sekoude-Lieutenant „wegen seines tapferen Verhaltens vor dem
Feinde" befördert und ist dann bis zum Generalmajor avancirt.
— Newyork, 29. Nov. Aus Boston wird telegraphirt: Des
Dampfer Port land ist am Sonntag Vormittag 10 Uhr b"
North Truro (Massachusetts) in unmittelbarer Nähe der Küi"
untergegangen. Alle an Bord befindlichen Personen, näm-
lich 65 Passagiere und die Besatzung von 49 Mann, sind er-
trunken.

Theater- und Äunstnachrichten
Heidelberg 1. Dec. Im Stadttheater gelangt morgen,
Freitag, voraussichtlich zum letzten Male in dieser Saison, der
köstliche Schwank „Im weißen Rössel" in der bekannten treffliche"
Besetzung durch unsere ersten Lustspielträfte zur Darstellung.
Mannheim (Großh. Hof- und Nattonalthearer.) Freitag,
2. Dec.: „Martha".

Handel und Berkehr.
Mannheim, 30. Nov. (Aktien.) Oberrh. Bank 123.— I'
Rhein. Credttbank 142.— G. Rhein. Hypothekenbank 167.— K-
Heidelberger Aktieubrauerei 137.— B. Schrödl'sche Brauerei-
Aktien 140— G. Portland-Cementwerk Heidelberg 167.50 B-
Frankfurt. 30. Nov. Effekte ui seiet ar. 6'/. Uhr Abends
Oesterr. Creditaktien 302°/^-°/, b. Diskonto-Kommandit 194 bi-'
193.90 b. Nationalbalik für Deutschland 145.30—20 b. Darm-
städter Bank 152.60 b. Deutsche Bank 199.10—199 b. ult-
199 b. cpt. Dresdener Bank 159.80 b. Banque Ottomane
109.10 b. Oesterr-Ungar. Bankaktien 776 b. G. Oesterr.-Ungar-
Staatsbahn 301'/,—°/, b. Northern 75.50 b. Türken C. 27.10 b-
D. 2270 b. 6pkt. Buenos 38.80 b. Gelsenkirchen 187.30
Harpener 174.30 b. Oberschles. Eisen 150.50 b. Concordia
überhastet worden zu sein. Auf die meisten Mitwirkenden üb"
nämlich der Souffleurkasten eine magnetische Anziehungskraft
aus, tu dessen nächster Nähe man sich offenbar am Wohls""
fühlte. Die beiden Signaturen des Abends, mangelnde Lau"?
und Unsicherheit im Texte, waren diesmal ganz besonders bei
Herrn Stettner wahrzunehmen, der, abgesehen von einige"
sehr komischen Momenten, mit der Rolle des „Peter Du""
nicht die Wirkung erzielte, wie wir es sonst bei dem beliebte"
Künstler gewohnt sind. » .
Ganz eigenartig wirkte die Darstellung der Titelrolle durM
Frl. Heinrich. Das Pathos des hohen Kothurns, den sie o"
belebten Statue lieh, war so echt, daß man sich beinahe geiiir"
zu lachen und bedauerte, daß die seelenvolle Sprache nicht a"
eine bessere Sache verwendet war. Dadurch blieb die Darsteller!"
uns aber den Ton der Parodie, der doch — allerdings nur gaK
leise — durchklingen muß, schuldig, was bei der künstlerische"
Individualität von Fräul. Heinrich freilich nicht anders zu er-
warten ist.
Die anderen Rollen sind, wie bei allen diesen Schwänke"'
deren Stärke eben ganz auf der komischen Situation beruht, mehr
oder weniger nur Staffage und bieten für die Darsteller wenig
dankbare Aufgaben. Besonders hervorzuheben ist jedoch H"'
Dankmar, der in der Rolle des „Lord Tomkins" die Veretm-
gung von Kunstschwärmerei und britischer Trockenheit sehr f""
verkörperte, und Frl. Sander, die als die ältliche Jungfr""
„Helene Griffen" ausgezeichnet den Ton der englischen Prüderie
traf. Frl. Schaub, die uns durch ihren drolligen Ton immer
Spaß macht, wird gut thun, die freie Zeit, an der es ihr I"
nicht fehlt, zum Theil mit Sprechübungen auszufüllen. Der
Mr. Dünn, von dem sie im Stück sprach, ist nicht „Direktor
der Versicherungsgesellschaft, sondern begnügt sich damit, Direktor
derselben zu sein.
Daß die Rolle des Stubenmädchens Molly von iolch"
Wichtigkeit ist, daß sie Frl. Konrad übernehmen mußte, m
uns nicht recht klar geworden. Man hätte irgend einer strev-
samen jungen Dame aus dem Chor damit eine Freude bereite"
sollen. — Die übrigen Vertreter der kleinen Rollen, die Dame"
Frenzel, Hoheneck u. Jung, sowie die Herren Mayrrtzg-
Sigl und Blank waren sehr zufriedenstellend. ü. L.
 
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