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Heidelberger Zeitung — 1899 (Januar bis Juni)

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https://doi.org/10.11588/diglit.39312#0216
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welcher erklärte, er erinnere sich nicht, daß Däroulüde ihm
persönlich zugecufen habe, nach dem Elysse zu marschiren.
Man mache keine Revolution mit einem Bcigadegeneral,
dazu bedürfe es größerer Chefs. Er neige zu der An-
sicht, daß Däronlade etwas verrückt sei. (Das
hat der Canonicus Guerber schon vor Jahren gesagt!) Mehreren
Blättern zufolge habe Döroulsde beim ersten Verhöre ge-
leugnet, „nach Paris", „nach dem Elysee" gerufen zu haben.
Andere Blätter wieder theilen mit, Dsroulöde habe sich
dem Polizeikommissar gegenüber gradezu gerühmt, daß er
beabsichtigte, gegen das Elysoe zu marschiren.
Schweiz. Bern, 25. Febr. Das langjährige Mitglied
des Bundesrathes, Welti, der sechsmal Bundespräsident
gewesen ist, ist gestern Abend gestorben. (Emil Welti,
geboren 1825 zu Zurzach im Aargau, studirte in Berlin
und Jena die Rechte, später Advokat, Mitglied der aar-
gauischen Regierung, 1857—1866 Mitglied des Stände-
rathes, 1866 — 1891 Mitglied des Bundesrathes, eifriger
und gewandter Verfechter der Centralisation, Autorität im
Post- und Eisenbahnwesen. Die Red.)
Asien. Peking, 25. Febr. Die Kaiserin Wittwe
ist tief entrüstet über die Tödtung der Chinesen in Talien-
Wan und wies das Tsungli-Aamen an, gegen das uner-
hörte Vorgehen der Russen in schärfster Weise zu prore-
stiren. Die Russen hätten direkt die Bestimmungen der
Konvention von Port Arthur verletzt, worin keine Klausel
enthalten sei, welche die Russen ermächtigt, Steuern zu
erheben.
Amerika. Newyork, 23. Febr. Infolge neuerer
Berichte ist dir Regierung einer Abberufung des Ober-
richters Chambers günstiger gesinnt. — Angesichts der
Situation auf den Philippinen wird die Opposition die
Erhöhung der Präsenzstärke der regulären Armee
auf 100 000 Mann für 2 Jahre zulassen.
Washington, 23. Febr. Eine Depesche des Generals
Otis an die Kriegsverwaltung meldet, daß gestern ein
energischer Versuch gemacht wurde, Manila in Brand
zu stecken. Das Feuer war in 3 verschiedenen Stadt-
theilen angelegt und wurde von den Truppen nach großen
Anstrengungen bewältigt. Eine erhebliche Anzahl Brand-
stifter wurde erschossen. Einige Soldaten sollen verwundet
worden sein. Der durch den Brand angestiftete Schaden
dürfte eine halbe Million Dollar betragen. Aus Anlaß
dieses Zwischenfalles erließ General Otis eine Verfügung,
wonach sämmtliche Einwohner bis auf Weiteres nach 7 Uhr
Abends in den Häusern bleiben müssen. Gleichzeitig wird
eine strenge Bestrafung für Brandstiftungen angedroht. —
Heute früh machte eine große Abtheilung Insurgenten
einen Vorstoß in der Nähe von Caloocan. Der Vorstoß
wurde zurückgeschlagen.
Havanna, 25. Februar. Maximo Gomez ist
gestern Nachmittag, begleitet von seinem Stabe und einer
Abtheilung Kavallerie sowie 2000 bewaffneten Cubanern,
in die Stadt eingezogen. Es herrscht große Lie-
ge i st e r u n g. __
Die Reise der Bulgaria.
Die Nachricht, daß die schon verloren geglaubte Bulgaria
glücklich einen Hafen der Azorischen Inseln erreicht hat, ist
überall mit aufrichtiger Freude ausgenommen worden und mit
dieser Freude verbindet sich für uns Deutsche der Stolz, daß ein
deutsches Schiff mit deutscher Bemannung eine solche Prüfung
ausgehalten und überstanden hat. Recapituliren wir kurz:
Am 1 Februar. Abends 8 llhr, erhob sich ein Orkan, gegen
den die „Bulgaria" nicht vorwärts konnte. Am folgenden Tage
mußte die „Bulgaria" beidrehen. Die fliegenden Brücken vorn
und hinten wurden fortgeschwemmt. Furchtbare Wogen schlugen
über das Schiff. 100 Pferde auf dem oberen Deck rissen sich los;
alle wurden in der Verwirrung zu Tode getreten oder ertranken
bis auf 20. Die Schlächter sowie eine Anzahl Seeleute suchten
die übrigen Pferde zu beruhigen, allein vergeblich, worauf den
Thieren die Kehle durchschnitten wurde. Ein Schlächter brach
beide Beine, ein Seemann wurde schwer verletzt. Eine enorme
Welle überfluthete das Schiff und schlug die Lucken eins und
zwei ein, wodurch große Mengen von Wasser ins Oberdeck
strömten. Bald darauf peilte man im Raum Nr. 4 sechzehn
Fuß Wasser. Das Schiff legte sich stark nach Backbord über. Am
Morgen des 2. ds., während der Orkan von Neuem einsetzte,
brach der Dampfsteuerapparat und später auch das Handsteuer.
Durch das schwere Arbeiten des Steuers lösten sich die Bolzen
in der Kugelung und gingen schließlich gänzlich verloren.
Am Morgen des 5. Februar schien das Schiff zu sinken, als
drei Dampfer in Sicht kamen. Zwei derselben, die „Weehaw-
ken" und „Victoria", entsandten Boote, während die „Bulgaria"
zwei Boote mit 14 Passagieren und 5 Leuten von der Mann-
schaft herablieb. Ein drittes Boot von der „Bulgaria" wurde
weggeschwemmt, weil das Seil brach. Um 2 Uhr Nachmittags
wüthete an diesem Tage der Sturm am ärgsten. Von da ab Ws
zum 7. Februar arbeiteten Mannschaft und Passagiere unablässig
daran, die Ladung über Bord zu werfen. Am 7. ds. Nachmit-
tags fiel der zur Mannschaft gehörige Matrose Wilhelm König
über Bord und wurde nicht wieder gesehen. In den Räumen
stand sechs bis sieben Fuß hoch das Wasser. Am 9 Februar
Morgens wurde das Wetter ruhiger und es wurden 107 todte
Pferde über Bord geworfen. Bis zum 11. ds. war der Wellen-
schlag fortwährend sehr hoch und das Wasser stand zehn Fuß
hoch im Raum. Vier Pumpen waren unbrauchbar. Vom 11.
bis 14. Februar war wieder stürmisches Wetter. Am letzteren
Tage kam der Dampfer „Antillion" aus Liverpool in Sicht, der
die „Bulgaria" bis Mittags bugsirte. Da brach das Seil, aber
der „Autillion" blieb bis zum 15. in der Nähe. Nach unaufhör-
licher Arbeit gelang es am 21., das Ruder wieder herzustellcn.
Die „Bulgaria" legte von 10 Uhr Morgens bis zum 22. Mit-
tags 226 Meilen, am nächsten Tage 254 Meilen zurück. Nach
weiteren 194 Meilen ankerte das Schiff am 24. ds. früh 7'/z Uhr
in Ponta Delgada. Unter der Mannschaft und den Passagieren

weiß. Die Freude fiel ins Wasser. Herr Bussard war fast ganz
heiser, und konnte, weder Herr seiner Sprcch- noch Singstimme,
seiner Aufgabe nur ganz mühsam und matt gerecht werden. Das
drückte natürlich sehr auf die Aufführung und nahm ihr den
Glanz.
Viel Mühe gibt sich jederzeit Frl. M as ch a, die recht nett
singt, wenn sie auch das Piano regelmäßig sammt dem Text ver-
schluckt. Operettentemperament oder spanisches Blut, wie es eine
Maritana bedarf, um pikant zu sein, fehlt ihr absolut. Die Figur
war reizlos.
Temperament und Bewegung sind Herrn Gabelmann
(König) natürlich auch nicht über Nacht angeflogen. Dafür sang
er ausnehmend angenehm, mit maßvoller und sympathischer Ton-
gebung.
Die ganze Aufführung hätte musikalisch noch mehr Schneidig-
kcit und Schärfe ertragen können. Namentlich störten die zag-
haften Einsätze, die stets mit einem Fermat begannen, vr. 8.

wurden viele verletzt. Mehrere Personen haben Arm- oder Bein-
brüche erlitten, aber mit Ausnahme des ertrunkenen Matrosen
König sind doch alle, die sich der „Bulgaria" anvertrauten, mit
dem Leben davongekommen.
Der Kaiser richtete an den Direktor der Hamburg-Amerika-
Linie, Ballin. ein Telegramm folgenden Inhalts: Mit tiefem
Danke gegen Gott, der so wunderbarer Weise Schiff und Mann-
schaft gerettet hat, spreche ich Ihnen meine wärmsten Glück-
wünsche zur Errettung der „Bulgaria" aus. Kapitän
Schmidt hat in echt veutscher Seemannsart und festem Gott-
vertrauen einen 24tägigen Kampf auf Leben und Tod siegreich
gegen den Ocean gefachten, unterstützt von einer aufopfernden»
pflichttreuen und braven Mannschaft. Als Zeichen der Anerken-
nung verleihe ich dem Kapitän Schmidt das Komthurkreuz
des Hausordens der Hohen zoll er n. Sie werden die
Namen der eine Auszeichnung verdienenden Mannschaften
durch den Gesandten mir mittheilen.
Die Packetfahrt-Gesellschaft, der die „Bulgaria" gehört, ordnete
bei der Nachricht ihres glücklichen Eintreffens die Einstellung der
Arbeiten aller Schiffe, soweit thunlich, an, und gewährte sämmt-
lichen Unteroffizieren und Mannschaften, sowie den an diesem
Tage beschäftigten Schauerleuten Gratifikationen von sechs und
drei Mark. Die Gesellschaft schenkte anläßlich der Rettung dem
Seefahrerarmenhaus 10 000 Mk. und überwies den gleichen Be-
trag einem Fonds für die Errichtung eines Seemannshcims in
Kiaulschou. Für die Mannschaften der „Bulgaria" werd-n beson-
dere Ehren vorbereitet. Eine Subskription wird an der Ham-
burger Börse veranstaltet.
Staatssekretär Conrreadmiral Tirpitz sandte an die Hamburg-
Amerika-Linie nachstehendes Telegramm: Für die glückliche
Rettung der „Bulgaria" aus schwerer Gefahr spreche ich Ihnen
und der braven Besatzung des Schiffes meine aufrichtigsten Glück-
wünsche aus.
Eine weitere Auszeichnung wurde der Gesellschaft dadurch
zutheil, daß Prinz Waldemar, Sohn des Prinzen Heinrich von
Preußen, in Begleitung des Hofmarschalls und Admirals
v. Seckendorf und seines Gouverneurs der Direction persönlich
seine Freude über die Rettung der „Bulgaria" aussprach. Der
Gesellschaft gehen Glückwünsche in überaus großer Zahl zu, be-
sonders bekundet man in England, wo man über das Schicksal
der „Bulgaria" große Besorgnisse hatte, anläßlich der glücklichen
Reitung lebhafte Theilnahme.
Die Times bespricht in einem Leitartikel das Schicksal
der „Bulgaria" und sagt, daß das Schiff solch ein Unwetter be-
stehen konnte, sei in erster Reihe dem Muth, der Tüchtig-
keit und Disziplin der gesammten Besatzung zu danken.
Auch der vorzügliche Bau des Schiffes habe in nicht geringer
Weife dazu beigetragen. — Der Standard, Daily Chconicle und
Morning Post rühmen die bewunderungswürdige seemännische
Tüchtigkeit und eiserne Ausdauer der Offiziere und Mannschaften
der „Bulgaria".

Aus Stadt und Land.
Heidelberg, 27. Februar'
* Stadträthliche Vorlage» für die nächste Sitzung des Bürger-
ausschusfes. VorlaaeI betrifft die Nutzbarmachung der großen
Roßbrunnenquelle und der Michelsbrunnenquelle für die Rombach-
leitung sowie für die Wasserversorgung des Königstuhls und der
Sternwarte. Das 1894 genehmigte Projekt hat noch nicht voll-
ständig zur Ausführung kommen können, weil die Gmeinde
Hilsbach und der Müller Braun dortselbst Einspruch gegen die
geplante Anlage erhoben. Die Stadt hat sich nun mit Beiden
in der Weise verglichen, daß sie für die Gemeinde Hilsbach
14000 Mk. aufwendet, indem sie ihr die Wasser der unterhalb der
Michelsbrunnenquelle und der Roßbrunnenquelle entspringenden
Quellen zuleiter und dem Müller Braun 5000 Mk. gezahlt werden.
Der Stadtrath ersucht um Genehmigung der betr. Vereinbarungen
und zugleich um einen Nachkredit von 15000 Mk. für das Unter-
nehme».— MitVo rla ge llbeantragt der Stadtrath,daß die Stadt
um den Preis von 15000 Mk. das Grundstück im Rohrbacher
Baubezirk an sich nimmt, das im Jahr 1891 für den katholischen
Pfarralmosenfond angekauft wurde. Kaufvedingung war damals,
daß die Stadt das Grundstück an sich nehmen muß, wenn es
innerhalb fünf Jahren nicht zu Straßenzwecken gebraucht wird.
— Mit Vorlage III beantragt der stadlrath den Ankauf eine«
Herrn Medizinalrath Miltermater gehörigen Feldgrundüücks in
der Hinteren Eppelhetmerweg Gewann. Der Preis beträgt 2000 Mk.
ss Der Gemeinnützige Verein hielt Samstag Abend im Garten-
saale der Harmonie bet sehr zahlreicher Betheiligung seine all-
jährliche regelmäßige Hauptversammlung ab. Nachdem der erste
Vorsitzende des Vereins, Hr. Max Klingel, die Erschienenen
freundlich begrüßt hatte, erstattete zunächst der Rechner, Hr.
Privatmann Hermann Müller, den Kassenbericht. Die Ein-
nahmen beliefen sich auf 9127 Mk. 15 Pfg., die Ausgaben auf
3447 Mk. 54 Pfg, so daß sich ein Kassenvorrath von 5679 Mk.
61 Pfg. ergibt. Dem Rechner wurde auf Antrag der Rechnungs-
Prüfungskommission, der Herren Dünkel und K. Gross, unter
Verdankung für seine Mühewaltung Entlastung für die Rechnung
von 1897 ertheilt; die beiden genannten Herren wurden auch zu
Revisoren der 1898er Rechnung gewählt. Hierauf berichtete Hr.
Klingel über die Thätigkeit des Vereins in dem abgelaufeuen
Jahre. Der Bericht erwähnt der Erbauung der Schutzhütte an
der Küblerswiese, die den Namen „Mollkehütte" erhielt. Der
ursprünglich für die Errichtung der Hütte vorgesehene Betrag von
600 Mk. reichte nicht aus und erforderte eine Mehrausgabe von
weiteren 400 Mk., für welche Indemnität erbeten wird. Am
Jubiläumsplatz und auf dem Fußweg von der Molkenkur nach
dem Königstuhl wurden je vier Bänke aufgestellt. Für die Fort-
führung des Gehweges von der Hirschgasse längs dem Neckar
aufwärts gegen die Stiftsmllhle wurde dem Stadtrath ein Bei-
trag von 400 Mk. zur Verfügung gestellt. Das Sommertagsfest
nahm unter außerordentlich zahlreicher Betheiligung von Kindern
aller Stände den schönsten Verlauf. Der Verein wird auch in
diesem Jahre, am Sonntag Lätare, den 12. März, das Arrange-
ment des Zuges wieder in die Hand nehmen- Für die Reklame-
Annoncen in einer großen Zahl auswärtiger Blätter wurde wie-
der ein Beitrag von 500 Mk. geleistet. Weiter gedenkt der Be-
richt des Projekts eines Festsaalbaues, dem der Verein von je-
her sein Interesse zuwandte und das nun durch das Ilebercin-
kommen der Stadt mit der Museumsgesellschaft seiner Verwirk-
lichung näher trete. Es wird der Wunsch wiederholt, die Stadt-
verwaltung möge in dem Planentwurf darauf Bedacht nehmen,
einen Sammelpunkt für Fremde zu schaffen und wenn irgend
thunlich die Benützung des Lesezimmers des Museums damit in
Verbindung zu bringen. Der für die gärtnerische Anlage des Lud-
wigsplatzes genehmigte Beitrag von 2000 Mk. wird wohl nach
dem Umbau des Museums und der Errichtung des Kaiser Wil-
helm-Denkmals zur Verwendung gelangen. Die Ausführung
des letzteren hat durch das Vermächtniß des Hrn. Franz Waltz
einen erfreulichen Vorschub erfahren. Die der Allgemeinheit
dienenden Einrichtungen und Herstellungen des Vereins wurden
durch Reparaturen und Neuanslriche in bestem Stand erhalten.
Von dem vom Ausschuß s. Z. herausgegebenen Fremdenführer
.Acht Tage in Heidelberg" wird eine neue Auflage vorbereitet.
Dem Stadtrath und Großh. Bezirksamt wird für das von die-
sen bewiesene Entgegenkommen bester Dank ausgesprochen, der
ersprießlichen Thätigkeit des Wohnungsbureaus, und zwar so-
wohl seines Leiters, wie seiner Leiterin, Herrn und Frau Brech-
ter, und der Ergebnisse der Kassenführung erwähnt. Bezüglich
des Kassenvorralhs wird bemerkt, daß von diesem gemäß früherer
Beschlüsse 2000 Mk. für die gärtnerische Anlage des Ludwigs-
platzes Verwendung finden werden. Die Zahl der Mitglieder
beträgt 813 gegen 726 im Vorjahre. Der Vorsitzende schloß sei-
nen Bericht mit dem Hinweis darauf, daß der Verein nunmehr
15 Jahre besteht und damit sowie in der bcachtenswerthen Zahl
der Mitglieder seine Lebensfähigkeit bewiesen hat; es dürfe wohl
. behauptet werden, daß das Wirken des Vereins in dem Ent-

wicklungsgänge unserer Stadt nicht mehr vermißt werden möchte
und es sei daher zu hoffen, daß der Verein in seiner derzeitigen
Stärke auch weiterhin bestehen werde, wozu er aber der dauern-
den Unterstützung durch seine Mitglieder bedarf. Der Verein
werde auch ferner bestrebt sein, jede Einseitigkeit und Parteilich-
keit zu vermeiden und sich stets nur von der einzigen Frage leiten
lassen: Was ist zum Blühen und Gedeihen der qanzen Stadt zu
thun? Der Bericht wurde mit allseitigem, lebhaftem Beifall aus-
genommen. Herr Gamer sprach den Wunsch aus, es möchte,
wenn wieder einmal eine Schutzhütte eingeweiht würde, oder sich
eine andere ähnliche Veranlassung ergäbe, eine Einladung zur
Theilnahme an alle Mitglieder ergehen. Sodann fragte er an,
ob die Abhaltung des Sommertagszugcs, da Lätare in diesem Jahr
etwas früh falle, nicht ausnahmsweise auf einen späteren Sonn-
tag verlegt werden könnte. Die ersterwähnte Anregung begrüßte
der Vorsitzende mit großer Freude; der Ausschuß werde diesem
ihm aus der Mitte der Vereinsmitglieder ausgesprochenen
Wunsche mit Vergnügen entsprechen. Die Feier des Sommertags
dagegen am Sonntag Lätare sei eine althergebrachte Sitte, eine
Verschiebung könne hier nicht staltfinden. Herr A. Brechter
berichtete über die Arbeit des Wohnungsburcaus; das ab-
gelaufene Jahr war ein sehr lebhaftes. Angcmeldet wurden
245, abgemeldet 209 Wohnungen, so daß 36 noch zur Verfügung
tehen. Die Zahl der laufenden Einträge stieg auf Nr. 3141.
Eine Ueberproduktisn an Wohnungen sei nicht vorhanden. Da
auswärtige Reflektanten sich stets an das Wohnungsbureau wenden,
so liege es im Interesse der Vermiether, freiwerdende Wohnungen
anzumelden; andererseits sollten aber vermiethete Wohnungen
ebenfalls pünktlich abgemeldet werden. Auch auf dem Gebiete
allgemeiner Auskunftsertheilung sei das Bureau wieder sehr be-
schäftigt gewesen. Alle Anfragen wurden beantwortet. Die
Fremden sprechen sich lobenswerth über diese Einrichtung des
Vereins aus. Auch dieser Bericht fand allseitigen Beifall. Herr
Oberbürgermeister Dr. W i l ck e n s sprach seine besondere Le-
stiedigung und Genugthuung über die erstatteten Berichte aus. Er
habe daraus entnommen, daß der Verein eine sehr segensreiche
und gedeiliche Thätigkeit im Interesse Heidelbergs entwickelte,
die die Thätigkeit des Stadtraths in ersprießlicher Weise ergänzt
habe- Redner kam auf einige in dem Jahresbericht erwähnte
Punkte zurück; er erwähnte dabei besonders des schönen Verlaufs
der Einweihung der Moltkehütte, des Beitrags zur Verbesserung
der Wegverhältnisse an der Straße nach Ziegelhausen, für die er
bestens dankte; dem vom Verein bezüglich des Saalbaus ge-
äußerten Wunsche werde der Stadtrath bestens zu entsprechen
suchen; gerade in Bezug auf Lösung dieser Frage habe sich der
Verein ein wesentliches Verdienst erworben. Bezüglich der Aus-
führung der gärtnerischen Anlage des Ludwigsplatzes in Ver-
bindung mit der Errichtung des Kaiserdenkmals hoffe er, daß
bald eine Vorlage an den Bürgerausschuß gelangen werde.
Ferner machte Herr Dr. Wilckens die erfreuliche Mittheiluug,
daß eine Verbesserung des Neckarstadens angestrebt werde, indem
der längs desselben ziehende Fußweg in g e r a d e r Linie bis
zur neuen Brücke fortgesetzt werden solle, was, wie er hoffe, ohne
große Kosten wohl gelingen werde. Redner gedenkt mit wärmster
Anerkennung der ersprießlichen Leistungen des Vereins, seines
Vorsitzenden und des Wohnungsbureaus; er hofft, daß auch
für die Folge ein gedeihliches Zusammenwirken zwischen de«
Verein und der städtischen Behörde sich ergeben werde und spricht
Namens dieser dem Verein den verbindlichsten Dank für das von
ihm bisher Geleistete aus. Den Worten des Herrn Oberbürger-
meisters wurde lebhaftester Beifall zu Theil. Die hierauf vor-
genommene Wahl ergab die nahezu einstimmige Wiederwahl der
im regelmäßigen Wechsel aus dem Ausschuß tretenden Mit-
glieder. nämlich der Herren: Adolph Brechter, A. Ellmer, Aug.
Lang, Carl Phil. Müller, Otto Pelters, Alfred Rodrian, Daniel
Schmitt, Stadtpfr. Schneider. Der letzte Punkt der Tages-
ordnung betraf die Besprechung allgemeiner Vereinsangelegen-
heiten. Wie üblich, wurde eine Anzahl Wünsche geäußert. So
wurde angeregt, es sollten die Anmeldungen beim Wohnungs-
bureau nur schiiftlich erfolgen; ferner, es möge der Verein sich
dahin bemühen, daß, nach dem wohlgelungenen Vorbilde von
Mannheim in diesem Jahr, sich auch hier die in Frage kommen-
den Vereine zu einem Carnevalszuge vereinigen möchten; eine
bessere Instandsetzung der Wege in der sogen. Neueubeimer
Schweiz — eine Bezeichnung, die sowohl Gegner wie Befür-
worter fand — wurde gewünscht. Bezüglich der Benennung
neuer Straßen erfolgten einige Vorschläge, ebenso wurde
— allerdings etwas post kostum, da diese Angelegenheit schon in
der letzten Bürgerausschußsitzung behandelt und bezüglich der-
selben eine befriedigende Antwort gegeben worden war — der
mangelhafte llebergang der Pferdebahn über das Bahngeleise in
der Nohrbacherstraße gerügt. Mit bestem Danke für das zahl-
reiche Erscheinen und mit der Versicherung, daß alle Anregungen
im Ausschuß in Erwägung gezogen werden sollen, schloß der
Vorsitzende die Verhandlungen, worauf Herr Otto Petters
noch ein Hoch ans den Verein, der noch lange unter der Aegide
der Herren Klingel, Brechter und Müller blühen und gedeihen
möge, ausbrachte, in das die Versammlung freudig einfiel.
1^. Fackelzug. Am Samstag Abend brachte die Studenten-
schaft dem scheidenden Prorektor Hrn. Geh. Hofrath Kehrer und den
neuen Prorektor Herrn Prof. Ost ho ff einen Fackelzug. Der im-
posante Zug, in dem sich 3 Musikkorps befanden, bewegte sich vom
Kornmarkt aus die Hauptstraße entlang nach der Berghcimer-
straße und machte dort vor der Wohnung des Hrn. Geh. Hofrath
Kehrer Halt. Der Ausschuß der Studentenschaft, welcher hoch
zu Roß an der Sitze des Zuges ritt, begab sich in die Wohnung
des scheidenden Prorektors, um ihm den Donk der gesammten
Studentenschaft zu übermitteln. Der Präses des Ausschusses
feierte in einer kurzen, markigen Rede die Verdienste, die Herr
Prorektor Kehrer sich um die Studentenschaft erworben. In diesen
zwei Semestern sei er den Studirenden wie ein Vater gewesen-
Mit einem dreifachen Hoch auf den Gefeierten, in welches der
gesammte Zug begeistert einstimmte, schloß die Rede. Hierauf
richtete Hr. Geh. Hofrath Kehrer an die Studentenschaft das Wort.
Er dankte ihnen für den Fackelzua, in welchem diesmal sogar
eine Kavalkade zu bemerken sei. Auch betonte er, daß sich erst
im 2. Semester die Wünsche erfüllt hätten, welche er schon des
Beginn seiner Thätigkeit als Prorektor gehegt batte. Auch fit
es ihm vergönnt gewesen, mehrere schöne Feste mit der ge'
sammten Studentenschaft zu feiern. Es seien dies: Kaisers Ge-
burtstag, der Geburtstag des Großherzogs von Baden, das 50-
jährige Doktorjubiläum des Herrn Geh. Rath Bekker, die Feier
zum Andenken Richard Rothes; doch die schönste, glänzendste und
zugleich unvergeßliche Feier sei die zur Einweihung der neuen
Sternwarte gewesen, bei welcher an der Spitze der Studenten-
schaft unser allbeliebter, hochverehrter Grobherzog war. Seine
kurze, von warmherzigem Wohlwollen für die Studentenschaft
durchdrungene Rede schloß mit einem dreifachen Hoch auf unser»
Großherzog, in welches die Studenten und die zahlreich ves'
sammelte Menge begeistert einstimmten. Die Musik intonirte die
Nationalhymne. Darauf nahm der Zug seinen Weg die Ufer-
straße entlang über die neue Brücke, die Brückenstraße und baö
in die Mönchhofstraße ein, wo der neue Prorektor, Herr Pros-
Dr. Ost ho ff, wohnt. Hier brachte der Präses des Ausschusses
der Studentenschaft ein Hoch auf den neuen Prorektor aus. Herr
Professor Osthoff hielt eine etwa halbstündige Rede, in welcher
er darlegte, wonach Professoren und Studenten zu streben Habel»
Es war empfindlich kalt. Die Ansprache schloß mit einem Ha«
auf die Roperto-Carola. Nach Absingung des Liedes „AltHeidelbecS
du Feine" bewegte sich der Zug die Ladenburgerstraße entlang
über d e neue Brücke, Sophienstraße, die Anlage nach dew
Ludwigsplatz, wo die Fackeln zusammengeworfen wurden »na
das Cauässmus igitur gesungen wurde.
88 Galaauffahrt. Heute um die Mittagszeit fanden Gal»'
auffahrlen des 8. 0. (Corps) und des v. 0. (Burschenschaften
Allemaunia und Franconia) bei dem neugewählten ProrektM
Prof. Osthoff, statt.
 
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