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Heidelberger Zeitung (44) — 1902 (Januar bis Juni)

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Nr. 101-124 (1. Mai 1902 - 31. Mai 1902)
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Samstag, 24. Mai 1902.


44. Jahrgang. — 119.



^^chernt täglich Sorwtags auSgenommev. Preis mit Familienblättern monatlich 50 Psg. in'S Haus xcbracht, bci drr Expedition und den Zweigstellcn abgeholt 40 Pfg.».Durch die Post be>

.» zogen vierteljährlich 1.35 Mk. auSschließlich Zustellgebühr. . " M

8^ upreis: L0 Pfg. sür die Ispaltige Petitzeile oder deren Raum. Reklamezeile 40 Pfg. Für hiesige Geschäfts- und Privatanzeigen ermäßigt. — Für die Aufnahme von Anzeigen an bestimmt
^""chriebenen Tagen wird keine Verantwortlichkeit übernommen. — Anschlag dcr Juserate auf den Plakattafeln der Heidclberger Zeilung und den städt. Anschlagstellen. Fernsprech-Anschluß Nr. 82

Zie Ansprache des Mischoss Menzler
an den Kaiser.

ch der Kaiser in Metz die Kathedrale betrat, empfing
'Oischof Willibrord Be n zler mit solaeuder Ansprache:

star>-", Kaiserlichc und Königliche Majestät lvolle mir ge-
Ehrertr rm^^hvchstdieselbe beim Eintritt in dieses Gotteshans
Ur,^ ?^tigst willtommen zu heitzen. Dem hohen Kunstsinn
su thatkräftigen Förderung Ew. Majestät haben wir es
det-^Ä^' öatz dieses herrliche Bauwcrk in vcrjüngter» vollen-
DgA ^chönheit sich dem staunenden Blickc zu zcigcn beginnt.
gxo„ cunstprächtige Hauptportal geht seiner Vollendung ent-
Doin"' schon sehen wir E Geiste, wie auch das Jnnere des
^nes ts, seiner ursprünglichen Pracht wiedcr ersteht. Es
idealer Gedanke, der den Erbauer des Metzcr St.
stxio-""?domes begeisterte. Stephanus, so berichtet die Apo-
tvZ^d.tichte, sah stcrbend den Himmel osfcn, vidit coelos aper-
ttzch-Diesen Moment, so sagl man, erfatzte des Künstlers
Lleiis'- ^ ^hn Stein zu vcrkörpern. Jm hohcn Chore sinkt
KisaÄ^ dcr Märtyrer unter dem isteinregen der Juden
^ir ^?En, sein brechendes Auge schaut in die Himmelshcrrlich-
durch die hohen, farbcnprächtigcn Fenster in dic kühn
duxD^istuden Hallen zu flutcn scheint. Mögen andere Dome
gx„-..wächtigvrc Dimensioncn und gcwaltigere Massenwirkun-
Liw hervorthun, — was edlcs Verhältnis, Schönheit der
geistige Bewältigung dcs Materials angcht, kann die
wert St. Stephanskathcdrale mit den Hervorragendsten Bau-
gotischen Stiles wetteifern. Ew. Kaiserliche und
rez Majestät haben die hervorragende Bedeutung unse-
tch^^""tes allsogleich zu würdigen geruht und seine Restaura-
stät sttjchherzigcr tNesinnung gefördert. Geruhen Ew. Maje-
dxz'-Ifir so grotzc Hnld den ehrcrbietigstcn Dank des Bischofs,
Nsz ^umkapitcls nnd der ganzen Diözese entgegenzunehmen.

der Scgen dcs allmächtigen Gottes, zu dessen Ehren
kstostr ?st'crlichc und Königliche Majestät diesen Dom seiner
Aschen Vollendnng cntgcgcnführcn, in reichster Fülle
stät ^^^crströmen anf Ew. Kaiscrliche und Königliche Maje-
lig,' Ahrc Majestät die Kaiscrin und das gesamte Kaiser-
"ud Königliche Haus."

8ut- ^oyale To» in der Rede des Bischofs macht cinen
st Eindruck. _

Dmtsches Neich.

Lie'7- Jm Wahlkreise des verstorbenen Zentrumsführers
Siei d?* wünschten die Zentrumsbauern die Aufstellung der
d^i^Eagskandidatur des Herrn von Graberg, Präsi-
Nasiauischen Bauernvereins. Statt desien ist
Zentrum der Rechtsanwalt Dahlem aufgestellt wor-
tti,' Nun meint die „Rheinische Volksstimme", ein Zen-
fstr , ^tt: „Ob die nassauischen Zentrumsbauern
dij, .^en Juristen stimmen werden, nachdem die Kän-
be, ,v. Graberg abgelehnt worden ist, darf man billig
ditz^Eifeln. Gcwisie Krcife scheinen zu glauben, daß
ta>i^auern einzig und allein als „Stimmvich" etwas

Der Gesetzentwurf betr. Abänderung des Gesetzes über
den Besuch des gewerbl. und kaufm. Fortbildungsunter-
richts wird der Sonderkommission überwiesen, welche den
Gesetzentwurf betr. das Elementarunterrichtsgesetz in Be-
handlung hat.

Abg. Fehrenbach (Zentr.) berichtct Lber die An-
forderung von 100 000 Mark (erste Rate) zur Erbauung ciner
Hebammenschule in Karlsruhe uud beantragt namcus der
Budgetkommission Ablehnung dcr Aufordcrung.

Ministerialpräsident Scheukel glaubt nicht, datz das
Plenum einen anderen Beschlutz fatzt, auch wenu er die schönstc
und längste Rede halten würdc. Die Anforderung rsthtcte
sich nicht gegen die Wirksamkeit der Universitätsklinikcn; mah-
gebend Ivar vielmehr der Wunsch, für die Hebammcn ein wei-
teres Lehrinstitut zu schaffen, da die Zahl der Hcbammen,
welche die Kurse in Heidelberg besuchen, allmählich zu groh
geworden sei. Der Hauptgrund aber war die Rücksicht auf die
Wiederholungskurse, ivelche man den ohnehin überlasteten
Ilniversitäten nicht übertragen kann. Es wäre wünschenswert,
dah die Kurse nicht im Nebenamt versehen Ivürdcn. Aus
diesen Gründcn kam dic Regiernng dazu, dic Errichtnng einer
besonderen Hebammenschnle zn fordern. Es handlc sich aller-
dings nicht nm ein absolnt dringendcs Bcdürfnis. Er hoffe,
weim die Forderung wieder an das HanA kommt, ein srcund-
licheres Eptgegenkommcn zu fmden.

l'cach einem Schluhwort des Bcrichterstatters, welchcr der
Hoffnung Ausdruck giebt, dah das Haus mit Rücksicht auf die
llnwersitätsklinikcn nicmals zu einem anderen Beschluh kommt,
wird die Anforderung einstimmig abgelehnt.

Abg. Zehnter (Zentr.) berichtet sodann über den Ge-
setzentwurf betreffend Abändernng des Landesgesetzes vom
24. März 1888 über die. Ausführung der Unfall- und Kran-
kcnversicherung und das Landesgesetz vom 7. Juli 1892 übcr
dic Nusführung der Krankenversicherung und beantragt nnver-
ändcrte Annahmc des Entwurfes, die nach kurzen Ausführun-
gen des Ministerialpräsidenten Schcnkel einstimmig erfolgt.

Schluß der Sitzung: halb 11 Uhr. Morgcn: Petitionen.

^ Madischer Landtag.

Zwe-O' Karlsruhe, 23. Mai. (88. Sitzung der
tzjt, Kammer.) Präsident Gönner eröffnet die

^ng um 9-/. Wr.

ietr ^öangen: Eine Petition der Gemeinde Mühlbach
ürp'x.^nuung einer Bahn von Eppingen nach Mühlbach,
e>ne Eingabe der Gemeinde Fesienbach um einen
- ^beitag zur Erbaunng eines Schnlbanses.

Sachsen-Altenburg.

— Prinz Albert von Sachsen-Altenburg
ist cim 22. d. auf seiner Besitzung Serrahn bei Krakow in
Mecklcnburg gestorben. Prinz Albcrt, ein Vctter des re-
gierenden Herzogs, hatte am 14. April sein 59. Lebens-
jahr vollendet. Er hatte früher in der russischen Armee
gedient. Der Prinz war zweimal verheiratet, das erste
Mal mit der verwitweten Prinzessin Heinrich der Nieder-
lande, geborenen Prinzessin Marie von Preußen, einer
Tochter des Prinzen Friedrich Karl. Nach deren im Jahre
1888 erfolgten Tode schloß er 1901 eine zweite Ehe mit
der Herzogin Helene zu Mecklenburg-Strclitz, ciner Nichte
des regierenden Großherzogs.

Aus der Karlsruher Zeitung.

— Seine Königliche Hohcit dcr G r o ß h e r z o g haben
dcn nachgcnannten Personen die Erlaubnis znr Annahmc nnd
zum Tragen dcr ihnen vom Kaiser von Rußland verliehencn
Ordesauszeichnungen crteilt, und zwar dem Finanzminister
Dr. Bnchenbe r ger für das Grotzkreuz des St. Anna-
ordens, dcm Oberbürgermcister Otto Bcck in Mannheim für
das Kommandeurkreuz mit Stern des Ordens vom Heiligen
Stanislaus nnd dem Kaiserlich Rnssischen Vizekonsul Alois
Bender in Mannheim sür das Ritterkreuz des St. Anna-
ordcns.

— Seinc Königliche Hoheit der Grotzherzog haben
den ordentlichen Professor der Geburtshilfe und Gynäkologie
an der Uuiversitcit Heidelberg nnd Dircttor dcr Frauenklinik
dasclbst, (Äeheimen Hofrat Dr. Ferdincmd Adolf K ehrer ,

nnter Enthebung von seiner Stelle alsKreisobcrhebearzi für die
Kreise Mannheim, Heidelberg und Mosbach anf 1. Oktober
dieses Jahres unter Anerkennung seiner langjührigen treu ge-
leisteten Dienste und unter Ernennung znm Geheimen Rat
zweiter Klasse in den Ruhestand versetzt.

— Steuerkontrollor Josef Anton Walzenbach wurde
znm Zollverwalter in Gailingen ernannt, Hauptamtsassistent
Hermann Fitterer beim Hauptzollamt Mannheim zum
Hauptsteuerarnt daselbst verseW, Finanzassistent Griedrich
Schindler beim Hauptstencramt Baden als Buchhaltcr und
Finanzassistent Kart Vetter beim Hauptsteueramt Lörrach
als Hauptamtsassistent etatmätzig angestellt.

Karlsruhe, 23. Mai. Der Großherzog empfing
heute Pormittag 10 Uhr den Finanzminister Dr. Buchen-
berger zur Vortragserstattung. Um 11^ Uhr begaben
sich die Großherzoglichen Herrschaften nach der Festhalle
zur Fortsetzung der Besichtigung der Ausstellung badischer
gewerblicher Unterrichtsanstaltcn. Dieselben beendigten zu-
nächst die Besichtigung der in den obercn Räumen der
Festhalle untergebrachten Ausstellungen der kleineren Ge-
werbeschulen des Landes und widmeten dann längere Zeit
den Ausstellungen der Großherzoglichen Kunstgewerbeschule
hier, der Großkerzoglichen Kunstgewerbeschule Pforzhetm
und der Großherzoglichen Baugewerkschule, sowie den
Ausstellungen der größeren Gewerbeschulen des Landes,
wobei Jhre Königlichen Hoheiten die zahreichen anwcsenden
Lehrer der Anstaltcn mit Ansprachen beehrten. Die Be-
sichtigung währte bis gegen 3 Uhr. Nachmittags 4 Uhr
10 Minuten erfolgte die Rückkehr der Kronprinzesstn von
Schweden und Norwegen aus Koblenz. Später nahm der
Großherzog die Vorträge des Geheimerats Dr. Freiherrn
von Babo und des Legationsrats Dr. Seyb entgegen.

Airsland.

Rußland.

Pctersburg, 23. Mai. Jn unterrichteten Kreisen herrscht
die Ansicht vor, daß das Attentat auf den Gouverneur
von Wilna, General von Wahl, verübt worden ist, weil
der Gouverneur kürzlich eine Anzahl Personen, die in Wilna
die Ruhe gestört haben, auspeitschen ließ. Die er-
wähnten Ruhestörungen, die sich im Zirkus ereignet haben
sollen, hat man zu verheimlichen gcsucht.

Amerika.

New-Aork, 23. Mai. Nach einer Meldung der
„World" versucht Mo rgan alle Weichkohlengruben
zu verschmelzen mit einem Kapiial von dreihundert Mil-
lionen Dollar.

Aus Stadt und Land.

Heidelb erg, 24. Mai.

X Die hiesige Ortskrantenkasse hielt am 22. laufcnden
Monats im Stadtratssaale unter Leitung ihres derzeitigen
Vorsitzenden Herrn Möbelfabrikcmtcn Burckhardt eine
von Seiten der Arbeitgeber- wie auch der Arbeitnehmer-Dele-
gierten gut besuchte autzerordentliche Generalversammlung ab.
Punkt 1 der Tagesordnung betraf die Ergänzungswahl des
Vorstandes. Statutengcmätz hatten aus dcm Vorstcmde zwei
Arbeitgeber (die Herren Bnrckhardt und Malermeister Ludw,
Zicgler) und vicr Arbeitnehmer (die Herren Karl Paule,
Franz Lischka, Georg Walther und August Grotz) auszuschei-


.-v^Erböse war der Blick, mit dem eine ältere Frau in den
bewii.., zweiten Pfingstfeiertages schante. Seit fast 30 Jahren

Keidekberger Ukaudereien.

(??) Heidelberg, 24. Mai.

jsch dvk?^! ste Soniiners ein Sodawasserhäuschen und erwirbt
Mt jfich ihren kärglichen Lebensunterhalt; aber solche Pfingsten
- -^itter ^ nicht erlebt. Wenn ein Maler den Zorn und die
Urde die in dieseni Blicke lagen, auf die Leinwand bannen
jchafst,', hätte er ein Meisterwerk seelischen Ausdrucks ge-
b'li-k berühmt machen müßte. Jm mündltchen Aus-
Mek. ^ die Frau hinter dem, was ihre Angen sprachen, weit
ä?diie'j,,„ Er iinmerbin entschlüpften dem Gehege ihrer spärlichen
^chte! ^ Eräftigen Worte: Wenn doch die ganze Welt uiitergehen

soll und wird es nicht werden. Es würdc
Mßstijj,,^, ch uicht gefallen, mögen wir es gleich in augenblicklicher
de„x,, Mö herbeiwüiischen. Man frage einmal die übrig ge-
i?8e„. -.^ewohner von Martinigue, was sie zum Weltuntergang
vn^uüber ,5^" davon einen Vorgeschmack bekommeil. Jhm
Vcheinen ihnen sechs Wochen kalter Regen wie eine
L- Erholungszeil.

A, Ui„ um diese Zeit die Mannhcimer nach Heidel-

L» dcw ^»ch?u der schönen Natnr hier zn erquicken; wenn das
it^Er n„j)s ä!sr mdessen so fort geht, dann werden die Hekdel-
d- ^ iür .ounheim reisen, uni sich an den Freuden der Groß-
y? ^tzten - deeinträchtigten Naturgennß zu eutschädigen. An
dn?'' ak „n^rtagen hat man schon mehr Heidelberger in Mann-
LL'. bie ni-ll?"?hrstuer hier gesehen. Nicht zum wenigsten trug
I„» ckt is. ^rrbeausstellung bei, die auch von bier aus zahlreich
i„ i„>,,,„ ^Ugemeines Jnteresse crweckt auf solchen Ausstel-
»iu,. ste„ snw,°>5,^^^labteilung, währeud mau von Cigarren
soi> recln Bonbons in Gläsern nnd Aehnlichem eigentlich

°str sie das Jnteresse des Beschauers fesseln
UvÄ^Ustii Möbel anbetrifft, so fiudet inan viel alten

^ ^Urch'.öebeizte Stücke, die weder durch das Material
^racyt der Ailsfllhrung reizen sollen, sondern wesent-

lich durch ansprechende Form wirkcn und zn recht hübschen Zimmer-
garnitnren zusammengestellt sind. Doch sind anch einige Zimmer
da, die aufs Feinere ansgehen und zwar ebenfalls mit gutem
Erfolg. Namen zu nennen, wird der Plaudcrer sich hüten, dcnu
die Nichtgenannten pflegen das übel zu nchmen. Für Lente, die
Caprizen nachhängen, befindet sich.ein Sopha nebst zwei Polster-
stühlen dort, die ansseheu, als seicn sie mit Mehl oder Zement
bestaubt. Das liegt im Dessin des Stoffes. Unwillkürlich fährt
man mit der Hand darüber, um sie sauber zu machen. Wahre
Vexiermöbell

Großes nnd Packendes anf dem Gebiete deS Schanens
bietet das Panorama, das z. Zt. in Mamiheim ausgestellt ist
und dem Beschauer die blutige Erstürmuna von Bazeilles durch
die Bayern am 1. September 1870 vorführt. Wic da eine
lebendige Wirklichkeit, die ein Dorf mit seiner Nachbarschaft im
Umkreise von vielen Kilometern umfaßt, in eincn verhältnismäßig
doch nur kleincii Ban hereingezaubert ist, das mnß nls be-
wundernswert bezeichnet werden. Mit körperlichen Gegenständen
nnmittelbar vor dem Beschaucr setzt das Panorama au nnd dann
wird es so geschickt iu die Zeichnaug übergeführt, datz mau selbst
mit dem Operuglas nicht nnterscheiden kann, wo das
Wirkltche anfhört mid wo das Gemalte anfängt. Die Bctrachtmig
des blutigen Kawpfes löst cine tiefe Empfinduug im Zuschaner
aus. Das Hsldenhafte, dem man im Leben so selten begegnet,
hier ergreift cs den Menschen mit starker Gewalt.

Uebrigeus haben wir gegenwärtig ja auch hier auf dem Meß-
platz eine Schaiistellmig. tzschade, daß sie so weit eutfernt liegt
und daß das Wetter so ungünstlg ist. Zmn Glück für oie Meß-
leute giebt eS immer noch viele Personen, dic etwas verlorcu zu haben
glauben, wenu sie die Messe nicht bssuchen, Es geht der Messe.
wie mancher Oper; die Kritiker ziehen gegen sie zn Feldc, be-
zeichnen sie als veraltet mid überholt, das Publikum aber läuft
in Scharen hin und amüsiert sich, und beide Teile haben recht.
Man bekommt auf der Messe nicht nnr allerlei zn sehen, sonvern
man kami auch Manchcs pecsönlich probieren, wozu Einem sonst
nicht Gelegenheit geboten wird. So kaun mau z. B. im Hip-
podrom auf eiuem lebendigen Gaul reiten. Komisch war cs Iien-

lich, zn sehen, wie eine Dame stolz auf dem Ganle dahertrabte,
während ihre Frisur hin und her baumelte. Diese war auf die
Erschütterimg durch daS Reiten nicht berechnet mid alle Versuche
der kühnen Sportsmännin, sie mit der einen Hand wenigsteils
einigermaßen zn bändigen und in der richtigen Lage zu halten,
erwiesen sich als vergeblich.

Jn solchem Falle thnt man am besten, mit dcn Spöttcrn zu
lacheu. Aber leider fehlt sehr vieleu Leuten dazn die Unbc-
fangenheit nnd der Hnmor. Auch die liebe Eitelkeit stellt sich bei
Viclen hindernd in den Weg. Jm Allgemeinen kann man sagen:
Wer nicht nüt Anderen über sich selbst lachen kcmn, der wlrd sich
auch nur schwer über semeu Alltagsmeuschen erheben; er wird ans
den engen Schranken des Jchs nicht leicht herailskommcii. Wer
mitlacht, lacht am besten.

Freilich giebt es ja Zeiten und Umstttnde, da einem Jeden
das Lachen vergeht. Wenn, man z. B. auf den Wochemnarkt
geht mid sieht all' die Gemüse, die nicht da sind mid soll für
einen kleinen weißen Nettig fünf Pfemüge bezahlen, dann hört
der Spaß auf beiden Enden auf, da beginnt der Notstand, der
sich mit der Heiterkeit bekanntlich schlecht verträgt. Die Dichtknnst
soll zwar durch ihn angeregt werden, spricht man doch so oft von
hmigrigen Dichtern mid meint man doch, daß, wie in den heißen
Läiidern der Durst, so bei uns zu Lande der Hnnger die Phan-
tasie anfstachelt. Aber es mȧ doch daneben sonst noch Etwas
zmn Dichten gehöreu, denn der Plauderer hat es bei dem schlcchten
Wettcr imd den teuren Marktpreisen nur zu folgendem Vsrs gebracht:
Spargeln — ke!n Gedanke; Bohnen piel zu tener;

Rettig mid Kohlrabi: Preise ungeheuer.

Ikuch die gelben Rüben stehen hoch im Preise,

Somit auf Kartoffeln schränkt sich ein der Weise.

— Enttäuschung. Graf: „Nun. liebe Baronin, wie war'K
denn gestern in der Prem.öce!" — Baronin: „Ach, war riestg
enttäuscht von dem Stück; va habe ich persönlich schon viel tollere
Sachen erlebt?" _
 
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