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Heidelberger Zeitung (44) — 1902 (Januar bis Juni)

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Nr. 51-74 (1. März 1902 - 29.März 1902)
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Donlllrstag, 6 März M2.

Iweites Blatt.

44. Mrg^ng — 55.


scheinl tägüch, SonntoaL cuirgtiwrninen. — PreiS viir Familiendlattern rnonatlich 50 Pfg. in'S Haus gebracht, bei der Expedittoil uud deu Zweigstellcn «bgeholt 40 Pfg. Durch die Post be-

zogen vierteljährlich 1.35 Mk. ausschließlich Zustellgebühr.

?ieigenpreis: 20 Pfg. die lspaltige Petitzeile oder deren Raum. Reklamczeile 40 Pfg. Für hiesige Geschäfts- und Privatanzeigcu ermäßigt. — Züc die Aufnahme von Auzelgen an bestimmt
>geschriebenen Tagen wird keine Verantwortlichkeit übernommen. — Anschlag der Jnserate anf den Plakattafeln der Heidelberger Zeituug nnd den Plakatsünlen. — Fcrnsprech-Anschlnb Nr. 82.

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Wochenchrouik.

(Vom 23. Febr. bis zum 1. März.)

PrinzHeinrich trifft inNew-Vork ein, wo
er glänzend und herzlich empfangen wird.

: Prinz Heinrich begrüht tn Washington den Prä-
sidenten Rooscvelt. Beim Staatsdiner im Weißen
Hause tauschten Beide sehr herzliche Worte aus.

: Äuf der Werft in Schooters Jrland findel die Taufe
der K a i s er h a ch t „M et e o r" durch Mtß Roose-
velt statt.

iDieZolltarifkommission des Reichstags
n'mmt den von der Regierung dekämpften sog. Kom-
promihantrag auf Erhöhnng der Moximal- unv Mi-
nimalzollsätze für die vier Hauptgetreidearten an.

: Tie Bureu haben den Engländern am 23. Febr.
eine empfinvliche Schlappe teigebracht, and.rerseits
haben am 27. gcdr. etwa 9)0 der Jhrigen die Waffen
strecken müffen.

: Prtnz H einrich tritt eine Eisenbahnfahrt durch
einen Teil der Union on. Die Tage in New-Vork
und in Washinglon waren zwar schr anstrcngend für
ihn, aber sie haben ihm uitd dem diutschen Volk außer-
ordertlich große und schätzensweite Sympathic-
bezeugungen von din Amertkanern eingetragen.

: Der franzosischc Ministcrpräsident Waldeck-Rous-
seau erleidet durch den Zusamwenstoß seines Wagens
mit der elektrischen Bahn eine i icht unbcdeuteude Ber-
Iitzung.

Die Landesveiscmmlung dcr s o z t a l d e m ok rati-
schen Partei Badens, die in Offenburg ab-
gehalten wird, verläust ziemlich flau.

Won der Münchener Aentrumspresse.

P. ü n ch e n , 4. März. Die „Allgemeine Zeitung"
^eibt: In der b a y e r i s ch e n Z entru in spresse
^ Ot eine bemert'enSwerte V e rä n d e r n n g bevor, die
^llescht eine Nachwirt'nng der im vorigen Jahre in
^Mchen vollzogene Gründnng des tatholischen Presse-
keines ist, der in Bayern, ähnlich wie der Angnstinus-
'ein in liiürddeiitschland, die Zentrumsblätter im Lande
Heitüch znsammensassen und sie, gegen Unterstütznng
der Zentrnmspartei, der Zentrnmsführnng bedin-
Mgslos gefügig machen soll.

. In Münchei.1 bestehen zwei t'atholische politische Or-
U>e, der „Bayerische Üurier", der der Btanz-Gesellschaft
' bört, im 40. Jahre erscheint und namentlich in den
ten fiinf Jahren nnter der Leitung des Chefredaktenrs
Clasen, eines versöhnlichen, hochgelnldeten Priesters,
M nnabhängige, friedliebende Stellung einnahm und
sehr der Richtnng näherte, die Franz X. Kraus mit
M „ileligiösen Katholizisiiins," im Gegensatze izmn
Uitischen Katholizismns so treffend gekennzeichnet hat.

Koiiseqnenz davon war eine bittere Befehdnng des
^ciyerischen Knrier" aus dem nltramontanen Lager, die
,Mn dem angegrifsenen Blatte oft den Anlatz zu mann-
,"!ter, scharfer Abwehr gegeben hat, Diesem Streite
^dankt man auch die mustergiltige Kennzeichnnng der
Zramontanen Machtpolitik und Taktik in ihrer Gewalk-
eötigkeik und Verschlagenheit, die seiner Zeit in weiten
Äholischen Kreisen tebhafte Zustimmung znm Verdrnß
"b Zeiitrumsführung zn finden schien.

Um den „Bayerischen Knrier" matt zu setzen, wnrde
drei Iahren die „Neue Vayerische Zeitnng" gegrün-
ü; ihre Besitzer waren vorwiegend Führer der hayerischen
^NtrnmSfrat'Iion, der daS Blatt seine Dienstwilligkeit
p der wnnderbarsten Weise beknndet hat. Es genügt die
^innernng, datz in diesem Blatte in konseguenter Fort-

sührnng der norddeutschen Paritütsjäger vom Schlage
der „Kölnischen VoltSzeirung" das töstliche Verlangen
nach t'atholischen Uirchenorgeln nnd Blasebälgen erhoben
wnrde. Cin trübseliger UnltuS der ZentrnmSheroen
wechselte mit sknrrilen Ausfällen anf öie Liberalen und
mit personlichen Gehässigkeiten gegen die liberalen Abge-
ordneken ab. Eine peiäodisch wiederkehrende und schlietz-
lich lächerlich wirkende «türzerei der protestanüschen
Niitglieder des Aiinisterinms sollte anscheinend die matte
Kosl salzen. Es half aber alles nichts, — die eifrigsten
Leser blieben die Zentrumssührer;'ihre Gefolgschaft sand
an ihrer Liebhaberei kein Behagen nnd der „Bayerische
Knriep" behanptete sich, trotz wiedycholter gehässiger
Angriffe als das Blatt anch der gebildeten Zentrnms-
nnhänger.

Ietzt hat man t'nrzen Prozetz gemacht; wie wir hören,
haben hervorragende Akilglieder des ZentrumS »iOO
Äktien der Nianz-Gesellschaft, der der „Baverische Unrier"
gehört, erworben. Damit haben sie die Mehrheit in der
Gesellschast erlangt nnd nunmehr geht in wenigen Wochen
die „Nene Bayerische Zeitung" ein, oder, wie man sich
anch noch ansdrücken t'ann, sie wird mit dem „Bayeri-
schen Kurier" „verschmolzen". Der bisherige Leiter des
letztgenannten Blattes wird sich vom Politischen Schan-
platz zurückziehen. Er würde sich auch mit seiner ganzen
bisherigen Wirt'samkeit in Widerspruch setzen, wenn er
sich nach einer unabhängigen Friedensarbeit von mehr
als einem halben Iahrzehnt der Zentrilmspolitik zur
Verfügimg stellen würde. Für diejenige Richtnng im
Zentrnm, die einen kräftigen Anlanf zu einer nanonalen
Politik zn nehmen entschlossen schien, bedeutet diese Wen-
dnng einen schweren Verlnst. Als Leiter des vercinigten
UnternehmenS ist der Redakteur der „Allgäner Zeitnng",
Tr. Sieberts, in AnSsicht genommen.

Deutsches Reich.

— Die Stellung der Unteroffiziere ist in
der Freitagssitzung des Reichstages bei der Beratung des
INilitärhanshalteS berührt worden . Nach dem amtlichen
Verhandlungüberichte ertlärte Major Ololtz, Bevollmäch-
tigter des Bnndesrats, Folgendes: „Die Heeresverwnl-
tnng kann die Anregnng des Herrn Vorredners, die
Unteroffiziere besser zu stellen. nnr dankbar begrützen nnd
ich kann mitteilen, datz Erhebnngen im Gange sind, nm
sowohl die Stellung der Unterofsiziere, als anch ihre
Bezüge wesentlich zu verbessern aber nntürlich nur, soweit
die finanzielle Lage es gestatten wiiD. Man niiintz
bei der Frage des längeren Verbleibens dcr Unterossiziere
im Dienst in Verücksichtignng ziehen, datz, je länger
wir sie im Dienst behalten, desto schlechter die Befvrder-
nngsaussichten für die jüngeren Unteroffiziere werden.
Thatsächlich haben wir noch eine grotze Anzahl von altcn
Unteroffizieren in der Armee ^ wir haben allein über
5000 llnterossizierc im Preutzischen Kontingente, die über
zwölf Iahre dienen!

Badcn.

— Seit Int'rastieten des Gesetzes über die staatiiche
Fürsorge für die Erziehung verwahrloster jngendlicher
Personen Ivnrde über 2600 Kinder die Matzregel der
Z w a n g s e r z i e h n n g verhängt: davon wnrden
1668 Zöglinge in Anstaltm, 1021 in Familien nnter-
gebracht. Znr Entlassnng gelangten in dem gednchten
Zeitraume 1445 Zöglinge; 167 widmeien sich der Land-

wirtschafl nnd 810 verschiedenen Gewerben, 285 gingen
in hüusliche nnd 20 in andere Dienste.

110. Karlsruhe, 4. März. Als S t a a ts n n t e r -
st ü tz n n g für K r e i s st ratze n und Gemeinde-
wege ivurde in den früheren Bndgets jeweils eine
Liimme von 140 000 Mart' für eine Bndgetperiode einge-
stellt ; im letzten Bndget wurde sie aus 260 000 Mark

gen nnd Gemeindewegen, sür welche Entwürfe schon vor-
handen oder in Bearbeitnng sind, für welche aber Staats-
beihilse in einem bestimmten Betrage zn jener Zeit weder
zngesichert noch vorlänsig in Llussicht gesteüt wnrde, sind
im ganzen Lande 107 Straßenprojekte ermittelt wor-
den, deren Anssührnng einen nngefähren Answand von
3 084 000 Mark ersordern dürfte nnd die sich anf die

N.it Rücksicht anf den Stand der Vorarbeiten, dw
versiigbaren technischen Uräste nnd die Möglicht'eit der
Bereitslellnng der Vvn den Gemeinden nnd Kreisen sür
dies^Unternehnmngen ansznbringenden Mittel wird sür
die vwangrissnabme nnd Anssührnng dieser Bauten zum
Mindeslen ein Zeitranm von etwa acht Iahren in Aus-
sicht zn nehmcn sein. Wenn inzwischen dcinn, wie anzn-
nehmen isl, eine weitere Anzahl nenep Projet'te in Be-
handlnng genominen wird, lätzt sich mit einiger Sicherheit
berechnen, datz in den nächsten vier Bndqetperioden sür
derartige Stratzenbanten ein dnrchschnittlicher Anfwand
von etwa einer Million Mart anfznbringen sein würde
Um nnn den ans eine Erhöhnng dss bisher üblichen Ma-
tzes der staaUichen Beihilfe behufS der finanziellen Enk-
lastnng der Areise nnd Okemeinden gerichteten Wünschen
nach Lstöglichkeit entgegenzukommen: ist bei Bemesstmg
oer in dei^ Wtaatsvoranschlag für 1002—1903 einzu-
stellenden -Liiinme als dnrchschnittliche Höhe des Staats-
beitrages der Satz von 40 Prozent zu Grnnde gelegt wor-
den. Daranf beruht die Anforderiinq von 400 000 M
Diese Snmme steht aber im gegenwärtigen Zeitpnnkte
schon nicht niehr zn sreiec Versügnng, da seit der Er-
hebnng vom Iahre 1000 eine Anzahl der hierbei in Be-
rracht gezogenen Projekte bereits so weit vorbereitel wor-
den ist, datz über die staatliche Unterstütznng eine Ent-
schlietznng ierbeten Iverden tonnte nnd unter dem Vorbe-
halte der Bewillignng der Mittel getrvfsen werden mußte
nnd da antzerdem mehrerc Projekte vorliegen, für welche
staatliche Beihilfe sür die Bndgetperiode 1902—1903
schon früher vorgemerkt worden sind. Jm Ganzen sind
für 31 Projettc staatliche Peihilfen im Betrage von
344 321 Mark vorgemerkt und da der noch nicht ange-
wiesene Teil der sür die Bndgetperiode 1900—1901 be-
wiUiglen dNillel bis nns einen Restbetrag von 2789 M.
sür 13 ülkere Projekte bereiks bestimmt zngesichert ist,
kännte bei dem jetzigen ^tnnd anS der neuangeforderten
Siimme von -100 000 Mnrk nur noch der Betrag von
60—70 000 Mark für eine Zuwendnng an einzelne Kreis-
verbände in Betrachk kommen. Eine Vcrteilnng dieses
sich erübrigenden Betrages an die Kreise würde aber in

h)

Sneewittchen.

Roman von A. I. Mordtmann.

(Fortsetzung.)

, Es war also keine Gefahr. Paul Ivar beruhigr und setzte
!»> zum Essen uiedcr. Doch viel bermochte er auch jetzt nicht
llttnter zu bringen; er klingelte und ließ abräumen.
j Dann nahm er die Zeitung zur Hand mid wollte lesen.
: Cinige Male fuhr er mechanisch mit der Haud uach der
Zelle, wo sonst der von Anna bereitcte, mit Rotwein ber-
,'Ichte Grog stand, den cr abenös nach Tisch zu triiiken pflegte.
>1"er daran hatte das Mädchen natürlich nicht gedacht. Es
ihm jedesmal einen kleinen Stich — merkwürdig, von
Ucheii Kleinigkeiten der Mensch abhängig istl
t Cine Stunde hatte Paul gelesen und war noch immcr auf
ersten Seite der Zeiiung. Seine Gedanken ließen sich nicht
jitz dem Krankenzimmer ablenken, wo seine Frau lag mid
/ >hreu Fiebcrphantasieu uoch darau dachte, ob ihm auch nichts
^ seiucr Behaglichkeit gebreche.

j,. Braimte die Lampe so dunkel, oder trübte die Müdigkeit
^'>>e Augen. Er warf die Zeitung hin, löschte das Licht aus
j,'d bcgab sich in das Schlafzimmer. Es kam ihm kalt mid
0» vor, obgleich nichts dariii fehlte. Seine Frau war in
tzs» Fremdcnzimmer, das Lcsonders hell und luftig war, ge-
°net.

1 Berödet! Das war das Wort, das dcr Arzt gebraucht
dstle — welch ein häszliches, miheimliches Wortl Jndem Paul
jck Augeii schlotz, um eiiizuschlafoi, sprach er es halblaut vor
jip hin. Was nicht alles darin lagl Es gab kein anderes
^rt, das eine solche Fülle oon Elend in sich barg, Zwischen
üllafen mid Wachen kümpfend, kam er immer wiedcr darauf
ll"1>ck. Tod und Verödmig, das waren die Zwillingsgeschwister,
an die Thür Paul Mauvillons klopften nnd seine Seele
E Graucn erfüllten. Er wurde darüber wieder ganz wach.

Nachtlampe bramitc noch — bei Licht kann man nicht
'mfen, dachte Pauk mid er blies es aus.

Abcr auch in der Dunkelheit wollte der Schlaf nicht kom-
mcn. Wirrc Gedanken, miklare Phantasicii führten Paul
immer bis dicht an daS Thor, hinter dem augcnblickliches Ver-
gesscn winkt, aber cin plötzlichcs Erschrecken ritz ihn allemal
ivieder in volles Bewutztsein zurück. Wmidcrlich genug kreuz-
ten sich die Gcdaiiken in seinem Hirn. Trauer mid Besorgnis
wurden von Freude mid Hoffniing abgelöst; ideale Entschlüsse
kreuzten sich mit trivialen Absichten. Wie gut Zmrde er gegeu
Anna sein, iocmi sie erst genesen wäre; mid genesen mutzte
sie ja, demi der Arzt hatte ja gar keine Befürchtmig; warmu
sich also ängstigen? Dr. Eberhardt war als Weinkeimer bc-
kamii; er hatte den Wein getobt, den Paul ihm angeboten
hatte, Wenn Aima genas — lietz sich denn dies „Wemi"
gar nicht aus der Welt schafsen? Warum nicht einfach sagen:
nach Annas Gcncsungl — also nach Annas Genesung sollte
er zwci Dutzend Flaschcn von dem Wein haben; es war wirklich
eine gute Marke und der Mami verdiente sie- wohl, schon
dadurch, datz er Paul heute Abeud so vollständig berichigt
hatte,

Ja, vollständig bcruhigt hattc ihu der Arzt, das mutzte
man ihm lassen, wenn Paul nur seinen gewohnten Grog gehabt
hätte, würde er längst eingeschlasen sein — richtig — nur
daran koimte es liegcii. — „Wenn" Anna erst genesen war —
und die ermüdende Gedankcnreihe spann sich abermals von
vorue ab.

Als der Morgen grautc, erhob sich Paul bleich, übcrnächtig
und frösteliid; er hatte keine Minute geschlafen und war froh,
als das wieder begiimende Geräusch auf den Strahen ihm vcr-
kündcte, datz auch andere Menschcn wach scien. Der Bcricht
aus bem Krankenzimmer lautete nicht bemiruhigend, abcr
auch iiicht gerade günstig. Der Arzt, desseu Besuch Paul ab-
wartete, sprach sich wemger zuversichtlich als am Abend vorher
aus.

Der Tag verging für Paul in mierträglicher Spannung.
Die Hofftiung, datz eine Wendmig znm Besseren eintretcii
würde, crfüllte sich nicht, und abends Ivar eine so entschiedene
Verschlechtermig vorhanden, datz Eberhard ein bedenklichcs

Gesicht machtc. Auf Pauts Andriiigcn gestand er offen zu,
datz man sich auf alles gefatzt machen mützte.

Als Pciut sich an dcn gedcckten Tisch niedersetzte, ward
ihm mit Entsetzeu tlar, wie der gestrige Abeud, dcr doch schlimm
genug gewesen Ivar, ihm im Vergleich zu heute hell und
freudig crschien; gesteru durfte er noch zuversichtliche, heute
nur noch schwache Hoffnmig hegen; nie hatte er gcglaubt, datz
der cntsetzliche Abgrund, der beides tlcnnte, so tief sein könnte.
Ünd wic würde es morgen sein, wenn die schlimmsten Ahmni-
gen Gestalt amiehmen würden? Wie an dem Tage, da eine
mierbittliche Thatsache mit einem schwarzen Strich miwider-
ruftich abschlietzen Ivürde?

Sollte cr wirklich nie wiedcr das heitere Anrlitz Annas
sich gegenüber sehen? Sollte der dautbare Blick, der ihn für
jede Liebkosmig belohnte, sollte das frohe Lächelu, womit sie
jeder fremidlichcn Anwaiidlmig ooii ihm entgegeiigekommen
ivar, für immer erloschen sein? Wärc ihm doch nur wcnigstens
dafür eine Frist gegömit, das Versäumte gut zu machen mid
die arme Amia mit dem Bewutztsein aus dem Leben scheiden
zu lassen, datz er in tiefer Trauer um sie zurückbleibe!

Zu Bette mochte er nicht gehcn; wie konnte er sich mit
dem Gedankcn schlafen lcgen, dah er beim Erwachen vielleicht
mit einer furchtbaren Botschaft begrützt werdcn würde? Sollte
er rnhig schlummcrn, währcnd seine Fran dcn schweren Kampf
zwischen Leben nnd Tod ausfocht?

„Meiiie Frau!"

Eine warme Welle tiefcr Empfindmig flutete durch sein
ganzes Wesen, indem er lcise mid innig das Wort wieder-
holte. Die Polle Hingebung, das Jdeal der Gattenliebe hatte
Anna ihm gewährt, das gcstand cr sich rcnig nnd beschämt,
indem er rastlos hin iind her wanderte nnd unwillkürlich von
Zeit zu Zeit das magische Woxt sprach, das ihm an diesem
Abeiid dcr Fnbegriff alles Guten und Holden zu seiii schien.
Er dachte an Hclena, an andcre Fraueii, dic frühcr seine mehr
oder minder ftüchtige Neigung gefesselt hatten. Nein —-
nicht eine von ihnen wäre ihm das geworden, was Anna ihm
geworden war; keine andere konnte es ihm jemäls werden.
 
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