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Heidelberger Zeitung (44) — 1902 (Januar bis Juni)

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Nr. 101-124 (1. Mai 1902 - 31. Mai 1902)
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https://doi.org/10.11588/diglit.23860#0856
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Jtalieu.

Mailand, 3. Mai. Die vom König begnadigten
vier amerikanischen Marineoffiziere wurden
sosort an Bord gebracbt, wo der Kommodore Arrest über
fie verhängte. Vorher hatte der amerikanische Konsul den
durch die Amerikaner verletzten Bürgern den zugesprochenen
Schadenersatz geleistet, sowie sämtliche Gericht» und
Anwaltskosten beglichen.

Rumnnien.

B n k a r e sl. 3. Alai. In den crsten Tagen der
nächsten Woche werdeil dreitausend Fsraeliten alrs allen
Teilen RlmiänieilS iiber Budapest-Wien nach Rotterdam
abreisen. von wo sie ans Kosten der „Jewith Colonisation
Assoeialion" nach Amerit'a gebracht und daselbst ange-
siedelt wcrdein

Asicn.

— Rach einem Telegramm des Bnrean Laffan
ans Rewyork wird ans Chin a gemeldeh daß die
K a i s e r i n-W i t w e an nervöser Erschöpfnng nnd
Schlaflosigkeit leide: ihre Kräfte nahmen schnell ab:
europäische nnd chinesische Aerzteseien konsultiert worden.

Amerika.

Annapolis, 2. Mai. Präsident Roosevelt wohnte
heute der Preisverteilung in der hiesigen Marineakadcmie
bei und hielt hierbei eine Ansprache, in der er die Schüler
darauf hinwies, daß es eines Tages von ihrem Mute
und ihrer Tüchtigkeit abhängen könnte, ob die Nation
ihren Namen in die Ehrentafeln der Weltgeschichte ein-
tragen dürfe, oder Schande und Nieverlage kennen lernen
müsse. Der erste Faktor für die Sicherung dcs Sieges
über irgend einen auswärtigen Gegner müsse notwendiger-
weise die Flotte sein. Wenn die Flotte versage, sei das
Land dazu verurteilt, besiegt zu werden, deshalb müsse
jeder amerikanische Patriot dazu mitwirken, daß ftändig
an der Flotte weitergebaut und dieselbe auf den höchsten
Grad der Tüchtigkeit gebracht werde.



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Aus Stadt und Land.

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ns, dic' in dem Rahmen ciiies Gottesdienstes ange-
schlosseu sein werdcii, wird sich cine geseüige Aachfeier in deu
Räumeu des städtischen Saaldaues auschließen. Wir hoffeu,
daß das Äonzerr eine mäÄlige Wirtung ausüben nnd die
Freude an der kirchlichen Musit fördern wird.

X Hniideschau in Schwetnngcn. Am Himmelfahrtstag
(8. Mai) hält der Verband badischer kynologischer Vereine
in Schwetzingen seine zweirc Berbands-Hundeschan ab. Der
Tag ist so recht geeigner, eine grotze Menschenmenge nach dem
allüekannten schönen Schwetzingen zu ziehen, zumal an diesem
Tage der über das ganze Naterland wcit hinaus betannte
herrliche Schlotzgarten seine bielen Reize und alle Spring-
brnnnen nnd andere Gewässer zur Verhecrlichung deS Tagcs
enrfaltet. Dre Hundcschau findet in der in allernächsler
Nähe des Bahnhofes gelegencn Dragoner-Rcithalle ftatr und
verspricht sehr interessanr zu werden. Das Standgeld beträgt
pro Hund nur Mark 1.—. Es kommen vicle Geld- und
Ehrenpreise zur Verteilung. Es genügt, wenn die Hunde
zwischen 10 und 11 Uhr eingeliefert werden. Mit per
Hundesehau ist gleichzeitig cin Preishüten für deutsche Schäfer-
hundc verbunden, welches vom Verein für deutsche Schäferhunde
in Hamburg-Wandsbeck mit Geldpreisen reichlich dotiert wird.
Als Preisrichter fungieren die Hcrren Boppel, Professor Trei-
ber, Apotheker Utz, Rechtsanwalt Dr. Schnell, Ernst Pröslcr
und Phil. Nöder.

LI> Schöffengerichtssttzung vom 1. Ma' 1) -Heinrich Kippen»
han von Ktrchheim erhielt wegen Körperverletzung und Wider-
stands 6 Wochen GefängniS; 2) Assenheimer von Ludwlgshafen
wegen Körververletzung 15 Mk. Geldstrafe oder 3 Tage Gefäng-
ii's; 3) Christine Elisabeth geb. Kallschmitt von Rohrbach
wegcn Vergehen gegen das Nahrungsm.-Gesetz 30 Mk. Geldstrafe
oder 6 Tage Gefängnis; 4) Veronika Fießer geb. Treiber von
Eppelheim wegen desgleichen Vergehens 30 Mk. Geldstrafe oder
6 Tage Gefängnis; 5) Karl Josef Klein von Mählhausen wegen
Vergehens gegen 8 137 Str.G.B. 5 Tage Gefängnis; 6) Anna
Ackermann hier wegen Unterschlagung 2 Wochen Gefängnis;
7) die Verhandlung gegen A. M. Th. Fclmer und Theobald Fel-
uier vonMainzwegen Betrugs wurde vertagt; 8) Emil Badstüb-
ner hier wurde von der Anklage wegen Tierquälererei und Sach-
beschädigung freigesprochen; S) Friedrich Lutz hier erhielt wegen
Körpeiverletzung 2 Monate Gefängnis.

Ldl. Manhcim, 2. Mai. (M o r d v e r s u ch.) Der in
der Friescnheimerstratze Nr. 25 in Ludwigshafen wohnende
Wirt Marrin S p o n a ge l vcrübte gestern Abend in cinem
Anfall bon delirinni tremens auf seinen 11jährigen Stief-
sohn einen Mordversuch. Er nahm den Jungen mir in den
Kellcr und gab dasclbft zwei Rcvolverschüsse auf den Ueber-
raschlen ab. Der eine Schutz ging fehl, der andere zer-
schmeterte die linke Hand. Der Unmensch wurde sofort ver-
haftet, er giebt an, er hätte die That verübt, weil seine Frau
cine Ehescheidungsklagc gegen ihn eingeleitet habe.

80. Vom Vodcnsce, '2. Mai. (D e r Wasser st a n d)
des Sces war im abgelaufenen Winter nie so nieder, datz
ein crgiebiges Graben in den Pfahlbauren müglich
war; trotzdem wurden in den einzelnen Sraiionen mitunter
sehr inieressante Gegenstände gefunden, so namcntlich in
Bodman ein Kupfcräxtchen, cin Jagdbeilchen, Feucrstcin-
messer nnd Feuersteinsägen in Geweihfassungen, Feucrstein-
sägen in Holzhandhaben, durchbohrte Steinhämmerchen, ein
durchbo'hrtes Geweihhämmerchen, ein durchbohrtes Geweih-
äxtchen, Dolchc, Aextchen, Messer, Pfriemen und Nadcln wie
auch Schmnckgegenstände aus Gewcih und Knochen, ein
KRochenmeißelchen in Geweihhandhabe, eine große durchböhrte
Holzscheibe, Spinnwirtel ans Thon, verkohlte Gewcbe; ferner
Stein- nnd Knochengeräte bei Schachcn in der Nähe von
Bodmann, desgleichen durchbohrte Steinhämmer und ein ver-
zicrtel Kwughenkel aus Thon, bei S e e f e l d e n cin sehr
schönes Bronzcmcsscr; bei I m m c n st a a d ein Bronzebeil mit
Schaftlappen.

tz Gottcsdicnstlichc Gesangsauffiihrung. Am Frohnleich-
namstag dem 29. Mai findet hier in Heidelberg in der
Peterskirche eine gottesdienstliche GesangsauOührung statt,
bei der sich 22 gemischte Chöre mit 900—1000 Sänger und
Sängerinnen bcteiligen werden. Die Anregung dazu hat der
Vorstand des badischen Landeskirchengesangvereins gegeben,
und die Chöre, die sich beieiligen, gehören alle diesem Verbande
an. Da sie alle in der badischen Pfalz zu Hause sind, wird
die Auffiihrung dcn Charakter eines pfülzischen Kirchengesangs-
festes annchmen. Die Sängerschar wird in zwei Grnppen
geteilr sein, von denen die einc im Chore der Peterskirche,
dic andere auf der Empore Aufstellung findet. Jene Gruppe,
bestehcnd aus dcn evangelischen Kirchcnchören in Baierthal,
Gauangelloch, Handschuhsheim, Hcidclberg, Kirchheim, Mann-
heim - Lutherkirche, Schönan, Schriesheim, Walldorf, Wall-
stadt, Weinhcim, Wieblingen und Zicgelhauscn, wird von
Herrn Lehrcr Herrigel dirigiert werden; Herr Lchrer Gebhard
von hier ist Dirigcnt der anderen Gruppc, zu der die Kirchen-
chöre Feudenheim, Kapellenchor Heidelberg, Ladenburg, Leimen,
Neckargemünd, Nutzloch, Sandhausen, Wicsloch und Wilhelms-
feld gehören. Die Orgel hat Herr Professor Dr. Wolfrum
übernommen. An die Aufführung der 18 Nummern des

LitterarischeS

IV. Otto N. Witt. Rnrthekion. Nachdenkliche Betrach-
rungen eines Naturforschers. Berlin, Verlag von Rudolf
Mückenberger, 1901, Prcis 4 M. 40 Pfg. — Jn dem hohlen
Stengel einer Fcrula-Art, welche die Griechen Narthex nann-
ten, verlvahrre Prometheus die glimmenden Funkcn, wclche
er vom Himmel zur Erdc herabtrng. Aus derselben Pflanze
wnrden die als Narthekion bczeichnetcn kleinen Büchsen ge-
fertigt, in denen das Alterllim Schmuck und andere kleine Ge-
genstände ausznbewahren pflegte. Der Name scheint nicht un-
passend für ein Buch, wclches zur Äufnahmc dessen bcstimmt
ist, was ein Naturforscher in den Ruhepauscn scincr eigent-
lichen Lebensarbeit sich selbst und seincn Frennden znm Er-
götzen schuf. So war der Charakter des Buchcs bestimmt,
das in sieben Aufsätzen des Wertvollen nach allen Richtungen
die Hülle und Füllc enthülr. Bringen die Abhandlungen, zur
Philosophie der Chemie und zur Philosophie der Naturwissen-
schaft sicher auf den Weg, wo dre Jdeen wohnen, die richtung-
gebend stnd für die nenere Weltauffassung, so giebt vor Allem
die Betrachtnng „Dic Regel im Zufall" so viel des Reizvollen,
datz man dieser iinterhaltendcn Bclehriing nur immer wciter
folgcn möchtc. Witt er.zählt z. B., wie man an einem ein-

fachen Beispiel, wic das marmorierte Papier cs nns bietet.
die Enrstehung dcS Zufalls srudicren kau^. Seiuc Aus-
führungen siub vou eiuer wahrtMr erqutckemien Äusckiaulich-
teir. Jn dcm Aufsatz über die Äunsr gievr Wirr der Ucber-
zeugung Ausdruck: „uichr nur die Küusrler müssen mit allcr
Jnbrunft die Quelleu dcr Schönheir suchen, sondern das ganze
Volt mutz ihneu dabei helfen. Wir müffen Alle durchörnngen
sein von der <rehnsuchl nach Lem Schünen, von dcm Beöürfnis
nach einer t'ünstlerisch vollkommenen Ausgestaltuiig unserer
Existenz. Wic im Attertum die Griechen nnd in unserer Zeit
die Japaner, die vciden kunsrsinnigsten Völker, welche die Erde
hervorgebracht hat, so müffen auch wir dahin tommen, daß
kein Gegensiand uns für den Gebrauch genügt, dessen Formen
unschon oder unkünftterisch sind. Besvnders erwähnenswerr
find aus diesem Aüschnirr noch die Nussührnngen über Phoro-
graphie. Dic übrigen Äapiret pehandeln dic Jahrhnnderrs-
wende und Technologisches, Erschautes und Ergründeres: Das
Buch ist so reich, datz seine Lekrürc immer wieder Anrcgnng
geben muß. Es sei auf daS allerwärmfte cmpfohlcn.

—* Das bckanmeWörter- undRegelbuch für Rcchtschreilmng,
das auch zugleich Fremdwvrterbuch ift, erscheint jetzt in 7.
Auflage, um der neucn Rechtschreibung zu dienen, wie sie
von der Sachocrständigen-Konfereliz, welcher dcr Verfasser
auch angehörte, voriges Jahr in Berlin festgestellt wnrde. Es
wird nimmehr eine gleiche Rechtschreibung für alle Staatcn
des deutschen Reiches, für Oesterreich und die Schweiz her-
gestellt sein und cs ist damit ungeheuer viel gegen visher ge-
wonnen. Die Mängel, welche unserer Rechrschrcibung noch
anhaften, lassen sich nnnmehr um so leichtcr befeiligen, wenn
cs auch immerhin nnr sehr allmählich geschchen wird, wenn
alle Länder der denrschen Zunge jeweils gleicharrig vorgehen.
Das in jeder Hinsicht gut ausgesrattete Wörrcrvnch von
Tuden har sich lüngst so empfohlen, datz es anch in der neuen
Form sich neiie Kreise erwerbcn wird.

—* Das Antiquariat E r n st Carlebach har soebcn
seinen 250. Katalog in die Welt geschickr. Reichhnirig nnd
preisivert enthälr derselbe besonders Papier- und Pcrgament-
manuskripte, alte Holzschnirr- und Kupfcrwerke nsw. Jn-
teressant war die Uuslage der Firma gelegcntlich des SOjähr.
Regierungsjnbilünms nnseres Grotzherzogs. Ein Original der
1852 an das Volk gerichteten Proklamation, welche seinerzeit
im ganzen Lande durch Anschlag bekannr gegeben war, !var
im Schaufenster zu sehen.

—* Jm Vcrlage der Hosbuchhaiidlung von Karl Sigis-
mund in Berlin erschien soeben: Stechers Armce-Cinteilung
nnd Qnartier-Listc dcs deutschcn Reichshecres nnd der Kai-
serlichen INarine. Nach amtlichen Ouellcn bcarbeitet nnd
herausgegeben bon der Redaktion des Deutschen Soldaten-
hortes. Einzclprcis 80 Pfennig. Für den praktischen Gebrauch
aller Behörden, Polizei- und Gemeindevcrwaltnngen, beson-
ders für alle Beamten militärischer Bnreaus ist dicses altbe-
währie Armceschema ein unentbehrliches Hilfsmittel. Hinsicht-
lich der höhercn Chargen bietei dasselbe eincn sehr branch-
baren Ersatz der grotzen, sehr viel teureren Rangliste; es er-
gänzt dieselbe dnrch dic Sächsischen und Baverischen Truppen-
ieile, welche die Rangliste nicht enthäli. Abgeschlopen ist
die Liste am 22. April.

—8 Von dcr Iveitverbreitetcn „Bibliothek der Unterhaltung
uud des Wiffens" ist nenerdings Jahrgang 1902 Band 4 bis 6
crschienen. (Union, Stiittgart.)

—§ Jn Heft 17 der weitvcrbreitetcn Familienzeiischrift
„Jllustrierte Wclt" beginnt cine oberöstcrreichische Dorfge-
schichte von Fannv Kaltenhauser: „Die Dorfschmiede",
währcnd Reinhold Ortmanns Roman „Heimweh" fortgesetzt
wird. Ergrcifend wirkt H. Siemens' Erzählung „Die Ge-
schichte eincs Träumers"; köstlich ist die von I. Bahr illnstrierte
Humoreske B. Raucheneggers „Der Herr Minister", interesiarst
und lehrreich die gleichfalls reich illustrierte „Pkauderei über
Schlangen" und der Aufsatz über „Malaria und ihre Be-
kämpfung" ans berufener Feder. Von den .Knnstblättern
seien „Mädchenkrieg an den griechischen Ostcrn", die „Ma-
donna del Sacco", das berühmte Meisterwerk des Andrea del
Sarto in einer vorziiglichen Nachbildnng nnd ein „.Kirchgang
in einem Schivarzwälder Dorfe" crwähnt. — DurK jede
Bnchhandlnng kann man die „Jllustrierte Wclt" beziehcn, die
bei der Deutschen Verlags-Anstalt in Stuttgart in jährlich
28 Heften zn je 30 Pfennig erscheint.

—* Einc für Reise und Kontor vorzüglich geeignete Karte
von Deutschland ist soeben in vierter, bedeutend berbefferter
Auflage 1902 im Vcrlage von Otto Maier in Ra v e n s -
burg erschienen. Dieselbe zeichnet sich vor allem durch Klar-
heit und Dentlichkeit besonders aus und ermöglicht infolge
des beigefügten Ortsverzeichnisies äutzerst rasches Auffinden
aller Plätzc. Der sehr billigc Preis von 60 Pfennig dürfte
8er Karte aiich fernerhin eine grotze Verbrcitung sichern.
Dieselbe ist durch jede Buchhandlnng zu beziehen, eventuell
auch durch den oben genannten Verlag.

Kleine Zeiturig.

— .Koünrg, 2. Mai. Die geschiedenc G r o ß h e r -

Graumanns Nachfolger, ein in kleinliche Verhültnisse förm-
lich cingekapsclter Landpfarrcr."

„Je'dcr fühlt sich am glücklichsten i» scinem selbst ge-
wählten Bernf. Da müssen Sie ebcn nachgeben, Breu/e."

„Das mutz ich wohl, hätte ihn aber gar zu gern als grotzen
bernhmten Mann gesehen."

„Je nnn, anch anf diesem Wcgc läßt sich Karriere ma-
chcn."

„Waltcr machr keine. Dcm isl von Kindheit an der Kopf
rnit andcren Ansichten vollgepfropft wordcn. Wenn der
wiißte — doch reden wir lieber gar nicht davon, Herr Doktor.
Es giebt Dinge, über die nachzudenken man sich histen mutz —-
da ift das Geld! Bitte nm Jhre gcfällige Unterschrift."

Beide nnterzeichneten.

„Er hat mächtige Angst, daß sein Sohn dcreinst erfährt,
tvas hinter dem Antiquitätenhandcl stcckt," sagte Orb lachend,
als die schwcre Thüre wieder hinter ihnen zngeschlossen und
verriegclt wnrde. „Wollen wir noch ein wcnig bnmmeln,
Herbert?"

„Heute nicht. Jch bin noch etivas verstimmt."

„Wegen einer solchen Kleinigkeit? Jn spätestens sechs
Monaten gcbe ich dir das Geld, damit du dcn Schuldschein
einlösen kannst."

„Es fällt mir aber peinlich, dir in solcher Wcise lästig zu
fallen."

„Sei nichr komischl Wcr hat mir dcnn mehr als einmal
ans der Patsche gcholfen? Da werde ich dir doch wahrlich
anch cinen so unbedentenden Freundschaftsdienst leisten kön-
nen. Jst ja gar nicht der Rede wert. Also dn hast keine
Lust mitzukommen? Nnn, dann giste Nacht nnd morgen auf
Wiedersehen!"

Sie krennten sich.

Verdrietzlich schlenderte Werther nach Hanse. Die einge-
gangene Wechselschnld ivar nicht grotz, und doch kam es ihm
vor, als habe er heute den ersten Schritt anf gefährlicher
abschüssiger Bahn gethan.

Daheim fand er einen Brief von Konstanze vor; auch
das war nur gceeignet, seinen Unmut zu steigern. Sie übte
immer nur eiue seltsame Macht über ihu aus, wenn er ihr
Auge in Auge gegenüber stand. Die Entfernimg brach den

Zanber jedoch sofort. Das Müdchen schien sich aber als seine
Braut zn betrachten und gehörte zu jenen starken und exal-
ticrten Naruren, dic ihr gntes, oder vermeintliches Rccht üis
aufs äiitzerste verfechten nnd chcr zu Grunde gchen, als znrnck-
treten. Und der Vater — dcm wäre diese Berbindung sicher
nicht erwünscht. Herbert meinte, ihn schon im Geiste mit zorn-
flammendem Gesicht vor sich stehen zn sehen und dic mit ver-
nichtender Strenge gesprochenen Worte zu hören: Wie konntest
dn es wagen, ein leichtsinniges Spiel mii dcr Waise, deren
Vormund und Beschützer ich bin, zu treiben, noch dazu nnter
meinem eigenen Dache? Jetzt handle, wie dn muht und wie
es dir die Ehre gebietet, wenn auch dein Gliick dabei in Scher-
ben geht!" — Und wcnn Herbert anch wirklich einwenden
wollte: „Von Verlobnng nnd Ehc war ja nic die Rede zwi-
schen unsl" so würdc die Antwort — das wutzte er — lauteu:
„Einen elenden Schurken nnd Rechtsverdreher, der sich nnr
durch das gesprochene oder geschriebene Wort gebunden fühlt,
hat man bisher vergebens nnter den Freiherrn von Werther
gcsncht. Einen kranken, von Mehltan befallenen Zweig dulde
ich nichi an nnserem nralten Stammbaum. Die adelige Ge-
sinnung mutz allem voran stehen. Denkst dn anders, so hört
jede Gemeinschäft zwischen uns anf. Jch hätte dir diese Braut
niemals gewählt — Du wähltest selbst, also sei auch Mann
genng, nicht nach erbärmlichen Ausflüchten zn spähen —"

Ja, ja, so würdc der Oberförster sprechen. Und dahin
kam es früher oder später doch, denn Konstanze klammerte
sich init der gcmzen Gewalt ihrcr überreizten Empfindungen
an zwei Stunden leichtfertiger Thorheit.

„Ach Gott— ivas wird ans mir werden?" stöhnte Herbert,
indem er mitzmnttg anf sein Lager sank.

Viertes K a p i t c l.

Just hatte sich mit Gertrud verheiratet und bewirtschaftcte
das Verlvahrloste Gütchen der alten Karten-Lore. Das ge-
schah anfänglich mit wahrem Feuereifer; und tväre Trude
eiue andere geivesen, so würde es ihr leicht geivorden sein,
ihn zu immer ernsterer Thätigkeit anzusporneu. Mer das
junge, hübsche Weib war eben an kein arbeitsames Leben
gewöhnt. Sie stand entweder vor dem Spiegel und putzte
sich oder sie schweifte zwischeu den Bergen umher, pflückte

Blumen und lag dann wieder träge am Bach, die Hände nnter
dem schwarzlockigen Kopf verschränkt, den Wolken nnd Vögeln
nachsehend.. Ost zog sie anch die an dem roten Band hängende
Münze hervor und betrachtete sie nachdenklich mit ihren grotzen
Augen.

Eines Tages näherte sich Just ihr ganz nnvermutet und
fragre barsch: „Von wem hast du denn das Ding?"

„Von der Mnhme," crwiderte sie trotzig und schob das
Silberstück, als er darnach greifen wollte, wieder nnier ihr
Mieder.

„Mir ist, als hätte ich das silberne Ding schon einmal
gesehen — ich kann mich nur uicht besinnen, wo", sagte er,
die Mützc zurückschiebend nnd das dicke, feuchte Haar aus der
Stirn streichend.

„Na, ja, bei der alten Lore vermutlich."

„Nein, bei der nicht. Warum hast dn cs mir denn bis
jetzt nicht gezeigt? Steckt da gar etwas dahinter?"

Sie sprang anf imd stand mit zornig funkelndcn Augen
und zitternden Ziasenflügeln vor ihm.

„Hör' cndlich auf, mich mit deiner cwigen Eifersucht
zu quälen! Das leid ich nicht. Dir war's nm mich zu thun,
nicht mir um dich. Hast ja gewußt, datz böses Gerede über uns
alle im llmlanf ist. Es hat dich keiner gezwnngen, mich zu
nehmeii." -

„So meine ich's iiicht, Gertrud," lcuttc Fust ein. „Was
weitz ich mir denu Lieberes als dich? Aber ebeu deshalb quält
cs mich bestäudig, datz ich nie zu der Ueberzeugnng kommcn
kaim, dir ebenso lieb zu sein, wie du cs mir bist. Siehst
du, so ein Zweifel peinigt und reizt, er ist wie ein Wurm, der
immerfort nagt. Jch kann nicht drüber Ivcg konimen, wenn du
selbst mir nicht hilfst. Jch schenke dir ja gerne dies und das,
weil du nim einmal Freude an dem Tand hast; ich habe das
Häuschen ausbesiern, die Stuben hübsch einrichten lasscn, dir
mit eigenen Händen einc Laube aus Tannenreisig im Garten
gebaut, unsere paar Aecker und Felder bestellt — aber dir
scheint's daheim nicht zu gefallen. Du bist immer anderswo.
Wienn ich von der Ärbeit heim komme, ist das Haus öde unä
leer, imd ich mutz dich erst suchen und herein holen. "
(Fortsetzung folgt.)
 
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