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Heidelberger Zeitung — 1899 (Januar bis Juni)

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https://doi.org/10.11588/diglit.39312#0149
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Telephon-Anschluß Nr. 82.


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Telephon-Anschluß Nr. 82.


Nimmst«?, den 9. Mmr

I8S9.

Wocheri-Chroirik.
(Vom 29. Januar bis zum 4. Februar.)
3an. 29.: In Chemnitz findet eine Vertrauensmänner-
Versammlung der nationalliberalen Partei
im Königreich Sachsen statt und nimmt einen sehr
günstigen Verlauf.
„ 31.: Die Fürstin von Bulgarien stirbt.
- 31.: Der Großherzog von Baden erscheint im
Verein der Badener in Berlin und im Berliner
Verein ehemaliger badischer Soldaten. In beiden
Vereinen hält er freundliche Ansprachen an die Fest-
Versammlung.
Febr. 1.: Der Reichstag nimmt wieder einmal einen An-
trag auf Aufhebung des I e s u i t e n g e s e tz e s an.
» 1.: Der österreichische Reichstag wird vertagt, ohne daß
der Ausgleich mit Ungarn von ihm erledigt worden
wäre.
, 2 : Die Föderation der australischen
Staaten scheint durch den günstigen Verlauf einer
Konferenz des australischen Premierministers gesichert
zu sein.
» 3.: Der König von Schweden und Norwegen
ist von einem nervösen Leiden befallen und hat den
Thronfolger für die nächsten Monate zum Regenten
bestellt.
,, 3.: Der Kaiser hält auf dem Festmahl der Provinz
Brandenburg eine schöne Rede. Er deutet darin an,
daß die Hoffnungen auf Ergebnisse von Friedens-
konferenzen eitel sind und spricht den Wunsch aus,
daß die Germanen als fester Block Zusammenhalten
möchten.

Deutsches Reich

— Die Budgetcommission des Reichstages be-
rieth am 5. d. den Gesetzentwurf, betreffend die Friedens-
Präsenzstärke des Heeres und Aenderungen des Reichs-
Mitärgesctzes. Zu einem Antrag auf Abhaltung einer
Generaldebatte erklärte Abg. Dr. Lieber (Centr.), er halte
eine solche für nöthig, doch könne sie nur unter Gewährleistung
pes unbedingten Stillschweigens gegenüber der Presse statt-
enden. Abg. Bebel (Soz.) sprach sich gegen die Geheim-
haltung aus. Abg. Richter (freis. Volksp.) führte aus,
°ri einer Geheimhaltung könne die Minderheit sich jder
Deffentlichkcit gegenüber nicht rechtfertigen. Die Commission
verzichtete schließlich auf eineGeneraldiscussion und beschloß
^uf Vorschlag des Vorsitzenden v. Kardorff, zwei Lesungen
"ozuhalten. Abg. Bassermann (natl.) berichtet über die
Vorlage und die vorgeschlagene Umgestaltung der Feld-
"Aillerie. Auf Vorschlag des Abg. Richter beschloß die
Kommission, den vom Berichterstatter gebotenen Stoff
.rucken zu lassen. Ferner soll der Commission die Auf-
Uellung der Artilleriekriegsstärke anderer Staaten zugänglich
gemacht werden, wozu der Kriegsminister sich bereit erklärt.
Deutscher Reichstag. Berlin, 8. Fcbr. Präsident
Gsaf Ballestrem eröffnet um 1 Uhr 20 Minuten die
Atzung und theilt die Mandatsniederlegung des Abgeord-
relen Kreitling-Berlin (freist Volksp.) mit, dessen Mandat
ou der Wahlprüfungskommission für ungiltig erklärt
worden ist.
. Bei der fortgesetzten Berathung des Bankgesetzes führt
Abg. Dr. Schönlank (Soz.) aus: Die Sozialisten seien
^rein Grundsätze gemäß für die Verstaatlichung der Reichsbank.
Hauptaufgabe sei der Schutz der Währung und Regelung
llek .d^dumlaufs. Die heutige Centralnotenbank sei das Er-
M eines langen Kampfes und eines schweren Vergleiches,
iin ^ Pos Wachsen des Giroverkehrs habe sich das Creditwesen
LAHeuer erweitert. Trotz der bedenklichen Einstellung der
nn»- MEufe hätte die Reichsbank bis jetzt ihrer Aufgabe ge-
beei n Der Diskontsatz (3 Prozent) bei einer Notenbank werde
all» purch die Bewegung des Geldmarktes, die wieder von
d,,^.Meinen wirthschaftlichen Verhältnissen abhänge. Daher sei
ro ,."vistand, daß die Bank von Frankreich mit 2 Prozent dis-
den, ' tür uns nicht maßgebend. Deutschland habe eben in
tz. Atzten 10 Jahren von allen Ländern Europas den größten
lh schaftlichcn Aufschwung gehabt. Die Bank von

England halte sich übrigens durchaus nicht an den amtlichen
Diskontsatz; maßgebend würde daher nur der Durchschnitt der
Roheinnahmen sein, und der sei zwischen unserer Bank und der
von Frankreich unb England gar nicht erheblich verschieden. Die
Creditgewährung sei nicht die Hauptaufgabe einer Centralnoten-
bank; die Reichsbank dürfe keine Hauptstation für Nothleidende
werden. Die ganze Beschaffenheit des landwirthschaftlichen Be-
triebes hindere, daß die Reichsbank eine Kreditanstalt für den-
selben werden könne, denn sie müsse mit kurzen Fristen rechnen,
während die Landwirthschaft lange Fristen brauche. Es müsse
verhütet werden, daß die Reichsbank zu Sonderzwecken der
Agrarier nutzbar gemacht werde. In der Vorlage handle eS sich
darum, eine Organisation weiter auszubauen und den erweiterten
Bedürfnissen anzupassen, die im Großen und Ganzen ihrem Zwecke
entsprochen hätte.
Abg. Payer (südd. Volksp.) ist im Allgemeinen mit der
Vorlage einverstanden mit Ausnahme der Bestimmungen, die sich
auf die kleinen Notenbanken beziehen.
Abg. Siemens (freist Ver.) stellt fest, daß das Haus im
Allgemeinen der Vorlage günstig gegenüberstehe. Er als In-
teressent könne versichern, daß große Kreise der Industrie, des
Handels und des Bankwesens die Vorlage begrüßten, was Red-
ner im Einzelnen auseinandersetzt. Die Reichsbank sei auch von
auswärtigen Sachverständigen auf's höchste gerühmt worden; sie
habe mit geringen Mitteln Großes erreicht.
Abg. Müller-Fulda (Centrum) bespricht einige technische
Einzelheiten des Bankwesens und der Bankpolitik. Uebrigens
habe die Reichsbank auch die Interessen der Landwirthschaft ge-
nügend berücksichtigt.
Reichsbankpräsident Dr. Koch äußert sich dem Vorredner
gegenüber über das Wesen der Notenbanken.
Abg. Heiligen st adt (natl.) tritt für die Erhöhung des
Grundkapitals ein. Die Reichsbank hätte eben andere Aufgaben,
als die Bank von England oder von Frankreich. Er vertheidigl
die Centralgenossenschaftskasse gegen Preßangriffc.
Abg. Sch rem Pf (cons.) tritt für die Privatnotenbanken ein,
denen gegenüber die Reichsbank kein Monopol erhalten sollte.
Freitag: Fortsetzung. Anfrage Kanitz, betreffend Handels-
beziehungen zu Amerika.
Baden. Karlsruh e,8.Febr. Das M ark grä fl ich e Palais
ain Rondellplatz, einschließlich des gesammten Areals, soll nun-
mehr nach der Landesztg. vom Staate angekauft und darin die
dringend nothwendigen Räume zur Erweiterung der Gr. Samm-
lungen geschaffen werden. Der Preis dürfte 1800000 be-
tragen und eine entsprechende Regierungsvorlage noch diesem Land-
tage zugehen. Die Bauplätze im Garten wird dann der Fiskus
unter Auferlegung besonderer Baupflichten selbst veräußern. —
Das Douglas s che Palais ist übrigens nicht um 450 OM
sondern zum Preise von 650 OM für S. Großh. Hoheit den
Prinzen Karl erworben worden.
Prerchen. Kiel, 8. Febr. In einer gestern abgehal-
tcnen Versammlung, an der mehr als 1000 Personen aller
bürgerlichen Parteien theilnahmen, wurden die vom Ober-
präsidenten v. Köller gegen die dänische Agitation ge-
troffenen Maßregeln einstimmig gebilligt und demselben eine
Zustimmungsadresse übersandt.
Sachsen-Koburg. Gotha, 8. Februar. Das tief-
gebeugte Herzogspaar beabsichtigt, eine ganz stille
Trauerfeier zu veranstalten und hat die Fürstenhöfe
gebeten, von persönlichen Entsendungen absehen zu wollen.
Der Tag der Beisetzung des Erbherzogs ist noch unbe-
kannt.

Aus der Karlsruher Zeitung.
— Mit Entschließung Großh. Ministeriums des Innern wurde
der provisorische Bezirksthierarzt Siegfried Carl in Neckar-
gemünd etatmäßig angestcllt.
Karlsruhe, 8. Febr. Der Großherzog nahm
heute Vormittag verschiedene Vorträge entgegen. Nach-
mittags hörte derselbe den Vortrag des Geheimen Legations-
rathes Dr. Freiherrn von Babo. Um 6 Uhr nehmen die
Großherzoglichen Herrschaften an dem Abendgottesdienst
in der Schloßkirche theil, bei welchem Pfarrer Däublin
von Hohensachsen die Predigt hält. Nach dem Gottesdienst
empfängt der Großherzog denselben. Die Großherzogin
begiebt sich heute Abend zum Besuch des Abonnements-
concerts in die Festhalle. Von halb 8 Uhr an hört Seine

Königliche Hoheit der Großherzog den Vortrag des Lega-
tionsraths Dr. Seyb. Seine Königliche Hoheit hat gestern
den Geheimen Legationsrath Dr. Freiherrn von Babo nach
Heidelberg gesandt, um den Mitgliedern des Komitees zur
Errichtung eines Rothe-Denkmals sein Bedauern darüber
auszudrücken, daß die Höchsten Herrschaften verhindert sind,
der Einladung zur Dcnkmalsenthüllungsseier in Heidelberg
morgen zu folgen. Der Präsident des Evangelischen Ober-
kirchenraths Dr. Wielandt wird Seine Königliche Hoheit
bei dieser Feier vertreten.
** Im Jahre 1898 hat sich der Kilometerhefteverkehr
auf den Badischen Staatseisenbahnen, verglichen mit 1897 folgender-
maßen gestaltet: es wurden verkauft
Hefte I. Klasse 1l. Klasse III. Klasse zusammen
1898 857 29859 107 557 138 273
1897 761 27 691 90102 118554
1898 mehr 96 2168 17455 19719
oder 12,61°, 7.83°/, 19.37°/, 16,63°/,.
Hiefür wurden eingenommen:
1898 3 934705
1897 3 405850 ^
1898 mehr 528 855 oder 15,53 "/,.
Gegen Vergütung von 1 wurden an ausgenützten Kilo-
meterheften zurückgeliefert
1898 116 640 Stück
1897 94023 „
1898 mehr 22 617 Stück oder 24,05 °/,.

Ausland.
Frankreich. Paris, 8. Febr. Die nationalistischeil
Blätter befürchten, die Criminalkammer werde den
Parlamentsverhandlungen über das Revisions-
gesetz zuvorkommen und in der Dreyfussache ein end-
giltiges Urtheil fällen. Dem Echo de Paris zufolge würde
Präsident Mazeau nach dem vollständigen Abschlüsse der
Enquete das Dossier verlangen und es bis nach der Er-
ledigung der Debatte des Revisionsgesetzes behalten. Es
verlautet, der Kanzle ich ef im Cassationshofe Menard,
welcher Beaurepaire über die Vorgänge in der Criminal-
kammer insormirte, werde gemäß re gelt werden.
England. London, 8. Febr. Im Oberhause sagte
Lord Salisbury bei Besprechung der Thronrede über
die auswärtige Politik Englands noch, England behalte
den Sudan, da dieser einen Theil des ägyptischen Ge-
bietes bilde, aber es behalte ihn auch auf Grund des
leichter zu verstehenden Titels der Eroberung. Der An-
spruch, durch Thalsachen weggefegte Titel wieder zu be-
leben, könne durch das historische Beispiel und das Völker-
recht nicht gestützt werden. Um die Geschicke Chinas
zu verstehen, müsse man vor allem feststellen, was in einem
gewissen Palast in Peking und auf einer gewissen Insel
Vorgehe. Chinas Zukunft ruhe nicht in den Händen der
englischen Regierung; es sei aber die Politik der letzteren,
den englischen Handel zu fördern und darauf zu achten,
daß seine Rechte gehörig beachtet werden. Allgemein sei
aber der Wunsch, daß die Friedensvorschläge des
Zaren sich verwirklichen mögen; mehr könne man aber
mit Sicherheit nicht sagen. Er glaube, daß die Kriegs-
gefahr nicht mehr so groß sei, als sie während der Par-
lamentsferien war, daß aber noch Kriegsursachen bestehen.
„Doch wir wollen keinen Zweifel darüber lassen, daß wir
keinerlei Rücksichten anderer oder der Friedensliebe, die
andre hegen, die Sicherheit verdanken wollen, die uns ver-
gangene Generationen gegeben und die zu verwirken ver-
ächtlich sein würde."
Spanien. Madrid, 8. Febr. Die Königin-Regen-
tin Unterzeichnete Decrete, wodurch die Cortes auf den
20. ein berufen und die verfassungsmäßigen Garantieen
wiederhergestellt werden.

2)

Eine Ueberraschung.
Fastnachtsgeschichte von Erich zu Schirfeld.

(Fortsetzung.)
tt»D7"">rend der Fahrt hatte Pastor Walther Muße, über alles
"chjudenken.
tzr-kJedt. alter Knabe," sagte er sich, „stehst Du vor einem
E>t»n , »E Deines Lebens." — Und so war es. Er hatte
Utehr " gesagt und wollte nun auch Ä — und noch etwas
8rejtj^? lagen, aber eine kuriose Geschichte war es doch,
am war er mit sich längst darüber im Klaren, daß es
Fakt», Dauer so nicht weiter gehen konnte, das weibliche
- -Ui des Hauses, die alte Brigitte, die er nnt dem Pfarr-
°lt . "ommen, batte ihn gründlich verwöhnt. Nun sie
ttiijsfUa^kränklich war, dachte er mit Schrecken an die Zu-
Zeo-' ^ctzr war er dreiundvierzig Jahre alt, und hatte den
sl>ra,",?tUer eigenen Familie noch nicht vermißt. Brigitte
pudern * 'h"' eine Mutter. Doch das konnte sich bald
streunt,' "hp waS dann? So batte er sein Herz einem alten
?Eioss°n fernen Residenz erschlossen, einem Studien-
lliid dem er in ununterbrochenem Briefwechsel stand.
Auers,;, huttb ihm geschrieben: Ich kann Dir nur rathen,
Du Freund, sobald wie möglich zu heiratben. Jetzt bist
-Vech^A uicht zu alt dazu, hast eine brillante Pfarre und ein
wüßte ich wohl auch. Ganz zufällig bin ich mit
.achtem, kanten Dame zusammengetroffen, die ein reizendes
»Wchhos !" hat. Ihre Vorfahren liegen ans Eurem Dorf-
dü»der,^' graben und außerdem ist sie mit Dir noch im
i^Ulie wElundvierzigsten Grabe verwandt. — Anknüpfungs-
schr gut -lallte ich meinen. — Sie erinnert sich Deiner
s'chi a»»^"p Du wirst die Frau Amtmann Wiedenroth noch
»ax ä vergessen haben. Seit dem Tode ihres Mannes,
^t au» Jahren starb, lebt sie sehr zurückgezogen und
pstrr, "och Interesse für ihr „Herzblatt", das nebenbei be-
'lhaffen is?"ö'ü Jahre alt und wie für ein Pfarrhaus ge-
m, wenigstens für eins in Deinem Sinne. Die
mann sprach neulich ganz zufällig den Wunsch aus.


u Amt

ihre alte Heimard wieder zu sehen und womöglich das Gut
ihrer Eltern zurückzukaufcn. Erschrick also nicht, wenn sie
nächstens in Polkehn auftauchen. —
Und heute hatte er den jüngsten Brief des Freundes er-
halten. den Brief, der sein Herz freute und schneller schlagen
ließ und ihn jetzt den hartgefrorenen Weg der Eisenbahn-
station entgegenführte.
Nun waren sie am Ziel. Er hatte es nicht einmal be-
merkt. Auf dem Bahnsteig ging er wartend auf und ab. Da
ertönte das Glockensignal. Nur noch wenige Minuten, dann
schob sich schnaubend der Zug heran und hielt. Eine elegant
gekleidete junge Dame sprang leichtfüßig aus dem Wagen.
Ihr folgte eine andere Vertreterin des schönen Geschlechts,
die man für die ältere Schwester der elfteren hätte halten
können. Beide waren schön, sobaß der Herr Pastor ordent-
lich ein wenig verlegen wurde- Doch die ältere Dame, die
ihn sofort erkannte, half ihm leicht darüber hinweg.
„Wie liebenswürdig, daß Sie sich persönlich der Mühe
unterzogen haben," sagte die Frau Amtmann, worauf er ver-
sicherte, er habe das Vergnügen keinem andern gegönnt. Sie
stellte Charlotte vor: „Mein Töchterchen." Das also war sie!
Er betrachtete sie diskret und sagte sich: „Der gute Freund
ist wohl wunderlich geworden. Solch ein junges blühendes
Geschöpf und — nun ja. man ist ja auch noch kein Methusa-
lem." - Nun wohl, wenn sie mit chm zufrieden war, — er.
das fühlte er mehr und mehr, konnte sich die Sache gefallen
lassen. Wenn er nur gewußt hätte, ob der Freund irgend-
wie — eS wäre doch möglich gewesen, daß er das Terrain
etwas geebnet hätte. —
Die Pferde trabten dem Dorfe zu. Der Wagen flog
ruckweis von rechts nach links und von links nach rechts.
Charlotte sah viel durch die Glasscheibe auf die Felder, nur
ab und zu fing der Pastor einen verstohlenen Blick aus ihren
Augen auf und dann erröthete sie leicht. Man sprach wenig,
denn das alte Gefährt polterte ganz unverschämt.
„Die plötzliche Ausführung unseres Vorhabens, wird Sie
überrascht haben," meinte die Frau Amtmann, um doch etwas
zu sagen. „Ich liebe die raschen Entschlüsse und sie haben

mir noch nie leib gethan. Man muß nur wissen, was man
will." — War das ein Wink? Natürlich beeilte er sich zu ver-
sichern. daß die schönsten Pläne durch unentschlossenes Zau-
dern oft vernichtet würden. — Dann sprach man von früheren
Tagen. Und da kamen die Erinnerungen, die man fast schon
vergessen hatte. Nicht die Frau Amtmännin saß neben ihm,
sondern das Gutssräulein vom Erlenhof, für das er einst im
Stillen schwärmte, und die dann der Amtmann — auch wohl
unter Mitwirkung des „raschen Entschlusses" — hinweg
führte. — Nun war sie eine Frau in gesetzten Jahren, aber
noch schön, rosig, lebensfroh, und er? — Nur wenig Jahre
war er älter, aber sein Amt batte ihn ernster gemacht. Und
wenn auch die einzelnen grauen Haare nicht viel zu bedeuten
hatten, — hinivegleuanen ließen sie sich doch nun einmal
nicht. Trotz alledem, er wollte wieder jung und fröhlich wer-
den, er wollte, und noch war es nicht zu spät.—
(Fortsetzung folgt.)

Stadt-Theater.
Li Heidelberg, 9. Februar.
„Das Nachtlager in Granada", Oper in 2 Akten von
Kreutzer. Benefiz für Theodor Görgcr.
Für unteren allbeliebten Baryton war die Wahl der Oper
für den Ehrenabend außerordentlich leicht. Es war ganz einer-
lei, was er aussuchte. Selbst das wenig aufreizende, bescheidene
„Nachtlager" mußte bei dieser Gelegenheit zum Zugstück werden.
G ö r g e r ist der ernst zu nehmende Sänger unserer Oper, seit
zwei Saisons die Hanptanziehungskraft derselben. Der Jäger
gehört zu Herrn Görgers besten Partien. Ec kann schwelgen in
frischer Sangesfreudigkeit und sein prächtiges Organ voll aus-
geben. Und er schwelgte und gab all' sein klingendes Stimm-
material freudig her. Ganz besonders brillant gelang gestern
die 2. große Arie des 2. Aktes, die immer ein Cabmelstück der
Opernliteratur bleiben wird.
Der Enthusiasmus entsprach der Beliebtheit des Sängers.
Der Kranzregen wollte nicht enden und ebenso der Applaus.
DexBenefiziant mußte jedenfalls eine Sammelladung von Kranz-
 
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