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Heidelberger Zeitung (44) — 1902 (Januar bis Juni)

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Nr. 51-74 (1. März 1902 - 29.März 1902)
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https://doi.org/10.11588/diglit.23860#0588
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^rschcint tnglich, Sonntags ausgenommen. — Preis mit Familienblättern monatlich 50 Pfg. in's Haus gebracht, bci der Expedition und dcn Zweigstcllen abgeholt 40 Pfg. Turch die Post de-

zogen vierteljährlich 1.35 Mk. ausschließlich Znstellgebühr.

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^°rgeschriebenen Tagen wird keine Verantwortlichkeit übernommen. — Anschlag der Jnserate auf den Plakattafeln der Heidelberger Zeitung und den städt. Anschlagstellen. Fernsprech-Anschluß Nr. 82

Dmmerstag, 27. Marz 1SV2. Zweitcs Blatt._44. Jahrgallg. — »r. 73.

Ev>

^ie Mevökkerung Madens nach der Wettgio».

, Vom Statlftischcn Landesamt gehen der „Südd. Reichs-
wrresp." folgende Mitteilungen zu:

Die am 1. Dezember 1800 im Großherzogtum ermittelten
1867 944 Ortsanwesenden unterschicden sich nach ihrer Re-
"gion üeziehungsweise ihrem besondcren Bekenntnis wie folgt:

Zahl dagegen 1895"/.

angelische. 704058 37.7 36,9

c.tholische.' 1 131639 60,6 61,3

Braeliten. 26132 1,4 1,5

«onstige. ^115 0,3 9,3

. Einschließlich der unter dcn „Sonstigen" enthaltcnen „an-
orren Christen" (5563 Personen) gchörten 1 841 260 oder
.0-6 Prozent dcr gcsamtcn Bevvlkernng der christlichcn Re-
"gion an.

, Untcr den Evangelischen befanden sich 701 964 Ange-
Mrige der evangelisch-protestantischen Landeskirche, 1641 Lu-
therancr, Altlutheraner, Evangclisch-Lutherische rc., 431 Re-
torrnirte (einschliehlich dcr Französisch- und Holländisch-Re-
wrinicrten rc.) und 22 sonstigen evangelischen Bekenntnissen
-Zlgehörige. Von dcn katholischen Christen warcn 1 123 057
^atholische beziehungswcise RömischhKatholische, 8356 Alt-
wtholische, 11 Russisch-Orihodoxe und 215 Angchörige anderer
llriechisch-latholischen Kirchen. Die 6115 Sonstigen setzten sich,
t'lc schon oben erwähnt, aus 6563 anderen Christen (darunter
7.60 Bekenner dcr evangclischcn Brüdcrgemeinde rc., 1079
sNcnnoniten, 807 Baptisten rc., 267 verschiedene Bekenner der
/tilglischcn Kirche, 711 Methodisten, 184 Apostolische, 2010
Oweireligiöse, 117 Dissidentcn rc.), 21 Bekenncrn nicht-christ-
Mcr Rcligionen (7 Buddhisten und 14 Mohamedaner), 470
Rersonen anderer Bekcnntnisse (Atheistcn, Frcidenker, Reli-
Rons- und Konfcssionslose rc.) und 61 Personen ohne Angabe
l'es Bekenntnisses zusammcn.

. Seit 1895 hat sich dic absolute Zahl der Bekenncr aller
?lchtigen Religionen vermehrt, aber in verschiedener Stärke;
ja bctrng die Znnahme bci der ganzcn Gruppe der Evangeli-
Ucn 10,42, bci dcn Angchörigcn dcr evangelischen Landes-
tsi^che sogar 10,48 Proz., bei der Gesamtgruppe der Katholiken
/-02 und bci der Römisch-Katholischen insbcsondcre 7,11 Proz.,
«ci den Jsraeliten dagegen nur 0,88 Proz. Da die Gesamt-
ssswehrung dcr ortsanwesendcn Bevölkerung in Baden in der
'chten Zählpcriode rund 8,26 Proz. betrug, so blcibt die Zu-
Nhme der Katholikcn ctwas sum 114 Proz.), hinter dcm
-mmachsen der gesamtcn Bcvölkerung zurück nnd daher kommt
datz nur dic Evangelischcn auch rclativ einc Zunahmc auf-
snweisen haben.

Wat und MaHnung für Kttern.

s,. >ne. Aus dem Amtsbezirk, 25. März. Gegenivärtig haben
cvf Schulcn ihrc Pforten gcschlossen nnd allenthalben herrscht
9^vic,,stimmung. Jn der Nähe der Schulhäuscr konnte man
dcn letzten Tagcn ganz eigenartige Beobachtungen machen,
> ö- B. dic Kleincn die Köpfe zusammenstcckten, um gcgen-
zu crkunden, wie das Zeugnis ausgefallen sei. Der
urarschiertc stolz und gchobenen Hauptes, im Bewutztsein
«st' Erfolgcs und voller Freude, datz er glatt in die höhere
„M'se aufsteigt, seines Weges nach Hause. Der andere hin-
,8en mätzigt seine Schritte und lätzt den Kopf hängen; denn
d Szenc, dic sich daheim entwickeln wird, wenn der Vater
Zeugnis zu Gesicht bekommt, kann man nie spät genug
s,?oneu. Jn der That, das Zcugnis von Ostcrn ist cin Ge-
rIuk, an dem nicht jcder Schüler seine aufrichtige Freude
chvcu lann und hat. Vielleicht geschicht aber gerade an den
tz', gnisverteilungstagen auf dcm püdagogischen Gcbicte seitens
^Eltern etwas zu viel des Gutcn. Es hat durchaus kcinen


Sneewiltchen.

Romau von A. I. Mordtniann.
(Schlutz.)

^ --Wtel" rief Helcne cntrüstet. „Sie hat dich ausgcschla-
- !vo sie doch cigentlich dir alles verdanken?"

"Aber Schwesterchenl" entgegnete Rndolf, unwillkürlich, datz
h,:, öie Dankbarkeit cin gcnügender Ersatz sür die Liebe sein
»rded"

ich "Neiu, das picht," sagte Helene etwas kleinlaut. „Aber
weiute . . . ."

"Ta, du mciutest, alle Müdchcu mützten mich mit deinen
nnsehcn. Aber das thun sie nnn einmal nichtl"
b>u.sie hat nein gesagt? Viellcichr hast du dir auch
>i,, ^^gebildet, sie würde ein sagen. Männcr sind oft so
Ssst^schickt und thöricht — und besonders du, mcin armer

"Nein — nein — ich will dir die Geschichte crzählen und
ist./^'irst du schen, datz nichts mehr daran gut zu machen

Sistst^elene rückte dichter an ihren Brudcr hcran, inid er cr-
A während sie ihm ab und zu tröstend die Hand streichcltc.
^O-^as wir in Taulouse angestellt habcn, uud welche «uf-
Zeit wir da durchzumachen hatten, weitzt dn. Mich
l«,,,^'vt immcr nur, wie ich daneben noch an das denkcn
)nas wir pcrsönlich am Herzen lag. Als aber die,
bli^Otrophe vorübcr war, führte ich den Plan aus, den ich

l^wacht hatte; ich war überzeugt, datz cs mir nicht fehlen
Ao>, t jvcil ich bemcrkt hattc, dntz Josephine mir schr zuge-
"Iqr wi, sich gern mit mir untcrhielt uud mcine kleineu
Zkerien mit eincr schüchternen Freundlichkeit aufnahm,
ich die günstigsten Folgerungen zog.

^>id ^ fvagte also ihren Onkcl, ob er etwas dagegen eiuzu-
K4st ^ätte, wenn ich mich um Joscphinc bewerben wolltc.
oKb?^^ustet ivics er dcn Gedanken ab, dah er cine solche
L anders als mit Entzücken nufnehmcn würde. Und

> ^ o ^ ^ äcnn Josephine, ob sie meine Fran wcrdeii ivolle.

?nir ihr Jawort; daß sic dabei sehr zurückhaltcnd war
^ dulden wollte, datz ich ihr cincillKutz gab, schrieb

HOp grotzen Jugcnd zu. -

»Oie Frcude sollte abcr nicht von langcr Daucr sein.

Simi, wemi der gcstrenge Hcrr Papa sich vielleicht das ganze
Jahr hindurch um die Fortschritte seiiies Sprötzlings nicht ge-
kümmcrt hat und dann im Aerger übcr ein schlechtes Zeugnis
am letzten Tage vor den Fericn eine fnrchtbare Musterung
abhält, bci der Hculcn und Zähneknirschen herrscht. Das
Merdümmste aber ist, wemi die Eltern in ihrer gekränkten
Eitelkeit wegen des schlechtcn Zeugnisses ihres Lieblings dcm
Lchrer mündlich oder schriftlich allcrhand Beleidiguugcn an
den Kopf werfcn. Das kommt manchmal noch vor — leider.
Glücklicherwcise gehen für Schule und Elteriihaus die uuan-
genchmen Zwischenfälle cbenso vorüber, wie die angenchmen.
Doch auch cine schlechte Censur kann schlietzlich, !vic alles
Ungcmach, noch eine gute Folge haben: der cigentlich Schuldige
ist nämlich in vielen Fällen nicht immer der arme Sünder,
der mit kauter „ungenügend" nach Hausc kommt, sondern
ebenso öfk' sind cs die Eltcrn, die der Schule chcr entgcgen-
arbeitcn, aks datz sic ihr bei dem wichtigen Erziehungswcrke
helfcnd zur Seite stehcn. Es bedarf wohl für jeden Einsich-
tigcn keines Beweises, datz, wenn die Erziehungsthätigkeit cine
scgensrekche wcrdcn soll, sämtliche Erziehnngsfaktorcn nach
glcichen GrmidAtzeii imd zu gleichem Zicle hin arbeiten, datz
ganz besonders Haus und Schule initcinandcr Hand in Hand
gehen müssen. Die Eltcrn haben die Verpflichtung, öie Kin-
der rcgekmätzig und zu rcchter Zeit in die Schulc zu schicken,
sic mit dcn uötigen Lehrmitteln zu versehen, ihncn zu Hause
Zcit zu gcben, datz sie ihre Schiilaufgabcn pünktlich und ge-
wissenhaft fertigen können. Gewisscnhafte Eltcrn lassen cs
sich auch crnstlich angelegcn sein, sich von Zeit zu Zeit bei dcm
Lehrcr übcr den Fleiß und die Fortschritte ihrer Kiuder zu
crkundigcn. Sie kontrollieren ab und zu ihre Hausaufgaben,
werfcn einen Blick in dic Hefte, stellen Fragcn, lassen es an
Tadck übcr Lässigkeit und Ilnaufmerksamkeit nicht fchlen,
alles dieses zieht gewitz besscr, als am leßten Ende eine schwcre
Tracht Prügel.

Aus Stadt uud Land.

Eberbach, 21. März. (S t e l l e n w e ch s e l.) Die „Oberl.
Ztg." schreibt: Unser in allen Kreisen und in dcm ganzen
Bezirk hochgeschätzter und beliebter Oberförster v. Stetten
hat heute seine Versetzung nach Baden-Baden erhalten. Jn
ihm verlicrt die Stadtgcmciude einen der tüchtigsten Beamtcn,
der in ber gewissenhaftesten Weise das Jnteresse der Stadt
und seines ganzen Forstbczirks gewahrt hat. Er war ein mi-
erkannt tüchtiger Forstbeamter und hatte viele Vernachlässig-
ungen, die in früheren Jahren vorgekommen, durch richtige
Kulturanlagen verbessert, und gut zu machen gesucht. Die
vielen schön angelcgtcn Hutpfade, welche dem Spaziergänger
zur Erholung dienen und dem Hutpersonal den Dienst erlcich-
tertcn, sind iiur ihm zu verdanken, wie er sich überhaupt als
Vorstand des Verschönerungsvereins viele Verdienste erworben
hat. Der Bürgcrausschutz verliert in ihm eines seincr vcr-
dienstvollsten Mitglicdcr, welcher in hervorragender Weise
seine Erfahrungen nnd Kenntiüsse stets in den Dienst der All-
gemeinheit stellte und manchen guten Rat crteilte. So schr
wir uns freuen, daß diese Versetzunch für ihn eine chrende
Anerkemmng ist, so gerne hätten wir ihn immer bei uns be-
halten. So viel wir hören, wurde die hicsige Stelle dem Herrn
Forstmeister Kirchgetzner von Zwingenberg übertragen.

):( Mannheim, 25. März. (T h e o s o p h i s ch e G e-
sellschaft.) Jm Saalc dcr Hochschule für Musik, M. 1, 8
sprach Herr Arthur Weber aus Leipzig am Montag Aüend
über: „D i e Grundlehren der b u d d h i st i s ch e n
R e l i g i o n s p h i l o s o p h i e". Redner gab zunächst einen
kurzcn Ueberblick über das Lebcn des Gantama, des „Bud-
dha", d. i. Erleuchtetcn. Geborcn wurde Gautama etwa 600

Als !ch einige Stunden daraus mit Herrn Anatole sprach, nm
mit ihm Vcrabrcdungcn für die Zutünft zu trcffen. Uctz er
die Bemcrkung sallen, es wäre gut, wenn ich dic Heirat mög-
lichst b-^schlcimigte. Diese Bemcrkung machte mich stntzig, ich
lietz mit dringkichcn Fragen nicht nach, und dami kam es heraus,
datz zwischen Josephinc und eincm weitläufigcn Verwandtcn,
der in Toulouse als Leutnant in Garnison stand, cinc klcine
Jugendliebelci stattgefunden habe, von der Herrn Anatole
ziemlich geringschützig sprach, die es aber doch rätlich erscheinen
lasse, datz die beidcn sich aus den Augen kämen. Man salle,
wenn man auch.nicht sicher sei, niemaud iu Versuchung führen,
und was dergleichen Rcdcnsartcn mehr waren.

Nun nahm ich mir Joscphinc vor nnd bat sie, ganz offcii
zu sein, wenn sie jenem Lentnaiit eine grötzcre Znnciguiig als
mir schenke, so sei ich keineswcgs gcsonnen, aus dcr geringcn
Erkenntlicheit, die sie mir schuldete, Ansprüche auf ihrc Hand
abzuleiten, die ich mir ihrer Liebe verdankcn Ivolltc. Sie war
anfänglich sehr verwnndert, lachte über mcine deutschen Phra-
scn, wie sie es nannte, gab aber ohne wcitcres zu, datz jener
Leutnant für sie schwärme und datz sie ihn sehr gern habc.
Aüs ihrcm ganzcn Wescn cntnahm ich, datz sie zwischen Pflicht-
gcfühl und Licbe schwankte, und damit war mir mcin Weg
vorgeschrieben."

Da Rudols verstummte und in Nachsinncn vcrsank, wagte
Helene nicht, ihn darin zu stören. Sie war um das Schicksal
ihrcs Bruders so namenlos betrübt, datz sie es nicht übcr
sich gewinnen konnte, ihm zu sagen, was sie dachte — datz
er uämlich übereilt und unklug gehandclt habc.

Rudolf raffte sich eudlich aus seiuen trüben Gcdanken niis,
nm seine Gcschichte zu becndigcn: „Das war das letztcmal, datz
ich Joesphinc gescben habe. Jch gab ihr beim Abschicd nur die
Hand und untcrlictz jede weitere Liebkosung. Vom Hotel
schrieb ich ihr dann einen Bricf, worin ich dem Glück ent-
sagte, das ich an ihrer Seite crwartct hatte, weil es imr
ividerstrebc, es auf Kostcn ihros-eigcnen Glücks, das sie vicl-
mehr in ciner anderen Verbindung zu sinden hossen düise, zu
erkanfcn."

„Ilnd damit war alles aus?"

„Natürlich. Jch rcistc glcich darauf ab."

Hekene nmschkang ihrcn Bruder, kütztc ihn zärtlich und
sagtc, indem sie ihren Kummcr niederkämpftc imd cincn schwa-
chen Versnch zum Scherzen machte:

Jahre vor der christlichcn Zeitrechnung zu Kapila-Vatsu in
Jndicn als Sohn des Königs. Er sah, wie alle Menschen den
Leidcn und dem Tode unterworfen waren und wollte den
Grnnd hierfür und die Mittel dagegen erforschen. Zu diesem-
Zwccke entsagte er im 29. Lcbensjahre dem Throne, verlietz
seinen Palast und beschäftigte sich ausschlietzlich mit den in-
dischen Philosophie- und Religionssystemeii. Da erkannte er
denn, datz alles was der Mensch im eigenen Selbstwahne thut,
im Ewigen keincn Wert hat. Er versenkte sich in sein göttliches
Selbst und crlangie denjeiiigen Zustand, dcn der Buddhist aks
„Nirwana" bezeichnet. Hierauf lehrte er noch während 40
Jahren das Evangclinm der Erleuchtung und des Erbarmens
und starb in seincm 80. Lebensjahre in Kusi-nagara. Der
Mittelpunkt der buddhistischcn Religionsphilosophie ist die Ein-
heit des Wescns im Weltall, welches sich als eine Vielheit von
Erschcinnngcn offcnbart. Das vergleichende Studium verschicde-
ner Religionsspsteme, die eine grotze Bedcutung für ganze Kör-
perschaften haben, erzielt, datz gewisse Grundgesetze alle ge-
meinsam siud. Die Grundlchrcn dcs Buddhismus, des Tavis-
miis, dcs alten und neuen Testamcnts, des Koran, sind daher
ihrem Wescn nach glcich, weil sie Wiederspiegelungen von
unwandclbaren Gesetzen im Reiche dcs Geistes sind. Es giebt
im Kosmos nur e i n wahres Selbst, mir ein wahres Bewutzt-
sein, nur cine Liebe, und das ist Gott. Diese Centralkraft,
dic Grundursache alles Daseins, ist durch sich selbst existierenü
und unwandelbar. Der höchste Bewutztseinszustand, den ein
Mensch rrrcichen kaim, bezeichnet dcr Btlddhist mit dem Worte
„Nirwana". Nirwana ist keine Bernichtung des Wesens, son-
dern nur ein Erlöschen seines Jrrtums. Es ist der Zustand
der höchstcn Vollkommenheit, in welcher der trügerische, be-
schränkte Begriff dcr „Selbstheit" nicht mehr existiert und der
Geist sich selbst als das Nll erkennt, in dem alles enthalten ist.
Nirwana wird nur erreicht durch die selbftlosc That. Wer
etwas gutes für dcn andcren vollbringt, ohne dabei an sich
sekbst zu deukeii, handckt für scin eigcnes, in ciner anderen Er-
scheimmg anftretendes „Jch" und macht seine Erkcnntnis der
Einhcit dcs allem Dasein zu Grunde licgcnden göttkichen
Wcsens zur That, wodurch die Erkcnntnis vollkommen wird.

ck. Karlsruhe, 24. März. (D e r Mieter- und Ba u-
ve r c in) ist in crfreulicher Entwicklung begriffcn. Dic Mit-
glicderzahl ist ini letzten Jahr/ von 753 auf 823 gestiegen.
Dcr Verein verfügt jetzt übcr 11 bezw. 31 Häuscr mit ca. 200
Wohmmgen im Gesamtwert von rund 1 Million Mark. Die
General-Jntendanz der Großh. Zivilliste, Eisenbahn-Arbeiter-
Pensions-Kasse, die Amortisationskässc und die Vcrsicherungs-
Anstalt Baden yaben durch Gewährung namhafter Darlehen
zur Förderung des gemeinnützigen Unternehmcns ivescntlich
beigetragen.

Karlsrnhe, 25. Mä>z. (Mädchengymnasium.)
Zur Zeit sind die 6 Ghomasialklassen von 70 Schükerinnen
aus allen Teilen Deutschiands frequentiert. An ihnen wirken
neben dem Direktor der Anstalt 6 akademisch gebildete Lehr-
kräfte (dnruntcr eine Lehrcrin), die als Staatsbeamte an-
gestellt smd. Zu den Kosten der Anstalt leistet die badischs
Staatskasse einen Zuschutz vou jährlich 3500 M. Jm Uebrigen
wcrden sic von der Stadkgemeinde Karlsruhe getrageu, soweit
sie nicht dnrch das Schulgcld (jährlich 81 M.) Deckung finden.
Ucbcr Lcistungcn und Haltung dcr Schülerinnen vcruimmt
man nur durchaus günstige Urteile.

<-I). Offenlmrj,, 25. März. (Vor der S t r a f k a m-
m e r) hatte sich dieser Tage cin jugendlicher Vcrbrecher in
dcr Persou dcs am 12. Mai 1885 zu Steinach i. K. geborencn
Schneidcrlehrlings Franz Xavcr Schindlcr wcgen Vergiftungs-
vcrsmbe zn veraiitworten. Dieser in dcr Erziehung vernachläs-
sigtc^Bnrschc knm am 1. Nugust v. I. zu Schneidcr Heizmann
in Stcinach in dic Lchre, wo cr nach Verlanf cincs Viertel-

„Wir beide gehen also lcer aus uud müssen als altc Jung-
fer und alter tzagcstolz in Batavia ausdörren. Nim, Rudi, wir
werden es nns wohl ganz behaglich einrichten — nicht?"

Sic lächelte ihm ermutigeud zu, abcr die Thräneii stan-
den ihr in dcn Augcn.-

Neuc Szenc, nene Umgebungcu, neuc Beschäftigimgen kameu
dem linderndcii Einflutz dcr Zcit zu Hilfc, nm die Wunden
vernarben zu lassen, die beiden Gcschwistern noch so schmcrzhaft
dünktcn, als sie ohne grotzes Bcdauern ihre Heimat nnd ihre
Vcrwandten vcrliehen.

Sie führtcn in Batavia ein bchagliches Leben nnd blickten
im Laufe der Jahrc ruhiger auf die schweren Schicksale nnd
Enttauschungen der Hamburgcr Zeit zurück. Die hübschc, kluge
nnd sittsamc Helene fand in der ostindischcn Gcsellsehaft die
ihr gebührcnde Stellc, und Rudolf gelang es, die Filiale dcs
Hanses Manvillon nnd Co. in die vorderste Reihc dcr dortigen
Kaushauser zu bringen. Bcide hättcn, wcnn anders cs rhr
Wunsch gewcscn wärc, eheliche Vcrbindungen cingehen kömien,
nm die jedermann sie beneidet hätte. Aber sie blicben den Er-
innernngeu ihrer Jugend treu und !ver sie in ihrem mit vor-
nchmster Eleganz ausgcstattetcn Hcim in Buitenzorg aufsuchte,
mußte alle chelichen Projekte drantzen lasscn.

Nicht wcnig'überrascht lvar daher Hckcnc, als eines Nach-
mittags Rudolf nicht akcin ans dem'Geschüfte hcimgefahren
kam, sondern cine braune Aha (Kinderfrau) nnd. ein kleines,
etiva vicrjähriges Mädchen mitbrachte. Er ward blcich, in
seinem Gcsichte zucktc cs von schmcrzlicher Erregnng. Seit dem
Jahrc der Krisis hatte Helene ihn so nicht mehr gesehen.

„Dn mntzt die Klcinc rccht lieb haben, Helcncl" rief er ihr
zu, während das Mädchen scheu ans dunkclblaucn Angen zu
ihr anfblicktc. Helene, die überaus kinderlieb !var nnd die
Gabe hatte, sich sofort daS Vcrtrauen auch der blödcstcn Kin-
der zu erwerbcn, zog die Kleine.an sich heran, kützte sie nnd
fragte:

„Wie hcitzt du dcim, mein Hcrz?"

Die Kleine süh sic traulich. an, antwortete aber nicht.

„Sie spriebr kcin Dcntsch," sagte Rudolf. „Weitzt du, wcr
ste ist?"

„O ich ahnc cs," flüftertc Helcne. „Diese dulikelblauen
Augcn ..... ist es so?"

„Ja, es ist das Kind von Josephine Dessoudre. Und
 
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