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Heidelberger Zeitung (44) — 1902 (Januar bis Juni)

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Nr. 75-100 (1. April 1902 - 30. April 1902)
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Frcitag, 4. April 1S02

Nrstes Blatt

44. Jihrgang. — Ü1- 78.

Erscheint täglich, Sonntags ausgenommen. Preis mit Familienblättern monatlich 50 Pfg. in's Haus gebracht, bei der Expedition und den Zweigstellen abgeholt 40 Pfg. Durch die Post.be-

zogen vierteljährlich 1.35 Mk. ausschließlich Zustellgebühr.

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borgeschriebencn Tagen wird keine Verantwortlichkeit übernommen. — Anschlag der Jnserate auf den Plakattafeln der Heidelberger Zeitnng und den städt. Anschlagstellen. Fernsprech-Anschluß Nr. 82.

Auch jetzt

könncn noch Bestellungen anf dic

„jleiöelderger öeitung"

sür das 2. Vieneljahr bei unseren Austrägcrn, sowie bei
allen Postanstalten gemacht wcrden.

Neuzutretenden Bestellern wird das Blatt auf Wunsch
vom 1. ds. MlS. an nachgcliefert.

Deutsches Reich.

— Der Kaiser hat am 2. ds. den holländischen
Ministerpräsidenten K uyper empfangen nnd mit einer
Einladnng zur Frühstückstafel ausgezeichnet. Nach einem
Äericht, dessen Glaubwürdigkeit allerdings dahiugestellt
bleiben muß, soll Kuyper während seiner Berliner An-
wesenheit die Reichsregierung sondiert haben, ob sie unter
Urnständen geneigt sei, bei der englischen Regierung ein
gutes Wort znr Herbeisührung ciner Versständigung
wit den Buren eiuzulegen. Man habe Herrn Kuyper
hier wiederholt, was ihm schon vor seiner Reise nach
Deutschland niitgeteilt worden war, datz Deutschland
teinerlei Schritte in irgend ciner Richtung hin bei der
Mglischen Regicrung unternehmen werde, und daß den
Äuren nur geraten werden könnte, sich direkt mit
E n gland in Verbindung zu setzen, das ge-
wiß bereit sei, ihre Vorschläge anzuhören und in Er-
Wägung zu ziehen.

— Ter K aiser hatte sich am Montag Abend beim
Staatssekretär des Answärtigen Amts Freiherrn von
Richthosen zu Tisch angesagt. Zu den Gästen zähl-
ten u. a. Oberhos- und Hausmarschall Gras Eulenburg,
der Untcrstaatssekretär Dr. v. Mühlberg, der Wirkl.
Legationsrat Dr. Rosen vom Auswärtigen Amt, die Gou-
verrieure v. Bennigsen und Solf von Neuguinea und
Damoa, Ministeriaidirektor Dr. Althoff, die Professoren
Bubendey nnd Slaby von der Technischen Hochschule in
Eharlottenburg, der Generaldirvktor der Anatolischen
Bahn, Geh. Regierungsrat Dr. Zander aus Konstanti-
Uopel, der Direktor der Deutschen Bank, Gwinner, der
Eeheimrat v. Mendelssohn-Bartholdy, Professor Lexis
nus Göttingen nnd Professor Schiemann. Zum Freitag
bat sich der Kaiser beim englischen Botschafter Sir Frank
^ascelles zu Tisch angesagt. Ebenso wollte das Kaiser-
baar im Lnuse dieser Woche beim österreichisch-nngarischen
^otschafter speisen, doch mußte die Ausführung dieser
Absicht insolge der Kränklichkeit dcr Frau v. Szögyeny
boch verschoben werden.

— Das Verbot der Benutzung von B o r s ä u r e
S»r Fleischkonservierung hat in vielen Kreisen Widerspruch
bervorgerufen. Demgegenüber wurde in einem offiziösen
Artikel der „Norüdentschen Allgemeiiien Zeitinig" be-
vwrkt. auch das RLichsgesundheitsamt habe die Borsäure I

für ein gesundheitsschädliches Konservierungsmittel er-
klärt. Wie nun aber der „Nationalzeitung" von Mitglie-
dern des Reichsgesundheitsamtes mitgeteilt wird, hat
diese Frage das Reichsgesundheitsamt niemals beschäf-
tigt. Es wird nun festzustellen sein, aus welcher Seite
der Jrrtum liegt, auf der der „Norddeutschen Allgemeinen
Zeitung" oder anf der der Gewährsmänner der „Natio-
nalzeitung".

— Jn Köln hielt der Reichstagsabgeordnete
Trimborn vor seinen Wählern eine Rede über die
Arbeiten des Reichstags. Bezüglich des Zolltarifs
meinte er, eine Verständigung nüt der Regierung sei
möglich. Er schloß mit der allgemein geltenden Mah-
nung:

„Jch kehre jetzt in die Kommission zurück zu müh-
samer Arbeit, die mich bis in den August beschäftigen
wird; ich werde hochhalten die Grundsätze der aus-
gleichenden Gegenseitigkeit. Jnzwischen, meine lieben
Wähler, das sage ich mit allem Ernst, seien Sie äber
auch nicht müßig. Verbreiten Sie die Grund-
sätze der ausgleichenden Gerechtigkeit, namentlich in
Versammlungen und Vereinen, lassen Sie sich nicht
durch Schlagworte bethören, prüfen Sie die Frage,
klären Sie auf. Rüsten Sie sich auch zu
einem Wahlkampf, der früher kommen
kann, als wir vermnten; sorgen Sie dafür,
daß man uns nicht unvorbereitet findet. Jch werde
in Berlin sleißig arbeiten, arbeiten auch Sie!"

Was das Rüsten für den Wahlkampf anbetrifft, so
mögen sich die Ausforderung des Zentrumsabgeordneten
auch unsere Parteifreunde zu Herzen nehmen.

— Ein Rückblick an der ersten Ouartalswende des
nenen Jahres ist geeignet, den deutschen Wirtschasts-
politiker mit Stolz zu ecfüllen auf die bewiesene gewal-
tige Kapitalkraft nnserer Nation. Wie lange ist es denn
her. daß wegen des Zusammenbruchs einer Anzahl übel
geleiteter llnternehmungen bas Wort voü „Deutschen
Krach" aus deni ganzen Erdball von Mimd zu Rkund
wanderte? tlnd heute — nach wenig mehr als einem
halben Jahre — sließt der deutsche Geldmarkt von Spar-
kapital iiber; Anleihen des Reichs, der Bundesstaaten
und Städte, deren Beträge sich nach hunderten von
Millionen bcziffern, werden untergebracht, ohne die all-
gemeine Abundanz zu beeinflnssen, desgleichen Pfand-
briefemissionen in kaum geringerer Höhe. llnd bei alle-
dem hält sich der Privatdiskont, dieses Barometer des
Wetters auf dem Geldmarkt, auf einem so billigcn Satze,
wie ihn weder die Börsen Englands noch Frankreichs
zu bieten vermögen. ill'ach jahrelnnger Verschuldnng an
das Ausland, denn wir waren außer Stande, die Kosten
unseres indnstriellen Aufschwungs allein zu tragen, ist
Deutschland im Lause des letzten Jahres nicht nur seiner
Schulden ledig geworden, sondern hat sich sogar dazu
ausschwingcn können, dem Auslande gegenüber die Rolle
des Geldgebers zu übcruehmen.

Badcn.

— Gewissermaßen als Aubiläumsgabe hat unser
Finanzminister Dr. B n ch enbe r g e r eine 17 Bogen
starke, von ihm verfaßte Schrift erscheinen lassen, die
die Entwickelung des badischen Staatshaushaltes in den
lehteu sünfzig Jahren ziffermäßig darstellt. Jst eine
solche Nebersicht an sich schvn von Jnteressc, so wird die
Schrift noch wertvoller dnrch die itjngestreuten sach-

KLeine ZeiLung.

— Znm Ranbanfnll im Stationsgcbäudc zu Laudcn-
"ach wird gemeldct, daß die Verletzungen des Bahn-
^'Peditors Rteixner ernstlicherer Natnr sind, als anfangs
angenommen Ivurde. Weder die in der Nähe des Hand-
dalenks cingedrungene Kugel noch die im Hinterkopf
wnnte von dem Arzt gesunden werden. Die Kopsverletz-
u«g ist die schwerste: die Kugel sitzt direkt hinter dem
:?ehirn. Der Thäter Roschmann wird nach Mannheim
vberführt, wo er sich vor den Geschworenen sür sein
^erbrechen, Raub und Mordversuch, zu vcrantworten
baben ipjrd.

'' Frankfnrt, 3. April. Heute Früh fand Iiian III der
ü-riedbcrger Anlage den Werkmeister Adolf Gnstav B c ck
fU's Bcrg bei Stuttgart erschosse n auf. der wegen
jDattenmordes von Königsberg aus verfolgt wnrde. Er
ljatte bort vor etwa zwci Jahren seine Fran ermordet,
jsjd Leiche in eine Zinkkiste gesteckt und diese verlotet.
Nen istachbarn gegenüber gab er an, seinc Fran sei von
lllw sort und nach Süddeutschland gcrcist. Erst kurzlich
^urde der Mord cntdeckt.

— Frankfurt a. Äl., 1. April. Wie aus den iieuesten
-brogrmimien der beiden realgymnasialen Reformanstal-
^oii, der sogenannten Musterschule nnd der Wöhlerschnle
Zn ersehen ist, haben auch dort sämtliche acht, beziehungs-
weise 6 Oberprimaner die Reifeprüfnng bestanden. Aus
j'kr Gesamtzahl der (24 und 8 und 6) 38 Osterabiturien-
ll'n der drci Franksurter Reformanstalten gedeiiken nicht
'voiiiger als (9 und 2 und 2) 13 das höhere L-chnlfach
2" ergreisen oder wenigstens Philologie, nenere Sprachen,
-'iatheniatik und Naturwissenschaften oder Geschichte zn

studieren. Wenn diese 13 Jünglinge sich wirklich dem
höheren Schuldienst widmen wollen, dann muß man
eingestehen, daß sowohl das Goethe-Gymnasium, als
auch die Muster- und Wöhlerschule nicht uur in pädagogi-
scher Hinsicht, sondern auch iu der Pflege des Jdealismus
auf den Namcn der .Reforiiiaiistalteii mit Recht Anspruch
machen könneii.

— Stuttgart, 3. April. Professor W. Siegelin
in Berlin, ein geborener Stuttgarter, hat, laut „Schwäb.
Merkur", vor einigen Tagen unweit von Huelva im
südlichen Spanien am Zusammenfluß des Odiel und
Rio Tinto ein Heiligtum der alten Jberer entdeckt,
das älteste, von dcm wir bis jetzt Kuude haben. Es war
ein Tempel der Göttin der Unterwelt mit zwei der Göttin
geweihten Höhleu. Wie verlautet, beabsichtigt Siegelin vor
allem die beiden Höhlen, deren Boden mit einer dicken
Schuttmasse bedeckt ist, auszugrabcn.

—- Bviin, 2. Apcil. Barou vou Sarter, der Er-
bauer und Eigentümer der D r n ch e n b n r g, bei Kü-
nigswinter, ist der „Rhein.-Westf. Ztg." zufolge gestern
in Paris plötzlich gestorben.

— Dic zweitc Millivn will nicht voll werden, das
Wachstum der B e v ö l k e r >i n g Berlins geht
langsani. Wie die jetzt abgeschlossencn llebersichten nach-
weisen, sind im Aahre 1901 die Znzüge nach Berlin er-
heblich znrückgegangen. Iin Zahre 1901 waren es nnr
232 271 Personeii, ivährend dar- jiahr 1900 noch 250 881
verzeichnete. Dagegen sind die Abgänge gewachsen, rund
203 000 gegeu 191 000 im Vorjahre. Aus Zuiiahme der
Geburteu gegenüber deu Todessällen ist allem Ansckiein
uach auch wenig zu rechneu. Nstmmt mau dazu, daß das

lichen Bemerknngen, die der Versasser ans dem reichen
Schatz seines theoretischen Wissens und seiner Erscchrun-
gen ats praktischer Finanzmann geschöpst hat, so nament-
lich über die Frage der zweijährigen Budgetperioden
des Jnitiativrechtes der Stände in Finanzangelegen-
heiten und anderes. Auch über das wünschenswerte
Gleichgewicht der Ausgaben nnd Einnahmen im Staats-
budget giebt Bnchenberger beherzigenswerte Winke.

Aus der Karlsruher Zeitung.

Karlsruhe, 3. April. Der Großherzog
nahm hente Vormittag verschiedene Meldungen entgegen
nnd enipfing nm 11 llhr den Präsidenten des Ministe-
istums des Jnnern Geheimrat Dr. Schenkel zum Vortrag.
Hierauf mejdeten sich der Oberst Hossmeister, beauftragt
mit der Führung der 55. Jnfanteriebrigade, bisher Oberst
von der Armee, und der Major im Großen General-
stabe, Bausch, bisher Mitglied der Kaiserlichen Ober-
rheinkommission. Zur Frühstückstafel kam die Prinzessin
Wilhelm, der Prinz und die Prinzessin Max.
Ilm drei Uhr begaben sich der Großherzog und
die Großherzogin mit dem Erbgroßherzog nach Baden
znm Besnch dcr Gräsin von Flandern und des Prinzen
Albrecht von Preußen, Regenten des Herzogtnms Braun-
schweig. Die Rückt'ehr hierher ersolgt am Abend. Die
Erbgroßherzogin ist hente Früh zum Besuche der Königin
bon Wiirttemberg nach Stuttgart gereist nnd trifft heute
Abend spät wieder hier ein.

AusLand.

Engländ.

London, 2. April. Für den 15. April sind neue
Truppennachschübe für Südafrika in Aussicht
genommen und zwar sollen alle verfügbaren Reserven des
Aldershot-Distriktes einberufen werden. Das Kriegsamt
hofft, 2000 Mann aller Waffengattungen anfbringen
zu können. Eine klägliche Ziffer für festländische Ver-
hältnisse.

Rnßland.

— Ein Mitarbeiter des „Echo de Paris" hatte eine
Unterredung mit dem noch in Frankreich befindlichen
russischen General Puzyrewski,derüber den Ver«
rat Grimms, seines urimsttelbar Untergebenen in War--
schau, folgende Mitteilung machte: Bei der Durchsuchung,
d!e cin Gendarmericoffizier mit seinen Leutcn in der Woh-
nung Grimms vornahm, entdeckten diese in dem Schreib-
tische Grimms die Beweise seiner Schuld in Gestalt von
Empfangsbescheinigungen über die ausgelieferten Schrift-
stücke. Zum Geständnis aufgefordert, crbat sich Grimm
zunächst eine halbstündige Bedenkzeit.sj Als der Offizier aber
auf dem sofortigen Geständnis bestand, nahm Grimm ein
Blatt Papier und schrieb mit erstaunlicher Kaltblütigkeit
die Geschichte seines Verrats nieder und erklärte, daß er
auf Anstiften seiner Geliebten, der Witwe des Obersten
Bergstroem, die seine Vermittlerin gewesen sei, gehandelt
habe. Puzyrewski gab dem Berichterstatter diese Angaben
aus einem Brief, den eine amtliche Persönlichkest in War-
schau an ihn gerichtet hatte. Puzyrewski bestätigte von
neuem, daß Grimm aus Nischnei-Nowgorod stamme, daß
er also Russe und Angehöriger der russisch-orthodoxen Kirche

Weichbilb der Reichshauptstadt nicht inehr allzu viele
der Bebauiuig erschließbare Grundflächen besitzt, sowie
daß das Zentrnm durch Ansbildimg eincs vollständigen
Geschästsviertels immer weiter an Wohnräumen vcrliert,
so ist klar, daß dic riesige Bevölkerimgsznnahme Berlins,
wie sie im letztcn Drittel des vorigen Jahrhnnderts fest-
znstellcn war, nicht anhalten kann, sondern iin Gegenteil
vielleicht das Wachstnni unter das Normale znrückgehen
wird. Allerdings ist dabei zu berücksichtigen, daß es
sich hier nm Berlin ohne Vororte handelt. Könnts
inan die Vororte, die sich zum Teil in mächtigem Auf-
schwnng befiiiden, hinznrechnen, so würde si-ch das Ver-
hältnis sür „Groß-Berlin" sicher günstiger gestaltcn.

— Wie grosr wnr Napolcon? Jn einein Aufsatz, „Die
kleine Statnr der großen Männer", den Karl Bleibtren
im Wiener „Dentschen Volksblatt" veröffcntlicht, teilt
der Verfasser nnter anderem Folgendes mit: „Da in
ineiiieiii Drama „Weltgericht" am Raimundtheater der
General Bonnparte anstritt, so scheint der Hinweis an-
gebracht, daß eine Wiedergabe seiner änßcren Persön-
li-chkeit keinein Schanspieler möglich wäre. Selbst Pos-
sart nnd dec noch kleinere Kober erreichen nicht das
Ivirkliche llnterniittelinaß Napoleons. nämlich vier Fnß
zehn Zoll. Hierzn gesellte sich beim General nnd Konsnl
eine init krankhafter Leichenblässe verbundene skelett-
artige Magerkeit, die erst spätcr der bekannteii Wohlbe-
leibtheit des Kaisers Platz machte.

Dic stccihcit ist cin Lurus, dcn sich nichr jcdcrmann ge-
staticn kan». ^ B i s m a r ck.
 
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