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Heidelberger Zeitung (44) — 1902 (Januar bis Juni)

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Nr. 27-50 (2. Februar 1902 - 28. Februar 1902)
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Saulstag, 22. Fedruar 1902.

Viertes Blatt.

44. Jahrgang. -- ^ 45.




rrscheint täglich, Sormtagö auLgeiroMNiM. - Prcts mit Familimblättern monatlich bO Pfg. in's HauS gebracht, bei der Expedttion und dm Zweigstelleu abgeholt 40 Pfg. Durch dte Post be.

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Die^Kiktänmg des KraftN Wosadowski- in
der Aolltarifkommifswn

lautete ausführlicher: Unser Handel hat sich
auch unter der Geltung eines 6 Mark-Zolles ftir
Roggen früher gedeihlich entwickelt. Die Kaufkraft des
Landes hat nicht nachgelassen, die Kriminalität ist nicht
gestiegen, die Volksvermehrung ist nicht zitrückgegangen,
knrz aüe Befürchtnngen, welche an die Einführnng eines
5 Atark-Zolls für Roggen geknüpft wnrden, sind dnrch die
Thatsachen nicht bestätigt worden. Es geht nickt an, bei
Erörterung der Getreidezölle auf Jrland oder Dänemark
Ki exemhlifizieren, da in den beiden Gebieten die Ver-
dältnisse ganz anders liegen, wie bei nns. Das „grüne
Eiland" ist durch den Golfstrom begünstigt, und die
Landwirtschaft hat dort deshalb vorwiegend mit Weide-
land zu rechnen, ähnlich wie in Dänemark und Olden-
bnrg, wo die Marschen ihrer Natur nach zn W»ndeland
geschaffen sind. Für die Regelung imserer Zollsätze kön-
Nen nur die Bruttokosten der Erzeugung diesseits und
ienseits der Grenze maßgebend sein. Die Zollsätze des
Entwurfs für Getreide stellen die äußerste Grenzlimc
dar. Von einem Doppeltarif ist im Entwurf nicht die
Rede. Die Festlegung der Minimalsätze siir vier Ge-
treidearten foll nnr eine feierliche Erklärnng der Absich-
ten der Regierung sein. Vier Minimalzöüe machen aber
Noch keinen Doppeltarif. Jm Tarifentwurfe sind ver-
schiedene inländische Jnteressen gegeneinander abgewogen
worden. Nachdeni nun aber einmal diese Ausgleichnng
der Jnteressen im Tarisentwnrf stattgefunden hat anf
Grund anfrichtigsten Wohlwollens fiir die landwirtschaft-
lichen Jnteressen und nach reiflicher Prüfung aller in
Frage konnnenden Verhältnisse, mutz es als durchaus
viisgeschlossen bezeichnet werden, datz die Minimalzolle
dem Antrag Herold entsprechend erhöht würden. Wolle
die Mehrheit des Reichstags um jeden^Preis hohe Zölle
ausrecht erhalten, dann müsse sie das System der Mini-
üialzölle Minz fallen lassen nnd alles dem Belieben der
Regiernng anheimstellen. Der Staatssekretär weist so-
dann des näheren aus einer Rede des Fürsten Bis-
Marck bei Verhandlungen über einen Handelsvertrag
lliit Frankreich nach, wie innig gemeinpolitische und han-
delspolitische Fragen miteinander sich verquicken.

Zus Konstantinopet.

Man schreibt uns aus Konstantinopel vom 14. Febr.:
Mit dem „kleinen Said" ist es nicht ganz geheuer. Unse-
^em Grotzvezier, der nunmehr das drittemal den höchsten
vttomanischen Beamtenposten bekleidet, scheint es nicht
besck)ort zu sein, zn ernten, was er fäet. Es giebt aller-
dings Leute am Goldenen Horn, die der Ansicht sind, diese
Saat sei nicht der Ernte wert. Man weiß hier zu Lande
biemals so recht, was einen Minister zu Falle gebracht
hat. Jnngtürkische Anwandlungen spielen hierbei eine
ebenso häufige und wichtige Rolle, wie Mißverständnisse zwi-
!chen Ministerium und Harem oder interministerielle
^ämpfe um einen fetten Bissen. Fanatismus und Bak-
lchisch sind das A und das O nnd der dazwischenliegende
Raum im Alphabet der ottomanischen Staatsknnst wird
diirch Palastintriguen ausgefüllt. Doch bleiben wir ge°
lecht. Der kleine Großvezier, dcr nun ziiin drittenmale
!ich anschickte, seinen Posten zu verlassen, ist weder Fana-
tiker noch Bakschischjäger — wenigstens nicht mehr, gls
illitcr Ton und Uebcrlieferung am Bosporus es ver-

langen. Sollte er in den nächsten Wochen Politisch stellhen,
so wird er an einer Krankheit zu Grunde gehen, die
sich seit einiger Zeit mit besonderer Vorliebe hoher türki-
scher Staatsmänner bemächtigt. Diese Krankheit ist in
der nächsten Umgebung des Aildiz-Kiosk endemisch und
kann füglich „Hassanismus" benannt werden.

Da wir hier — vorerst wenigstens noch — etne Grotz-
macht sind und als solche uns den Luxus eines Marine-
ministers gönnen, so müssen wir naturuotweudig auch
Kriegsschiffe haben, und um solche zu bauen, müssen wir
dem Herrn Minister die nötigen Kredite anweisen. Das
haben wir auch gethcm und soweit wäre ja alles in schon-
ster Ordnung. Unserem derzeitigen Marineleiter ist aber
dabei eiu kleines Versehen uuterlaufen, zwischeu den etwa
230 Alillionen Mark, die ihm während der jüngsten
drei Jahre zu Schiffsbauzwecken überwiesen worden
sind und den thatsächlich während dieser Zeit gebauten
Kriegsschifsen hat sich ein höchst verdrießliches Vakuum
herausgestellt. Böse Znngen behaupten, daß der wellen-
knndige Hassan Pascha in weiser Beschränkung die vielen,
vielen Millionen ausschließlich zuin neuen Anstrich alter
Schifse verwendet habe, und der querköpfige „kleine
Said" will nicht zugeben, daß Oelfarbe und Pinsel so
tener sein könnten. Also ein Atinisterkonflikt in optima
forma, bei dem aber der Großvezier den Kürzeren ztehen
dürfte. Sehr starke, wenn auch etwas rätselhafte Bande
knüpfen Hassan Pascha an dessen Souverän: neben deni
Meister der Palastintrigne Jzzed Pascha ist der jetzige
Plarineminister diejenige Persönlichkeit, die dcn größten
Einfluß auf den Sultan ausübtckind wer sich mit Hassan
Pascha in einen Kampf einläßt, stirbt eben — wenigstens
politisch — an „Hassanismus". Das weiß hier alle
Welt: der Großvezier wird es anch gar bald erfahren,
imd zwar am eigenen Portefeuille.

Deutscher Weichstag.

Berlin, 21. Febrmir.

Weiterberatnng des Militäretats.

Bcrichterstatter Abg. Graf R o o n berichtet llber die
Vcichandlu»gen der Kommission.

Eine Reihe Titel werden nach unerheblicher Deballe mit
den daranf bezüglichen Aenderungen der Kommission ange-
nommen.

Bei Kapitel „Militärjustizverwaltung" bringt

Abg. Kirsch (Zentrum) die Berhaftimg des Ober-
stabsarzts Dr. Schimmel im Elberfelder Militärbefreiungs-
prozeß zur Sprache, dessen immer erneute Verwahrung gegen
seine Verhaftnng nicht weniger als neunmal zurückgewiesen
worden sei.

Wirkl. Geheim. Oberkriegsrat Wolff -kann eine mate-
rielle Erklärimg des Falles nicht geben, da ihm die Akten
der Militärjustizverwaltung noch iiicht zugegangen seien. Ue-
brigens sei ein Haftbefehl immcr berechtigl, sobald ein Ver-
brechen Gcgenstand der Anklage bilde.

Ohne erhebliche Debatte wird eine Reihe weiterer Kapilel
bewilligt.

Bei dem Kapitel „Geldverpflegnng der Truppen" wünscht
Abg. M ü l l e r - Sagan (fr. Vp.) eine weitere Erhöhung der
Gehälter der Oberroßärzte, Rohärzte und verschiedener Klassen
der imteren Verwaltungsbeamten.

Abg. We.rner (Reformp.) befürwortet einc Gehaltsauf-
besserung der Zahlmeister.

Ein R e g i e r u n g s k o m m i s s a r tritt diesen Wün-
schen entgegen, da die Finanzlage sehr ungünstig sei. .

Der Titel wird angenommen.

Zu Titel 3 wünscht

Abg. Oertel (kons.) Besserstellimg der Feldwebel und
Wachtmeister.

Gegenüber seinen Bemerkimgen über Ilnteroffiziermangel
stellt ein Regierungskommissar fest, daß Ueberfluß an
Unteroffizicren vorhanden sei.

Es folgen Benierkrmgen von Horn-Goslar (natlib.).

Abg. Werner (Reformpartei) wünscht Aufbesserung
der Gehälter dcr Kaserneninspektoren.

Abg. Hermes (fr. Vp.) wünscht allgemeine Aufbesserimg
der Stellung der Militärapotheker.

Abg. Graf Oriola (natlib.) schkießt sich dem Vorredner
an.

Bei dem Kapitel „Pferdebeschaffung" bringt

Abg. v. Massow (kons.) den Verkauf von Pferdemate-
rial an England zur Sprache. Redner wendct sich gegen die
frnhercn Behauptungen des Abg. Bräsicke bezüglich der Re-
monten.

Abg. v. Massow wird im weiteren Verlaufe seiner
Ausführungen bon dem Vizepräsidenten Büsing zur Ruhe
gernfen.

Bei Kapitcl 38, Titel 10 a, hat die Kommission die Forde-
rung für Personal der militärisch-technischen Hochschule ge-
strichen.

Refercnt Graf Roon teilt mit, die Kommission hätte den
Ziveck als vortrefflich anerkannt, die gegenwärtige Finanzlage
aber zu solchen Cxperimcnten nicht für geeignet gehalten.

Abg. M-üller - Sagan spricht für den Antrag der Kom-
misswn und empfiehlt, statt Neuerrichtung einer Hochschule,
die Angliedcrung von militärtechnischcn Kursen an etne der
bestehenden technischen Hochschulen.

Der Kommissionsantrag wird angenommen.

Bei Kapitel 36, Titel „Kadettenanstalt" tritt

Abg. Eickhoff für die Mehranstellnng von wissenschaft-
lich gebildeten Lehrern gegenüber den Militärpädagogen ein.

Der R e g i e rn ngs k o mmi s s a r verspricht' näch ein-
gehender Begrnndung Berücksichtigung der geänßerten Wünsche.

Bei Kapitcl „Technischc Jnstitnte der Artillerie" bezeichnet
Abg. Znbeil (Soz.) die Zustände in der Spandauer Artil-
leriewerkstätte als horrend. Von Znfriedenyeit der Arbeiter
könne in dieser angcblichen Musterwerkstätte keine Rede sein.
Wer sich beklage, dem sage man, wem es bei uns nicht gefällt,
mögc sich Hinansbemühen.

General von Cinem: Wären die Verhältnisse that-
sächlich so, tvie Vorredncr sie geschildert, so würde die Verwal-
tnng mit einem unerhörtcn Maße von Dummheit und Schlech-
tigkeit wirtschaften. Eine solche Lohndrückerei könne nur der
Haß treiben — wie sollen wir aber unsere Arbeiter hassen,
die jahraus jahrein ihre>Pflicht thun nnd mit denen wir in
Frieden leben? Wohl hätten mehrere Arbeiterausschüsse ihr
Amt niedergelegt, weil Lohnherabsetzungen vorgekommen seien;
das Kriegsministcrium habe aber sofort die Herabsetzung
nihibiert. Die nene Lohnordnung ist gründliL vorbereitet und
liegt den Arbeiterausschüssen znr Begutachtung vor. Die Wohl-
fahrtseinrichtungen sind die denkbar besten. Wir haben kein
Jntercsse an Lohndrückereien; die Windigungen werden auch
nicht voll durchgeführt.

Abg. Zubeil (Soz.) hält seine Ausführungen aufrecht.

Der Rest des Ordinariums wirdiohne Debatte genehmigt,
desgleichcn die Einnahmen und Petitionen.

Morgen 1 Uhr Rest der heutigen Tagesordnung und Inter-
pellation Albrecht betreffend Arbeiterstatistik.

Berlin, 21. Febr. Die Budgetkom missio n des
Reichstags beriet heute den Etat der Reichseisen-
bahnen. Minister v. Thielen hebt hervor, daß die Ein«
nahmen der elsaß-lothringischen Bahnen namentlich wegen
der ungünstigen Lage der Eisenindultrie wesentlich zurück-
gegangen seien. Man rechne für das laufende Etatjahr
auf einen Ausfall von 10 Millionen gegenüber dem Vor»
jabre, wovon 9 Milllonen auf den Güterverkehr entfallen.

....

öffemliche Meinung. Die hat immec Recht und sie behält es
vor allem auch dann, wenn sie ihr Urteil ändert. Ja, dann hat
sir gewöhnlich erst recht Recht. Darum wohl dem, der im Strome
der öffentlichen Meinnng schwimmt; er ilt. immer ohen auf, wie
daS Fettauge auf drr Snpve. Jst die öffeutliche Meinuna ein-
mal gespalten, fnrchtet ein Teil. während der andere wünscht, so
muß man das nicht fnr bare Mnnze nebmen. DaS ist nur ein
taktischer Kniff. Geschehe nachher, was da wölke, im Tadeln
finden sich beide Tetle wieder zusammen. Man braucht da nur
etn Beispiel aüs der Zukunft anzuführen: wird nnser Schloß
nicht restauriert, so schreit später Alles, eS verfalle, wird cS
restauriert, so ruft Alle?, es set verpfuscht.

Uebrtgens. welch ein Unterschisd ist doch, ob man das Schloß
vom Philosopbenweg oder von der Altane aus betrachtet! Bon dort
gesehen, fügt es sich als ein kl-ines Menschenwerklein dem präch»
tigen Natnrbild etn, wie des Thurmwächters große Laterne dem
Heer der sterne; von hier betrachtet, nötigt es den Beschauer
mit zurückgebeugtem Genick zu !hm aufzusehen, wie zu einem er-
habenen M-istsrwerk der Natur! W!e an etner Himmelsleiter
steigt der Blick in die Höhe. kaum sieht er das Ende ab und gc-
sättigt von der Fllle dec Schönheit, welche Knnst zu bieten ver-
maz, tchrt er wieder zur Eroe zurück.

Schade, daß das berühmte Feuster von 12l5 nicht all'gemein
zugängliÄ zur Schau steht. Es erinnert an so schöne Zeiten,
da die -ff'l'Aufkiärung die Menschheit noch nicht ergriffea hatte
und noch ketn Stünoza mit etner falschen Destnition der Sub-
stanz dte Welt auf den Jrrweg des Pantheismus gefühct hatte,
wie u s das neusich so übcrzeugend dargelegt wurde. Damals
bestand noch kein Zweifcl darüber, wohin die guten und wohin dic
schlechten Menschen, Jsder nach seinen Thaten, kommen. Heute
ist Allcs auf'S frivolfte vermengt nnd vermischt. Helden und
Räuber, Giftmischer und Staatsmänner, die Könige in ihren
Schlössern und die Bettler im Ortsarrcst, sie kommen heute
Alle — in die Zeitnng.

^taudereien vom Vhilofopyenrveg.

S? Hetdelberg, 22. Februar.

Der alte Kant lebte sehr regelmäßig. Alle Nachmittage unter-
bahm er, gefolgt von seinem treuen Diener Lampe, einen
«Paziercang; meist richtcte er seine Schrittc nach der Vorstadt
» eine Gegend, die damals noch mibebaut war, heute aber als
Me Hauptstraße den Philosophenweg aufweist, der zu seinem
Ädenken diesen Namen erhalten hat. Dort mag dem großen
Dcnker beim sinnenden Hinschauen auf Bäume, Sträncher, Häu-
pr und auf den blauen oder grauen Himmel über ihm die Er-
srnntnis davon aufgegangen sein, daß wir d!e Dinge immer nur
Anchrnehmeii, wie sie unS erscheinen, nie aber, wie sie an sich
n»d, jene grundstürzende Erkenntnis von dem Unterschied zwischen
^er Ersche'nung und dem Ding an sich.

„ Schade, datz Kanten nur der topfebene Philosophenweg s-iner
Keimatsstadt und nicht der Heidelberger zum Spazierengehen zur
^erfügung stand. Wie Helmholtz hundert Jahre später hier an
N selbst erfahren hat» befördert nichts mehr ein tiefes und
AarseS Denken als ein langsamer Spazierganq bergauf, vermut-
tzch, well die gestetgerte Herzthätigkeit das Gshirn stärker mit
^">t umspült. Wie leicht hätte sonach der große Kant hier auf
?0n Wege von der Bergstraße bis an die Wtrtschaft zur Philo-
'°dhenhöhe sich über das Verhältnts von Vorstellung und Ding
sich völlig klar werden können. Der überflüjsige „Gegenstand
!i^ Vorstellung", der sich ihm zwischen Erscheinung mrd Ding an
drängte, wäre aus seiner Spekulation verschwunden, sein
?hstem wäre einfacher uud damit anch leichter darstellbar gewor-
Hn. Seinc Erkenntnistheorie hätte schon dte Welt erobert, wäh-
^lld fie jetzt immer noch, mit Km „gesundcn Menschenverstand"
heißt wit der erkenntnistheoretischen Naivität zu kämpfen hat.
i» Auch Helmholtz hat sich nicht ungestraft vom Heidelberaer
Uilosophentveg entfernt. Jn Berlin reiften seine erkenntms-
Leoretischen Untersuchungen und Gedanken erft kurz vor setnem
L»be soweit aus, daß er sie zu einem Vortrag „über scheinbare
nUbftanzen und bleibende Bewegung" verdichtet hatte, da raffte
"ü, der Tod hin, der Vortrag blieb ungehaltcn und eine An-

regung, d'e außerordentlich fruchtbar für dte Natmerkenntnis

zu werden versprach. ging der Welt verloren.

Wte man wahrnehmen kamr, philosaphieren auch die Heidel-
berger Bürger viel, wenn sie an hellen Sonntagnachmittagen tn
Scharen über den Philosophenweg ziehen. Gegenftand ibrer Bs-
trachtung und Verwunderung ist foft ausschießllich die schöne
Natur, und es werden vcrheißungsvolle Anläufe genommen, um
das reizende Bild in cinen ästhetischen Rahmen zu bringen. „Die
Berge heute", sagt der Einc. „das enge Thal", fügt der Andere
hinzu. „Heute ist dte Ausficht wieder sehr schön", beftätigt der
Dritte. Und damit ist für etnen Sonntag Nachmittag doch ge-
wiß ein tüchttges Stück ästhetischer Natmkritik geleistet. Da aber die
Philosophte vor Allem Linkchr verlangt, so wird alsbald m!t dem
nötigen Ernst bcraten, wo man wohl am besten einkehren könnte.
Zum Glück ist in Heidelberg reichlich für derartige pbilosophische
Bedürfnisse gesorgt. Die Jünger der Weisheit, des Weines und
des Bieres kommen mcht in Äcrlegenheit.

Aber auch zu Betrachtungen über die Baukunst fordert ein
Spaziergang längs dem Philosophenweg auf. Da liegt unter
rms im Stadium des Werdens die neue Fssthalle. Man erkennt
von oben dte Eimelheiten der Anlage ntcht, aber man siehi den
riesigen Zaun, dsr eiven großen Tcil des Platzes umfaßt; man
sieht, wie dis Mauern aus dem Grunde emporsteigsn, und die
Phantasie kann sich ausmalen, wie auf dem Festhallenmaskenball
Anno 1904 dort ein Tretben herrschen wird, gegen das die
Pracht und der Schimmer des letzten Balles im städt. Saalbau
verbiassen muß. Sihc zu empfehlen wäre, daß man an die
äußere Saalthüre schriebe: „Hausieren verboten!" und daß wan
hinzusügte: „Unsichere Heerespflichtige, Bettler nnd Vogelschsuchen
aller Act haben keinen Zutritt."

Wte die Festhalle rentieren wird, das ist eine Frags, die sich
für ein Preisrätsel eignete. Die Lösnng ist „schwach", würden
die PreiSrichter vermutlich nach Verrichtung ihrer Arbeit sagen.
Aber oft schon haben sich dte Preisrichler geirrt. Das kann man
nach jedem Maskenball, nach jedem Sängerfest hören. Ja selbst
bei Schützsnfesten sollen Jrrtümer der Preisrichter vorkommen.

Die einzige Jnstanz, die niemals irren kann, das ist die
 
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