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Heidelberger Zeitung (43) — 1901 (Juli bis Dezember)

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Nr. 282 - 305 (2. Dezember 1901 - 31. Dezember 1901)
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Montag, 16. Dezember 1W1.

Hweites BLstt.

43. Jahrgang. — 8r. 294.

Erscheint täglich, Sonntags ausgenommen- — Preis mit Familievblättern monatlich 60 Pfg. in's Hans gebracht, bei der Expedition nnd den Zweigstellen abgeholt 40 Pfg. Durch die Post be-
zogen vierteljährlich 1.35 Mk. ausschließlich Zustellgebühr.
««zeigenpreis: 20 Pfg. die Ispaltige Petitzeile oder deren Raum. Reklamezeile 40 Pfg. Für hiesige Geschäfts- und Privatanzcigen ermäßigt. — Für die Aufnahme von Anzeigen an bestimmt
vorgeschriebcnen Tagen wird keine Verantwortlichkeit übernommen. — Anschlag der Inserate auf den Plakattafeln der Heidelberger Zeitung und den Plakatsäulen. — Fernsprech-Anschlnß Nr. 82.

Stadlrütkiche Vorlagen an den Mrger-
ansschrch.
Vorlage I betrifft die Errichtung einer Taub st u m-
s so e „ a n st'a l t hiersclbst. Der Großh. Oberschnlrat hat die
s Absicht hier eine Taubstummenanstalt zu errichten. Als
»Terrain hat er ein Gelände zwischen der Kepplerstraße nnd
s dem Nenenheimer Friedhofweg ansgcwühlt, welches die Stadl
i ^or mehreren Jahren schon bon Oekonom Joh. Georg Schrö-
der käuflich erworben hat. Als Zuschnßlerstung der Stadt-
öemeinde für den Fall der Hierherverleg,ing der geplanten An-
stalt tmirde vor allem eine billige Bemessung des Kaufpreises
tj>»d sodann die Nebernahme gewisser Verpflichtungen hin-
-stchtlich der Straßenherstellung berlangt, tvelche im Interesse
, der VerkehrSverniittelnng nrit der neuen Anstalt nötig schienen.
I mn Hinblick ans das große Entgegenkommen, welches nndere
- Trädte in ähnlichen Fällen gezeigt und vor allem mit Rück-
. stcht daraus, daß speziell für den bezeichnelen Zweck arBerivärts
i "cnrplätze zu äußerst billigen Preisen nngeboten worden wa-
; K„, glaubte der Großh. Oberschnlrat für die in Aussicht ge-
dommene Fläche von 109 Ar 42 Qm. anfänglich nicht mehr als
- oO goo Mark bezahlen zu sollen. Cr erklärte sich jedoch auf
xdnsere Gegenvorstellung hin nachträglich bereit, diesen Betrag
46 000 Mark zu erhöl)en. Auch dieser Preis bleibt hinter
s deni wahren Werte der fraglichen Liegenschaft noch sehr erhcb-
s üch zurück, so daß eine Annahme desselben seitens der Stadt-
t Imreinde in der That ein weitgehendes Entgegenkonnnen ent-
i halten würde, zumal wenn man die noch weiter miwerlang-
" HerstellungSarbetten in Betracht zieht. Wenn der Stadt--
-tat trotzdem die Zubilligung dieses Kaufpreises und die An-
n. W "ahme der übrigen Bedingungen empfiehlt, so geschieht dies
Mem auch „üt Rücksicht ans unsere hiesigen medizinischen
Anstalten, die sich in hervorragender Weise entwickelt haben
md deren weitere Entfaltring für unsere ganze Stadt von
bloßer Bedeutung ist. Der Stadtrat beantragt der Bürgerans-
^ Miß wolle ihn zum Abschluß ei,res Kaufvertrages mit den,
Frosch. Landesfiskus (Ilnterrichtsverwaltnng) nach Maßgabe
li von Großh. Oberschnlrat vorgelegten Entwurfes ermächti-
gen.'
i Mit Vorlage II beantragt der Stadtrat, der Bürger-
Msschutz wolle beschließen, daß das im Eigentum der Philipp
Zakob Held Eheleute stehende Grundstück Lagerbüch-
se. 5756 a im Flächengehnlt von 18 Ar 40 Om. käuflich er-
worben nnd daß der Ankaufspreis in der Höhe von 29 440
mark ans vorhandenen Grnndstocksmitteln (Liegenschastscr-
'Aen) bestritten iverde.
. Vorlage III betrifft die N e u p s l a st e r u n g der
Hauptstraße vom Kornmarkt ostwärts. Die Pflasterung
>lr Fahrbahn soll auch mit Starnpfc^phalt ansgeführt werden,
chvon müßte jedoch, ähnlich wie dies auch auf einem Teile der
westlichen Strecke zu geschehen hatte, in dem Straßenstücke
Wünschen der Ostgrenzc des Karlsplatzes und der Einmündung
> Ts' Üeyergasse eine Ausnahme gemacht Iverden, da hier die
> ^eigungsverhältnisse der Straße die Verwendung von As-
Kalt nicht zulassen. Welches Material hier an die Stelle des
i. zu treten hätte, möchte der Stadtrat heute noch nicht
" Ä^mt entscheiden, ob Granitpflaster oder Pflaster ans sog.
ckNackensteinen. Die Kosten der Fahrbahnbefestignng werden
> aller Wahrscheinlichkeit nach ans 60—62 000 Mark be-
Dstfe». Für Herstellung der Gehwege samt Zubehörden, Ver-
ben vv„ Schlanimsarnmlern und dergleichen dürften erfvrdcr-
wch sein etwa 20 000 Miark, wovon ein Teil in Gemäßheit des
jhAsstatntS vom 2. Juli 1892 seitens der Angrenzer wieder
w erstatten ist. Für die unumgänglichen Arbeiten an den
tzjder Straße, liegenden Gas- und Wasserleitungen wären etwa
AOO Mark vorzusehen, so daß ein Gesamtbetrag von 85 000
ki>?E bewilligen wäre. Im Interesse einer baldigen und
s "heitlichen Durchführung des Umbaues unserer Hauptstraße
Mw dieser Aufwand übernommen werden. Der Stadtrat be-
Mragt daher: Berehrlicher Bürgeransschuß wolle 1. genehmi-
M.,daß die Hauptstraße vom Kornmarkt an ostwärts neu gc-
- "sterck werde und zwar, sotveit thunlich mit Asphalt, sowie

or


öl

daß die daselbst vorhandenen Gehwege, insofern sie reparatur-
bedürftig sind, nmgebaut werden; 2. beschließen, daß der llm-
bmi dieser Gehwege, auch insoweit derselbe den Angrenzern
zur Last liegt, nach Maßgabe des 8 76 der Städtcordnung von
der Stadt ans Kosten der Verpflichteten ansgcführt, sowie 3. zn-
stimmcn, daß die Kosten der bezeichneten Arbeiten, vorbehalt-
lich des von den Angrenzern zu leistenden teilweise,, Rückersa-
tzes im voranschlagsmätzigen Betrag von 85 000 Mark ans
Anlehensmittel» bestritten werden.
Mit Vorlage IV beantragt der Stadtrat der Bürger-
ansschnß ioolle beschließen, daß der unterhalb der neuen Brücke
gelegene Holzlagerplatz des Albert Ueberle j„„., G.-V. Nr.
6416 n. 6417 im Gesamtflächeninhalt von 5Ar 49 Om. um den
Preis von 18 000 Mark seitens der Stadt angekanft und,, daß
der Kaufpreis, soweit er nicht durch die in der Höhe von 7760
Mark zugesagtcn Beiträge Privater gedeckt ist, aus vorhandene»
Ginndstocksmitteln (LiegeNschaftserlösen) bestritten werde.
Dieser Platz und das Bootshaus des Ruderklubs waren der
Ausgestaltung der Uferstraße im Wege. Dem Ruderklub hat
sich die Möglichkeit geboten ein anderes, in der Nähe des Flnß-
nfers gelegenes Grundstück zu erwerben. Bis 1. April soll
der Hotzlagcrplatz nnd das Bootshaus geräumt sein.
Vorlage V betrifft die Regulierung der Schnlzengasse.
Die Gelegenheit einer Regulierung bietet sich bezüglich des süd-
lichen Teiles der Schnlzengasse. und der daranstoßendcn Strecken
der llfer- nnd Brückenkopfstrahe, da die Eigentümer des da-
selbst gelegenen größeren Besitztums, ans welchem vor Zeiten
die Gastwirtsthaft zur Rose betrieben worden war, die Gebrü-
der Gg. nnd Fr. Nollert nnd Privatmann Hermann Oden-
wald, mit dem Gedanken mngehen, die vorhandenen alten
Gebäude, welche besonders gegen die Seite der Schnlzengasse
hin weit Vorsteher,, nbznbrechei, und durch Nciwauten zu er-
setzen. Nach dem vom Tiesbanamte entworfenen und vom
Stadtrate gntgeheihenen Plane wäre cS, wenn anders eine
vernünftige Durchführung des Straßennetzes im alten Orrs-
teil Neuenheim erreicht werden will, dringend wünschenswert,
die Schnlzengasse in dem hier in Betracht kommenden südlichen
Teil auf ihrer Wr'stseite so viel zu erweitern, daß sich für sie
eine Gesamtbreite von 8,60 Ntscter ergäbe. Die genannten
Eigentümer, haben sich nun, nachdem sie zu Anfang der ein-
geleiteten Verhandlungen einen ablehnszrden Standpunkt ein-
genommen, für den Fall eines Umbaues des alten Eckhauses
an der Schnlzengasse und Uferstraße init einem Znrückfahreu
in die von „ns gewünschten Banlinien einverstmwen erklärt.
Als Entschädigung hierfür glaubten sic zunächst einen Preis
von 6000 Mark verlangen zu sollen, den sie später auf 4000
Mark ermäßigten. Der Stadtrat beantragt: der Bürgern,M-
schuß Ioolle dem mit der Firma Gg. und Fr. Nollert nnd mit
Hermann Odenwald unterm 11. d. M. ,abgeschlossenen Vertrage
seine. Zustimmung erieiler, und genehmigen, daß der von der
Stadt zu bezahlende Cntschädigungsbetrag von 4000 Mark
aus vorhandenen Grundstocksmitteln lLiegenschastSerlösen) be-
stritten iverde.
Mit Vorlage VI beantragt der Stadtrat der Bürger-
mwschnß wolle genehmigen, daß zu Zwecken der Verbreiterung
der Mittermaierstrahe an deren Westseite zwischen der Eisen-
bahn und der Eppelheimerstraße sowie zwiscknm dieser nnd der
Bergheimerstraße jeweils ein Geländestreifei, vor, 4 Meter
Breite um den Preis von 16 Mark für den Quadratmeter von
der Firma P. I. Landfried erworben, nnd daß der hierfür zu
entrichtende Kaufpreis im Gesamtbeträge von 19 060 Mark
aus vorhandenen Grnndstocksmitteln (Licgenschaftserlösen)
bestritten werde.
Vorlage VII betrifft den U rn bnn der Straße n-
bahn. Der Leser findet das Nähere darüber im hentigcn
ersten Blatte.
Mit Vorlage VIII beantragt der Stadtrat: Verehr-
licher Bürgerausschuß wolle genehmigen, daß dem J,n,c»ieiir
Nikolaus Fries die Stelle des Stadrbanmeistcrs des Tiefbau-
amtes mit Wirkung vom l. Januar 1901 ab unter Gewährung
der gestellten Bedingungen übertragen nnd hierdurch mit dem-
selben ein Dienstvcrtrag gemäß 8 3 Abs. 1 der Dienst- und Ge-

Fein gesponnen
w oder
^ Das Fastnachtsgeheimnis.
^diinal-Roman von Lawrence F. Lynch. — Deutsch von E. Kramer.

ruA«'?
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^Fortsetzung.)
oor de», zweiten Frühstück war der falsche Karl
>>,,j 'hnghmn mit seinem Gepäck in, Hanse seiner Verwandte»
^Mgebracht und sah an dem reichgedeckten Tisch neben seiner
-tiiMchwester Mr. Jermyii gegenüber. Sie bildeten ein ei-
' ges Trio, nnd waren offensichtlich alle in vorzüglicher


Bnung.

ei

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,r-


^^teinhoff hatte jetzt jeden Zweifel an der Zweckmäßigkeit
!>h,„"" dem Erfolg seine« Verkleidung fallen lassen, wußte
Ry"^hr, daß er in der Gesellschaft dieses höflichen blonden
keine Langeweile zu fürchten brauchte, daß ihm jeder
4»?- ledes Wort, jede Bewegung desselben ein Gegenstand des
sem würde, ein Problem, das der Lösung bedurfte
. Tvrer wert war.
« Gründen der Klugheit und der Delikatesse vermied er
Mn Alleinsein mit seiner angeblichen Schwester, u,ü> auch sie
Mi, Njsher nicht den Wunsch verraten. Als aber Mr. Jer-
Ki,in, Schwager am zweiten Tage nach seiner Ankunft
"A? r h: Frühstück fragte, ob er mit ihn, ausfahren wolle,
, ^Eine Gattin:
Mi', " jüngst an, eigennützig zu werden, Percy. Du bist
Sweimal mit Karl ausgewesen. Ich wollte ihn heute
M mit mir nach dem Park zu gehen."
, ^ormchn lächelte nachsichtig.
M'jM, so? Dam, mutz Jermyngham zwischen u„S wählen,
s. n>9e meine Einladung natürlich nicht zurück — aber —"
"Km werde ich sie mit Dank ablehnen," unterbrach ihn
ttz^A- »Bei der ersten Aufforderung von seiten meiner
> kann ich nicht gut airderS entscheiden."

Jerinyn verabschiedete sich, anscheinend nicht in, geringsten
beleidigt, und lieh die beiden zum erstenrnale allein. Mrs.
Jermyii trat an eines der Bogenfenster, die »ach der Straße
gingen, zog die Vorhänge so, daß sie gedeckt wurde, und
doch die Einfahrt znn, Hause beobachten konnte und sagte
freundlich:
„Wollen Tie neben mir Platz nehmen, Mr. Sreinhofs?
Ich freue auch über diese Gelegenheit, ungestört mit Ihnen
sprechen zu können, ich Hube nie das Gefühl Poller Sicherheit —
das Gefühl allein zu sein, nenne ich — trotzdem mein Ver-
stand mir sagt, daß ich ganz sicher bin."
„Wenn das Ihre Empfindung ist," versetzte er nnd rückte
ihr so nahe, daß er sie mit der Hand berühren konnte,, „dann
ist es „„klug von Ihnen, mich so aiizureden, wie Sie es eben
thaten. Wir sind thatsächlich vollkommen sicher und können
einander sagen, was wir wollen, solange wir unsere Verwandt-
schaft nicht vergessen. Bitte, nenne,, Sie mich Karl und Du,
nnd verzeihen Sie mir, wenn ich Sie auch wenn wir allein
sind, nenne wie Ihr Garte — Elle,,."
„Du hast Recht," sagte sie unterwürfig. „Gewiß, nenne
mich Ellen. Sage mir, wie denkst Du über Mr. Jenny», nach-
dem Du ihn jetzt kennen gelernt hast? Verstehst Du „nn,
weshalb ich Dir zu dieser Verkleidung riet?"
„Offengestanden, nein. Ich kam, auch Deinen Gatte»
nicht verstehen. Ist er immer so, wie ich ihn jetzt sehe, so
ernst, rmhig, nachsichtig und höflich?"
„Immer. Ich habe ihn nie heftig gesehen. Niemals habe
ich ihn ein zorniges Wort aussprechen hören."
„Wenn er aber so nachsichtig ist, wie cs den Anschein hat,
wozu ist dann diese ganze Komödie notwendig? Wenn es
nicht seine Art ist, zu befehlen —"
„Zu befehlen!" sie lachte bitter und ein zorniges Funkeln
kam in ihre Augen. „O nein, er befiehlt nie, er herrscht ohne
Worte. Nie habe ich Leidenschaft in seinen Augen flammen
sehen, wohl aber sah ich sie blitzen wie scharfen Stahl. Seine
Hand zittert nicht, sic umspannt ihre Beute mit eisernem Griff,
aber sie ist immer mit einem Sammethandschuh bekleidet. Er

haltsordnung für die Beamten der Stadtgemeindc Heidelberg
abgeschlossen werde.
Mit Vorlage IX wird bcantragi: der Bürgeransschuß
wolle zustimmen, dntz mit Wirkung vom l. Januar 1902 an
sämtliche Einlagegnthaben bei der städtischen Sparkasse niit
314 Prozent verzinst werden.
Mit Vorlage X beantragt der Stadtrat: Der Bürger-
nusschnß wolle de,, Stadtrat ermächtigen, das Grundstück L.-
B.-Nr. 4947 des Eduard Mall um 900 Mark und das Gruird--
stück L.-B.-Nr. 4946 des Adam Lang um 600 Mark käuflich
zu ertverben nnd genehmigen, daß die Kaufpreise auS vorhan-
denen Grnndstocksmitteln (LiegcnschaftSerlöö) bestritten tver-
den.
Vorlage XI betrifft die Beschaffung einer Bahn-
maschine. Im Hinblick mif die seitens der Direktion der Hei-
delberger Straßen- nnd Bergbahngescllschaft tvcgen der Um-
wandlung des Pferdebahnbetriebes in einen solchen mit elek-
trischer Kraft inzwischen getroffenen Maßnahmen erscheint
wünschenswert, sobald als thunlich alles vorznkehren, was er-
forderlich ist, um die seitens der genannten Gesellschaft ge-
wünschte Versorgung der neuen Etnrichtnng mit städtischer
Elektrizität, rechtzeitig bewerkstelligen zu können. Der
Stadtrat möchte deshalb jetzt schon für den Fall, daß die von
ihm bezüglich der Umwandlung gestellten Anträge angenommen
werden sollten, um die Ermächtigung bitte», in dem Elektrizi-
tätswerke eine besondere. Bahnmaschinc mit Zubehördcn auf-
stellen zu dürfen, von der ans die Straßenbahnlinie!, mit elek-
trischer Kraft zu versorgen wären und Ivelche auch an die elek-
trische Straßenbahn Heidclberg-Wiesloch für die Strecke bis
Rohrbach die Kraft abzugcben hätte. Er beantragt daher:
Der Bürgerausschuß wolle genehmigen, daß in dem Städtischen
Elektrizitärswerke eine Bahiimaschine aufgestellt und daß die
erforderlichen Kosten in der nnrtmaßlichen Höhe von SO 000
Mart aus Anlehensmitteln bestritten werden.

Deutsches Reich.
Bade».
L.6. Ka rlsruhe, 13. Dez. (Zu den Nachwah-
len in Villingen-Neustadt und Engen.) Wer
die Vorgänge, die sich im Laufe dieser Woche in Neustadt
abgespielt haben, aufmerksam verfolgte, war sich ohne
weiteres darüber klar, daß es in Neustadt, wo man dem
Zentrumsaufruf zufolge »seit Jahren katholisch wählte*,
diesmal um die Zentrumssache sehr schlecht bestellt war.
Zu dieser Ueberzeugung war man offenbar auch im ultra-
montanen Hauptquartier gelangt, so daß der Wahlfeld-
marschall Wacker in letzter Stunde seinem streitbaren
Generalstabschef Fehrenbach persönlich zu Hilfe eilte.
Allein auch die Beredtsamkeit eines Wacker konnte ebenso
wenig als die blendende Rhetorik Fehrenbachs die Neu-
stadter Wähler über die Thatsache hinwegtäuschen, daß die
ultramontane Partei mit den verwerflichsten Mitteln ope-
riert hatte. In der Zentrumsversammlung am letzten
Sonntag soll nämlich, wie Ohrenzeugen bekunden, Fehren-
bach die Aeußerung gethan haben, Fabrikant und Ge-
meinderat Merz jr. in Neustadt habe in einem Meineids-
prozeß, in dem er als Obmann der Geschworenen fungierte,
wider besseres Wissen und Gewissen seine Stimme für die
Freisprechung des Angeklagten abgegeben. Fehrenbach
selbst bestreitet zwar, daß seine Aeußerung so lautete. Er
habe nur die Nationalltberalen kritisiert und ihnen vor-
geworfen, daß sie so oft ihre Ansichten wechselten und es
mit ihren Grundsätzen nicht sehr ernst nähmen. So habe
Herr Merz, der den Wahlprotest als Erster unterschrieben
würde ruhig lächeln, wenn sich sei» Opfer zu seinen Füßen
windet. Luchen wirst Du ihn nie hören! O, ich frage mich
munchmal, in welcher Schule er diese entsetzliche, lächelnde
Selbstbehcrl-schung erlernt hat, die den Scharfsichtigsten täuschen
"Ultz-" ...
Sie hielt einen Auge,Blick schaudernd im,e und fuhr dann
fort:
^ „Wenn mir jemand, ehe ich seine Frau wurde, gesagt Hütte,
daß dieser Msnm einen eisernen Willen hätte, der kein Ge-
setz kennt als daS, was er sich selbst vorschreibt, so würde ich
ihm ins Gesicht gelacht haben. Ich glniwte ich wäre es, die
den starken Willen besaß, die andere nach ihren Zwecken len-
ken könne. Närrin, die ich war, die ich bin."
Sie holte tief Aiem, nnd rote Flecken zeigten sich auf ihren
Wangen.
„Hätte ich ihm gesagt, mein Bruder ist im Gefängnis, ich
brauche Tausende von Dollars, um ihm heranszuhelfen —
hätte ihm die Geschichte erzählt, wie Du sie mir erzählt hast,
er würde mit seinen, bedächtigsten Lächeln erwidert haben:
„Sehr gut, liebes Kiiw, ich werde es mir angelegen sein lassen,
dieser Sache auf den Grund zu gehen. Vielleicht handelt eS
sich nur um einen Versuch, Dir. Geld abzulocken." Vielleicht
hätte er noch hinzngefngt: Fülle mir einen Chek anS, ich will
Deinen Bruder sofort aussnchcn." Er hätte das Geld ge,wm-
men, er wäre vielleicht abgereist, hätte mir bei seiner Rückkehr
eine lange, glaubhafte Geschichte mit zahllosen Einzelheiten
erzählt — und eines Tages hätte ich in der Zeitung gelesen,
daß Charles JenkinS als Mörder gehenkt worden ist. Das ist
der Grund, weshalb ich um Deine Hilfe gebeten habe. Du hist
ebenso stark wie er, nnd ich glaube. Du besitzest nichr Mut.
Er kann nicht bestreiten, daß Du Karl Jermyn bist. Er
weiß von „reinem Bruder so gut wie nichts. Aber er ist miß-
trauisch, klug und wachsam, und deshalb habe ich es bisher
nicht gewagt von früheren Zeiten zu sprechen; ich möchte, daß
Du damit beginnst. Ich werde Dir Anhaltpunkte geben, u,id
Du „rußt über die alten Begebenheiten reden, wie wenn
sie frisch in Deiner Erinnerung stände». Du muht seine An-
 
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