Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Heidelberger Zeitung — 1899 (Januar bis Juni)

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.39312#0244
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Preise zahlten, auf die Preise drückten und so die Landwirth»
schüft schädigten.
Generalmajor Heeringen: Die Militärverwaltung stehe
den Wünschen des Vorredners sehr sympathisch gegenüber. Die
Militärverwaltung verkenne nicht, daß an den bestehenden Ein-
richtungen gewisse Mängel haften, sie beständen aber in der
Handhabung der Instruktionen und nicht in der Zusammensetzung
der Marktkommisstonen; nur wenn die Preise ihrer Ansicht ent-
sprächen, nähmen sie die Preise an.
Der Rest der fortlaufenden Ausgaben wird angenommen.
Montag Fortsetzung der Berathung des Milttäretats. vorher
dritte Lesung der Vorlage betreffend Errichtung eines bayerischen
Senats beim Reichsmilitärgericht in Berlin.
Baden. L. Is. Offenburg, 5. März. Bei dem heute
hier tagenden demokratischen Parteitag war eine
Berichterstattung seitens der Presse nicht zugelassen. Es
sollen bisher 60 Theilnchmer anwesend sein.

Aus der Karlsruher Zeitung.
— Betriebssekretär Ludwig Haag bei Großh. Generaldirek-
tion der Staatseisenbahnen wurde auf Ansuchen, unter An-
erkennung seiner langjährigen treuen Dienste in den Ruhestand
versetzt.
Karlsruhes. März. Der Großherzo g nahm heute
Mittag die Bieldung einer Anzahl von Offizieren entgegen.
Abends halb 8 Uhr empfangen die Großherzoglichen Herr-
schaften den Professor Dr. Thode von der Universität
Heidelberg. Derselbe hält von 8 Uhr an einen Vortrag
über „drei Jahre florcntinischer Kunst 1503 bis 1506".
Hierzu ist eine zahlreiche Gesellschaft eingeladen. Auch die
Prinzessin Wilhelm und die Fürstin Sophie zur Lippe
werden dem Vortrag anwohnen._
Ausland.
Frankreich. Paris, 4. März. Infolge einer Ver-
fügung des Untersuchungsrichters hat die Sicherheitspolizei
auf der Hauptpost eine Anzahl Rohrpostkarten mit Beschlag
belegt, die am Tage vor der Bestattung Faures an Mit-
glieder der Patriotenliga gerichtet worden waren. Diese
Karten trugen ungenügende Adressen und waren deßhalb
als unbestellbar zurückgclegt worden. Der Untersuchungs-
richter hat auf diese Weise in Erfahrung gebracht, daß
sämmlliche Mitglieder der Patriotenliga mobil gemacht und
ihnen für die ganze Länge des Leichenzuges ihre Stellungen
angewiesen worden waren. Für den Bastillenplatz war
ein Stelldichein vereinbart, um von dort aus den Anschlag
Dsroulkdes und Haberts durch Kundgebungen wirksam
unterstützen zu können. Diese Entdeckung ist insofern wich-
tig, als sie möglicherweise als Beweis dafür dienen könnte,
daß Tsroulöde und Hadert mit Vorbedacht gehandelt und
sich eines Komplottes schuldig gemacht haben.
Jtalim. Rom, 4. März. Der Papst verließ
heute Mittag das Bett und blieb drei Stun-
den auf. Er nahm in einem Lehnstuhl in der Nähe des
Bettes Platz. Die Aerzte wünschen, daß er sich möglichst
wenig bewege. Inzwischen wurde das Bett geordnet.
Das Befinden des Papstes bessert sich fortlaufend; morgen
beabsichtigt er, längere Zeit aus dem Bette zu bleiben.
Im Vatikan betrachtet man die Krise als überstanden.
Rom, 4. März. Wenn, wie man hofft, die Besserung
im Befinden des Papstes anhalten wird, werden von
morgen ab keine ärztlichen Berichte mehr ausgegeben wer-
den. Dr. Lapponi führt in einem Briefe an den Don
Chisciotte aus, daß die Operation des Papstes
dringend nöthig war, weil sich die Geschwulst im Ent-
zündungs- und Reizungszustand befand. In früheren
Jahren sei eine Operation nicht vorgenommen worden,
weil die jetzt eingetretenen Gründe der äußersten Nolhwen-
digkeit noch nicht vorhanden waren. Der Erfolg der
Operation rechtfertige sein aufmerksames und vorsichtiges
Zuwarten, das er sich bis zum Tage der Operation zur
Pflicht gemacht.

Aus Stadt und Land.
Heidelberg, 6. März.
X Gewerbegerichtssttzung vom 3. März. Gegenwärtig
Bürgermeister Dr. Walz als Vorsitzender, Kleidermacher Chri-
stian Hummel und Buchdrucker Christian Heckmanu als
Beisitzer und Sekretär Dürr als Gerichtsschreiber. 1. I. S.
des Bäckergesellen Friedrich Dröndle gegen Bäcker und Wirth
Jakob Hofmann dahier wegen Zahlung von 6 Mk. Entschädigung
infolge kündigungsloser Entlassung einigten sich die Parteien da-
hin, daß der Beklagte an den Kläger 3 Mk. bezahlt und Letzterer
auf die Weiteiführung der Klage verzichtet. 2. Fabrikarbeiter
Jacob Rostock in Rohrbach klagte gegen die Firma Keller u. Cie.
dahier, vertreten durch Fabrikant Wilhelm Grohe, auf Zahlung
der gesetzlichen Entschädigung von 13 Mk. 20 Pfg. infolge kün-
digungsloser Entlassung. Beklagter erklärte sich zur Zahlung
von 8 Mk. bereit, worauf der Kläger ans seine Mchrforderung
verzichtete. 3. Flaschnergeselle Albert Roßberg wurde mit seiner
gegen Spenglermcister Konrad Lenz erhobenen Klage auf Zah-
lung von 6 Mk. 60 Pfg. Lohn abgewiesen. Ohne Zuzug von
Beisitzern wurden im Februar d. I. noch folgende Streitfälle
erledigt: 4. I. S. des Werkführers Hermann Dietzsch gegen
Seisenfabrikanl Theobald Klar dahier wegen Zahlung von
324 Mk. 99 Pfg. Lohn infolge kündigungsloser Entlassung einig-
ten sich die Parteien dahin, daß der Beklagte an den Kläger
85 Mk. bezahlt und Letzterer auf seine Mehrforderung verzichtet.
5. Schneidergeselle Wilhelm Preis klagte gegen Kleidermacher
Friedrich Geyer dahier auf Zahlung von 6 Mk. Lohn. Beklagter
erklärte sich zur Zahlung von 3 Mk. an den Kläger bereit, wo-
mit sich dieser begnügte. 7. I. S. des Maurerpolier Heinrich
Schmidt gegen Gypsermeister Joseph Bester wegen 'Lohnzahlung
von 24 Mk. 50 Pfg. erklärte sich der Beklagte zur sofortigen
Zahlung von 20 Mk. bereit, worauf der Kläger auf die Weiter-
führung der Klage verzichtete.
-)§- Freiwillige Feuerwehr. Am Samstag, den 4. ds., fand
im „Faulen Pelz" die Generalversammlung des Corps
statt, wozu die Kameraden der vier Kompagnien in leider nicht
sehr großer Anzahl erschienen waren. Die vielen sonstigen be-
stehenden Vereine üben, wie man bei solchen Gelegenheiten merkt,
eine zersplitternde und ablenkende Wirkung aus. Allerlei Ver-
einigungen bieten den jungen Bürgern einen Zusammenschluß,
ohne von ihnen mehrmals im Jahre Uebungen und im Brand-
falle thätige Hülfe zu verlangen. Das ist freilich bequemer.
Herr Kommandant Müller eröffnete um 9 Uhr die Versamm-
lung und gab einen klaren Bericht über den Stand der Feuer-
wehr und über die Feuerwekrkasse. Letztere zeigt einen so gün-
stigen Stand, daß die Mitglieder im Falle einer Erkrankung im
Dienst oder eines Unglücks bei Uebungen oder Brandfällen voll
und ganz entschädigt werden können. Die Feuerwehrkrankenkasse
weist dagegen eine kleine Verminderung ihres Grundstocks auf,
was in Berücksichtigung der vielen alten inaktiven Mitglieder

leicht verständlich ist. Die Corpskasse (Vergnügungskasse) zeigt r
gleichfalls ein gutes Ergebniß. Hr. Kommandant Müller theilte )
des Weiteren mit, daß ein neuer Krankenwagen demnächst den
übrigen Gerüchen beigestellt wird, ebenso daß die zweite Com-
pagnie mit neuen, schwarzen Lederhelmen versehen wird. Rach
einigen weiteren Mittheilungcn wurde der geschäftliche Theil ge-
schlossen. Bei den nun folgenden verschiedenen Ansprachen wur-
den Hochs ausgcbracht auf Se. Kgl. Hoheit unseren allverehrten
Großherzog, auf den Protektor der Bad. Feuerwehren, Erbgrob-
herzog Friedrich, und auf Se. Majestät den Kaiser. Zu erwäh-
nen ist noch, daß unser Grobherzog jetzt auch eine Medaille für
40jährige Dienste in der freiwilligen Feuerwehr gestiftet hat,
welche dieses Jahr erstmals Kamerad Wülfel, Reserve-Obmann,
erhält. Bei den heiteren Klängen der Feuerwehrkapelle und bei
Gesang passender Lieder blieb man noch eine zeitlang gemäch-
lich beisammen.
Die Harmoniegesellschaft hielt am Samstag Abend in
ihrem Gartensaale das alljährliche Gesellschaftsessen ab, zu dem
sich zahlreiche Theilnehmer eingefunden hatten. Verbunden mit
dem Essen war die Preisvertheilnng für das diesjährige Preis-
kegeln. Es konnte auch diesmal eine große Anzahl werthvoller
Preise vergeben werden. Unter Ansprachen, meist launigen, zum
Theil auch patriotischen Inhalts, den Vorträgen der Gesangs-
abtheilung und Solovorträgen, sowie denjenigen einer Abtheilung
der Militärkapelle nahm der Abend den gemüthlichsten und leb-
haftesten Verlauf. Auch die Leistungen des Harmoniewirths
trugen dazu nicht unwesentlich bei und es wurde ihrer in einem
Hoch auf Herrn Hauer noch mit besonderer Anerkennung gedacht.
X Vortrag im Volksheim. Am Samstag hielt im Volks-
heim (Bienenstraße) Herr Privatdozent Dr. F. Ed. Schnee-
gans einen Vortrag über das altfranzösische Rolandslied. Nach
einigen einleitenden Worten über die Entstehung der altfranzö-
schen Heldendichtungen, die auf geschichtlicher Grundlage be-
ruhend ein das Volksbewußtsein erschütterndes Ereigniß in
poetisch verklärtem Bild für ein Laienpublikum darstellen, ging
der Vortragende auf die Entstehung des altfranzösischen Rolands-
liedes, der ältesten Dichtung, in der Roland besungen wird, ei»,
führte die wenigen Worte an, in denen der Zeitgenosse Karls des
Großen, Einhart, die Niederlage der Franken und den Tod Ro-
lands^ erzählt, zeigte kurz, wie der Dichter die Ereignisse um-
gestaltet hat, und las dann einige der schönsten Stellen des Ge-
dichtes in der vortrefflichen Uebersetzung von Wilhelm Hertz
(Stuttgart 1861) vor. Der Vortrag fand lebhaften Beifall.
stst Der Verein Neuenheim hielt am Samstag Abend im
Saale des Gasthauses zur Rose seine Generalversammlung
ab. Wie wir dem Jahresbericht entnehmen, ist dm Mit-
gliederzahl im verflossenen Jahre auf 185 gestiegen. Der
von Herrn Loonen erstattete RechnungSnachiveis ergab ein
Reinvermögen des Vereins von Mk. 12120. Der Verein
kann auf daS vergangene Jahr als auf ein äußerst ergebniß-
reicheS zurückblicken- An der Adlerapotheke wurde aut An-
regung und mit pekuniärer Beihüife deS Vereins eine elek-
trische Normaluhr angebracht, die in hervorragender Weite
dem öffentlichen Interesse dient. Desgleichen gebührt für
daS auf Vereinskosten am Kronengarten angebrachte Wetter-
häuschen mit täglichen Witlerungsberichten der kgl. meteorolo-
gischen Station Stuttgart dem Verein allgemeiner Dank. Dem
viel empfundenen Mangel an Bedürfnißnnstalten im Stadt-
iheil wird Dank dem freundlichen Entgegenkommen des
Sladtrathes zum Theil wenigstens dadurch abgedolfeu, daß
zunächst nn der alten Brücke eine solche Anstalt errichtet
werden soll. Der Obstmarkr hat sich verflossenes Jahr er-
ireultcher W ise mesenilich besser entwickelt und es ist in Aus-
sicht genommen, denselben zu einem regelmäßigen Wvchen-
markt zu erweitern. An der Uferstraße wurden iheils auf
Vereinstosten, theils aus Mitgliederveitlägen 9 Sitzbänke aus-
gestellt. Die theilweise Neuergänzung des Vorstandes ergab
die Wiederwahl der Herren Dr. Buccher, Heiß, Jörger, Looneu,
Dr. Volz, während als neue Vorstandsmitglieder die Herren
Konolü, Rößler und Architet, Schröder hmzulraten. Auf
Antrag deS Hrrrn Jckralh sprach die Versammlung dem
Vorstand einstimmigen Dank tnr seine Ge>chä'is>üdrlinq aus.
Vortrag im Kaufmännischen Verein. Im großen Hör-
saal des chemischen Instituts hielt gestern auf Veranlassung des
Kaufmännischen Vereins vor einem zahlreich erschienenen Publikum
Herr Geh. Rath Prof. Dr. Curtius einen Vortrag über das
Thema: „Aus der Farbenchemie". Eine schwere Aufgabe,
da gerade dieses Kapitel aus der Chemie äußerst umfangreich und
für den Laien in Hinsicht auf Theorie, besonders was die or-
ganischen Farbstoffe anbetrifft, schwer verständlich zu machen ist.
Nachdem stch der Redner über die Farben im allgemeinen, als
Farben im durchfallenden und reflektirten Licht, verbreitet hatte,
that er an einigen Experimenten mit Zinkweiß, Bleiweiß, Cadmium-
gelb, Jodblei und Ultramarin dar, was für Eigenschaften von
guten Farben verlangt werden, wie Widerstandsfähigkeit gegen
Säuren, Alkalien, Schwefelwasserstoff rc. In den beiden ersten
Fällen spricht man von „säurefest und waschecht". Berlinerblau
ist z. B. nicht waschecht, wogegen Ultramarin nicht säurefest ist.
Herr Geh. Rath Eurtius ging hierauf zu den organischen Farb-
stoffen über, nachdem er als Einleitung über die organischen
Farben des Alterthums kurz gesprochen hatte; er schilderte die
heutige Farbentechnik, in der Deutschland an der Spitze steht, die
Chemie des Theers und Anilins. Zuerst besprach er die Farb-
hölzer, Indigo, Krapp rc., als natürlich vorkommende Farben,
ging dann zur Herstellung der Farbstoffe der heutigen Technik
über und erläuterte an vielen Experimenten, wie Herstellung des
Flnorescem, Malachitgrün, Indigo rc-, die Darstellung dieser
Art von Farbstoffen und prüfte sie auf säurefest und waschecht.
Hierauf ging er zu den sog. Azofarbstoffen üben, die ihren Gruppen-
namen von dem in ihnen enthaltenen Stickstoff, Azotikum, er-
halten haben. Auch hierzu führte Herr Geh. Rath Curtius einen
Versuch aus. Nachdem der Vortragende so die Darstellungsarten
vorgeführt und in ausgezeichneter Weise in einer für den Laien
leicht verständlichen Weise erklärt hatte, schilderte er die Art und
Weise der Färbung. Er erklärte zuerst die Struktur der Faser,
dann ihre eventuelle Behandlung, die man „beizen" nennt und
zeigte dann mit verschiedenen Baumwollsträngen, wie solche Fär-
bungen ausgeführt werden. Für seinen Vortrag, der des Inter-
essanten und Belehrenden so ungemein viel bot, wurde dem
Herrn Redner Beifall im reichsten Maße zu Theil. Nach dem
Gehörten und Gesehenen kann man nur mit der größten Freude
der Hoffnung Ausdruck geben, daß Herr Geh. Rath Curtius den
Kaufmännischen Verein bald wieder mit einem solchen Vortrage
erfreuen möchte. Für seine Bereitwilligkeit zu diesem Vortrage
gebührt ihm aufrichtiger Dank.
O Fußball. Zum Wettspiel gegen Ncuenhcim College am
Samstag Vormittag brachte der Fußball-Verein Stuttgart nur
12 Spieler nach Heidelberg und ergänzte seine Mannschaft durch
3 Spieler des hiesigen Ruderklubs. Auch der Neuenheimer
Mannschaft fehlten 2 der besten Spieler, aber sie hielt sich sehr
gut, indem sie bald nach Beginn 1 Treffer gewann. Kurz vor
Halbzeit erzielte auch Stuttgart 1 Treffer. In der zweiten Spiel-
hälfte wurde der Kampf von beiden Seiten mit äußerster An-
strengung wettergefllhrt, doch gelang es den Stuttgartern, ihre
Punkte um 1 Treffer und 1 Versuch zu vermehren und den Sieg
mit 13 zu 5 zu erringen. Nachmittag« war noch 1 Stuttgarter
angekommen, so daß gegen Heidelberg College nur 2 Ersatzleute
nölhig waren. In der ersten Halbzeit gewann Heidelberg 1 Ver-
such; aber sonst konnte keine Partei einen Vortheil erringen.
Heidelberg College blieb daher mit 3 gegen 0 Sieger.
ff- Der altkatholische Sterbekaffeverei» „Charitas" hielt am
Sonntag, den 5. März, in der Brauerei Kleinlein seine
10. Generalversammlung ab und verband damit die Erinnerung
an seine zehnjährige Wirksamkeit. Gegründet am 9. December
1888 hat dieser schöne soziale Verein seit seinem Bestände nicht
weniger als 70 710 Mark an Sterbegeldern ausbezahlt und
dabei noch ein Vermögen von 12 000 Mark zusammengebracht.
Der Verein zählt 1742 Mitglieder, erhebt für den Sterbefall

bloß 12 Pfennig und bietet ein Sterbegeld von 150—180 Mark,
je nach der Dauer der Mitgliedschaft; mit 5 Jahren werden 165,
mit 10 Jahren 180 Mark ausbezahlt. Man sieht aus diesen
Ziffern, was soziale Selbsthilfe bei gewissenhafter und genauer
Leitung zu leisten im Stande ist- Die Gesammtverwaltung der
Cbaritas liegt in den Händen des Herrn Stadtpfarrers Dr.
Stubenvoll, welchem auch die Generalversammlung begeisterten
Dank aussprach.
— Polizeibericht. Am Samstag wurde ein Dienstmädchen
wegen Unterschlagung und Betrugs verhaftet, ebenso ein Bettler;
5 Personen kamen wegen Unfugs und Ruhestörung zur Anzeige.
In verflossener Nacht kamen mehrere Studenten wegen Unfugs
sowie 4 weitere Pesonen wegen Ruhestörung und Unfugs zur
Anzeige.
A Mörlenbach, 3. März. Die Köntgl. Preußische und die
Großh. Hessische Eisenbahudireklion Mainz hat Namens des
Staates und der geländestellenden Gemeinden gesetzliche Ent-
eignung von nicht weniger als 41 in hiesiger Gemarkung
liegender und zum Bahnba» uöthiger Parzellen veranlaßt, da
mit den Grundeigenthümern, trotz wiederholter Versuche, eine
gütliche Abfindung bis jetzt nicht zu erzielen war. Da die be-
treffenden Besitzer auch die Bauerlanvntß nicht gaben, so konuten
von hier bis Weiher die Bauarbeiten noch nicht begonnen werden,
während die Arbeiten von Weiher über Kreidach nach Waldmichel-
bach im Laufe dieses Jahres vollendet sein dürften.
Mannheim, 2. März. Für Unterbringung von Lunge n-
kranken in Heilstätten sind erstmals in das städtische Budget
1000 eingestellt worden. Ferner sollen die Familien unter-
gebrachter Lungenkranker ausgiebig unterstützt werden.
8 0. Mannheim, 2. März. Fünf gerichtsbekannte Burschen
von Seckenheim überfielen, lt. N. B. L., am Sonntag Abend
drei Landarbeiter und verletzten einen derselben durch Stock-
schläge und Fußtritte so schwer, daß er ins Krankenhaus nach
Mannheim überführt werden mußte, wo er bald darauf starb.
Die Raufbolde wurden in das Amlsgerichtsgefängniß Schwetzingen
verbracht.
8.0. Karlsruhe, 2. März. Gegen das Urtheil der Straf-
kammer in Sachen Militärvereinspräsidium contra
Wacker hat Herr Oberstleutnant Platz Revison eingelegt.
Der Prozeß wird voraussichtlich noch im Laufe dieses Monats
beim Oberlandesgericht zur Verhandlung kommen.
Konstanz, 1- März. Einen Heirathsschwindler, den
26jährigen verheiratheten Johann Hipp von Kirchen-Hansen, ver-
urtheilte die Strafkammer gestern zu 9 Monat Gefängniß, ab-
züglich 1 Monat Untersuchungshaft. Hipp übernahm lt. Konst.
Ztg. 1894 die Wirthschaft beim Bahnhof in Kirchen-Hansen und
heirathete im August 1895, verkaufte aber bald d rauf die Wirth-
schaft wieder und lebte bis April 1898 von seiner Frau getrennt
i» der Schweiz. Dann kehrte er zu seinen Eltern zurück und
verlegte sich, um Geld zu erhalten, auf den Heirathsschwindel.
Er schickte Annoncen an badische, württembergische und Schweizer
Zeitungen, in welchen eine 25jährige Waise mit großem Ver-
mögen Männerbekanntschast suchte behufs späterer Verehelichung.
Offerten waren unter Chiffre „Postlagernd Geisingen" erbeten.
Auf diese Inserate liefen von überall her eine Menge Offerten
Heirathslustiger ein. Hipp schrieb denselben unter falschem
Namen, daß er für die Waise Jda Walz, welche überhaupt nicht
existirte, eine passende Partie suche; dabei verlangte er für
Porkoauslagen, Spesen ec. Beträge von 5—20 Dieses Geld
war in Briefmarken an seine Chiffre-Adresse einzusenden, worauf
Hipp die Vermittlung bei der fingirten Walz übernehmen wollte.
Auf diese Weise sandten Viele Geld ein, erhielten natürlich aber
keine Frau. Bei verschiedenen Opfern gab er sich als Hotel-
besitzer aus und bot ihnen eine heirathSlustige Hotelbesitzer!» mit
über 100 000 Vermögen oder sonst eine steinreiche Wittwe an.
Damit der im Großen betriebene Schwindel mehr Zug halte,
verstellte Hipp seine Schrift und beantwortete viele der
eingelaufenen Offerten mit der Unterschrift der Jda Walz
oder sonst einer fingirten reichen Dame. Auch legte er
den Briefen irgend eine Damen - Photographie bei, die
er in der Schweiz wohl erschwindelt hatte, so das Bild der
Tochter eines Zirkusbesitzers. Schließlich kam der Schw ndel an
den Tag und am 26. November wurde Hipp in Singen ver-
haftet. Nach seiner Verhaftung liefen noch eine Menge Briefe
mit Photographien Heirathslustiger ein, die alle auf die ver-
lockenden Inserate hereingefallen waren.
Vom ^ee, 27. Febr. lieber die neueste Erdsenkung an
der Bod-ensee-Gürtetbahn wird dem Lind. Tagbl.
Folgendes berichtet: Letzten Freitag hatte der Bahnkörper an
der gefährdeten Stelle beim Wasserburger Bühel endlich die er-
forderliche Höhe erreicht, nachdem an eben dieser Stelle zu ver-
schiedenen Malen bedenkliche Senkungen eingetreten waren. Das
war Nachmittags 3 Uhr. Eine halbe Stunde später erfolgte
plötzlich ein Krach, und der Bahnkörper versank mit einem
gewaltigen Ruck 2'/, Meter tief auf eine Länge von 120 Meter.
Der Untergrund an dieser Stelle ist moorig, noch tiefer stöbt man
auf welchen Milchletten, der auffallend zahlreich mit kleinen und
größeren Muscheln, sowie Schneckenhäusern verschiedener Art
versetzt ist. Auf kiesigem Untergrund würde die Moorschicht
einfach gepreßt werden; unter den gegebenen Verhältnissen jedoch
weicht dieselbe auf dem Letten seitwärts aus. An der Südseite
des Bahnkörpers sind deshalb gleichzeitig mit den Senkungen
Schiebungen nach der Seite und Hebungen erfolgt. Die letzte
Senkung bat eine Verschiebung nach der Seite und eine Hebung
von je 3 Meter bewirkt. Das längs des Bahnkörpers neu an-
gelegte Bachrinnsal ist theilweise seitwärts geschoben und verengt
worden und auch der gleichlaufende Weg ist in eine andere Lage
gebracht worden. Man in eifrig bemüht, die projekttrte Höhe
des Bahnkörpers durch Materialzufuhr baldigst wieder zu er-
reichen, doch zweifelt man, daß mit dieser letzten Senkung nun
wirklich Ruhe eingetrelen sei. Im Ganzen genommen ist nun
der Bahnkörper in der erwähnten Lage um etwa 6 Meter ge-
sunken.
Aus Bade». In Rastatt ist Altbürgermeister Stigler
im Alter von nahezu 75 Jabren gestorben._.

Kleine Zeitung.
— Helmholtz' Gehirn. Wir lesen im Neuen Wiener Tage-
blatt: Mit Spannung erwarteten die wissenschaftlichen Kreise das
Resultat der Untersuchung, die Dr. Hansemann, Professor der
pathologischen Anatomie an der Berliner Universität, an dein
Gehirn des unbestritten größten unter den Naturforschern der
letzten Decennien vornahm. Die Ergebnisse dieser Untersuchung
sind sehr merkwürdig. Zunächst konstatirte Hansemann, daß das
Gewicht des Helmholtz'schen Gehirns 1440 Gramm betrug. Zm»
Vergleiche mag dienen, daß sich bei Cuoter, dem Naturforscher,
1600, bei Gauß, dem Mathematiker, 1492, bei Franz Schuberl
1420 Gramm Gehirngewicht fanden und daß man als Durchs
schnittsgewicht 1358 Gramm annimmt. Also in Beziehung am
das Gewicht war das Gehirn Helmholtz' nichts sehr Auffälliges-
Dagegen zeigte sich die Gliederung dieses Organs als eine ge-
radezu verblüffend reichen.mannigfaltige. Die Zahl der Windungen
des Stirngehirns zum Beispiel war so groß, daß man die sonn
leicht auffindbaren kleinen Nebenwindungen kaum mehr unter-
scheiden konnte. Das sonderbarste Ergebniß der Untersuchung
war aber, daß noch deutliche Reste eines allerdings längst ver-
gangenen Entzllndungsprozesses nachweisbar waren. Indem
Professor Hansemann dies mittbeilte, erwähnte er, daß Helmhm«
öfters zu ihm geäußert, er (Helmholtz) habe in seiner Inge"
einen Wasserkopf leichter Art gehabt. Dieser Krankheitprozev
führte natürlich zu einem andauernd etwas vermehrten Htrndrna-
woraus sich die tiefen Eindrücke aus der Innenseite des Schädel»
erklären und auch die auffallende Thatsache, daß Helmholtz
mitten völliger Gesundheit nicht selten an leichten Ohnmachk»
Unfällen litt, die ihn in den Ruf eines Epileptikers gemach
hatten, zumal er sie selbst als epileptiforme bezeichnele. Auf
einst vorhandene Hirnwaffersucht, die, wie nicht erst ge!"»
werden muß, vollkommen auSheilte, wies auch die ungewöhnUm
 
Annotationen