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Heidelberger Zeitung — 1899 (Januar bis Juni)

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https://doi.org/10.11588/diglit.39312#0635
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Sonntags ausgenommen.
Preis
mit FamiltenblLttern
monatlich 5V Pf.
frei in's Haus gebracht.
Durch die Post bezogen
vierteljährl-1.25
ausschließlich Zustellgebühr.
Fernsprech-Anschluß Nr. 82.

Ar. 141



InsertionSgebühr
15 Pf. für die Ispaltige
PcritzerLe oder deren Raum
Für hiesige Geschäfts- und
Privatanzeigen bedeutend
ermäßigt.

M, der Inserate auf den Plakat-
" tafeln der Heidclb. Zeitung
und den Plakatsäulen.

___Fernsprech-Anschluß Nr. 82
Dienstag, de» 20. Juni 1899.

Bestellungen
auf die Heidelberger Zeitung für das III. Vierteljahr
werden bei allen Postanstalten, den Briefträgern, den
Agenten, bei den Trägern in der Stadt, sowie in der
Expedition, Untere Neckarstr. 21, angenommen.
Bezugspreis: monatlich nur 50 Pfg., frei in's Haus
gebracht; durch die Post bezogen Mk. 1.25 vierteljährlich,
mit Zustellgebühr Mk. 1.65.

Die Lage der ländlichen Arbeiter im Osten
Deutschlands.
In dem nationalsozialen Blatte Die Hilfe wird die
Lage der ländlichen Arbeiter im Osten von Einem ge-
schildert, der die Zustände dort persönlich in Augenschein
genommen und untersucht hat. Der Mann ist bemüht,
möglichst schwarz zu sehen, dazu sind seine Folgerungen
zum Theil falsch. Aber wegen einiger positiven Angaben
sind seine Mittheilungen doch von Werth.
Die Wohnungsverhältnisse schildert er als sehr be-
denklich. So fand er, daß ein Kutscher mit seiner Frau
und seinen fünf schulpflichtigen Kindern ein Zimmer und
eine Küche bewohnte. Das Zimmer hatte nur ein Fenster
und konnte im Winter nicht genügend geheizt werden, da
es keinen Ofen hatte. Der Küchenherd, der das Zimmer
mit wärmen sollte, konnte nicht so viel Wärme erzeugen,
daß eine angenehme Temperatur im Zimmer herrschte,
wenn draußen der Winterwind pfiff. ,
Ein Landarbeiter wohnte mit drei anderen Familien
in einem einstöckigen Hause. Durch die Mitte des Hauses
zog sich der gemeinschaftliche Flur. An jeder seiner Seiten
lagen zwei Stuben, deren eine von je einer Familie be-
wohnt wurde. Die Stube hatte ein mit Papier verklebtes
Fenster, das 80 Centimeter hoch und breit war. An der
Herdseite war die Stube drei Meter lang und breit, an
den anderen Seiten aber dafür ganz bedeutend breiter und
länger — einen ganzen Meter. Allzu hoch war sie auch
nicht. Ein über mittelgroßer Mann hätte sich den Kopf
an den Balken gestoßen, über denen eine flache Lage Bretter
ruhte — als Zimmerdecke. Aber diese Prachtstube, in die
es gelegentlich hineinrcgnete, so daß der Lehmboden auf-
weichte, war nicht die ganze Wohnung der Familie. Hinter
der Stube lag noch ein kleines Kämmerlein, das gerade
so groß war, daß einiges Werkzeug und Gerümpel dort
untergcbracht werden konnte. Ferner war noch ein groß-
artiger Stall vorhanden. In diesem zwei Meter langen
und zwei Meter breiten Raum waren eine Kuh, ein paar
Schweine und ein Stoß Holz untergebracht. Das Heu
hing vom Dachraum herunter, da kein Boden gezimmert
war. Wie eng das Vieh stand, ist leicht zu denken.
Das sind in der That ungenügende Wohnungs-
verhältnisse. Es bleibt gerade auf dem Gebiete der
Wohnungen auch auf dem Lande noch viel zu bessern.
Aber vergessen wollen wir doch nicht, daß das Wohnungs-
elend der Arbeiter in den Städten vielfach bedeutend größer
ist. Dach- und Kellerwohnungen, die schlimmsten von allen,
kommen auf dem Lande gar nicht vor.
Was die Entlohnung der Arbeiter anbetrifft, so
bezog der genannte Kutscher außer der Wohnung laut
seinem Kontrakt:
300 Mark baar,
28 Scheffel Roggen,
5 Scheffel Gerste,
5 Scheffel Erbsen,
50 Scheffel Kartoffeln,
4 Meter Holz,-

I 4 Kasten Torf,
1 Morgen Gartenland,
30 Quadratruthen Lein- oder Rübenland,
freie Weide und Futter für eine Kuh.
Das Einkommen des Kutschers berechnete der Bericht-
erstatter darnach auf 700 Mk. Das ist sehr willkürlich.
Jedenfalls würde der Kutscher, wenn er 700 Mk. baar er-
hielte, und davon den Haushalt bestreiten sollte, nicht so
weit kommen, wie er unter seinen jetzigen Verhältnissen
kommt. Man bedenke, daß ihm seine Kuh Sommers und
Winters gefüttert wird, man bedenke, daß er einen Morgen
Gartenland zur Verfügung hat. Er kann jährlich ein
Schwein schlachten, dessen Fütterung ihm keine baaren Un-
kosten bereitet und kann einige Hühner halten. Das
Deputat an Getreide reicht für die Versorgung der Familie
mit Brod, Mehl u.s. w. hin, und Heizung ist ebenfalls
frei. Was das Alles für den Haushalt eines Arbeiters
bedeutet, liegt für den, der sehen will, klar auf der Hand.
Der Berichterstatter hat dann herausgefunden, daß
das Einkommen des Kutschers dadurch noch geschmälert
werde, daß er einen Knecht oder eine Magd, sogen. Dienst-
gänger, stellen muß, für den er per Arbeitstag nur 30
bis 40 Pfg. erhält. Dadurch mindert sich — so meint
der Berichterstatter — das Einkommen des Kutschers um
beinahe 300 Mk. Nichts ist aber falscher als dies. Das
Deputat des Kutschers reicht aus, um auch den Dienst-
gänger zu ernähren. An Lohn erhält aber der Dienst-
gänger vom Kutscher nicht soviel, wie dieser für den
Dienstgänger von dem Herrn bezieht, sodaß der Kutscher
also noch einen Gewinn macht. Sind Söhne oder Töch-
ter in einer Familie vorhanden, so werden diese als
Dienstgänger eingestellt, wodurch sich die Gesammteinnahme
der Familie noch besser stellt.
Sodann sei auch das Einnahmebudget des andern
ländlichen Arbeiters mitgetheilt. Derselbe bezog
120 Mark.
60 Centner Kartoffeln,
20 Centner Roggen,
3 Centner Gerste,
3 Centner Erbsen,
3 Meter Holz,
4 Kasten Torf,
1 Morgen Gartenland,
25 Ruthen Leinland,
freie Weide für eine Kuh.
Er durfte sich zwei Gänse halten, die mit denen
der anderen Arbeiter von einem Hütejungen des Gutes
gehütet wurden. Dafür mußte er zum Herbst je
die sechste der von den alten Gänsen ausgebrüteten Jungen
an die Herrschaft liefern. Wenn die Frau mitarbeitete, so
erhielt sie für den ganzen Tag 50, für den halben Tag
25 Pfg. Die Kinder bekamen 30 oder 15 Pfg., mußten
aber bei 30 Pfg. schon früh halb 6 Uhr zur Arbeit kom-
men und bis 8 Uhr Abends thätig sein. Wenn sie in die
Rüben gingen, wurde ihr Tagelohn auf 50 Pfg. erhöht.

Deutsches Reich.
— Ein englisches Blatt erfährt über Berlin aus Gotha,
in einer geheimen Sitzung des Landtages, die am Samstag
abgehalten wurde und drei Viertelstunden währte, habe der
Minister Strenge angekünigt, daß Herzo g Alfred wahr-
scheinlich während des laufenden Jahres abdanken
verde. Der Minister habe ferner gesagt, er könne seinen
stüheren Erklärungen über die Nachfolge nichts hinzufügen,
ehe er nicht aus England zurückgekehrt sei, wohin
er reisen wolle, um mit den interessirten Parteien persön-
lich zu verhandeln. Auf die Rede des Ministers sei eine
hitzige Debatte gefolgt. Der Korrespondent theilt ferner
mit, die Succession des Herzogs von Albany könne

nicht in Frage kommen, da die Gesundheit des jugend-
lichen Prinzen den Anforderungen der deutschen militärischen
Ausbildung nicht gewachsen wäre.
Helgoland, 19. Juni. Die Jacht „Hohenzollern"
mit dem Kaiser an Bord traf hier ein und ankert neben
dem „Mars", da dieser das Ziel der voraussichtlich mor-
gen Abend von Dover eintreffenden Jachten ist.
Deutscher Reichstag. Berlin, 18. Juni. Das Haus
beräth die dritte Lesung des Gesetzentwurfs betreffend die
Handelsbeziehungen zum britischen Reich.
Die Vorlage wird nochmals an die Commission verwiesen,
nachdem Staatssekretär Graf Posadowsky mitgetheilt hatte, daß
von England eben Gegenvorschläge angelündigt worden seien. Im
Laufe der Debatte sprach sich Staatssekretär v. Bnlow nach An-
regung durch das Haus über die Samoaangelegenheit aus.
Staatssekretär v. Bülow: Wie ich schon früher erklärte,
werden weder wir selbst den Reichsboden der Samoaacte ver-
lassen, noch uns durch andere davon verdrängen lassen. Wir
erkennen die Rechte anderer aus der Acte an, aber ebenso halten
wir die deutschen Rechte aufrecht. Aus dieser Auffassung folgt,
daß Aenderungcn und Entscheidungen auf Samoa zu ihrer eno-
giltigen Durchführung unserer Zustimmung bedürfen. Das Princip
der Einstimmigkeit war die Basis, die wir nach deni Geiste der
Acte wie auch nach den tha.sächlichen Verhältnissen bebaupten
mußten und behauptet haben. Auf Grund des Princips der Ein-
stimmigkeit ist die inzwischen in Samoa eingetroffene Commission
gebildet worden. Die Commission stellt bis auf weiteres die Re-
gierung von Samoa dar und hat die provisorische Regierungs-
gewalt über Samoa übernommen. Die Obercommission ist am
13. Mai in Apia eingetroffen und hat alsbald mit beiden Parteien
wegen der Auflösung der Streitkräfte verhandelt. Die Befürchtung,
daß die Ruhe nur durch die Wiederaufnahme der Feindseligkeiten
gegen die Mataafalente wieder herzustellen ist, hat sich als grund-
los erwiesen. Malietoa Tann und Mataafa machten beide der
Commission Besuche und übermittelten den Entschluß ihrer Parteien,
der Commission zu gehorchen und versprachen die Niederlegung
und Auslieferung aller Waffen. Mataafa machte am 3 k. Mai
den Anfang und lieferte über 1800 Gewehre ab- Die Commission
empfing beide Häuptlinge als gleichberechtigte Parteiführer. Es
ist nicht ausgeschlossen, daß dem Streite beider Theile durch Ab-
schaffung des Königthums ein Ende gemacht wird. Admiral
Kautz hat die Rückreise auf der „Philadelphia" nach San
Francisco angetreten. An Stelle der „Philadelphia" trifft dem-
nächst der Kreuzer „Newack" ein. Consul Maxe reist am 16.
Juni nach Europa zurück. Desgleichen erhielt Generalconsul Rose
bis auf weiteres Urlaub. Die Deutschen Hufnagel und Mar-
quart wurden, nachdem die Commission sich von ihrer völligen
Unschuld überzeugt hatte, ungesäumt in Freiheit gesetzt. Die
Bevölkerung von Samoa hat jetzt großes Vertrauen in die
Commission. Die Aufgabe der Commission ist zunächst die Her-
stellung der Friedens- und der Rechtsordnung, gemäß der
Samoaacte. Es würde dem Artikel 1 der Acte entsprechen,
wenn für die künftige Eingeborenenregierung die Wünsche der
Bevölkerung berücksichtigt würden, vielleicht durch Konstatiren einer
Mehrheit unter den maßgebenden Häuptlingen oder unter den
breiteren Schichten der Bevölkerung. Ich wiederhole aber aus-
drücklich, daß wir in die örtlichen Streitigkeiten und gegenüber
den verschiedenen Thronkandidaten nicht Partei ergreifen. Wir
billigen nicht die Parteinahme der Agenten anderer Mächte für
Tann; wir identifiziren uns aber auch nicht mit seinem Gegner
Mataafa. Eine andere Aufgabe auf Samoa ist es, dazu betzu-
tragen, daß unsere dortigen Staatsangehörigen für Verluste aus
der Zerstörung ihres Eigenthums oder wegen widerrechtlicher
Verhaftung gemäß den Grundsätzen des Völkerrechts entschädigt
werden. (Lebhaftes Bravo!) Diese Frage ist aber für ein
diplomatisches Eingreifen erst reif nach der wirklichen Wieder-
herstellung der Ordnung. Wir hoffen auf ein der wahren Billigkeit
entsprechendes Ergebniß der Thätigkeit der Kommission. Wir
werden nicht von unserem Rechte weichen (lebhaftes Bravo!), aber
auch nicht vergessen, daß verwickelte internationale Jntercssen-
streitigkeiten mit ruhiger tleberlegung und kaltem Blut behandelt
werden müssen.
Es folgt die erste Berathung des Gesetzentwurfs
zum Schutze des gewerblichen Arbeitsverhält-
nisses.
Reichskanzler Fürst Hohenlohe: Noch ehe der Gesetz-
entwurf dem Hause vorgelegt wurde, wurden lebhafte Angriffe
gegen ihn erhoben, Angriffe, die auch bereits im Reichstage
Ausdruck gefunden haben, und doch bringt das Gesetz nichts
Neues und Unerwartetes. Schon vor acht Jahren stellte der

Fürstin Natalie.
Novelle von L. N. Satali«. Aus dem Russischen von
1) Eduard Bansa.
(Nachdruck verboten.)
I.
Es war ein herrlicher Januartag gewesen, welcher die
Fürstin Natalie Brjänski verlockt hatte, nach Zarskoje Sselo
zu fahren, um dort eine ihrer Jugendfreundinnen zu besuchen.
Ihr Gatte, welcher sie zum Bahnhofe geleitet hatte, war mit
dem Bescheide nach Hause zurückgekehrt, daß seine Gemahlin
voraussichtlich bis zum nächsten Tage von Petersburg fort-
bleiben werde.
Fürst Brjänski war kaum zwei Monate verheirathet-
Seinem Aeußeren nach zu urtheilen, hätte niemand glauben
können, einen Mann von über vierzig Jahren vor sich zu
haben. Er war von mittlerer Größe, schlank, mit länglichem,
bleichen Gesicht und langem blonden Schnurrbart. Aus
seinen Augen leuchtete Verstand und Energie. Bei einem
der ältesten Garderegimenter eingetreten, hatte er später mit
Auszeichnung einen mehrjährigen Kursus auf der Militär-
akademie beendigt und ein vorzügliches Avancement gehabt.
Jetzt trug er bereits die Generals-Abzeichen mit dem Kaiser-
lichen Namenszuge. Die Liebenswürdigkeiten der Mütter
erwachsener Töchter, welche ihm mit größter Zuvorkommenheit
begegnet waren, batte er mit Spott beantwortet und es vor-
gezogen, seine Aufmerksamkeit verheiratheten Frauen zuzu-
wenden. In der Gesellschaft war er gerade nur so viel
erschienen, um die Verbindung mit denjenigen Kreisen aufrecht
zu erhalten, welchen er durch Geburt und Lebensstellung an-
gehörte. Man glaubte allgemein, daß ihm eine große Zukunft
bevorstände; eine Ansicht, welche seiner Eigenliebe schmeichelte,
und die er selbst theilte.
Ein ganz eigentbümlicher Zug seines Charakters war eine
scharf ausgeprägte Ordnungsliebe, welche er sowohl im Dienst,
als auch in seinen Privatangelegenheiten und im gesellschaft-

lichen Verkehr stets beobachtet hatte. Nach dem frühzeitigen
Verlust seiner Eltern und ohne nähere Angehörige hatte er
sich Lebensregeln aufgestellt, von denen er nie um eines
Haares Breite abgewicben war. Der Zähigkeit, mit welcher
er an den selbst geschaffenen Moximeü festhielt, muß man es
auch zuschreiben, daß sein Vermögen von Jahr zu Jahr wuchs,
und seine dienstliche Stellung immer mehr befestigt wurde.
Nur selten einmal hatte ihn jemand aufgeregt gesehen;
niemand aber hätte ihm übereiltes Handeln vorwerfen können;
im Gegentheil trug ihm seine berechnende und überlegte
Klugheit den Ruf eines gefühllosen Menschen ein, der er in
Wirklichkeit garnicht war. — Einmal hatte er einem Be-
kannten eine unbedeutende Summe geliehen und dafür Wechsel
verlangt. Der betreffende Herr ließ den Fälligkeitstermin ver-
streichen, worauf Brjänski seinen Sachwalter beauftragte, den
Wechsel einzuklagen. Die Folge war, daß ihm sein Geld
sofort zurückerstattet wurde. Einige Zeit darauf erfuhr er,
daß sein ehemaliger Schuldner diese Geschichte, aber entstellt,
in der Gesellschaft verbreitet habe, wodurch man allgemein
gegen ihn eingenommen wäre. Zunächst verlor der Fürst
kein Wort über diese ganze Angelegenheit. Als er aber seinen
Freund bald darauf im Klub traf, bat er ihn, vor Zeugen
das zu wiederholen, was er aller Welt erzählt batte. Dieser
wurde verlegen und suchte sich zu entschuldigen. Nunmehr
erklärte Brjänski, er habe die Bezahlung der Schuld nur
deshalb verlangt, um in den Augen seines Sachwalters nicht
unordentlich zu erscheinen. Daß- er aber seinem Freunde zu
derselben Zeit eine gleiche Summe eingehändigt habe, scheine
dieser in der Zerstreutheit vergessen zu haben.
Der Fürst Msftßlaff Nftolajewitsch Brjänski war immer
der Ansicht gewesen, daß eine Heirath seiner Karriere hinder-
lich sein müsse. Wie schon gesagt, hatte er den jungen Damen
nicht die geringste Aufmerksamkeit geschenkt; dagegen waren
seine Bemühungen bei verheiratheten Frauen zweifelsohne
von Erfolg gekrönt gewesen, und das Gerücht schrieb ihm
mehr als einen Sieg zu. Als er jedoch die hohe Dienststellung,
welche er jetzt begleitete, erreicht hatte, faßte er den Entschluß,
sich nach einem Weibe umzusehen; ja er glaubte sogar, sich

beeilen zu müssen, da er fürchtete, zum Ehemann sonst zu alt
zu werden. Seiner Gewohnheit gemäß wurde diese Frage
reiflich hin und her erwogen.
„Ein Mädchen aus einem Adelsgeschlechte mit Verbin-
dungen in den höchsten Gesellschaftskreisen," sagte er sich, —
„bewahrt mir in den Augen der Welt den Ruf großer Soli-
dität, füllt die Leere in meinem Leben aus, die ich doch bis-
weilen empfunden habe, und bewahrt mich vor vielen kleinen
Sorgen. — Das wäre die Lichtseite dieser Angelegenheit! —
Es ist aber dann noch eine ganze Reihe anderer Fragen zu
beantworten. — Kann ich überhaupt eine Frau glücklich
machen? — Bin ich im Stande, wahrhaft zu lieben, oder
habe ich bereits in Tändeleien meinen ganzen Vorrath an
Gefühlen verschwendet? — Ist schließlich mein Herz nicht
schon ganz und gar verhärtet?"
Briänski überlegte hin und her, und schon sah er sich in
seiner Einbildung neben einem schönen, jungen Weibe sitzend,
— es war sein Weib, seine Lebensgefährtin bis zum Grabe,
auf ihren Knieen schaukelte sie ein Kind, welches er liebkoste,
— sein Kind, der Erbe seines Namens und seines Vermögens.
Es war ihm schon, als müsse er diese Frau lieben und für
dieses Kind Zärtlichkeit empfinden.
Er begann, Brautschau zu halten, und seine Wahl fiel
auf die Gräfin Nagaiski, ein zweiundzwanzigjähriaes, junges
Mädchen, welches als Waise in dem hocharistokratischen Hause
ihres Oheims lebte, und allen Anforderungen, welche der
Fürst an seine zukünftige Gattin stellte, entsprach. Ohne den
Verliebten zu spielen, begann er ihr den Hof zu machen. Im
Sommer kam er besuchsweise auf die Besitzung ihrer Ver-
wandten, machte ihr einen Antrag, welcher angenommen
wurde, und — gegenwärtig sehen wir ihn bereits verheirathet.
Gleich nach der Hochzeit wollte er eine für alle Tage
gültige Zeiteintheilung festsetz.n; aber das erwies sich als
nicht >o leicht- Die Hauptschwierigkeit lag darin, daß er seine
Gewohnheiten und die Ansorderungen des Dienstes in Ueber-
einstimmung mit dem Amüsement seiner Gattin bringen
sollte.
(Fortsetzung folgt).
 
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