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Heidelberger Zeitung (43) — 1901 (Juli bis Dezember)

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Nr. 177 - 203 (1. August 1901 - 31. August 1901)
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rm „Löwen" eine Versammlung ab, an der ca. 30 Per-
sonen teilnahmen. Bürgermeister Jmhoff eröffnete
dis Versammlung, woraus der Landtagskandidat, Prof.
Q uenzer aus Heidelberg in IZ^stündiger, mü vielem
Beifall aufgenommener Rede sein Programm entwickelte.
Nachdem Pfarrverwalter Bujard die Kandidatur
Quenzer warm empfohlen und eine rege Wahlbeteiligung
den Wählern als eine patriotische Pflicht ans Herz ge-
legt hatte, schloß die anregende Versammlung.
-^-Schönau, 12. Aug. Gestern Abend wurde
in dem Saale der Wirtschaft „zur Krone" in dem nahm
Altneudorf eine sehr stattliche nationallibe-
rale Versammlung abgehalten. Gegen 100 Personen
hatten sich eingefunden, darunter eine Reihe von Herren
aus Schönau. Nach der Ankunft des Landtagskandidaten,
Prof. Quenzer, wurde die Versammlung sofort
von Bürgermeister Herbig eröffnet, worauf der Kandidat
das Wort ergriff, um seine Ansicht über die verschiedensten
politischen Fragen der Gegenwart darzulegen. Seine
Ausführungen fanden allseitigs Zustimmung. Fabrik-
Lirektor Hempfing aus Schönau sprach darauf unter
lebhaftem Beifall noch über die gewünschte Steinbach,
thalbahn, über die auch Herr Quenzer schon geredet hatte.
Ein auf den Kandidaten ausgsbrachtes Hoch beant-
wortete dieser mit einem solchen auf Kaiser und Groß-
herzog. Der gestrige Abend beweist, wie dankbar gerade
in kleineren Orten politische Vorträge ausgenommen wer-
den.
* Heidelberg, 13. Aug. Wie aus der Verordnung
weHen Auflegung der Wählerlisten hervorgeht, finden die
Landtagswahlen diesmal erheblich früher als sonst
statt. Ja, es verlautet, daß der Termin schon festgesetzt
sei und zwar auf einen früheren Zeitpunkt als man wohl
allgemein vermute. Da heißt es also für die Parteien,
und namentlich auch für unsere nationalliberale Partei,
energisch ans Werk gehen, um bis zvm Wahltage die Be-
zirke durchgearbeitet und die Wahlmänncr aufgestellt zu
haben. Derjenige Wahlbezirk, in dem der nationalliberale
Kandidat sich am rührigsten zeigt, ist der Bezirk Heidelberg-
Land, und zwar trägt der Kandidat, Professor Quenzer,
die Last der Wahlagitation ganz allein. Seine Versamm-
lungen sind immer gut besucht; man hört ihn gerne. Je
mehc er im Wahlbezirk bekannt wird, desto mehr gewinnt
seine Wahl an Aussicht. Manche ehemalige Mampelwähler
haben es schon offen erklärt, daß sie diesmal nicht wieder
für Mampel stimmen werden, sondern daß sie ihre Stimme
zu Gunsten von Quenzer abgeben wollen. So darf man
sagen, daß die Chancen für unfern Kandidaten in Heidel-
berg-Land wirklich gut stehen. Vor vier Jahren hatte
Mampel 82, Schuh 61 Wahlmänner. Wenn es also ge-
lingt, nur ein Dutzend nat.-lib. Wahlmänner mehr wie vor vier
Jahren durchzubringen, dann ist der Sieg des national-
liberalen Kandidaten sicher. Das sollte aber, nach Allem
was man hört, gelingen.

Aus der Karlsruher Zeitung.
-— Seine Königliche Hoheit der Grotzherzog haben
den Direktor der Rheinischen Kreditbank, Kommerzienrat Wil-
helm Ze.iler in Mannheim, zum Handelsrichter-Stellvertre-
ter der ersten Kammer für Handelsachen am Landgericht Mann-
heim für die Zeit bis zum Ende des Jahres 1902 ernannt.
Karlsruhe, 12. Aug. Der Großherzog
und die Großherzogin reisten gestern Sonntag
Früh 9 Uhr von hier ab und trafen mittags 1 Uhr in
Homburg ein, wo dieselben von ^m. Kronprinzen em-
pfangen und in's Schloß geleitet wurden. Der Kaiser
und die Kaiserin empfingen Ihre Königlichen Hoheiten
in tiefer Wehmut und hierauf trafen dieselben alsbald
mit den vielen Herrschaften des englischen Königshauses
zusammen. Nach einem gemeinsamen Frühstück fuhren
die Allerhöchsten Herrschaften zu Wagen nach Cronberg,
wo die große Trauerfeier von 4 Uhr an in der Kirche
der Stadt einen erhebenden und ergreifenden Verlauf
nahm. Nach beendigter Feier begaben sich der Kaiser
und die Kaiserin nach Schloß Friedrichshof, Der Groß-
herzog und die Großherzogin folgten mit allen übrigen
Herrschaften dahin nach, verabschiedeten sich dort mit
vielen der anwesenden Fürstlichkeiten und fuhren mit
Sonderzug nach Frankfurt. Nach zweistündigem Auf-
enthalt daselbst reisten Ihre Königlichen Hoheiten nach
Karlsruhe zurück. Am Montag den 12. begaben sich die
Höchsten Herrschaften mit einem Frühzug nach Müll-
heim und trafen dort um 8 Uhr vormittags ein. Die
Erbgroßherzogin empfing Ihre Königlichen Hoheiten
daselbst und geleitete dieselben nach Badenweiler, wo der
Erbgroßherzog im Schloß seinen Eltern mit wesentlich
besserem Aussehen und Befinden entgegenkam als beim

erloschenen Augen entziehen. Die Stimme des Dichters
klingt laut und klar, er formt die Sätze und einzelne
Teile seiner Rede wie ein streng geschulter Stilist, scharf
pointiert und sorgfältig getrennt. Man merkt ihm die
strenge Selbstdisziplin an. Mit großer Willenskraft
und Selbstbeobachtung hat er sich bemüht, den Sprach-
sinn durch aufmerksames Ueben täglich neu zu gewinnen.
Lorm ist ein ausgezeichneter Kauseur und in den Vor-
kommnissen der Politik und Litteratur vollkommen be-
wandert. Er faßt jede Mitteilung mit lebhaftem In-
teresse auf, bestätigt sie durch Lächeln, Murmeln und zu-
stimmendes Nicken und antwortet sofort. Das Ge-
spräch mit ihm wird auf eigentümliche Weise geführt.
So lange er sehen konnte, erfolgte die Verständigung
durch eine Zeichensprache. Als ihn die Sehkraft ver-
ließ, erfand der Schwergetroffene in genialer Weise eine
neue Ausdrucksweise. Jeder Buchstabe des Alphabets
hat einen bestimmten Platz auf seiner flachen Hand und
bei einiger Ilebung ist die Verständigung leicht herzu-
stellen. Die fünf Vokale lieger auf den ersten Gliedern
der fünf Finger, der Buchstabe I wird flach über die
Hand gestrichen, s durch einen Kreis, ch durch ein Kreuz,
r durch trillernde Bewegung «her Finger ausgedrückt
u. s. w. Durch die Sprache der Hand erfährt Lorm den
Inhalt der Zeitungen, der modernen und philosophischen
Lektüre und durch sie ist er in den Stand gesetzt, an Ge-
sprächen mit einzelnen Personen und größeren Gesell-
schaften tsilzunehmen. Seine Tochter widmet sich ihm
vollkommen und ist sein liebevollster, geschultester Dol-
metsch. Der greise Dichter ist eine gesellige, unterhal-

letzten Besuch. Ihre Königlichen Hoheiten konnten so-
fort nach dem Frühstück einen größeren Gang mit dem
Erbgroßherzog unternehmen.

Aus Stadt und Land.
Heidelberg, 13. August.
p Todesfall. Ein beliebter Mitbürger, Herr Heinrich Grie-
bel (Förster u. Griebel) ist in der Nacht von Sonntag auf
Montag in Schweinfurth verschieden. Nachdem Herrn Griebel,
wie wir kürzlich berichteten, ein Schlaganfall betroffen, den er
aber gut überstand, begab er sich zur vollständigen Wiederher-
stellung seiner Gesundheit in seine Heimat, wo eine Schwester
von ihm lebt. Sein Befinden war anscheinend ein gutes; schrieb
er doch in den letzten Tagen verschiedenen seiner hiesigen Be-
kannten von seiner baldigen Rückkehr. Leider sollte ihm diese
nicht mehr vergönnt sein. Sonntag Nacht führte eine Lungen-
lähmung seinen raschen Tod herbei. Die zahlreichen Bekannten
des im Alter von 52 Jahren Verblichenen weiden dem biederen
Manne ein ehrendes Andenken bewahren.
* Zurückkehrende Chinakämpfer. Gestern Mittag reisten
etwa 120 Mann des 2. Ostasiatischen Infanterie-Regiments hier
durch. Ein Teil davon stieg in Karlsruhe aus und wurde von
den Angehörigen am Bahnhof dort lebhaft begrüßt, während die
andern nach ihren Garnisonen Rastatt, Freiburg, Konstanz und
Mühlhausen i. E. weiterfuhren. Das auf der Rückreise aus
China begriffene 1. Bataillon des 4. Ostasiatischen Infanterie-
Regiments, dem die Mehrzahl unserer Landsleute, sowie Hessen
und Mannschaften des 15. und 16. Armeekorps angehören, wird
in 8 bis 10 Tagen Bremerhaven erreichen. Unmittelbar darauf
findet auf dem Truppenübungsplatz Münster oder Döberitz die
Entlassung der Mannschaften statt. Der Regimentskommandeur,
Oberst Hoffmeister, ist bereits in Baden-Baden bei seiner Familie
eingetroffen.
Zum nächstjährigen Berbanbsschießen in Neustadt. Zu
dem nächstjährigen Verbandsschietzen, welches in Neustadt a. H.
abgehalten wird, hat die dortige Schützengesellschaft zur Er-
weiterung ihres geräumigen und prächtig gelegenen Schützen-
heims die große „Fe st Halle" von dem diesjährigen Ver-
bandsschießen hier von der Aktiengesellschaft Textilwerke
Thoma u. Cie in Mülhausen gepachtet. Die Halle wird
vollständig montiert an das Schützenhaus angeschlossen bezw.
aufgestellt.
X Militärischer Besuch. Der Stab und die S. Eskadron des
Leibdragonerregiments Nr. 20 aus Karlsruhe sind
heute hier eingetroffen. Sie bleiben bis morgen hier.
lü Schiiffengerichtssttzung vom 12. August. Vorsitzender: Hr.
Landgerichtssekretär Dr. Darmstädter. 1) Wilhelm Sickmüller von
Kirchheim wurde von der Anklage wegen Körperverletzung frei-
gesprochen ; 2) gegen Georg Ernst Roth aus LudwigShafeu wird
wegen Unterschlagung ein Haftbefehl erlassen; 3) Franz Joseph
Wittmann aus Eppelheim erhielt wegen Widerstands und Beleidi-
gung eine Geldstrafe von 60 Mk. bezw. 12 Tage Gefängnis;
4) Jakob Kühner aus Neckargemünd wegen Widerstand und
Uebertretung des Z 360 R.St.G.B. eine Geldstrafe von 15 Mk.;
5) Wilhelm Wagner und Albert Boie aus Heidelberg und Gott-
lob Baldercr v. Spillberg erhielten wegen Körperoerletzung Erst-
genannter 10 Tage, der Zweite 6 Tage Gefängnis, gegen Balderer
wird Haftbefehl erlassen; 6) Johann Knapp aus Unterschön-
mattenwag und Johann Beisenleiter aus Waldmichelbach erhielten
wegen Körperverletzung und Hausfriedensbruch Elfterer 3Wochen,
Letzterer 10 Tage Gefängnis; 7) Otto Tessendors aus Richten-
berg erhielt wegen Beleidigung und Uebertretung der Bahnord-
nung 9 Wochen 4 Tage Gefängnis und 1 Tag Haft; 8> Georg
Schuhmacher aus Walldorf wurde von der Anklage wegen Ver-
gehen gegen Z183 St.G.B. freigesprochen.
— Polizeibericht. Verhaftet wurde ein Kutscher, der einem
Schlafkameraden 20 Mk. entwendete, ein Kellner und ein Dienst-
knecht wegen Unterschlagung, ein Taglöhncr wegen Bettelns, und
ein Konditor, der von einer auswärtigen Behörde wegen Körper-
verletzung verfolgt wurde. Wegen Unfugs kamen 8 Personen zur
Anzeige.
L. Kirchheim, 11. Aug. (Baugenossenschaft.)
Die von der hiesigen Baugenossenschaft im Saale zur „Rose"
veranstaltete Festfeier nahm einen sehr schönen Verlauf. Der
Vorstand Herr Grieser begrüßte die Versammlung und
sprach den anwesenden Herren ans Heidelberg, die in uneigen-
nütziger Weise die Genossenschaft unterstützen den herzlichsten
Dank aus, sodann legte er die Zwecke und Ziele der Genossen-
schaft dar und widerlegte verschiedene Vorurteile, die gegen
dieselbe herrschen. Medizinalrat Dr. Kür z-Heidelberg sprach
in einem länngeren, von köstlichem Humor gewürzten Vor-
trage über die älteste Baugenossenschaft, die Pfahlbauern,
die vor 10 000 Jahren unsere Gegend bevölkerten. Professor
Rathgen-Heidelberg sprach über die Entwickelung der Genossen-
schaften und über den hohen Wert, die dieselben für das soziale
Leben haben und fand damit reichen Beifall. Garteninspektor
Massias-Heidelberg hielt einen Vortrag über die Anlage und
Pflege der Hansgärten. Die Zwischenpausen füllten Vorträge
des Männergesangvereins und humoristische Kouplets des Hrn.
Liebig aus, so daß bald die gemütlichste Stimmung herrschte
und für die Teilnehmer nur zu bald die Scheidestunde heran-
rückte. Zum Schluß überreichte Herr Grieser Herrn Dr.
Kürz einen hübschen Rosenstrauß als äußeren Dank für seine
vielen Verdienste, die er sich um das Zustandekommen der
Baugenossenschaft erworben hat, wofür derselbe herzlich dankte.
(?) Neckarbischofsheim, 12. Aug. (Reparaturbe-
dürftig.) Beim Ausbessern des Kirchturms der hiesigen
Stadtkirche entdeckte der Schieferdecker die Schadhaftigkeit des
Holzwerks, sodaß eine größere Reparatur nötig fällt, deren Ko-
sten auf ungefähr 6000 Mark veranschlagt sind.

tungsfrohe Natur; mit rührender Dankbarkeit preist er
jede neue Anregung, jede erweiterte Vorstellung als be-
sonderen Glückszufall. Er selbst beeinflußt die Stim-
mung seiner Gäste in der heitersten Weise und im Ver-
kehr mit ihm vergißt man, daß er selbst in tiefster Nacht
lebt. Er klagt niemals über seinen Zustand. Nur eini-
mal äußerte er sich zu einem Freunde: „Niemand kann
sich vorstellen, was für Tragödien in der Brust eines
Menschen Vorgehen, der ein Schicksal gehabt, wie ich.
Uber lange schon habe ich mich an den Gedanken ge-
wöhnt, über dem Schicksal zu stehen."

— Aus Marienbad. „Ich bitt' Sie, Herr Metzgermeister,
wiegen Sie mir einmal 12 Pfund Fett ab.-So und nun
dank' ich Ihnen recht schön. Ich wollt' Se nämlich nur mal
sehen, wie die 12 Pfund Fett sich ausnehmen, die ich hier ab-
genommen Hab'."
— Eitel. Handwerksbursche: „I bitt' schön um a kleine
Unterstützung, i möcht' mir a Paar Schuhe kaufen." — Herr:
„Aber Ihre Schuhe sind ja noch ganz gut!" — Handwerksbursche:
„Ja, aber i möcht' mir a Paar gelbe kaufen!"
— Auf Umwegen. Herr: „O Fräulein Olga, wie glücklich
wäre ich, wenn ich Ihre Schwester ..." — Dame (pikiert):
„Nun, waS soll's mit meiner Schwester?" — Herr: „Wenn ich
Ihre Fräulein Schwester meine Schwägerin nennen dürste!"

Des Daseins Rätsel scheint uns oft
So nah' der Lösung! Aber immer
Seh'n wir von Dingen nur den Schimmer.
Die wir gefürchtet und gehofft.
Herrmann Lingg.

)!( Neckarbischofsheim, 12. Aug. (Eisenb ahnp ro-
je kt.) Gestern fand im Rathause hier eine Besprechung
der Gemeinderäte der an der zu erbauenden Nebenbahn Ne-
ckarbischofsheim—Hüffenhardt liegenden Orte statt, deren
Hauptzweck die Beratung über Art und Weise des Geländean-
kaufs war. Es ist zweifellos, daß in diesem Punkte manche
Schwierigkeit sich aufthun wird, zumal die Vertreter einer
Gemeinde geradezu von enormen Güterpreisen berichteten. Es
ist immer iroch nicht abzusehen, wann die eigentlichen Bau-
arbeiten begonnen werden.
LL. Mannheim, 12. Aug. (Der Bäcker streik)
ist beendigt. Eine Gehilfenversammlung beschloß, in anbetrackst
dessen, daß eine Anzahl der bedeutendsten Bäckereien die For-
derungen der Gehilfen bewilligt hat, während die Mehrzahl der
Meister durch bedeutende Lohnerhöhungen sich mit ihren Ge-"
Hilfen geeinigt haben, den Streik einzustellen.
(?) Mannheim, 12. Aug. (Refactienwesen bei
den Pfälzischen Bahnen.) Bei dem dieser Tage vor
der Strafkammer des hiesigen Landgerichts verhandelter: Pro-
zeß gegen den Spediteur Robert Schab (wegen Vergehens ge-
gen die Konkursordnung) ist eine Angelegenheit zur Sprach?
gekommen, die öffentliche Verkehrsverhältnisse berührt und be-
rechtigtes Aufsehen erregt hat. Aus den Angaben des Ange-
klagten, der große Getreidetransporte von holländischen und
belgischen Häfen nach der Schweiz vermittelte, ging nämlich
hervor, daß ihm von der Direktion der pfälzischen Eisenbahnen
seit Jahren — und zwar wie nachgewiesen wurde mindestens
seit Anfang der 80er Jahre — Rückvergütungen für die Zu-
weisung von Frachten irr Beträgen bis zu 20 000 Mark viertel-
jährlich gewährt worden sind. Es ist hierzu noch festgestellt
worden, daß Schab sich der Direktion gegenüber verpflichten
mußte, die Rückvergütungsbeträge nicht durch seine Bücher lau-
fen zu lassen, damit hiervon keine Kenntnis in die Oeffentlich-
keit dringe. Herr Oberregierungsrat Becker hat diese Angaben
in seinen Zeugenaussagen bestätigen müssen. Es ist somit
in dem Prozeß Schab ein Vorgehen der pfälzischen Bahnen ge-
richtlich festgestellt worden, das in striktem Widerspruch steht
zu den Bestimmungen der Verkehrsordnung und des interna-
tionalen Uebereinkommens über den Eisenbahnfrachtverkehr/
durch welche die Gewährung von Frachtvergünstigungen unter
allen Umständen verboten wird. In einem solchen Uw
statthaften Verhalten liegt zudem nicht nur eine Benachteiv
gung der Nachbarbahnen, sondern auch die übrigen Privatge-
schäfte, die naturgemäß mit einer Firma, welche sich solcher
Bevorzugung erfreut, nicht konkurrieren können, werden in un-
billiger Weise geschädigt. Man wird es den berufenen Stellen
überlassen dürfen, für die Abstellung solcher Mihstände Sorg?
zu tragen. Im allgemeinen Interesse ist jedenfalls dringend
zu wünschen, daß Maßregeln getroffen werden, welche die
Wiederholung derartiger Vorkommnisse unmöglich macherr.
Mannheim, 12. Aug. (In der Mordaffäre Schwab)
steht die Untersuchungsbehörde vor einem Rätsel. Für die Schuld-
losigkeit der beiden Italiener sprechen verschiedene Umstände. Eine
Version geht dahin, daß Schwab, der gern trank, sich im Deliriuw
selbst entleibt habe. Die Kriminalbehörde wartet in dieser Rich-
tung das Gutachten des Prof. Dr. Knaufs-Heidelberg ab. Er soll
sich darüber aussprechen, ob es möglich sei, daß Schwab sich w
der Küche den Hals durchschnitt und sich dann noch ins Schlaf-
zimmer schleppte oder daß sich Schwab in der Küche nur ver-
wundete und die That erst in dem Schlafzimmer zu Ende brachte-
Heute früh wurde die Frau Schwads in Untersuchungs-
haft genommen. ^ .
):( Unteröwisheim, 12. Aug. (Ernte.) Abgesehen
von nur iroch etwas Hafer ist nun die Frucht hier glücklich
eingeheimst. Das Ergebnis der Ernte hat die Erwar-
tungen weit übertroffen. Besonders gut sind Gerste und Ha-
fer geraten, für die der einweichende Regen noch zur rechte"
Zeit gekommen war. Der Tabak hat sich gleich vom Setzen a"
gut entwickelt, weil er hier nicht länger als 8 Tage ohne Rege»
blieb. Die gegenwärtig feuchtwarme Witterung verhilft ihch
zu solch' feinem Blatte, wie er es noch selten gehabt hat.
meisten Hopfenanlagen lasser: zu wünschen übrig, weil sie vom
Ruß befallen sind. In den Weinbergen sieht es gut aus; w-
Stöcke sind mast urrd üppig, die Blätter und Trauben gesund»
davon herrührend, weil unsere Winzer so fleißig gespritzt
geschwefelt haben wie noch nie. Mögen die schönen Herbstaf"''
sichten durch kein Unwetter vereitelt werden! Die meiste«
Aepfel- und Birnbäume, welche im vorigen Jahre getrage"'
haben Heuer wenig oder gar keine Früchte; dagegen biegen
sich die Zwetschgen-, Pfirsich- und Nuhbäume unter der La
der Früchte. Die Kartoffeln Werder: allem Anscheine nach g"
und auch reichlich ausgeben. Der Stand der Futtergewüan
ist auch günstig und ermöglicht dem Landwirt, seinen Viehsta".
eher zu vergrößern als zu reduzieren. Nun, bis Martini wem
man gewiß, zu welchen Jahren der diesjährige zu rechneu ist-
Karlsruhe, 12. Aug. (Professor G. de Lapougf-
der berühmte französische Anthropologe, ist heute Vormittag ft
Begleitung seines 15jährigen Sohnes hier angekommen. BW
nach seinem Einzug in das Quartier wurde ihm ein Schreibst
des Vorsitzenden des Naturwissenschaftlichen Vereins, Gei
Rat Dr. Engler überreicht, worin er herzlich willkommen g
heißen und ihm das Bedauern ausgedrückt wird, daß der Vere.
augenblicklich Ferien hat und es demselben nicht vergo"
ist, den wertgeschätzten französischen Gelehrte,: in seiner M" .
zu sehen. Von einigen Verehrern in Karlsruhe, Heidelve,
und Freiburg kam ein metergroßer Lorbeerkranz mit er"-,
mächtigen Schleife in der: französischen und deutschen Farvft
„dem bahnbrechenden Gelehrten". Der Gefeierte, der sehrg-^
deutsch versteht und die ganze deutsche Fachliteratur beherri^
war über die freundliche Aufnahme, die ihm in Deutsch«" -
bereitet wurde, sichtlich gerührt urrd dankte in bewegten Am
ten. Professor de Lapouge wird einige Wochen hier verwei ^
und von Karlsruhe aus verschiedene Ausflüge nach H e r " ^
berg, Baden und dem Schwarzwald u. s. w. uw
nehmen. ^
LE. Karlsruhe, 12. Aug. (Wegen unlaute«-
Wettbewerbs) hatten sich vor dem hiesigen Schöffen»?«? -
die Kaufleute Sigmund und Emanuel Hofman n und H? ^
Herz aus Frankfurt, sowie deren Geschäftsführer Liwfts
Lauf er-aus Breslari zu verantworten. Im Jahre «-fft-
eröffnete Sigmund Hofmann hier Ecke der Kaiser- ft^
Waldstraßc ein Konfektionsgeschäft, das er drei Jahre ipft,;,'
an die Firma Herz und Hofmann in Frankfurt abtrat,
das Geschäft unter der alten Firma weiter führte,
23. September 1900 eröffneten die neuen GeschäftsttE^
einen „Totalausverkauf", der heute noch fortdauert.
bald entstanden in der hiesigen Geschäftswelt Gerüchte, ^
im Hofmann'schen Geschäfte fortwährend neue Waren Z«
kauft werden. Auf eine bezügliche Anfrage der Handelst"«"
antwortete die Firma, daß die Neuanschaffungen mcht uve«- ^
erlaubte Maß hinausgehen. Kurz vor Weihnachten «"" „t,
die Firma S. Hofmann in den hiesigen Blättern be«"ft>,i
„das; im Ausverkauf Herrcnanzüge in den feinsten und
Qualitäten zu direkten Schleuderpreisen urrd bedeutend «'ftw
dem Selbstkostenpreis abgegeben werden." Einige Koruü«-zft
ten kauften nun unter der Hand im Hofmann'schen
eine Hose um 11 Mark und eine Joppe um 9.50 Mark «ws.jE
ßen sich ausdrücklich bestätigen, daß die beiden Kleidung-ft^





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unter dem Selbstkostenpreis" abgegeben trmrden. In der^-t.

stellte sich der Selbstkostenpreis für die Hose auf 6—«
für die Joppe auf weniger als 8 Mark. Aufgrund dieser --ist-
sachen stellte die hiesige Handelskammer bei Gr. Staats««"
schaft Strafantrag mit dem Erfolg, daß Emanuel Hoftnaw-^g«-
Heinrich Herz zu je 350 Mark Geldstrafe event. 3"
Gefängnis und Ludwig Läufer zu 35 Mark Geldstrafe
7 Tage Gefängnis verurteilt wurden. Sigmund Hw


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