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Heidelberger Zeitung (44) — 1902 (Januar bis Juni)

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Nr. 51-74 (1. März 1902 - 29.März 1902)
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https://doi.org/10.11588/diglit.23860#0456
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Drittes Blatt.

44. IabrgMg — Ar. 57

Camstaa, 8 März 1902.

Erscheinl täglich, SonntagL auSgenommen. — Preis mit Famtlienblättern monatlich 50 Pfa. in's Haus gebracht, bei der Expedition und den Zwetgstellen abgcholt 40 Pfg. Durch die Post be-

zogen vierteljährlich 1.35 Mk. ausschließlich Zustellgebühr.

«nzeigenpreis:20 Pfg. die Ispaltige Petitzeile oder deren Raum. Reklamezeile 40 Pfg. Für hiesiae Geschäfts- und Privatanzeigen ermäßigt. — Für die Aufnahme von Anzcigen an bestimmt
vorgeschriebenen Tagen wird keine Verantwortlichkeit übernommen. — Anschlag der Jnserate auf den Plakattafeln der Heidelberger Zeitung und den Plakatsäulen. — Fernsprech-Anschluß Nr. 82.

Z>ie revolultonäre Mewegung unler den
russtschen Stndenten.

Ini Anschlriß mi die ofsizielle Mtteilung des russi-
schen Unterrichtsnünisters, daß anläßlich der Studenten-
nnruhcn in Moskau 400 Studenten vom Besuch der Uni-
versität ausgeschlossen seien, schreibt man den
„Leipz. N. Nachr." aus Petersburg: Die Gährung
unter der russisch^i studierendenJugend ist ganz bedeutend
imWachsen begriffen. Die für den 8. Februar (russi-
schen Stils) befürchteten Unruhen in Petersburg sind
zwar nicht in dem llmfange eingetreten, wie im vorigen
Jahre. Die Schließung der Universität und das Aus-
fallen des Jahresaktes haben in dieser Beziehung als
Präventivmaßregeln gewirkt. Jmmerhin kam es zu
einem Zusammenstoß irn „Volkshause Kaiser Niko-
laus II.", einem Vergnügungslokale des Volksmäßig-
keitsvereins. Wie im vorigen Jahre auf dem Kasan-
schen Platze, wußte man auf beiden Seiten, was bevor-
ftand. Die Polizei war unterrichtet, daß man sich dort
in größerer Anzahl demonstrativ versammeln werde,
hatte aber auch der Studentenschaft keinen Zweifel da-
rüber gelassen, daß man sich vorsehen werde. Nur daß
diesmal keine Kosaken, sondern eine beträchtliche Menge
Dworniks (Hausknechte, die als Polizeiorgane anzusehen
sind) aufgeboten waren. Als daher am genannten Tage
eine Anzahl von über 100 Studierenden erschien, um im
Dolkshause zu demonstrieren, wurde fie von der Schaar
dieser handfesten Männer ziemlich unfanft enrpfangen. Es
spielten sich, wie stets bei diesen Gelegenheiten, Prügel-
szenen ab, die an Erbitterung und Rohheit kaum etwas
Zu wünschen übrig ließen. Wenn die thatsächlichen Vor-
gänge auch stark iibertrieben werden, — der Mangel an
authentischen Berichten in der Presse begünssigt, wie be-
greiflich, die mündliche Legendenbildung ganz ungeheuer-
lich — so sollen doch die Studenten zahlreiche Schwerver-
letzte hierbei gehabt haben.

So schmerzlich gewiß auch diesmal wieder solche Ge-
waltakte empfunden werden, so darf nian doch in die üb-
sichen Vorwürfe, die gewisse liberale Elemente immer und
immer wieder gegen die Staatsgewalt erheben, nicht ein-
ssimmen. Die Regierung hat, wie bekannt, den Stu-
denten durchaus die Hand zum Frieden g eb o-
ten und sich mit ihnen über Reformen innerhalb des llni-
versitätslebens in eutgegenkommendster Weise zu be-
sprechen geneigt erklärt. Wenn aber, wie in öffentlichen
Versamlungen geschehen, nunmehr der Mantel fallen ge-
lassen uud ohne Rücksicht lauter und lauter das Thema
von der Abschaffung der S e lb sth e r r s ch a f t
und der Volksbefreiung angeschlagen wird, so
muß die ganze Frage von einem völlig anderen Stand-
Punkte angesehen werden. Es handelt sich jetzt nicht niehr
um die Gewährung von studentischen Freiheiten, wie
sie auf den Hochschulen des Auslandes in mehr oder min-
der großem llmfange bestehen, sondern um die Freiheit
im Sinne der staatlichen Revolution überhaupt. Jn
einem umfangreichen hektographischen Circular, das am
Jahrestage der llniversität verschickt worden ist, kam diese
wahre Natur der Bewegung in geradezu erschreckender
Deutlichkeit zum Ausdruck. Mit Begeisterung wurde
hier von den offen revolutionären Demonstrationen an
der Charkowcr llniversität berichtet, wo man mit roten
Fahnen herumgezogen ist, Stellen wie „Einigkeit macht
stark,, oder „Nieder mit der Selbstherrschaft" waren

Keidel'öerger H»taudereien.

(?) Heidetberir, 8. März.

Am vergangencn Montag saß ein Dienstmann in einer Wirt-
schaft der Oststadt bcim „Namcnlosen". Der Mann leerte
nacheinander verschiedcne Gläser dieses wolilschmcckenden Bie-
res, sodatz er eincn heitzcn 51opf bekam und schlietzlich durch
seinc dnmmen Redensarten sowie durch sein nicht gerade an-
ständig zu nennendes Benehmen den andercn Gästen lästig
wurde. „Hörcn Sic eiumal, Dienstmannl" ricf auf einmal
der am Büffet stehcndc Wirt, „ich habe einen Aufirag sür Sie!
Jm Ncbenzimmer sitzt ein Herr, dcr möchte gerne wisscn, um
welche Zcit vom Hauptbahnhof aus der fahrplanmätzige Zug
l0 tihr 5 Min. von hicr nach Würzburg abgcht. Hier haben
Sic cincchalbc Mark und nun gehen Sie Hinaus auf den Hanpt-
bahnhof, erkundigen sich dort und sagen wieder Antwort."

Dcr Dieustmann, froh, den Auftrag bekommcn zu haben,
uiachtc sich im Dusel auf seine im allgemeinen znm Marschieren
nicht bcsonders gut gceignete Bcine und ging dem Hauptbahnhof
Zu. Trotzdem er am Billctschalter eine nicht gerade höflrche
Antwort auf seinc Fragc bckam, merkte er crst bei sciner Rück-
lehr in die Wirtschast an dcm schallenden Gelächter der Gäste,
datz er zum bestcn gehalten wordcn sei. Nun aber machte der
Mami scinem Zorn mit cincr Flut von Heidelbergcr Lokal-
Ichlagwörtern Lust. Nachdcm er scinen Vorrat an Kcrnsprüchen
erschöpft hattc, bedachte er, schon unter der Thürc stehcnd, den
boshaftcn Wirt mit cincr nicht mitzzuverstchendcn Einladung
Hnd schlug dann dic THLre zn.

Einige Tagc vorher passierte zwci Herren ans Frankfurt
c>n fatales Mitzgcschick. Diese beidcn, wovon dcr eine ein
Kairsmann mit eincm klcincn Musterkoffer, der andcre ein
Privatmann, standen drautzen am Bahnhof und wartetcn auf
öer rechten Seite der Geleise beim ehemaligen Main-Neckar-
Bahnhof auf den um 0 Nhr 66 Min. nach Frankfurt abgehen-
den Schnellzug. Dort stand cine grötzere Anzahl Wagen zur

groß geschrieben und unterstrichen, und ganz direkt wurde
gepredigt, daß man sich mit den Kreisen des arbeitenden
Volkes znr Erreichung gemeinsamer Ziele verbinden solle.

Diese Sprache muß selbstverständlich auch denen die
Augen öffnen, die bisher für die geistig unterdrückte
russische Jugend nicht genug eintreten konnten. Es liegt
eine revolutionäre Verhetzung der Universitäten
in großem Stile vor, die umso gefährlicher erscheint, als
sie auch die guten und loyalen Elemente mit fortreißt und
die überzeugten Gegner zwingt, wenigstens mit unter den
Maßnahmen der Regierung, wie der Schließung der
Universität, zn leiden. Die Jdeale der wortführenden
Kreise der russischen Studentenschaft sind jedenfalls denen
der gegenwärtigen Staatsordnung Rußlands direkt ent-
gegengesetzt. Daß ihre gewaltsame Geltendmachung
einen ebenso gwaltsamen Gegendruck zur Folge hat, kann
nicht Wunder nehmen. Und die geradezu kindliche, un-
reife Art, in der die Studenten wie aufsässige Schüler
demonstrieren und in der sie, ohne Vbrständnis von dem
Wesen und der Entwickelung des russischen Staates, dem
Gange der Zeit in vielleicht gänzlich verfehlter Richtung
vorgreifen wollen, läßt die Stärke dieses Gegendrucks
nur umso gerechtfertigter erscheinen.

Diese Darstellung ist gewiß nicht völlig von der Hand
zu weisen. Nur wird man es für ebenso verfehlt halten
müssen, wenn die russische Regierung glaubt, mit star-
kem Gegendruck allein schon genng gethan zu haben.

Deutsches Reich.

— Das Reichspatentamt kann demnächst auf
eine 25jährige Thätigkeit zurückblicken. Aus diesem An-
laß hat der Präsident des Patentamtes, v. Huber (geb.
Württemberger), dem Staatssekretär des Jnnern einen
Bericht über „Die Geschäftsthätigkeit des kaiserlichen
Patentamtes über die Beziehungen des Patentschutzes
zu der Entwickelung der einzelnen Jndustriezweige
Deutschlands" überreicht, ein Werk, das reiches Material
liefert für die Geschichte der Erfindungen und der Ent-
wicklung der deutschen Jndustrie in den letzten 25 Jahren.
Die von dem Patentamt zu bewältigende Arbeitslast hat
von Jahr zu Jahr zugenommen. Jm Jahre 1877 betrug
die Zahl der angemeldeten Erfindungen etwa 3000 und
im Laufe der inswischen verflossenen 25 Jahre ist sie auf
mehr als das Hundertfache angewachsen. Von den an-
gemeldeten Erfindungen ist allerdings nur weniger als
die Hälfte als patentsähig anerkannt worden und sehr
viele Patente sind im Laufe derZeit wieder erloschen, so
daß beim Abschlnß des Berichtes nur wenig über 25 000
in Kraft waren. Das Patentamt begann im Jahre 1877
seine' Thätigkeit mit 22 Mitgliedern, die nur nebenamt-
lich thätig waren: gegenwärtig beträgt die Zahl der Mit-
glieder 117; die Gesamtzahl der beschäftigten Personen
ist von 40 i. I. 1877 auf 729 i. I. 1901 gestiegen. Die
Einnahmen wuchsen von 400 000 M. i. I. 1878 auf
5 Millionen Mark i. I. 190C

Aus Stadt und Land.

C> Schöffengerichtssttzimg vom 6. März. Vorsitzender: Hr.
Amtsgerichtsdirektor Rtbstein. 1) Katharina Winter Witwe von
Robrkach erhielt wegen Vergehens gegen daS Nahrungsmittel-
gisetz 30 Mk Gcldstrafe oder'b Tage Gefängnis; 2) die Be-
rufniift dcs Wilhelm Kaiser hier wegen Bestrasung cines Ver-
gehens ftegcn das Jnval..Ve,sichek.-Gesctz wurde verworfen; 3)

Personeiibeförderung, wclcher llmstand sie zu der Aiiiiahme ver-
leitete, es' wäre dies der Zug, wclcher sie nach Frankfurt bringeu
sollte. Als die Abfahrtszeit gekommen war und kein Schaff-
ner die Wagcnthüren öffnetc, stcllte ciner der beiden an einen
Bahnbedienstctcn die Frage, ob dcnn der Schnellzug nach Frank-
furt noch nicht bald abgehe. Dieser lenkte mit ciner Hand-
bewegung das Augenmcrk des Fragcudcu auf das linke (Oden-

wald-)Bahngeleise und — o Jammer-„ebe fährt's Züglc

zum Bahnhof hinaus und die beiden Frankfurter standcn am
Perron und sahen ihm nachl

„Es ist das grötzte Unglück noch lange nichtl" mcintc einer
von ihnen. „Jetzt gehen wir in eine Wirtschaft, esseu und
trruken etlvas, dann wird sich die Fahrt nach Frankfurt mit
dem nächsten Zug umso bchaglichcr machcn lassen. Gesayt,
geihan l Die Frankfurter Herren suchten und fanden bald in
dcr Nähe des Bahnhofs ein Restanrant und bestellten dort einc
Flasche guten Wcincs und zwei Portionen saftigcn Bratcn.

„Nun sage mir, Freund, hast Du Dich in Heidelberg gut
amüsiert?" fragtc der Kaufmann seinen Reisegefährten, aks
sic so dasatzen und auf dcn Bratcn warteten.

„Es geht so!" gab der Gefragte zur Antwort. „Jch bin
auf dem Schlotz gewesen uud wem sollte es dort nicht gcfallen!
Aufgefaklen ist mir beim Verlasscn des Schlosscs, datz mau bei
der Bcrgbahnstation nicht einmal eine Bedürfnisanstalt finden
kann. Dann bin ich einen in westlicher Richtung führcndcn
steilen gepflasterten Weg hiinmtergcgangen. Am Ende des ge-
pflastcrten Weges steht eine Wirtschaft und vor dicser stand
ein Möbelwagen: cin paar halbwüchsige Burschcn abcr sangcn
odcr viclmchr schrieen:

Der Wenzel kommt, dcr Wcnzel kommt,

Der Wenzcl ist schou da!

llnd wcnn der Wcnzcl wiederkommt,

Dann bringt er mit die Fraa!
eiu Gassenhauer, der, wic ich auch hier wieder bemerki habc,
allüberall gesungen oder gepfiffen wird; weiter unien sieht man
auf einem Postament die Büstc cines Fcucrwehrmanncs und

vemricy Mo-ymaier in vatl hier erhielt wegen Körperverletzung
2 Monate uiid 2 Wochcn GefängntS; 4) wegen Unterschlagung
bezw. Hehlerei erhtelt Georg Hambrecht von Kirchheim 2 Wochen
und Georg Engelhardt von Plankstadt 3 Tage Gefängnis; 5)
Ferdin. Ltnz von Esfen crhielt wegen Betrugs 3 Wochen Gefäng.
niS; 6) wegen Körpervcrletzung erhielt Heinrich Rückel von Heu-
chelheim 7 Tage Gefangnis und 3 Mk. Geldstrafe oder 1 Tag
Haft. Adolf Toring von Zobten und Wilhelm Funk von Neckar.
gemünd ie 10 Tage GefängniS. Emil Buser vou Darmstadt und
Heinrich Will von Neckargemünd je 7 Tage Gefängnis; 7) die
Vcrhandlung gegen AndreaS Sauer und Johannes Nahm von
Dosscnheim wegen Beleidigung, Körpcrverletzung und Uebertre-
tung bahnpoltzeilicher Vorschriften wurde vertagl; 8) Emma Neuner
von Bettigheim, 9) Kathanna Brunn hier und 10) Jakob Ludwig
von Neckargemünd crhielten wegen DtebstahlS je 3 Tage Ge-
sangnis.

Mannhrim, 6. März. (D i e E r h öh u n g d e r H u n d s-
taxe.) Es wird die Erhebung eines Gemeindezuschlags von
8 SNark für jedeu Hund in Vorschlag gebracht. Die dadurch
erwachseiide Einiiahme von jährlich ca. 28 000 bis 29 000 M.
soll dazu diencn, die Mittel zur Erbauung eiues der Beschäftig-
ung der Arbeitslosen dieiienden Gebäudes zu beschasien. Mit
der Erstellung diescs Gebäudes wird nicht zugewartet werden.
bis der hiefur erforderliche Betrag voii jedenfalls wcit über
100 000 M. aufgebracht ist, sondern es wird das Hochbauamt
mit der unverzüglichen Ausarbeitung dcs Projekts beauftraqt
werden. Das Baukapital wird alsdann aus dcm Anlehensfond
vorschüßlich geleistet und diesem durch lleberweisung der Er-
tragmsse des Gemeindezuschlags wieder zugeführt.

Mamiheim, 6. März. (DieBudgetberatung im
B ü r.g e raus s ch n tz.) Mr die Beratung des diesjährigen
städtischen Budgets im Bürgerausschuh sind folgende vier
Tage vorgesehen: Freitag, 21. März, Samstag, 22. März,
Montag, 24. März und Mittwoch, 26. März. Wie wir hören,
hält man es aber in Stadtratskreisen für wahrscheinlich,
dah dieje vier Tage nicht ausreichen, da sich voraussichtlich
em heftigcr Kampf über die Höhe des Umlagefußes eiitspin-
ncii wird. Wie wir crfahreu, schlägt dcr Stadtrat eine ziem-
lich erhcbliche Steigerung des Unilagefuhes vor. Es sind aber
im Stadtrat und in den Kreisen des Bürgerausschusses Strö-
muiigen vorhauden, tvelche die von der Mehrheit des Stadt-
rates für notwciidig crachtete Umlageerhöhung um mehrere
Pfennig reduzieren möchten. Die Kommunalpolitik wird in
Folge dessen in den nächsten Wochen in Mannheim mit im
Vordergrund des öffentlichen Jnteresses stehen. Vom Stadt-
rat wird cine Erhöhimg des Umlagefuhes von 50 auf 60 Pf.
vorgeschlagen. Der nuiimehr vorliegende Voranschlag zeigt
gegenüber der andauernden starken Ausgabeerhöhungen unge-
nügende Vcrmchrung der Eimiahmep, so dah der dnrch Umlagen
zu deckende Aufwand nm 992 900 Mark höher ist als jeuer
des Vorjahres. Da durch die Zunahme der Steuerkapitalien
nur der Betrag vou 292 400 Mark igegcii 330 000 Mark
im Vorjahr) aufgebracht wird, so soll dcr Rest mit 690 000 M.
durch Erhöhung des Umlagefutzes und zwar von 60 auf 60 Pf.
gedeckt wcrdcn. Von Seiten dcs Stadtrates ist die Erhebung
folgeiidcr llmlagen beantragt: 1. Von denjenigen hiesigen
Steuerpflichtigen, welche am 31. Dezember 1898 in der Ge-
mcinde Ncckaran nicht nmlagepflichtig waren 60 Pfennig von
100 Mark Grmid-, Häuser-, Gefäll- und Gewcrbesteuerkapital,
180 Pfcmng von 100 Mark Einkommensteueranschlag und 8,8
Pfennig von 100 Mark Kapitalrentensteuerkapital. 2. Von
denjeiiigcn Steuerpflichtigen, welche am 31. Dezember 1893
in dcr Gemcindc Ncckaran umlagepflichtig warcn, 30 Pfemiig
von 100 Mark Grund-, Häuser-, Gefäll- und Gewerbesteuer-
kapiial, 90 Pfeunig von 100 Mark Einkommensteueranschlag
und 88 Pfennig von 100 Mark Kapitalrentensteuerkapital.

Mannheim. 6. März. (Nachwehen der Fastnacht.)
Am Fastnacht.Sonntaft waftte sich die Ladnerin Anna H. als
Herr verkleidet in den Straßentrubel, wurde aber von dcr Jugend
als Anftehörifte deS zarten GeschlechtS erkannt und angculkt. Die
Anna war aber nicht faul und fuhr mit ihrem Stock energisch
unter die jungen Burschen, wobei ein Realschüler cinen Hiel»

nicht weit davon traf ich anf einc brcite Stratzc mit prächtigen
Häusern und Villen, sowie schöncn gärtncrischen Anlagen, deren
imgepflasterte Fahrbahn aber sehr schmutzig war, so datz — —

„Du kannst noch zufricdcn seinl" untcrbrach ihn der Kauf-
mann. „Jch habc bci mcinem Geschäftsgange durch die
Straßen der Stadt bei cincm Stnrz bcinahe Hals und Beine
gebroche». Es ist aber auch sonderbarl So oft ich nach Hei--
dclberg komme, wird von den Etdarbcitern in den Strahen
dcr Stadt hernmgcbohrt I-

Während dieser llntcrhaltung serviertc der Kellncr dcn ge-
wünschten Bratcn und nmr thaten sich die beiden an dem saf-
tigen Braten, der ihnen allem Anschein nach gut mundete, güt-
lich. Hin und wiedcr wurdc cin Schlnck Wcin geirunken, ihre
gute Laime kam wieder und wuchs im Laufe der llnterhaltung
dcrart, dasz sie bchanptctcn, in Heidclbcrg lasse es sich recht
angenehm und gemütlich lebcn nnd cs sci eigcntlich cin Glück
gewcsen, den Zug vcrsäiimt zu haben.

Die Zeit verstrich so allgemach und uach der Uhr sehcnd,
mcinte cincr von ihncn, cs wäre jctzt Zeit zum Aufbruch,
um den 11 llhr 62 Mimcken nach Frankfurt abgehenden Perso-
iicnzug zu 'crreichen. Sie standen dcnn anch rechtzeitig vor
dem znr Abfahrt bereit gestellten Zuge mid der Schaffner
öffnetc bcrcits dic Wagen zum Einsteigen, — da aufcinmal
macht der Kaufmann die Entdeckung, dah er seinen Musterkoffer
in der Wirtschaft zurückgekasscn habe. „Ohne meinen Muster-
koffer darf Ich in Frankfurt nicht eintreffenl" rief,er aus.
Tic bcidcn ranntcn in dic Wirtschaft, nm dcn Koffer zu holen,
mid als sic zurückkamen, war's „Zügle" wieder abgefahren.

Nun standen dic bciden am Perroii in dem Bewuhtscin,
die Mistzrc sclbst vcrschuldet zu habcu. Wohl hätten sie füg-
lich, wie es ja gar zu gerne geschieht, dcr Eisenbahn ctwas
am Zeugc gcflickt, aber in dicsem Falle wäre jedes Schelten
cin llnrccht gcivcsen und, dieses einsehend, erklärte ciner von
ihnen: „Jctzt wird nicht von der Stclle gewichen, bis der
nächste Zng nach Frankfurt abgchtl"
 
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