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Heidelberger Zeitung (44) — 1902 (Januar bis Juni)

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Nr. 101-124 (1. Mai 1902 - 31. Mai 1902)
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Skmstag, 31. Mai 1902.

Grftes Blatt.

44. Jchrgaug. — ^ 124^





^cheint täglich Sonnlags ausgenouuneri. PreiS mit Familicnblältern monatlich 50 Pfg. in'L Hons gebracht, bei d-r Expcdition und dcn Zweigstellen abgeholt 40 Pfg.,. Durch die Post be-
z, zogen vierteljährlich 1.35 Mk. ausschließlich Zustellgebühr.

. uzeigcnvrcis: L0 Pfg. für die Ispaltige Pctitzeile odcr deren Raum. Rellamezeile 40 Pfg. Für hiesige Geschäfts- und Privatanzeigen ermäßigt. — Für die Aufnahme von Anzeigen an bestimmt
^rgeschriebenen Tagcn wird keine Perantwortlichkeit übernommcn. — Anschlag der Jnserate auf den Plakattafcln der Heidelberger Zeitung und den städt. Anschlagstellen. Fernsprech-Anschluß Nr. 82

Eine Unterredung mit dem Krafen Mütow.

Dem aus Petersburg über Berlin zurückkchrenden Pariser
^chriftsteller Bullier gewährte Reichskanzlcr Graf Bülow
" Berlin eine längere llnterredung. Dem Berichte, welchen
^ Figaro über dieses Jntervicw vcröffentlicht, sind folgende
^üllen als die wichtigsten zu entnehmen: Als erstes Thema
die Polenvorlage besprochen. Jm Verlaufe
^ses Teiles der Unterredung wies Graf Bülow auf den
^rk seines Palais und sagte: „Sehen Sie hinaus in
?ksen Park. Ließe ich da zehn Hasen und fünf Kaninchen,
würden sehr bald fünfzehn Hasen uno hundert Kaninchcn
"rhanden sein. Bei aller Achtung vor den konstitutionellen
^fchten der Polen ist die Wahrung unserer nationalen
^kistenzbedingungen dringend geboten. Zur Zollfrage
wgte Graf Bülow: Die Politik der Diagonale wird mir
?'cht lcicht gemacht. Sollte einer versuchen, das Beispiel
Paris nachzuahmen, Minerva und Juno würden ihm
'E Augen auskratzen!" Dcr unveränderle Dreibund-
^rtrag enthält keine Verpflichtnng Jtaliens gegen Frank-
^lch» Der Vertrag ist überhanpt rcin defensiv und fried-
^ch- Der Abschluß der Handelsverträge ist eine
«esonderte Aufgabe; sie wird vor Jahresschluß beendigt
Für China sucht Deutschland keinen Verbündeten.
j-wn spxach von einer Einigung mit den Vereinigten
^slwten bezüglich Chinas. Das ist ganz unmöglich.
^eutschland wird stets mit den Verteidigern des Friedens
Auch in diesem Sinn besteht vollste Uebereinstim-
Aung des Zweibundes mil dem Dreibund. Selten hat der
^urizorit so wei'ige schwarze Punkte gczeigt. Schließlich
Erkonnte Bülow wärmstcns den Takt und die Würde, die
^rubet in Pctersburg beobachtet hat, an.

DeuLsches Reich

Baden.

l rj.O. Karlsruhe, 30. Mai. Ju einer Versamm-
,"Ug des Karlsruher sozialdemokrati.schenVereins
Reichstagsabgeordvetcr Adolf Geck einen Vortrag
°Er „Die Stellung der Sozialdcmokratie zum bad. Finanz-
°ksktz 1902/03". Redner gab der Meinung Ausdruck, daß
^Senüber dcm badischen Finanzgesetz für 1902/03 die in
^r Resolution dcs Lübccker Parteitages niedergelegten Vor-
^u^setzungen für die Zustimmung der Sozialdemokraten
v wt vorhanden seien, zumal auch die berechtigten Wünsche
av» untcrcn Angestellten, unberücksichtigt geblieben seien,
»Uch das jetzige Ministerium vicht entgegenkommender sich
,?8e, als das Ministerium Eisenlohr. Jn der Diskussion
^Ugen laut „Volkssreund" die Meinungen über die
."?uge der grundsätzlichen Budgctverweigerung sehr aus-

'Uand

er.

Madischer Landtag.

Karlsruhe, 30.Mai. (92.Sitzungder Zweitcn
^ ncr.) Präsident Gönner eröffnct die Sitzung um
ö Uhr.^

^ Eingegangen: Eine Petition dcs Ausschusses dcr Pri-
^fcuerversicherunpsgesellschaftkn bctr. Abändcrung des
^Ucrvkrsickerunasaesebes. eine Eivoabe der Gemeinden

Oehningen, Wangen u. A. bctr. die Erstellung einer
Automobilbahn durch den Höri.

Zur Beratung steht der Gesetzentwurf betr. de Ge -
me ind ebeste ue ru n g und das Gemeindewahlrecht, über
wclchen Abg. Dr. Goldschmit namens der Verfassungs-
kommisston Bericht erstattet.

Der Entwurf bezweckt im Wesentlichcn, die durch Artikcl
5 dcs Gesctzes vom 9. August 1900 in Aussicht geftellte Ab-
ändcrung der Gemcinde- und Städicordnung in Kraft treten
und in den Gekneinden bis zu 2000 Einwohnern dic Bürger-
meister und Gcmcinderäte unmitrelbar von den Wahlberechtig-
ten wählen zu lassen, wie es bishcr in dcn Gemeinden bis zu
1000 Einwohnern der Fall war. Die Regierungsvorlage
bringt damit eine Neuerung, daß sie dic Gemeinderäte zu
je einem Drittel durch die Angehörigen der Klassen, die für
die Wahl des Bürgerausschusses gcbildet sind, gewählt wisscn
will. Nach eingehcnder Beratung fasztc die Verfassungskom-
mission Ler Zweitcn Kammer folgende Beschlüsse: 1. (cin-
stimmig, datz auch die Gcmeinderäte durch die Gesamtwähler-
schaft zusammen zu wählen seien und nicht getrcnnt von den
drei Klaffen; 2. (mit cincr Mehrhcit von 9 gegen ü Stimmen)
datz das Rccht der direktcn Wahl des Bürgermcistcrs und dcr
' Gemcinderäte auf sämtliche dcr Städteordnung nicht untcr-
stehcnden Gcmeinden auszudehncn sei und 3. (cinstimmig)
für dcn Fall dcr Nichtannahmc des letztcn Bcschlusses durch
Lic übrigcn gesctzgcbendcn Faktorcn, dic direkte Wahl in allcn
Gcmcindcn bis zu 3000 Einwohncrn cinzuführen. Mit die-
scn Beschlüsjen erklärtc sich jedoch die Grotzherzogliche Re-
gierung nrcht einvcrstanden. Der Minister des Jnnern sprach
sich dahin aus, datz die Grotzherzogliche Regierung felbst ein
schr grotzss Bedürfnis nach Abänderung des Gemeindewahl-
rcchts nicht gchabt habe. Sie habe es blotz für Ivünschenswert
crachtet, einem fast einmütig gefatzten Beschlutz der Zwciten
Kammer Rechnung zu tragen. Der Antrag, die direkte Wahl
auf alle Gemeinden auszudehnen, die nicht der Städteordnung
uutcrstehen, sei für die Regierung unannchmbar. Am aller-
wcnigsten könne sic fich auf die Ausdehnung bis zu 3000 Ein-
wohnern cinlassen, wenn die Driktclung bei dcr Wahl der
Gen.emderätc abgelehnt würde. Für die Drittelung sprächen
auch jene Gründe, die man für das Proportionalverfahren
gcltcnd mache. Jn der Drittclung läge einc Art Minder-
hcitswahl, komLiniert mit dem sogenannten Pluralsystem nach
dcm Vermögen. Die Annahme der Drittclung scheine autzer-
dcm im Hinblick auf die Zukunft zweckmätzig. Man solle ein-
mal mit diescm Shstem praktische Erfahrung machen. Bewähre
es sich, dann könne man cs ruhig auf grötzere Gemeinden aus-
dehnen. Untcr diescm Gcsichtspunkt empfahl der Regierungs-
vertreter dcr Kommission, doch noch eimnal zu erwägcn, ob
sic an dcr Ablehnung der Drittelung festhalte. Die Kom-
mission konnte sich indessen mit der Drittelung, die cine der
Bevölkerung ganz fremde und von ihr nicht gcwünschte Neue-
rung brächtc, nicht befrcunden. Da abcr bei dcr bcstimmten
Erklärung der Grotzh. Regierung nach Ansicht der Mehrheit
der Kommission cin Scheitern des Gesctzes vorauszusehcn war,
wenn man in der Einführung der dirckten Wahl über die
Vorlage hinaus gehe, so wnrdc nnnmchr der Autrag, bis zu
3000 Einwohnern zu gchen, mit 7 gegen 6 Stimmen abge-
lehnt. Die Kommission beschloh weiter zu beantragen, datz
die Erneuerungs- und Ergänzungswahlcn zum Bürgeraus-
schutz in einem Wahlgangc vorzunehmen seien.

Abg. Dr. Wilckens (Natlib.) billigt die Vorschläge
der Regierung, welchc dic klcinen Einkommen, wie bisher,
zur Gemeindebesteuerung hcranziehcn will. Durch dcn ein-
heitlichen Steuersatz werden die Geschäfte der Steuerbehör-
dcn wesentlich verringert. Gegen die Ausdehnung des direk-
tcn Gemcindewahlrechts herrschten in der Kommission keine
Bcdenkcn. Die nationalliberale Partei war sogar bereit, noch
wcitcr zu gehen, als die Regierungsvorlage vorsicht; der Vor-
schlag, allcn Gcmcinden, auch soichcn, die mchr als 3000
Einwohner haben, das dirckte Wahlrccht zu concedieren, schien

ihr jcdoch zu weit zu gchen. Sie wollte dcn Fortschritt, dcr in
der Vorlagc liegt, durch allzu weitgehende Forderungcn nicht
gefährden. Die Einführung der Drittclung schien uns for-
mell und materiell ungerechtfertigt. Dic Einheitlichkeit der
Gemeindeverwaltung würde dadurch gewitz nicht gcwinnen.
'Redner erinncrt daran, datz die Kammcr schon früher sich
gcgen die Distriktseinteilung der Gemeinden ausgesprochen
har; ähnlichc Gründe haben die Kommission zu ihrcm Be-
schlutz geführt, für Lcn die nationalliberale Partei stimmen
werde.

Abg. Fehrenbach (Ccntr.) glaubt, dah dcr erste Teil
des Entwurfs, bctreffend die Bcsteucrung der Gemeinden, den
ungeteilten Beifall dcs Haufcs finden wird; dagegen rufe der
zweite Teil schwere Bedcnkcn hervor. Die Kommission hat sich
einstimmig gegen die Klasscnwahl ausgesprochen, in der Ile-
bcrzeugung, datz sie zweifcllos die Billigung der Gemcinden
nicht finden würdc. Da man mit der Stellung der Parteien.
der Regierung und dcs andern hohcn Hauses' rechnen mutzte,
so hat die Kommission gcglaubt, sich auf das zunächst Erreich-
bare beschränken zu sollen. Das Zentrum ist ebenfalls der
Ansicht, datz dcr Entwurf cinen Fortschritt bcdeutet. Redner
. glaubr, datz dic Rcgierung mrt dem Entwurf keine fchlechten
Erfahrungcn machcn und später von selbst dazu kommen
wird, die Ziffcrn zu erhöhen. Mit der Annahme der Vorlage
ivcrdc kcinc Gemcindc gcschädigt, andererseits aber dcn Wün-
schcn zahlrcichcr Gcmcinden cntsprochen.

Abg. Hcimbnrgcr (Dem.) ist mit dcm ersten Teil
der Vorlage einverstanden; dem zweiten Tcil stehe er jedoch
nicht so freundlich gcgenüber. Wenn derselbe auch cinen
Fortschritt darstelle, so sei dersclbe aber nicht grotz genug,
weshalb ihn seine Partei nur als eine Abschlagszahlung hin-
nehme. Seinc Partci habe ihrc Wünsche betreffend Ausdeh-
nung des Wahlreckits nur deshalb auf die kleineren Städte
und Gcmcinden beschränkt, weil sie zunächst nur das Errcich-
bare anstreben wollte; fie sei aber der Ansicht, datz das dirckte
Gemeindcwahlrccht auch auf die Städte der Städteordnung
ohne Gcfahr für das öffentliche Wohl ausgedehnt werden
könntc. Dic Erfahrung habe gezeigt, datz nirgends eine Un-
ordnnng eingetreten ist, wo das direkte Wahlrecht besteht. FLv
jetzt begnüge sich seine Partei mit dem, was hier geboten wird
und überlasse die Vcrantwortung der Regierung. Die Zu-
fricdenheit bcr Gemcinden werde durch die Vorlage nicht ge-
steigcrt, weil in dcrsclben ein Mitztrauen gegcn die übrigen
Gemcinden liegt.

Abg. Binz (Natlib.) ist erfrcut, datz wenigstens die
Grenzc bis auf 2U00 Einwohner hinausgerückt wurde, weil
dadurch hauptsächlich bäncrliche Gemeinden das direkte Wahl-
recht erhaltcn. Er hofse, datz an dem Fallenlaffen der Drit-
telung dic Vorlagc nicht scheitern wird. Man hätte wohl auf
3000 Einwohner gehen können, zumal dcr überwiegende Teil
derselben sich in den gleichcn wirtschaftlichen Verhältniffen
befindct, wic die Gemcindcn, denen jctzt das direkte Wahl-
recht zugestanden wird. Daran möchte er aber das Gesetz
nicht schcitern lasseu.

Ministerialpräsidcnt Schenkel betont, daß es nicht
leicht war, eine Lösung zu finden, die allen Seiten gerecht
wurdc. Er freue sich, datz dcr erste Teil des Entwurfs allge-
meine Zustimmung gcfundcn hat. Die Erweiterung des Wahl-
rechts habe die Regierung vorgeschlagen, weil sie einer weit-
verbreiteten Stimmung Rechnung tragen wollte. Man em-
pfand es unstreitig in vielcn Gcmeindcn als Unrecht, datz
sernerzert die indirckte Wahl der Gemeinderäte und Bürger-
meister eingefiihrt wurdc. Die Erhebungen, welche die Re-
grerung vorgenommen, haben zu der Ueberzeugung geführt,
datz zwar kein dringendes Bedürfnis zur Aenderung des bis-
herigen Zustandes vorliegt, datz aber andererseits auch- keine
Gefahr zu bcfürchten ist, wenn das direkte Wahlrecht auf
allc Gemeindcn bis zu 2000 Einwohnern ausgedehnt ivird.
Weiter wollte die Regierung abcr nicht gehen.' Er hätte ge-
glanbt, datz die Vorschläge auf der linken Seite mehr Aner-
kennung findcn würden, nnd hoffe, datz, wenn die Regicrung
auf dic Drittclung verzichtct, auf die Erfüllung der wciter-

Willi uud der MackfistH.

(Heidelberger SZene.)

sy^ ^ummeltc heutc mit Willi in dcr Hauptstratzc. Plötzlich
hy. ein junges Mädchen (backfischartig) mit blondcn
sch,/U- die ihn sehr intcressiertc. Wir gingen ihr nach. Sie
Jt den Weg nach dcm Schlotz ein. Wir hinterher. Auf
Üieo^ winkt sie plötzlich und zwei andere Backfischartige

°8en ,
Ä.Pen

zu ihr. Eine gutc halbe Stunde promenieren die drei

im Schlohpark herum und wir folgen ihren Spuren,
dycht.errötend, ö In Schiller, ich nicht, dcnn Rotwerdcn ist
li„ t bin überwundcner Standpunkt für einen modernen Jüng-
°' uber Willi — Simpel von der alten Schule I
Niexchn einmal verabschiedet sich die Blonde von ihrcn Ka-
^8ix - "uen und schlägt wieder den Weg nach der Stadt ein.
tzstfi'.^uier hinterher. Sie scheint vor uns zu fliehen. SLtzes
^illi!> -.-Tch bin cin Mann, wer ist es mehr . . .1" citiert
flnte,, ^ i'ch hin. Jch lachc in mich hinein, sage aber nichts.
in pj Vi Friesenbcrg angekommen, eilte fie aber nicht weiter
.^/adt, sondern schlägt den Weg ein, der an der andern
her. M Thales wieder hinaufführt. Wir natürlich hinter-
dvn n ^ u? geht sie immer langsamer und langsamer, fchaut
jdllnd - ^ühe dcs Berges noch einmal hinnntcr, ob auch Nie-
itrim" lle Ühe und geht dann im Schutz einer schwarzange-
uen Bretterwaud gmiz langsam . . -
d«iin u- wenn Du die Gelegenheit nicht benützest, daun —
..--Eg TT bist Du ein komplettes Kamcel!" platztc ich heraus.
eiiiq-.-A doch deutlich genug, datz fie unfcrtwegen diesen Pfad
Itap/ uugen hat. Wärcn wir ihr läftig, hättc fie in die
ffiliiEj..^^en können. Greif zu, Junge, erfatz das blonde

Frcund Willi hat trotz noch so lockendlangsamen
'ein- trotz noch fo schwarz angestrichcncr Brettcrwand

'urage.

^er ^sflu sic nur cine von ihren Rosen fallen lietze
u Taschentuch vcrlieren würde, das ich ihr nach-

tragen könntel Oder wrnn es wcnigstens regnete, daß ich
Grund hätte, ihr meinen Schirm anzubietenl"

So seufzt Willi. Abcr fie lätzl nichts fallen und es regnet
nicht. Tücke des Schicksals! Willi verzweifelt bald.

„Ach, die schöne Gelegenheit vorübergehen zu lassen, wäre
zu dumm! Rede doch Du sie an,.Du hast darin mehr Routine!
Jch — ich habe wirklich keinc Couragc, es ift das erste
Mal! . . .

So jammerte er fort!

Mittlerweile wareu wir an dcn grotzcu Nischeu unterhalb
der Schlotzterrasse voriiber und kameu dcm Park wieder näher.
Willi glaubte schon alles verloren.

„Ach wo!" rief ich mit Zubersicht.

Und richtig — man mützte die Evastöchter nicht kenncn
— dreht sie um und bleibt steheu. Wir gehen vorüber und
drehen in einiger Entfernung auch um. Sie geht zurück, wir
nach. Sie gcht nun sehr langsam, bleibt sortwährend stehen,
pflückt Blumen, mich wundert blotz, datz sie keine Sternen-
blumen zupft L la Gretchen. Willi zerbricht sich den Kopf
wegen cines Unknüpfungspuvktes, findet aber keincn. Unter-
dessen verschwindet sie in eine der Nischen. Wir gehen
vorüber, ich kehre aber gleich wicder um und bleibe stehen.
Mir reißl die Geduld.

„Jch will mich Deincr crbarmen uud dcn Backfisch angeln,"
sage ich und gehe in dic Nische.

Er folgt rot und bebend, als ging's in dcn Venusberg,

während der sogenannte Engel-n« — lasscn wir hier

lieber des Sängers Höflichkeit vorläufig schweigen.

„Wollen wir nicht ein bischen sitzen, Willy?"

„Gewitz."

„Sie gestatten doch, mein Fräulein?" fragc ich.

„Bitte" lispelt sie errötend, die Augen züchtig nicdcrge-
schlagen, Ivas ihr aber cigentlich sehr schwcr wird.

(Während der folgenden Szene hüllt sich Willi in Röte
und undurchdringliches Schweigen.)

„Mein Fraulem, verzeihen Sie, sind Sie nicht aus Mühl-
hausen?" frage ich frech drauf los.

„Bcdaurc."

„Jch habe da cinc junge Dame namens Anna Ziegler
kcnnen gelcrnt (alles verlogcn, aber als Anknüpfung!), die
sieht Jhnen auf's Haar ähnlich. Jch glaubte wirklich, Sie
sind es! Jch glaubte^es, bis Sie „Bedaure" sagten. —

Nun, ich bedaure auch, Sie belästigt zu haben.-- Nein,

dieso Aehnlichkeit 11 — Verzeihen Sie, mein Fräulein, aber das
Naturspiel ist so frappant! Jch kann nicht schweigen! Mein
Erstaunen mutz sich Luft machenl (Riesiger Kohl, aber —,
als Anknüpfungl) So ähnlich, Locken, Augen, Mund, Ge-
stalt, allcs'I"

„Mein Herr, ich hättc nicht gedacht, so plebejisch auszu-
sehen, daß mir so leicht Jcmand ähneln tonnte!"

Das war ja von. ihr eigcntlich grob nnd eingebildet, aber
— als AnknLpfiingl

Jch lictz mich also nicht irre machen:

„Oh, die ich kannte, war nichrs weniger als plebcjisch!
Jm Gcgentcil, sie war fast cbcnso reizend, wie Sie. (Reizend
war sie nicht, aber als — ua jal) Diese Locken, dicser
Wuchs, diese Nase, diese Augen (sie lächelt), diese Zähnel
usw."

— Pausc. —

Willi räuspert sich, sagt aber nichts.

Sie zcrpflückt einc Rose.

„Was hat Jhnen die armc Blnme gcthan?"

— Pause. —

„Für wen ist eigentlicfl das schöne Rosensträntzchen?"

„Jedenfalls nicht siir Sie."

Da hatte ich meinen Trcff.

„Jch will's ja auch gar nicht. Aber andere wärcn glück-
lich."

— Pause. —

Willi, mit rotem Kopf, schweigt.

Jch schaue hinunter auf dic Lcmdschast.
 
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