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Heidelberger Zeitung (44) — 1902 (Januar bis Juni)

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Nr. 75-100 (1. April 1902 - 30. April 1902)
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heutigen Wittschaftssystem zukonimt, sich uicht ohne wei-
teres von der Taset der Zeit wegwischen läßt und daß
ihre Vertreter anch garnicht gesonnen sind, sie sich ans
irgend welchcm Wege verkümmcrn zu lassen, sollte jedem
klar sein, der von unserem nationalen Wirtschaftsleben
mehr sieht als die Oberfläche, Niemand kann heute mchr
an das Syndikatswesen die Hand legen, ohne unsere
gesamte nationale Produktion anfS allerempsindlichste
zu tressen, und in maßgebenden Kreisen hat sich die Anf-
sassnng längst zu ihrem Rechte verholfen, Es war kein
Zufall, daß sich das Drängen nach einer geschlossenen
Wahrnehmnng der gemeinsamen Jnteressen der indu-
striellen Spndikate am lautesten im Schoßc des Zentral-
verbandes deutscher Jndustrieller regte, Das Direktorium
des Zentralverbandes hat sich schon vor geraumer Zeit
auf Grund einer umfangreichen Denkschrift eingehend
mit der Sache beschäftigt und bereits in einem Rund°
schreiben vom 17. Februar 1902 bei allen bedeutenderen
deutschen Spndikaten angefragt, ob sie geneigt wären,
sich an einer Konferenz zur Beratnng der Frage zu be-
teiligen, Nachdem auch nicht eine einzige Absage erfolgte,
sondern sich, wie schon erwähnt, in vielen Kreisen die
lebhafte Zustimmung äuszerte, ist als Tag der Konferenz
der 9, April festgesetzt worden und ist eine hierauf bezüg-
liche Einladung ergangen.

Deutsches Reich.

— Bei der Reichstagsersatzwahl in Breslan-West er-
gab sich ein allerdings unerheblicher, von der Parteipresse
natiirlich verschwiegener R ü ckgang der sozial -
demokratis chen S t i m m e n i jetzt zeigen die
Rechenschaftsberichte der sozialdemokratischen G e w c r k-
s ch a f t e n, die zu Ostern in großerwZahl ihre General-
versammlungen abhielten, daß ein 12 i n k e n der Mit-
gliederzabl eingetreten ist, Einer der mächtigsten Ge-
werkschaftsvereine ist der Zentralverband der Manrer;
er zählte 1900 82 964 Mitglieder, 1901 80 869, also
2095 weniger; die Einnahmen des Verbandes betrugen
im vorigen Fahre 1 248 644 Mark, die ^öliisgaben
994 958^ Mark, hiervon entfallen allein auf Streiks im
eigenen Gewerbe 4.88 460 Mark, Der Rschenschaftsbericht
des Tertilarbeiterverbandes umfaßt die beiden Jahre
1900 und 1901; am Schluß des vierten Quartals 1901
waren 29 740 Mitglieder vorhanden, die Organisation
hat in den beiden letzten Jahren 12 420 Mitglieder ver-
loren, In den beiden Iahren hatte sie 41 Streiks
durchzufechten, davon giebt sie 12 als erfolgreich, 12
als teilweise erfolgreich und 17 als erfolglos an: die
Streiks kosteten 192 894 Mark, von denen aus Mitteln
der Organisation 136 496 Mark beigesteuert wurden, Die
Gewerkschaft der Lederabeiter hatte 1898 6094 Mitglie-
der, jetzt nur 4830; für Streiks hat sie in den drei Fahren
66 886 Mark ausgegeben, Man sieht also, daß sich die
Gewerkschaften auf einem aufsteigenden Ast jedenfalls
nicht bewegen, ^

— Die „M ause r u n g" der S 0 z i a l d e m 0 -
kratie zeigt sich auch darin, daß es nicht mehr als
unsühnbarer Parteiverrat gilt, wenn sich ein „Genosse"
jlreundftch zu fürstlichen Persönlichkeiten stellt, Die
„Kölnischc Zeitung" frischt in dieser Beziehung folgends
Erinnerung auf: Voriges Jahr beteiligteu sich im Reichs-
tag an der Huldigung für den allverehrten Prinzregen-
ten Luitpold von Bayern die Abgeordneten v, Vollmar
und Stolle; in der ganzen sozialdemokratischen Welt blieb
ss still; dasselbe geschah, als die Genossen auch der
Kaiserin Friedrich die Anerkennung nicht versagten, Als
vor 25 Jahren die Beziehungen des alten Hofbaurats
Demmler zu Großherzog Friedrich Franz von Mecklen-
Lurg bekannt wurden, da hatte' Denimler seine Rolle als
sozialistischer Parteifiihrer ausgespielt. Heute sind die
Genossen hoch erfreut, daß der Großherzog von Hessen
sich lebhaft mit dem Abgeordneten Ulrich unterhielt und
der Abgeordnete kann mit Recht sagen, daß diese Unter-
haltung ihm bei seinen Parteifreunden nichts geschadet
habe, Bei der Arbeiterschutz-Konferenz im Iahre 1890
in Berlin war einer der rnhigsten und begabtesten Führer
der Arbeiter Buchholz, beim Kaiserpaar zum Essen ge-
laden; in seinem einfachen schwarzen Rock ging er ins
Schloß, nachdem er dem Hofmarschallamt mitgeteilt hattc,
daß er, ein einfacher Arbeiter, keinen Frack besitze, Buchholz
war entziickt von der Liebenswürdigkeit des Kaisers
nnd seiner Gemahlin. die ihn angesprochen hatte, Buch-
holz ist in der Versenknng verschwunden, er, der schlag'-
fertige Redner, der die Organisation der Partei gewaltig

ein paar Guldenzettel umtauschte, Die Heimlichkeit machte
ihr Spaß und vor eiuer Lüge hatte das schlecht crzogenc
Mädchen nicht den geringsten Abscheu,

Hans fuhr ordentlich zusarmnen, äls cines Tages die uun
ganz' elegant herausgeputzte, kleiue Seiltänzerin .atemlos
mit flatternden Locken ihm nachgesprungeu kam:

„Da hast du das Geld, Nuu kannst du fortrcisen,"

„Woher hast du's? Hast du's geschenkt bekommen?"
Dahla nickte verlegen und huschte fort; aber Hans faszte
sie noch am Aermel: „Du darfst es niemand sagen, dah ich
fort will, Sonst haut mein Sticfvater mich vorher tot,"
Standhaft hatte das kleine Mädchen dann geschwiegen,

Am anderen Tagc aber schou vcrschlotz sich ihr die Tchür
der schönen Villa und sic wurde fortgebracht in eine Erzieh-
ungsanstalt,

Der Winter sank über die kleine Stadt herab; der ernste,
gewaltige, düstere Winter der Berge. Zur Verwunderung der
Nachbarn wurden diesmal die Feuster der Lockhardtschen Villa
nicht wie sonst vor Weihnachten geschlossen, Bisher war die
fchöne Witwe stets zu dem Fest nach Wien zu einer Freundin
gereist und erst im Frühjahr wiedergekehrt, Nun aber blieb
sie in ihrem einsamen Heim, hielt sich fern von jeder Gesellig-
keit und sauste nur zuweilen im Schlitten an den neugierigen
Menschen vorüber, für die die reiche Villenbesitzerin stets
einen beliebten Gesprächsstoff abgab.

Auch über das Ueberwintern der schönen Frau in der
stillen Stadt tauchten allerlei Vermutungen auf,

Selbst die Offiziere zerbrachen sich den Kopf über diese
Laune, die ihnen sehr wunderlich und unbegreiflich dünkte,
da sie sich fast alle lebhaft nach den Freuden einer Hauptstadt
sehnten,

„Es gäbe wohl Leute, die dieses Rätscl zu lösen wüßten!"
flüsterte Leutnant Strützel eines Abcnds in angeregter Wein-
laune mit einem vielsagenden Lachen,

Sein Freund Stzezanek war nicht anwesend, Er kam meist
Zn sehr spüter Stunde in das Kasiuo. Es hieß, daß er seine

geföi'dei't batte, erhielt.kein Stadtvcrordneteiimaildat und
kein Rmchstagsmandat, v, Vollmar postierte sich da-
gegen vor nicht gar lange'r Zeit mit seiner Fran vor
seiner Prachtvollcn Villa, von der tzerab die blanweiße
nicht die rotc Fatzne wehte, um dem bayerischen Prinz-
regenten seincn Gruß darzubringen, und v, Vollmar
bleibt derselbe soziatdemokratische Führer im Reichstag
und im Landtag,

Preutzc«.

— Bevor die preußischen Abgeordneten in die Oster-
ferien gingen, wurden sie in den Schlußdebatten des
Abgeordnetenhauses in sehr kräftiger Weisc an die hygi-
enischen Mißstände ihres engeren Vaterlandes erinnert,
Siamentlich harrt die Geburtshilfe in Preußen dringend
einer durchgreifenden Reform, Von ea, 1 160 000 Wöch-
nerinnen sterben noch in Preußen nach Brennecke 5700
bis 6900 Frauen im Kindbett, Und die Schuld an dem
Tod dieser Frauen trägt vielfach die niedere sozialethische
und materielle Berufsstellung der Hebeammen, Für ihren
anfopfernden, verantwortlichen Dienst erhalten die Hebe-
ammen meist einen bettelhaften Lohn, Im Regiernngs-
bezirk Oppeln beträgt das Einkommen der Hebeammen
nach Brennecke 270 Mark, im Kreise Liebenwerda 460,
im Kreise Zeitz 376 Mark nsw, Jn neuester Zeit brechen
sich in sozial fortschrittlichen Gemeinden Bestrebungen
Bahn, die das ganze Gewerbe der Hebeammen kommu-
nalisieren wollen. Die Hebeamme wird dann als Sani-
lätsbeamtin in den kommunalen Dienst gestellt, nnd die
Gebnrtshilfe wird unentgeltlich dargereicht, Die Ge-
meinde Offenbach warf vor einiger Zeit 7500 Mark anf
Antrag des bekannten Sozialpolitikers kllrich für die
nnentgeltliche Geburtshilfe ans. Die weitestgehende Be-
achtnng findet die Thatsache, daß etwa bei zwei Drittcln
der Offenbacher Geburten die nnentgeltliche Hebeammen-
hilfe in Ansprnch genommen wnrde.

Ausland.

England.

— Der südafrikanische Krieg ruft nach und nach in
den Reihen der britische n A r nr e e g r 0 ß e U n -
z n f r i e d e n h e i t hervor, Die Mannschaften der re-
gulären Armee sind, und mit vollem Rechte, erzürnt üar-
über, daß die Kölonialtrnppen nnd insbesondere die mili-
tärisch nnausgebilüete nnd im Felde unzuverlässige Deo-
manry mit fünf Schillingen Pro Tag abgelohnt wird,
während Tonimy Atkins sich mit einem Schilling be-
gnügen und dabei den schwersten Dienst zu machen hat,
Die Verpflegnng ist oft eine nichts weniger als gute
nnd auch da wird noch der Soldat der regulären Armee
zurückgesetzt, Außerdem stehen einige Regimenter nnd
ein großer Teil der regnlären Artillerie schon im dritten
Jahre im Felde, beständig anf dem Marsch nnd im Ge-
fecht, schlecht gekleidet, gegen das Wetter kaum geschützt,
während die Kolonialtruppen und die I)eomanry oft nach
nur mehrmonatlichem Dienste in die Heimat „zur Er-
holung" zurückbefördert werden, Die Unzufriedenheit
hat einen so bedenklichen Grad erreicht, daß sie, wie znge-
standen wird, auf die Kriegsführung einen sehr bedenk-
lichen Einfluß zu üben beginnt, Unter den Kolonial-
trnppen bildet wieder die den Offizieren zn Teil werdende
Behandlnng den Stein des Anstoßes, Viele derselben
wnrden ihrer vorzüglichen Haltung vor dem Feind und
ihrer Befühigung wegen in die Reihen der regnlären
Armee anfgenommen, daselbst aber von den Offizieren
derselben regelrecht bsiykottiert, Ällan spricht nicht mit
ihnen, schließt sie aus allen gesellschaftlichen vom Offiziers-
korps vercinstalteten Festlichkeiten nnd läßt sie auch bei
der Offiziersmesse merken, daß sie nur geduldet sind,
Dadurch find Verhältnisse geschaffen worden, die General
Kitchener zn einem Armeebefehl Veranlassung gegeben
haben, der jedoch ohne Wirkung geblieben zn sein scheint.
Jn den Kolonien ist man darob, und auch wegen der
kriegsgerichtlichen bereits erwähnten Erschießnng austra-
lischer Offiziere sehr erbittert und es wirkt diese Klüftung
zwischen Kölonialtruppen und der regulären britischen
Armee einem einträglichen Zusammenwirken beträchtlich
cntgegen,

— Der Versuch, deut s ch e Warc n im Vereinigten
Königreich von Großbritannien zu boyköttieren, ist miß-
glückt, Die Tasche geht dem Patriotismus voran, schreibt
der „Expreß", wohl mit Bedanern, da in seinen Spalten
der Feldzug gegen die deutschen Fabrikanten gleichfalls
gepredigt wurde, und konstatiert anf Grundlage ange-
stellter Ilntersuchungen, daß die „Hetze gegen England"

dem Bezuge dentscher Waren keinen Lchaden zngefügk
hat. Einige englische Importenre waren selbstlos genug-
den Patriotismus dem Geschäftsvorteil voranznsetzen-
Ihre Zahl war aber so gering, daß der Warenbezug
aus Dentschland dadurch nnr nm einen Brnchteil voN
einem Prozent vermindert wurde, In den Kolonien spiele
sich dasselbe ab, nnd trotz aller EntrüftungsmeetiinG
gegen die Verleumdnngen der britischen Armee und der
Hetze gegen England, kauften die britischen Geschäfts-
leute in den Kolonien nach wie vör dentsche Waren von
dentschen Importenren, einfach, weil die deutsche Ware
billiger und darum leichter verkäuflich ist, Das „Made
in Germany" hält das britische Publikum nicht ab, AU
kaufeii, was billiger und gleich gut ist.

Aie Schreiömaschine sür notarieüe Urkundett.

Wie Instizrat Stauü in der „Teutschen Inristenztg'"
mitteilt, hat der p r e n ß i s ch e Iustizminister, nachdeM
durch mamngfache Versuche in der geheimen Kanzlei des
Justizministeriums sich ergeben hat, daß die unter W''
nutzung gewisser Farbbänder^ mit der 'Schreibmaschiu^
hergestellten Schriften dieselbe Widerstandsfühigkeit habe»
und ebenso schwer vertilgbar sind, wie eine stnit beschr
Tinte hergestellte Schrift, den Notaren gestattet, die
Schreibmaschine für die Urschriften und die Ausferli-
gung der Notariatsurknnden zu verwenden, Diese daw
kenswerte Verfügung stellt einen großen Fortschritt i»
der Benutzung der Lchreibmaschine und eine erhebliäst
Erleichterung dar, Der Geschäftsgang in den l>iotariats-
kanzleien wird dadurch beschleunigt nnd die Form der'
Ansfertigniig bei Anwendnng der erforderlichen Sorgfall
und Reinlichkeit auch gefälliger, In nnseren Aiuvalts-
kanzleien weröen allerdings nicht selten die Abschrifte»
der Schriftsätze mit der Schreibmaschinc in ciner so nngef
nügenden, vielfach kauni leserlichen Art hergesteilt, daß
hier eine rücksichtslosc Zurückweisnng folcher verfehlte»
Nbschriften durch den Empfänger nicht selten am Platze
wäre.

Kleine Zeitung.

— Lvnimatzsch iKönigreich Sachsen), 26. März,
dec Schwochanerstraße hörten kürzlich in eineni Hanft
dic Bewohner Abends in der Tnnkelheit eincn kleinc»
Hund fortwährend bellen. Ta das klägliche Geheul kei»
Ende nehmen wollte, ging man hinab, nm den StöreN'
fried zu verjagcn, Dieser aber winselte, bellte und spranS
nm die Hernbgetömmenen umher, als wollte er sie bitten-
ihm nach einer gewissen Richtung zu folgen. Das geschn"
anch ,nnd bald gewahrte man in einiger Entfernung cincN
großen Iagühund, der in ein tiefes Senkloch der Schllnn
fenanlage gefallen war nnd nicht mehr heraus koiint^
Jn dem nnt Wasser nnd Schlamm angefüüren Loch sleckll
der Hnnd bis an die Ohren, und das Loch wäre jedeN"
falls ein nasses Grab für ihn geworden, wenn sein
ner Kamerad nicht gewesen nnd durch sein Belleu ds^
Lente herbeigeholt hätte, die den Pedrängten bald befren
ten.

— Ruosevclt als Jagcr. Vor kurzem hatten wir inft'
geteilt, daß der neue Präsident der Vereinigten ^staaN"
sich aus drei Gebieten einen angeseheiien Namen all
Schriftsteller gemacht hat, in der Geschichte, in der prm.
tischen Politik und im Iagdsport, Sein Werk „Hunt"bf
big game" hat der Präsiüent in einer Sonderausgabe an
Pergament dem Prinzen Heinrich als Geschenk für seins
kaiserlichen Bruder mitgegeben. Tas Buch ist prächft^
in grünem saffian gebunden und kommt naäi dc>
„Temps" dem Geber anf wohl 8000 Mark zu stetzft"
Es umfaßt 476 Seiten und enthält etwa 60 Illustratn.
nen, allen voran das Bildnis Roosevelts als Oberst d>>
Rauhreiter in Khaki und mit dem legendären SchlaPli
hut, Das Buch schildert lebensvoll das rauhe Leben ds'
Trappers und die grotzen Iagden, denen Roosevelt, 0.
wahrer Nimrod, als Cowboy in den großen Ebenen dst
Missouri obgelegen hat, Auf jeder Seite ofsenbart Ih
die leidenschaftliche Liebe des Präsidenten zum ft'vtft
Leben, seine Vorliebe für das Atmen in frischer Luft
für verwegene Abentener, Es erzählt, wie der Präside'
auf allen Vieren in ausgetrockneten Flußbetten krc"ft
nm die wilde Gans zn schießen, wie er dem Cugun '
dem Hirsch, dem Büffel nnd dem Grizzlibär auflainu'ft^
Roosevelt sagt in seiner Vorrede: Jch habe das 4'^,,
für meine Kameraden, die Hirten nnd die Jüger gesck^

Abende bei einer schönen Dame zubringe, Nach dieser Be-
mcrkung seines jungen Verehrers w.ar man über den Namen
der Dame nicht mehr im Zweifel und necktc Jan mit seinem
heillosen Gliick, das er sich, mit lachender Abwehr wohl, aüer
sichtlich mit gutem Humor gefallen lietz, Allmählich lief dann
durch die nach Unt'erhaltungsstoffen hungernde Stadt das Ge-
rücht, Frau von Lockhardt sei in einen hübschen, jungen Offi-
zier vcrliebt, der an manchem Abend als heimlicher Gast in
die einsame Villa komme, nnd es sei nun freilich nicht zu ver-
immdern, datz sie der eisigen Winterkälte diesmal so gerne
Trotz biete, wcnn ihr in ihrem Heim die Rosen der Licbe
crblühten, Von Mund zu Mund war das Geflüster gegangcn,
als cs erst dem Rittmeister zu Ohren kam, Er hatte seine
Abende viel zu Hausc in ernstem Studium zugebracht und be-
suchte nur selten die Gesellschaft der Kameraden, Und nun
hörte er, wie man hier am ofsenen Tisch den Namen der Frau,
die er im Stillen liebte, mit frivolem Lachen nannte, wie
man bon ihrem Günstling sprach und sich's wie einen gclun-
genen Witz erzählte, datz man dem glücklichen Oberleutnant
wieder zu später Stunde irn Bereich der Villa begegnet wäre,
Wildenau sprang auf, kreideweitz:

„Das ist nicht wahrl Das ist nicht wahr!" schrie er mit
ciner zornheiseren Stimme nnd schlug die bebende Faust auf
den Tisch, datz alle ihn plötzlich verstummcnd anstarrten:
„Abcr er leugnet es ja selber nicht,"

„Wo sollte er seine Abende zubringen, wcmi er, auffällrg
gcnug, erst gegcn zwöls Uhr zu nns kommt und ein Glas Wein
hinunterstürzt?"

„Stzezaneks Schattcn, Leutnant Strützel, hat ja auch deut-
lich genug aus der Schule geschwätzt,"

So klang's nach einer Weile von allen Seiten dem Ritt-
meister entgegen, der immer noch aufrecht am Tische stcmd,
mit schwer atmender Brirst und mit dunkel flammenden Augen,
„Um so schlimmer, um so schändlicher," rief er mit demselben
dnmpfeu, fremden Ton der Stimme, „wenn er den Rnf dieser
Frau nicht besser wahrt, wenn er diesem Gerede nicht ein

Ende zu machen weitz — und wemi es die Wahrheit
Wenn diese Frau ihm nicht zu hoch steht, nm mit ihrer E»
zu prahlen,"

Dann schob cr den Stuhl zurück, risz den Mautel
Nagel und ftürzte hinaus. Hier in der schweigenden Wi>nft
nacht stiesz er eincn wilden Schmerzenslaut zwischeu de» 0 ^
sammeugepretzten Zähnen hervor, er drückte dic Händc Z,,
das Gesicht nnd warf dann wieder grimmig auflachend
Kopf in die Hohe und ballte die Faust, ,

Er hatte sie lieb gehabt, diese Frau, Er hattc immer »nZ,,,
ringeu müssen mit sich selber, um ihr seine Liebe zu vcrbeiT „
weil er sich nicht gut genug fühlte für sie, weil er ihr tz „g
wenig zu bieten hatte, vielleicht auch wcil er eine ZurückweN^jj,
fürchtete, Und nun kam ein frecher Geselle und gab sie V,,l
Lachen der Kameraden Preis, wie eine galante ?kbentcuc> ,
O pfui! Datz man über sie lästerte, das war das Unerft
lichste, Das machte ihn toll,

Er schlug sich vor die Stirn in wildem Zorn:

„Es ist ja nicht möglich Dieser Mcnsch, dicser —

Er fcmd kein Wort, das seinen ganzen Hatz und >
ganze Verachtung zusammenfatzte, . ^pi^

Von Eifersucht, Liebe und Groll gemartert, verlebte »Shst
schlaflose Nacht, eine jener endlosen Nächte, in denen >
Funke Liebe, der das Leben möglich' macht, erloschen
?lm Morgen aber ivard er ruhiger und nun sagte er sick-
er nicht blotz schweigend verzichten, sondern zu handeln h»>-

,,Mir ist Freundschaft kein blotzes Wort!

Seine eigene Versicherimg klcmg ihm wieder im

mahnte ihn an seine Pflicht, an die Pflicht, Adele zu - Ev'Z
Es war undenkbar, datz sie wutzte, wie leichtsinnig dtt
den sie liebte, mit ihrcm Ruf umging, Fürivahr, ein
Gang für Wildenau, Zornbebend hätte er vor sie hintveten «F
ihr sagen mögen: Warum thust du mir das? Das Schlntzn ^
Ilber er mutzte ruhig sein; kein Ton durfte die Bitterkei -
Enttäuschung, den Neid seines eigenen Herzens verraten-

(Fortsetzung folgt.) ^

tva.r".'
 
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