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Heidelberger Zeitung — 1899 (Januar bis Juni)

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https://doi.org/10.11588/diglit.39312#0154
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und sich mit dem engen Wirkungskreis abzufinden, der ihn
in Skyren erwartet habe. Ein kurzer Gesang schloß die
Feier im Hause, und der Sarg wurde von acht Unter-
offizieren des Regiments des Verstorbenen aufgehoben, um
zum Friedhofe getragen zu werden. Unter Absingung des
Chorals Jesus meine Zuversicht bewegte sich langsam der
Zug dem Friedhof zu, ohne militärischen Prunk, einfach
wie Caprivi selbst es gewollt. Die Höhe, auf der der
Friedhof liegt und die mit ihren entlaubten Bäumen etwas
kahl aussieht, füllte sich allmählich mit den Leidtragenden,
die sich vor dem hellglänzenden Marmorkreuze gruppirten,
die Uniformen mischten einen lebhaften Ton in das farblose
Bild. Unter den mächtigen Eichen senkten sic ihn dort in
die Erde, ein letzter Segen wurde gesprochen, und der
Kriegerverein von Skyren gab ihm die letzte Ehrensalve
über das Grab.
Soest, 9. Febr. Der bekannte liberale Politiker
v. Böckum-D olffs, der 1c52—1885 im Parlament
durch sein Ansehen zwischen Liberalen und Fortschrittlern
oft mäßigend und vermittelnd wirkte, als Verwaltungs-
beamter wegen seines männlichen Freimuths wiederholt
gemaßregelt wurde, einer der kernigsten Vertreter des
altern Geschlechts deutscher Politiker, ist im Alter von fast
97 Jahren gestorben. Eines der bekanntesten Ereig-
nisse in seinem politischen Leben spielte sich am 11. Mai
1863 im preußischen Abgeordnetenhause ab, als dessen 2.
Vicepräsident er den Kriegs minister v. Roon zur Ordnung
rief, und da der Redner sich die Unterbrechung nicht ge-
fallen lassen wollte, die Sitzung schloß, indem er seinen
Hut aufsetzte.
Preußen. Berlin, 9. Februar. Abgeordneten-
haus. Bei der ersten Berathung des Antrags Langer-
hans auf Annahme eines Gesetzentwurfs betreffend die
Verbindung der bürgerlichen Gemeinden im Hinblick der
Bauten und Reparaturen von Kirchen-, Pfarr- und Küster-
gebäuden bedauerte Abg. Munckel (freis. Volksp.)
bei Erwähnung der Abwesenheit des Cultusministers zur
Beisetzung Capri vis, daß das Haus Sitzung halte und
sich so nicht gebührend an den Leichenfeierlichkeiten bethei-
ligen könne. (Großer Beifall des Centrums und der
Linken.)
— Wie die Nat.-Ztg. meldet, ist die Anklageschrift
gegen Professor Delbrück jetzt dem Angeklagten zuge-
gangen. Der Strafantrag lautet dem Vernehmen nach
auf Strafversetzung in ein gleiches Amt ohne Ersatz der
Umzugskosten.
(Mus -er Karlsruher Zeitung.
— (Hof-Ansage.) Wegen Ablebens Seiner Königlichen
Hoheit des Erbprinzen Alfred von Sachsen-Coburg
und Gotha legt der Großherzogliche Hof von heute an die
Trauer auf 8 Tage bis zum 17. Februar einschließlich nach der
4. Stufe der Trauerordnung an. Karlsruhe, 10. Februar 1899.
Großh. Oberstkammerherrn-Amt. Freiherr von Gemmingen.
— Seine Königliche Hoheit der Großherzog haben dem
Vorsitzenden des geschäftsführenden Ausschusses für die Errichtung
eines Rothe-Denkmals in Heidelberg, Kirchenrath Professor Dr.
Ludwig Le in me, und dem derzeitigen Dekan der theologischen
Fakultät Heidelberg. Professor lüo. tbsol. Ernst Troeltsch, das
Ritterkreuz 1. Klasse des Ordens vom Zähringer Löwen ver-
liehen.
Karlsruhe, 9. Febr. Der Groß Herzog em-
pfing heute Vormittag den Präsidenten des Ministeriums
des Innern Geheimerath Dr. Eisenlohr zur Vortrags-
erstattung. Nachmittags bis Abends hörte Se. Kgl. Ho-
heit die Vorträge des Majors von Pannewitz, des Geh.
Legationsraths Dr. Freiherrn von Babo und des Lega-
ttonsraths Dr. Seyb. Der Großherzog beauftragte den
General fl 1a auits Generalmajor Müller, sich gestern zu
dem Kommandirenden General, General der Kavallerie und
Generaladjutanten von Bülow, zu begeben und demselben,
sowie seiner Gemahlin sein Bedauern darüber auszusprechen,
daß Seine König!. Hoheit ihrer Einladung zum heutigen
Ball nicht zu folgen vermögen.
Ausland.
Frankreich. Die Kommission der Deputirten-
kammer empfiehlt, wie bekannt, Ablehnung der Regie-
rungsvorlage, wonach die Schlußentscheidung im Dreyfus-
fall dem gesammten Kassationshof übertragen werden soll
Die Regierung aber beharrt auf der unveränderten Vor-
lage und wird eventuell die Vertrauensfrage stellen. Mau
glaubt, daß die Kammer die Regierungsvorlage annehmen
werde, obgleich es doch einen tiefen Eindruck macht, daß
sich gegen die Mitglieder der Kriminalkammec des Kas-
sationshofs nichts Belastendes Vorbringen läßt, obgleich
der erste Gerichtsschreiber auf höheren Befehl durch Saal-
diencr und Unterbeamte eine organisirte Spionage gegen
die Mitglieder der Kriminalkammer ausüben ließ. Diese
schmähliche Thatsache mehrt die Sympathien für die
Kriminalkammer. Wenn aber auch die Deputirlenkammer
die Regierungsvorlage annchmen sollte, so wird sie der
Senat aller Wahrscheinlichkeit nach ablehnen. Wahr-
scheinlich wird Waldeck-Rousseau die Führung der Oppo-
sition des Senats übernehmen.
Afrika. Kairo, 9. Febr. Die italienischen
Anarchisten, die beschuldigt sind, in Alexandrien einen
Anschlag gegen den deutschen Kaiser geplant zu haben,
werden nach der Daily Mail nach Italien gebracht und in
Ancona vor Gericht gestellt werden.
Rothe-Feier.
1.
Htz Heidelberg, 10. Februar.
Die Feier, welche gestern zu Ehren Richard Rothe's hier
stattfand und von Männern und Frauen, von Geistlichen und
Laien außerordentlich zahlreich besucht war und zum Theil aus
weiter Ferne Verehrer Rothe's herbcigeführt hatte, ist nicht nur
für die Geschichte der Stadt Heidelberg, sondern auch für die
evangelisch-protestantische Landeskirche des Großherzogthums Baden
ein Ereigniß gewesen, das unvergessen bleiben wird, und die
Festtheilnehmer, insbesondere die Theologen, werden sicherlich
Eindrücke von dem Feste mit nach Hause genommen haben, welche
auf die Entwickelung der evangelischen Landeskirche unseres Groß-
herzogthums einen segensvollen Einfluß haben werden.

Den ersten Theil der Feier bildete der Festakt in der
Universitätsaula. Nach dem Choralgesang »Morgenglanz der
Ewigkeit", welcher von dem studentischen Mäunerchor schön vor-
getragen wurde, führte der Dekan der theologischen Fakultät,
Herr Professor Dr. theol. Troeltsch, etwa Folgendes aus:
Die Rothe-Feier ist ebensosehr eine Selbstehrung der theologischen
Fakultät der Universität Heidelberg als eine Ehrung Rothe's;
denn er ist der Novalis der theologischen Spekulation gewesen
und hat, ausgerüstet mit einer zarten Frömmigkeit, mit einem
an der göttlichen Offenbarung nie zweifelnden Glauben und einer
Werthschätzung des Christenthums, welche dasselbe als die sitt-
liche That der Wiedergeburt mit anderen Religionen für unver-
gleichlich hielt, den Versuch gemacht, das Christenthum unter den
Gebildeten unter seinen Verächtern zu rchabilitiren, da er !
überzeugt war, daß unter jenen viel unbewußtes und un-
dogmatisches Chcistenthum lebendig sei, wenn man auch
an einer Kirche Anstoß nähme, die hinter der hohen
christlichen Kultur der Gegenwart zurückbleide. Aus dem
Entwickelungsgange des großen Theologen ist hervorzu-
heben, daß seine Studienzeit in Heidelberg für die Erweckung
des historischen Sinnes in ihm und für seine philosophische
Schulung von großer Bedeutung gewesen ist. Das Verständniß
für Geschichte wußte Schlosser in ihm zu bilden. Durch Ein-
fluß Hegcl's und Daub's wurde in ihm die spekulative Methode
des Denkens, das Streben nach Sauberkeit der Begriffe und Zu-
sammenhang und Konzentration derselben untereinander erzeugt.
In Berlin saß Rothe zu den Füßen Schleiermacher's und
Neanders. Insbesondere durch Letzteren empfing Rothe An-
regungen für sein Leben. Auch wirkten die erweckten Kreise
Berlins, in denen wirkliches religiöses Feuer war, auf Rothe
ein, indem sie sein Gemüth vertieften. In Wittenberg wurde
Rothe unter den Einflüssen dieser Kreise sowie durch die Ein-
wirkungen von Rudolf Stier und von seinem späteren Schwager
Heubner Pietist. Das gute Theil, welches ec durch den Pietis-
mus in sich aufnahm, war die zarte Christusmystik, der Glaube
an die Leitung der Weltgeschichte durch den erhöhten Christus
und die Sehnsucht nach Gemeinschaft mit ihm. In Rom, in
Mitten einer reichen Kulturwelt, entäußerte er sich der pietisti-
schen Einseitigkeit, nach welcher das Christenthum, abgesondert
vom Leben, ein ärmliches Dasein in der Welt hat. Vor die
Frage gestellt, ob die moderne Bildung das Ende des Christen-
thums oder eine neue Entwickluugsphase desselben bedeute, ent-
schied sich Rothe für Letzteres. Er sieht im Geiste eine neue
Gestalt des Christenthums. eine Kultur, welche die Herrlichkeit
Christi wiedeispiegelt. Das theologische System Rothes hat als
Ganzes zwar keine bleibende Bedeutung, wie auch Rothe selbst
sein Denken nicht als eine Andere bindende Autorität aufgestellt hat.
Aber aus seinem Systeme können viele werthvolle Fruchtkörner
gesammelt werde». Charakteristisch für Rothe's System ist die
Verknüpfung eines strengen Supranaturalismus mit der Forde-
rung unbeschränkter Freiheit für die Wissenschaft, denn nur bei
unbedingter Freiheit kann nach Rothe die Wahrheit bestehen.
Rothe, dessen Person vorbildlich für alle Geistlichen ist, hat im
Glauben an das Walren des erhöhten Christus, dessen Macht
nichts widerstehen kann, die badisch evangelische Landeskirche auf
dem Gemeindeprinziv neu aufgebaut und lhr den Rechtsboden
erstritten, welchen die theologische Fakultät Heidelberg auch in
Zukunft vertheidigeu will.
Auf die Rede des Herrn Professor Dr. Troeltsch folgte wieder
ein Chorgesang des studentischen Männerchores und hierauf die
Ernennung folgender Herren zu Ehrendoktoren der
Theologie: Professor Busset aus Göttingen, Prälat
Schmidt in Karlsruhe, Stadtpfarrer Hönig und Gymuasial-
professor Brandt in Heidelberg.
An den Festakt in der Aula schloß sich die Enthüllungsfeier
in der Peterskirche. Daran reihte sich ein Festmahl und hieran
eine Nachfeier im Museum. Den Bericht hierüber behalten wir
uns für morgen vor. Für heute sei nur Folgendes bemerkt:
Die Feier in der St. Peterskirche würbe durch einen vom
evangelischen Kirchenchor vorgetragenen Choral eröffnet. Hierauf
hielt Hr. Kirchenrath Le mme eine Ansprache, in der er die
wissenschaftliche Bedeutung Rothe's hervorhob. Im Auftrag des
Großherzogs theilte sodann der Präsident des Ev. Oberkirchen-
raths, Hr. Dr. Wielandt— wie schon gestern kurz erwähnt —
eine Kundgebung des Landesherrn mit, worauf Hr. Stadtpfarrer
Hönig den Dank der Gemeinde für das Denkmal aussprach
und es in deren Namen übernahm. Nach Schluß der Feier be-
gaben sich die Theilnehmer in die Seitenkapelle, wo die Büste
aufgestellt ist, zu deren Besichtigung. Hiebei legten Herr Pfarrer
Lüdemann Namens des theologischen Vereins und Herr Pfr.
Cropp aus Hamburg für den deutschen Protestantenverein
Kränze an dem Denkmal nieder. Heute, Freitag, halb 12 Uhr,
ziehen die Burschenschaften „Allemannia" und „Franconia" in
die Peterskirche, um ebenfalls Kränze an der Büste niederzulegen.
Auf ein Telegramm, welches während des Festmahles von
den Theilnehmern an der Rothe-Feier an den Großherzog
abgesandt worden ist, traf folgende Antwort ein und gelangte
bei der Nachversammlung zur Verlesung:
Ich danke den zur Rothe-Feier versammelten Festtheil-
nehmern für die so warme Begrüßung, welcher sie einen so
beredten Ausdruck gaben. Ich bedauere sehr, der heutigen Feier
fern bleiben zu müssen, der ich besonders gern angewohnt hätte
aus Verehrung für den Gefeierten und mit dem Wunsche, in
dem Kreise der Festtheilnehmer zu weilen. Mit ihnen allen
gedenke ich dankbar Richard Rothe's, den gekannt und oft ge-
hört zu haben, ich als besonderen Vorzug schätze und dessen
Predigten zu lesen, der Großherzogin und mir manche erhebende
K tunde gewährt. Wir sind im Geiste mit Ihnen Allen vereint,
da Sie Rothe's Andenken ehren. Friedrich, Großherzog.

Im Hauptbau bleibt ein Speisesaal, der mit dem neuen Speise-
saal in unmittelbarer Verbindung steht, so daß eine große Ge-
sellschaft in den beiden Sälen untergebracht werden kann. Die
anderen, im Erdgeschoß des Hauptbaxs enthaltenen, den Zwecken
der Unterhaltung bisher dienenoeu Räume werden in Fremden-
zimmer umgewandclt. Der Neubau erfordert einen Kosten-
aufwand von etwa 40000 Mk. Die Genehmigung zur Er-
stellung des Baues wurde einstimmig ertheilt. Vor Schluß der
Verhandlungen machte der Vorsitzende noch die Mittheilung, daß
der Stadtrath in entgegenkommender Weise das Gelände zu
einem Spielplatz für Kinder im Walde und zu einem Lawn-
Tennisplatz zur Verfügung gestellt habe. Für das im Lauf der
Verhandlungen dem anwesenden Pächter, Herrn Hartwig, vielfach
ausgesprochene Vertrauen sprach dieser seinen besten Dank aus'
* Landgericht. Vom Landgericht Mannheim werden, wie
verlautet, an das hiesige Landgericht außer Herrn Direktor West
noch die Herren Landgerichtsräthe Dr. Puchelt und Dr. Gautier
(früher Oberbürgermeister in Bruchsal) übersiedeln.
** Sonntagsruhe. Wir machen die Ladenbesitzer auf die in
heutiger Nummer der Heidelb.Zeitung enthaltene Bekanntmachung
des Großh. Bezirksamts an dieser Stelle noch besonders auf-
merksam. Die Zeit für das Offenhalten der Verkaufsstellen ist
danach am nächsten Sonntag bis 7 Uhr Abends verlängert.
** Vollständiges Frühlingswetter ist eingezogen; das Thermo-
meter zeigt über 10 Grad Wärme. Heute früh zwitscherten schon
die Amseln.
— Polizeibericht. Ein Taglöhncr kam wegen Unfugs und
ein Fischer wegen Thätlichkeiten zur Anzeige.
-s- Schönau, 7. Febr. Das am letzten Sonntag Abend vom
hiesigen Frauenverein im Saalbau des Löwen veranstaltete erste
Wohlthätigkeits-Konzert erfreute sich aus allen
Ständen eines so zahlreichen Besuchs, daß der gegen 500 Menschen
fassende Saal nicht ausreichte. Der Abend, der gewiß der hiesigen
Gemeinde in guter und, wie wir hoffen, fruchtbarer Erinnerung
bleiben wird, legte ebensowohl von dem musikalischen und schau-
spielerischen Können wie von der schönen Eintracht und dem
Wohlthätigkeitssinn der Gemeinde beredtes Zeugniß ab; auch
bewies er, daß das ehrliche Bestreben des Frauenvereins, in
weitherziger Weise aus allen Ständen und Berufsarten
die verfügbaren weiblichen Kräfte zu gemeinsamer, organi-
sirter Liebethätigkeit zusammenzufassen und im Verein mit
den verwandten Faktoren für das Wohl der Gemeinde nutzbar
zu machen, mehr und mehr anerkannt wird. Sämmtliche hier
bestehenden Singchöre (L i e d e r k r a n z, Sing verein,
evang. Kirchenchor) wirkten mit und setzten in edlem
Wetteifer ihr Bestes ein, den Genuß des Abends zu erhöhen.
Außerdem trugen mehrere tüchtige Einzelkräfte, die sich in selbst-
loser Weise zur Verfügung gestellt halten, zum schönen Gelingen
des Abends Hervorragendes bei. Sich steigernden rauschenden
Beifalls, der die Anwesenden, namentlich beim Vortrag des
Abt'schen „Kuckuck, wie alt?", zu stürmischen Dacaporufen hin-
riß, erfreute sich der Liebling des Abends, die jugendliche Sanges-
künstlerin Fräulein Emilie Fleig aus Heidelberg, eine
der bedeutendsten Schülerinnen der bekannten Musik- und
Gesangsiehrerin Fräulein Fr. Remher, die selbst dem Debüt
ihrer Schülerin anwohnte. Fräulein Fleig besitzt einen herrlichen,
durch wunderbare Zartheit hervorragenden und das Gemüth mit
tiefem Wohlsein beglückenden Sopran. Im Herzen der von ibr
geliebten Schönaugia ist ihr ein bleibendes Dankesdenkmal ge-
sichert. Neichen Beifall ernteten auch die vier Klaviervorträge
von Frau Hauptlehrer Armbrust er und Frau Stadtrath
Scheid, von denen die erste musikalische Anregung zu dem
Abend ausgegangen war. Durch ein liebliches Violinduett er-
freuten die Herren Hauptlehrer Armbrust er und Musiker
I. Feuerstein. welch' letzterer nochmals anftrat, um mit drei
Mitgliedern der hiesigen neuen Stadtkapelle ein gut einstudirtes
Trompetenquartett zum Vortrag zu bringen. Zu einem Glanz-
punkt des Abends gestaltete sich die Aufführung des patriotischen
Stückes: „Aus großer Zeit", das durch einen Prolog (Fräulein
Rabe) und ein Vorspiel eingeleitet, in drei lebenden Bildern
die geschichtlich hochbedeutsamen Tage von 1808, 1813 und 1870
vergegenwärtigte. Man fühlte es allen mitwirkenden Damen,
Frau Geistmann (Königin Luise), Fr. Heidt (Klio), Frl.
I. Herion (Luise Reichem), Frl. M. Lauer (Gräfin Voß),
Frl. E. Sattler (Frau Nickel), Frl. E. Ebert (Mutter
Krüger), Frl. L. Fischer (ToLter Marie), Frl. E. Gärtner
(F. von Schmettau), Frl. E. Berroth (Prochaska), Fr.
Simon (Frau Leutnant Prollwitz) und Töchterlein I. R e i-
chert (Else) deutlich ab, mit welcher Liebe sie sich in ihre
dankbaren Rollen versenkt hatten. Die erzielte Wirkung, die
man als ein gutes Stück Volksoeredlung bezeichnen darf, be-
lohnte die Milwirkenden reichlich für ihre Hingabe. Vivat

Aus Stadt und Land.
Heidelberg, 10. Februar.
** Die Gasthaus Kohlhof-Aktiengesellschaft hielt gestern
Nachmittag im Badischen Hof ihre neunte ordentliche General-
versammlung ab, in der 110 Aktien vertreten waren. Herr
C. Spitzer, Vorsitzender des Aufsichtsrathsraths, der die Ver
Handlungen leitete, bemerkte zu dem ersten Gegenstand der
Tagesordnung, Bericht über das Geschäftsjahr vom 1. No-
vember 1897 bis 31. October 1898, daß unter den aufBetriebs-
unkostenkonto enthaltenen Posten sich neben nachträglich ein-
gelaufenen, noch nicht bezahlten Rechnungen noch einige weitere
Posten befinden, die nicht wiederkehren, wie z. B- die Kosten
für Winterbewachung, für Fernsprechgebühren u. A, diese
hängen zum Theil damit zusammen, daß Herr Hartwig die
Pacht erft am 1. April v. I. antrat. Es handle sich also um
einen einmaligen Verlust, der sich nicht wiederholen werde. Die
vorgelegte Bilanz wurde genehmigt und dem Vorstand Entlastung
ertheilt. In den Aufsichtsrath wurde der im regelmäßigen
Turnus ausscheidende Herr Franz Mai wieder-, an Stelle des
durch Tod ausgeschiedenen Herrn I. Lindau, zu dessen Ehrung
sich die Anwesenden von den Sitzen erhoben, und des freiwillig
ausgetretenen Herrn I. Amanu Herr C. W. Voit und Herr
Hch Hoffmeister gewählt. Die Wahl zweier Revisoren für
1898/99 siel auf die Herren Bankdirektor Winkler, der dieses
Amt bisher schon bekleidete, und Weinhändler Friedrich Ueberle.
Eine längere Besprechung veranlaßte der letzte Gegenstand der
Tagesordnung, die Neubauten betreffend. An Stelle der früheren
angebauten Halle tritt ein Neubau, der einen großen Speisesaal,
einen kleineren Salon, ein Lese- und ein Musikzimmer sowie ein
Kinderzimmer enthält. Ebenso wird die Küche in den Neubau
verlegt und in demselben ein Raum erstellt, der zum Aufenthalt
für die Kinder bei schlechtem Wetter dient, wo sie, ohne ältere
Besucher zu belästigen, spielen und tollen können. Um den Neu-
bau zieht eine Veranda, die über 100 Personen Platz bietet.

ch Mannheim, 8. Febr. (Strafkammer.) Der 38 Jahre
alte Albert Lüvke von Rostock, der in den Jahren 1896 und
1897 bei Weinhändler Geiger in Heidelberg als Buchhalter und
Reisender angestcllt war, unterschlug in dieser Stellung 1572 ^
an eingegangenen Geldern und einen Betrag von 218 de«
er hätte zur Post besorgen sollen. Als sein Prinzipal bei seiner
Entlassung den Unterschleif entdeckte, wußte er — natürlich ver-
schwieg er die Bestimmung des Geldes — den Fabrikanten Karl
Geiger zu überreden, ihm 2000 zu leihen, womit er das
Defizit bei seinem Prinzipal deckte. Er ließ sich dann in Mann-
heim als Weinagent nieder und veruntreute hier zum Nachtheil
mehrerer Weinhaudlungen, die er vertrat, zusammen 826 ^
Außerdem bestimmte er den Wirth Jakob Lehmann, dem er oor-
spiegelte, er habe das Recht für die Weinhandluug August Neher
in Bernkastel Geld eiuzuzichen, ihm 30 ä oonto dieser Firin?
zu leihen. Das Gericht verhängte unter Berücksichtigung, dast
Lüpke einen Gehalt von 1800 bei Geiger bezog, Vertrauens-
spesen hal-te und freien Mittagsttsch genoß, also nicht in Noth
war, über den Angeklagten eine Gefängnißstrafe von 1 Zahl
6 Monaten.
ch Mannheim, 9. Febr. Der hiesige Bürgerausschuß wird i»
seiner am nächsten Donnerstag stattfindenden Sitzung die end-
giltige Entscheidung in der F e st h a l l e n a n g e l e g e n h ei,t
zu treffen haben, so daß mit dem Bau schon in allernächster Zest
begonnen werden kann. Es handelt sich nächsten Donnerstag
darum, zu den bereits früher genehmigten 1'/. Mill. Mk. now
weitere 310 000 Mk zu bewilligen. Diese Mehrforderung ist
nöthig geworden durch verschiedene Verbesserungen und Ver-
schönerungen an dem ersten Entwurf des mit der Leitung de»
Baues beauftragten Herrn Prof. Bruno Schmitz in Berlin.
Eine weitere Vorlage des Stadtralhs betrifft die Bewilligung
von 921500 Mk. behufs Bestellung des Oberbaumaterials
die elektrischen Straßenbahnen dahier. Die Bestellung
soll bei dem Georgs-Marien-Bergwerks- und Hüttenverein/sj
Osnabrück erfolgen. — Ferner beantragt der Stadtrath beim
Bürgerausschuß, der hier neu errichteten Ingenieurschule de»
Hrn. Direktor Paul Wittsack, die bereits 113 Schüler hat, aber
noch mit Defizit arbeitet, außer der bereits früher bewilligtes'
Zahlung eines Miethzinses für die Schulräume einen weiteren
jährlichen Zuschuß von 6000 Mk. während der nächsten 5 Jab^
und 5500 Mk. im nächsten Jahre zukommen zu lassen.
Leiter der Schule hat sich vertragsmäßig verpflichtet, die seile"»
der Stadtkasse hiernach geleisteten Beträge aus den Ueberschüsten
des Schulbetriebs zurückzubezahlen.
8. lV Karlsruhe, 9. Febr. Die Konzession zum Bau ">>
Betrieb mit Dampf oder elekrischer Kraft einer Nebenbahn vb
Möckmühl nach Dörzbach (Jagstthalbahn) wurde dem Ä
der Mitteldeutschen Kreditbank zu Berlin und Frankfurt a-
dem Wirkt. Geh. Rath Baron Moritz von Cohn in Dessau
der Firma Bering u. Wächter in Berlin bestehenden Unternehme ,
Consortium ertheilt. Die Bahn ist schmalspurig. Der Sfa
leistet einen Zuschuß von 780000 der jedoch erst mit Vostev
düng des Baues und zwar unmittelbar nach erfolgter Betriebs
eröffnung zur Auszahlung gelangt. Die Concession wird auf
Dauer von neunzig Jahren verliehen. Nach Ablauf dieser rv"
 
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