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Heidelberger Zeitung (44) — 1902 (Januar bis Juni)

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Nr. 125-149 (2. Juni 1902 - 30. Juni 1902)
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sei in der 3. Klasse der Unterschied der Mehrkosren und er
glaube, datz damit dem Bummelzug endgiltig das Urteil ge-
sprocheu sei. Diese Zahlen sprechen zivar deutlich bezüglich
der Plahausnützung, gcben aber nach der finanziellen Seite
rwch kein gcnügendes Bild. Die Gesamiausgaben für deu
Schnellzugsverkehr betragen bei der 1. Klassc 712 000 Mk., die
Einnahmen aus dem Verkehr in der 1. Klasse 379 009 Mk.,
also betragc das Defizir der 1. Klasse 332 191 Mk. Jn der
2. Klasse betragcn die Einnahmen 1 451 000 Mk., die Aus-
gaben 2 088 070 Mk., also ergebe sich ein Defizit von 636 070
Mark, in der dritten Klasse belragen bei 1 551 000 Nkark
Ausgaben die Einnahmen 3 110 739 Mark. Die dritte
Klasse bringt also einen Ueberschuß vou 1 569 739 Mark.
Der Schnellzug rentiert übcrhaupt nur durch die 3. Klasse
und es seien also nachträglich diejenigen gerechtfertigt, die
der Generaldirektion insinuierten, in Schnellzügcn die 3. Klasse
zu führen. Jm Personcnzugverkehr verursachen die 1. und
2. Klasse iviedcr ein erhebliches Defizit, ivahrend die 3. Klasse
bei 9 779 335 Mk. Einnahmen 7 360 000 Mk. Ausgabcn,
also einen Ueberschuß von 2 419 Mk. aufweist. Damit sei auf-
geklärt, daß unser ganzer Tarif in den einzelnen Klassen un-
richtig kalkuliert sei, daß ein schreieudes Mißverhältnis be-
stehe und daß ein dringeudes Bedürfuis für die Preisreform
der 3. Klasse vorhanden sei.

Was die Ausfälle bctreffe, so bercchue die Generaldirektion
den Ausfall auf 3 084 290 Mk. Es werde sich allem uach
um einen Ausfall von 2 bis 3 Millionen handeln. Nun frage
sich, was an Frequenzsteigerung eintreten werde; hier müsse
mit Schätzungen operiert lverden. Ein Anhaltspunkt sei die
Einführung des 2 Pf.-Tarifs in Hessen. Die Mehreinnahmcn
haben hier im ersten Jahre 30 Prozent betragen, das Mehr
an Personenkilometern 15 Prozent. Jn Hessen habe nicht die
4. Klasse, sondern der 2 Pfennig-Tarif die Berbesserung her-
beigeführt. Wenn schon im crsten Jahre eine solche Steigerung
eintrete, dann werde man für später noch eine weitere Er-
höhung der Einnahmen in Aussicht nehmen dürfen. Für
zwei Jahre iverde ein Fünftel, also 20 Prozent Mehrfüllung
der Plätze in Rechnung zu nehmen sein. Run handle es
sich um die Frage: Wie viel bedarf dicse Mehrniasse von
Reisenden auch Mehrkosten?

Die Aufmachung der Generaldirektion sei viel zu doktrinär.
Die Generaldirektion habe einfach kalkuliert: Bisher fahren
wir 32 Millionen Reisende, die kosten uns so und so viel; folg-
lich kosten 74h Millionen mehr so und so viel. Es fehle aber
die Hauptantwort darauf, welche Zähl von Reisenden durch die
jetzt leer fahrenden Züge aufgenommeu werden könne. Er
sei freilich durchaus nicht der Meinung, daß alle aufgenom-
men werden können. Die Generaldirektion gelauge zu der
Annähme eines Mehraufwandes von zwci Millionen. Er
glaube aber, dah das nur die alleräußersten Maximalzahlen
sein können. Er meine vielmehr, daß die Summe, um die es
sich thatsächlich handelt, mit 1 100 000 Mk. noch sehr hoch in
Rechnung genommen ist.

Der ursprüngliche Antrag der Kommissiou sei dahin ge-
gangen:

1. den Tarif für den Personenverkehr wie folgt festzu-

setzen:

Fahrkarten für gewerbliche Arbeiter im bisherigen Um-
fang, für landwirtschaftliche Arbeiter, für Schüler, für
Kinder unter zehn Jahren und für Militärpersoncn im

bisherigen Umsang.1 Pf. für 1 Kilometer

3. Klasse .2 Pf. für 1 Kilometer

2. Klasse .4 Pf. für 1 Kilometer

1. Klasse.6 bezw. 8 Pf. für 1 5tilometer

und die weiteren Ausnahmetarife zu beseitigen.

2. Eine Beseitigung des Schnellzugszuschlagcs ins Auge
zu fassen und im Jnteresse der Anziehuug des Durchgangs-
verkehrs für beslimmte Linien oder Züge probeweise vorzu-

nehmen.

3. den Gepäcktarif zu verbilligen uud durch Eiuführung
sachgemäßer, im Jnteresse rascher und billiger Abfertigung
gelegener EntfernungS- und Gewichtszonen zu vereinfachen.

Eventualantrag: Für den Fall der Ablehnung des
Hauptantrages wolle die Kammer der Abgeordneten be-
schließen: Die k. Staatsregierung zu crsuchen, die Grund-
taxe auf 2 Pf. für 1 Kilometer und für die oben angeführ-
ten Kategoricn auf 1 Pf. für 1 Kilometer festzusetzen.

Jn der Zwischenzsit sei die Aenderung in der finanziellen
Lage eingetreten. Wir haben geglaubt, den Kollegen in der
Kommifsion den Beitriti zu dem Antcag der Kommission
dadurch zu erleichtern, daß wir den Eventualantrag zum
Hauptantrag machten und diesen Antrag noch weiter erleichter-
ten durch dic Einfchaltung „sobald die Finanzlage es gestatte".
Ferner sei eine weitere Abtönung gemacht worden, welche nur
das Prinzip betont und eine bestimmte Marschroutc nicht er-
teilt. Jm Kommissionsantrag heiße es nunmehr „ins Auge
zu fassen", stakt „festzusetzen". Je mehr man sich mit den
Fragen des Eisenbahnwcsens befasse, nmsomehr komrne man
zu der Ueberzeugung, die Eisenbahnen seien ein Jnstitut, das
des Ausbaues nach den berschiedensten Seiten im Sinne einer
noch immer besseren Ausgestaltung zum Besteu der Allgemein-
heit fähig sei. Alle die Verbesserungen, die die Kammer an-
geregt yabe, wie die 3. Klasse in den Schnellzügen, haben
sich als finanziell vorteilhaft erwiesen.

Staatsminister des Auswärtigen Freihcrr von Soden:
Die vorliegendc Frage sei in der Hauptsache eine Geld -
frage. An sich sei natürlich jede Ermäßigung der Tarife
im Personrn- und Güterverkehr anzustrebcn und zu begrüßen.
Die Selbstkosten können natürlich nur in Bausch und Bogen
berechnet werden. Wer z. B. einen Gartcn habe, könne wohl
sagen, was dieser Garten im Ganzen koste, nicht aber, ivas

zu demselbeu abgeschlossen. Der Himmel allein weitz, wie
sich das alles gestalten ivirdl Die Schaulust steigt dabei immer
mehr, je näher das historische Ereiguis rückt. Zwei Tage
Sonnenschein haben den schon halü verzweifelnden Tribünen-
unternehmern Trost gebracht. Währcnd sie schon begannen,
die Preise hcraüzusetzen, um ihre Schaugerüste nicht lecr
zu haben, ist plötzlich eine solche Nachfrage erstandcn, daß
überall wieder die Preise hinaufgeschraubt wurden uud war
der Umsatz während der letzten zwei Tage ein ganz außer-
ordentlicher. Bci einer dcr Kirchen im Strand wurden binneu
wenigen Stunden Sitze für 60 000 Mark zu Preisen von 120
bis 240 Mark verkauft und Anträge in der Gesamthöhe von
250 000 Mark, wo billigere Preise verlangt wurden, zurück-
gewiescn. Der Zustrom vom Kontinente, darunter nament-
lich auch von Deutschland, ist ein ganz enormer und London
wird noch nie zuvor den Namen eines Völkerbabels so sehr
berdient haben, wie in der Krönungswoche.

Bei der Probe des K r ö n u n g s z u g e s hat es
sich herausgestellt, daß der Thronhimmel, den die Herzoginnen
von Montrose, Marlborough und Sutherland bei der Prozes-
sion über der Königin zu tragen haben, viel zu schwer ist. Es
muh daher wohl ein anderer, leichterer Baldachin gebaut wer-
den. Auch bei den vier Carls, die den Baldachin für den
König tragen, haben sich verschiedene Schwierigkeiten bei der
Ausübung des Ehrenamtes in den Weg gestellt. Wie be-
kannt, hat sich der Earl of Rosebery geweigert, sich in die alte
Tracht zu kleiden, da ihm der Sinn für derartiges „Komö-
diantentum" völlig abgehe. Uebrigens hat er — ebenfo
wie die beiden anderen „Kollegen" — kaum Mittelgröße,
während der vierte Earl ein wahrer Riese bon Gestalt ist.
Es wird unteö diesen Umständen natürlich nicht gerade leicht
sein, den Baldachin in der Balance zu halten.

ein einzelner Rettig koste. Die Hauptsache sei die Frage, ob
durch die zu erwartende Verkehrssteigerung die Mehrausgabe
ausgeglichen werde. Zwar könue man angesichts der vielen
leerlaufenden Wagen auf dcn Gedanken kommen, daß es zu
cincr Füllung derselben bloß einer Tarifermäßigung bedürfe.
Diese Annahme wäre richtig, wenn es lediglich im Belieben
der Bahnverwaltuug läge, die Reisenden zu vcrteilen, dies
sei aber nicht der Fall. Streckcn, die eineu großen Verkehr
ohnehin schon häben, seien anch gut besetzt, es müßten dcshalb
die Züge vergrößert, neue Züge eingeftellt, die Anlagen aus-
gcbaut werdeu usw. Die minder besetzten Züge müßten dabei
nach wie vor weitergeführt werden.

Bleibe anch nur ein Ausfall von 1l4 Millionen, so sei doch
die gegenwärtige Finanzlage ein triftiger Grund gegen eine
plötzliche Ermäßigung des Tarifs. Der Rechnungsabschlutz
für das Jahr 1901 sei sehr ungünstig ausgefallen. Dazu be-
laufe sich die Summe für die bewilligten und noch zu bewilli-
gendcn Bahnbauten auf 150 Millionen. Unter letzteren be-
finde sich der Bahnhofumbau Stuttgart mit ca. 40 Millioncn
(Hörtl hörtj, die linksufrige Neckarbahn mit 20 Millionen,
Ümbau der Bähnhöfe Reutlingen, Tübingen usw. 8 Millionen;
dagcgen seien dabei noch keine Nebenbahnen irgend welcher Art.
Bei alledem seien weder Reservefonds, noch Restmittel, noch
Grundstocksmittel borhanden. Angesichts solcher Zahlen glaube
er, daß man an Tarifermätzigungen kaum denken könne und
daß die Uebergangszeit, in der mit Ausfällen zu rechnen
fei, eine sehr lange sein werde. Wenn er auch dem Bericht-
erstatter Recht geben wolle, daß der 2 Pf.-Tarif der Tarif
der Zukunft sein werde, so sei er doch überzeugt, daß dieser
Tarif nur sehr schrittweise ermäßigt werden dürse. Als er-
reichbares Ziel erscheine ihm zunächst die Herabsetzung der
Tarife auf die Hälfte der jetzigen Rückfahrkarten. Zweite
Etappe könnten dann die Sätze von 6, 4 und 2,4 Pf. sein. Auf
diesem Boden wäre, wenn nicht alle Anzeichen trügen, auch
eine Verständigung mit den übrigen süddeutfchen Eisenbahn-
verwaltungen nicht ausgeschlossen.

Es sei ja zugegeben, daß wir in Württembcrg bis zu
einem gewissen Grad rückständig sind im Vergleich mit den
übrigen Verwaltungen, insbesondere was den Nahverkehr be-
trefse. Nachdcm nun auf der Stuttgarter Konferenz die
Umwandlung 8er Zuschlagsschnellzüge in zuschlagsfreie Schnell-
züge angeregt worden sei, frage es sich, ob sich nicht auch für
den Nahverkehr etwas thun lasse. Die Verwaltung habc die
Frage einer Prüfung unterworfcn, ob nicht an eine Ermäßi-
gung der Nahverkehrstaxe zunächst versuchsweise in der Weise
gedacht werden könne, daß für die 3. Klasse Karten zum Prcise
von 2 Pf. pro Kilometer eingerichtet werden auf die Entfer-
nung von höchstens 25 Kilometer. Die bereits vorhandenen
Lokalzüge sollen dementsprechend ausgestaltet und vermehrt
werden. Ueber die finanzielle Wirkung dieser Tarifermäßi-
gung könne er jetzt noch nichts sagen.

Finanzminister v. Zeyer: Von dcm Standpunkt dcr
Staatsfinanzen aus müsse er erklären, daß eine so crhebliche
Minderung der Eisenbahneinnahmen nicht zu befürwortcn
sei. Für das laufende Jahr 1902 habe man einen schlechten
Abschluß zu erwarten. Ueberschüsse werden sich kaum ergeben,
man miisse froh sein, wenn Steuern und Forsten die einge-
fetzten Betrüge ergeben. Dagegen ergcbe sich ein Defizit
von 700 000 Mk. für ungedeckte Materialienkosten, ferncr sei
mit dem Eisenbahndefizit von 3 Millionen zu rechnen. (Hört,
hörtl) Dabei haben wir nicht mehr das Glück, einen Reserve-
fonds zu besihen. 1903 werden wohl die Verhältnisse noch
ungünstiger werden. Daraus gehe doch dcutlich hervor, daß
wir einen weiteren Abmangel an unseren Eisenbahneinnahmen
unmöglich tragen können.

Mitberichtcrstatter v. Kienc (Zentr.) : Der Verkehrs-
miuister sprach von einer Rückständigkeit bis zu eincm gewissen
Grade, die hier vorliege, und das sei der Fall. Man fahre
in Preußen, Sachsen, Hessen in der 4. Klasse um 2 Pf.; iu
Bayern habe man einen sehr ausgebildeten Vorortsverkehr
für 2 Pf.; Württemberg habc doch keine Veranlassung, auch
bei schlechterer Finanzlage, hier zurückzustehen; ferner haben
den andern Staaten ihre Verbilligungen keine Perschlechterung
ihrer Finanzen gebracht. Er habe zu dem Evcntualantrag noch
einen weiteren Antrag gestellt, von der Frage ausgeheud, ob
mau nicht doch die vierte Wagenklasse einführen
könne, gegen die er sich allerdings seinerzeit ausgesprochen habe.
Aber er habe schon damals beigefügt, daß er weitere Stimmen
aus dem Hause abwarten wolle. Die vierte Klasse bedeute
eine nicht unwesentliche Verbilligung. Auch sei damit dem
Nahverkehr in erster Linie gedient. Die 4. jtlasse sei ganz
besonders geeignet für die kleinen Leute, die in geschäftlicher
und arbeitender Stellung kleine Reisen zu machen haben und
größere Traglasten, Werkzeuge usw. mitnehmen müsfen. Nach-
dcm wir die Jndustriearbeiter bereits zu billigeren Tarifen
fahren lassen, würde die große Masse unserer landwirtschaft-
lichen Kreise es sehr freudig begrützen, wenn sie einer ähn-
lichen Begünstigung teilhaftig würde. Die Einrichtung der
4. Klasse sei in Süddeutschland nicht neu; sie habe in den
50er Jahren bereits in Süddeutschland bestanden und zwar
in Bayern und in Baden. Man habe sie abgeschafft, nicht
etwa weil sie unpopulär gewesen wäre, sondern weil sie zu
populär war. Dabei habe man damals noch in offenen Wagen
ohnc jede Bequemlichkeit fahren müssen. Reduer hat, um
Studien zu machen, kürzlich selber bei einer Rheinreise die
4. Klasse benutzt. Er habe sich überzeugt, daß er sich doch
ein sehr falsches Bild von dcr 4. Klasse in Preußen gemacht
habel Wir haben in Württemberg das Material in Gestalt
ausrangierter 3. Klasse-Wagen. Alle diese Punkte sprechen
dafür, daß die Sache doch sehr erlvägenswert ist. Sein
Hauptantrag sei:

Die k. Staatsregierung zu ersuchen, die alsbaldige Ver-
billigung des Nahverkehrs in der Richtung ins Auge zu
fassen, daß auf allen Staatsbahnstrecken täglich mindestens
zwei sogenanute Lokalzüge mit der Grundtaxe von 2 Pf.
für die 3. Wagenklasse geführt werden.

Die 4. Klasse beantrage er nur eventualiter als aller-
letztes Mittel, wenn sonst nichts zu erreicheu sei. Jedenfalls
sollten wir endlich einen, wenn auch nur schrittweiseu Fort-
schritt in der Sache machen.

Aus Stadt und Land.

8L. Karlsruhe, 22. Juni. (DieBaukosten der
E i s e n b a h n st r e ck e O b e r s ch e f f l e n z - Billig-
hcim) mit eincr Länge von 8,5 Kilometer berechncn sich
einschlietzlich der Beschaffuug der Betriebsmittel, jedoch ohne
Grunderwerb, auf 880 000 Mk., d. h. für das Kilometer auf
103 580 Mk. Dieser für eine Nebenbahu verhältnismäßig
hohe Bauaufwand ist hauptsächlich in den großen Terrain-
schwierigkeiten begründet, die besonders im Anfang der Linie
beim Absteig von dem hochgelegenen Bahnhof Oberschefflenz
bis nach Unterschesflenz hervortreten. Auch die Kosten für
Betriebsmittel in der Summe von 155 500 Mark fallen bei der
kurzen Bahnstrecke schwer ins Gewicht. Die Kosten des
Grunderwerbs für die Linie sind veranschlagt zu 119 510 Mk.
Diese werden ganz durch die Gemeinden Ober-, Mittel- und
Unterschefflenz, Katzenthal nnd Billigheim, sowie von den
Ziegelei- und Mühlwerken iu Billigheim aufgebracht. An
Ciunahmen erwartet man aus dem Personen- und gewöhn-
lichen Güterverkehr 29 562 Mk., aus dem besonderen Ve«-
kehr der industriellen Werke 22 000 Mk., aus Nebeneinnahmen
2635 Mk., zusammen 54 497 Mk. Die Betriebsausgaben
erfordern 36 500 Mk. Hiernach ergiebt sich für die Bahn

ein verfügbarer Ueberschuß von 17 697 Mk., welcher BetraF
der dreiprozentigen Verzinsung eines Kapitals von 589 900
Mark entspricht. Gegenüber den Baukosten mit 880 000
Mark ist somii eine Unzulänglichkeit von ca. 290 000 Mk. vor-
handeu. Die Firma Vering und Wächter hat sich bereit er-
klärt, die Linie zu bauen und zu betreiben, wenn die Ge-
meinden und Jiiteressenten das zur Bahn und deren Neben-
anlagcn erforderliche Gelände kosten- und lastenfrei stellen, die
Ziegel- und Mühlenwerke Billigheim eine bindende Garantie
dafür übernehmeu, daß sie jährlich der Bahn eine Fracht-
menge von mindestens 20 000 Tonnen oder 2000 Wagen-
ladungen jährlich zuführen und eiuen Fehlbetrag an den hier-
aus abzuleitenden Frachten entsprechend entschädigen und
für das Kilometer Bahnläuge eiu unverzinslicher nicht rück-
zahlbarer Bauzuschuß von 85 000 Mark geleistet wird. Werden
diese Voraussetzungen erfüllt, so ergiebt sich für die Bahn-
unternehmung eine Kapitalanlage von rund 582 000 Mk.,
welche bei einem jährlichen tleberschuß von 17 697 Mk. sich zu
3,04 Prozent verzinsen würde. Die Jnhaber der Ziegel- und
Mühlwerke Billigheim haben die Bedingung hinsichrlich der
für ihren Verkehr zu leisteiiden Garantie in bindender Weise
erteilt. Es steht hiernach nnr noch die Leistung des verlangten
Baukostenzuschusses von 35 000 Mark für das Kilometer in
Frage. Da es im Jnteresse der Staatsbahn gelegen ist, wenn
der Verkehr auf der Odenwaldbahn durch den Anschluß von
Seitenbahnen mehr und mehr zur Entwickelung gebracht wird
und da bei dem Schefflenzthal alle Aussicht vorhanden ist,
daß das geplante Bahnunternehmeii zum Gedeihen der Land-
wirtschaft und zur Erstarkung der erst in jüngster Zeir aufge-
kcmmenen Jndustrie wesentlich beitragen wird, erachtet die
Regierung es für gerechtfertigt, von dem verlangten Baubei-
trag die Summe von 30 000 Mk. für das Kilometer Bahn-
länge, d. h. im Gauzen 255 000 Mk. auf die Staatskasse
zu übernehmen. Das Zustandekommen des Unternehmens
dürfte aN dem Fehlbetrag von 42 500 Mk. nicht scheitern, da
die Jnteressenten das Schefflenzthales, insbesondere die Jndu-
striellen, wohl in dcr Lage sein werden, hierfür aufzukommen.

f Bom Merkur, 21. Juni. (Laudwirtschafi-
liches.) Das fortwährende sehr kühle Regenwetter beein-
trächtigt die Heuernte in hohem Maße. Trotz der un-
günstigen Witterung sehen sich die Leute doch gezwungen, das
Gras abzuheuen, da es anfängt, von unten herauf zu verderben.
Gestern wurde viel Heu halb dürr eingebracht; aber ganz ver-
derben will man es nicht lassen. Die Erdbeeren geben,
wie vorauszusehen, nicht sehr aus. Der Zentner wird zwar
mit 40—50 Mk. bezahlt, doch fehlt die Menge. KirscheN
geben ebenfalls nicht gut aus und sind überdies aufgesprun-
gen. Das andere Steinobst, zum Beispiel Pflaumen, fehlt
ebenfalls, Zwetschgen geben besser aus, wie auch die Pfirsiche.
Aepsel dürften meistens gut befriedigen, Birnen brin-
gen in vielen Sorten wahrscheinlich mehr als erhofft wurde,
so daß Aussicht auf einen guten Haustrunk vorhanden ist.
Die Rcben haben sich von ihrem „Frostleiden" nicht sehr
erholt. Die Hopfen befriedigt nicht; denn die am 14. ds-
gefallenen Hagelstücke haben sie in ihrer Entwickelung schlechk
gefördert. Besser als man glaubte, fallen die Stachel-
beeren aus. Trotzdem im Frühjahr viele Beeren wegfielen,
hängen die Stöcke noch ziemlich voll. Die eiuzelnen Beeren-
früchte haben sich schöner entwickelt und sind ziemlich größer
als in früheren Jahren geworden. Jm Gauzen dürfte das
Jahr 1902 in unserer Gegend zu den mittelmäßigen zählen,
soweit man für heute wenigstens einen Ueberblick hat.

Kleine Zeitung.

— Der Kaiser und Fürst Herbert Bismarck. Die „Köln-
Volksztg." berichtet vom Festmahl der Bonner „Preußen >
„Kurz nach 3 Uhr erschien der Kaiser im Festsaal. Bevor chr
den Ehrenplatz zwischen Generaloberst von Loe und dem ersten
Chargierten des Korps, von Bentivegni, einnahm, hatte ^
ein anscheinend erregtes Gespräch mit dem Fürstrn
Herbert Bismarck („alter Herr" des Korps), wobei letzterer
den Kaiser wiederholt zu unterbrechen versuchte. Der Kcnstr
begrüßte dann freundlich den Botschafter von Radowitz." lrs
lätzt sich annehmen, daß das Rededuell Fürst Bismarcks nrn
Graf Bülow im Reichstag die ziemlich kühlen Beziehungen
zwischen dem Kaiser und dem Sohn des Altreichskanzlers niw
verbessert hat.

— Dcr Kaiscr nnd sein Bootsführcr während dcr
Bonncr Studcntcnzcit. Aus Bonu wird geschriebcll-
Der Kaiser hat bei seiner jehigen Anwesenheit in unstwM
Stadt sich auch wieder seiues alten Bootssllhrers aN^
der Studentenzeit, des städtischeu Bademeisters Wilhcw.
Busch, erinnert. Als das Sonderschiff, mit welchem bc'-
Kaiser am Dienstag Nachmittag eine Rheinfahrt unlei'
nahm, abends hierher zurückkehrte, bemerkte er den Bade'
meister Busch auf der stadtischen Schwimmbahn. st-
winkte ihm freundliche Grütze mit der Hand zu und i'st!
llber den Strom: „Guten Tag, Busch!" Doch dan'
nicht genug. Bademeister Busch wurde nächsten 2°°
vormittags ins Palais Schaumburg geladen, woselbst ^
vom Kaiser empfangen nnd auch der Kaiserin vorgestw^
wurde. Dann unterhielt sich der Kaiser fast dreiviei'l
Stunden mit dem jugendfrischen früheren Bootsfiih^ '
Bonner Verhältnisse wurden besprochen und frllhere ^
lebnisse erzählt. Als im Laufe des Gesprächs Ba^^
meister Busch äuszerte, er wäre auch gerne mit nach hf''
heiligen Lande gefahren, erwiderte der Kaiser, das hMst
er, Busch, ihm nur mitteilen sollen, dann hätte er
Fahrt nach Jerusalem mitmachen können. In der lei'
seligsten Weise erzählte der Kaiser dem Bademeister da',
iiber die Jerusalem-Reise. Auch beim Abschied ristst'
der Kaiser freundliche Worte an Herrn Busch.

— Lerlin, 21. Juni. Anläßlich der Ucber-"'be o
üOOOsten, von der Firma Borsig gebauten L
tive fand heute Mittag in der Fabrik in Tegel
akt statt, an dem teilnahmen u. A. die Minister
Möller und Delbrück, sowie Vertreter der Städt
und Charlottenburg, der Rektor der technischen Hochl^''^
die Aeltesten der Kaufmannschaft, Vereine und
porationen. Der aus diesem Anlaß zum Kommerzie>'..
ernannte älteste Chef, Ernst Borsig, begrüßte die
und brachte ein Hoch auf dcn Kaiser aus. Minister Thj^
hob hcrvor, ein Rückblick auf die Geschichte der
Borsig sei ein Rückblick auf die Geschichte des Lokowo''^
baues in Deutschland. Aus Borsig's Fabrik seien in
Hinsicht vollendete Lokomotiven hervorgegangen. Er
mit einem Hoch auf die Firma. Der zweite Chef,

Borsig, verkündete die Erhöhung der Louise Borsig-Stistu ,

um 250000 Mk. und eine Stiftung für die BeaM^ .p
p ensi onskasse von 1'/, Millionen. Sodarm
Ernst Boisig die Lokomotive an Minister Thielen.
Hochrufen der Festversammlung fuhr die 5000ste LokoM
aus der Montagehalle hinaus. jst

— Oberhof, 22. Juni. Heute NachrnittoS

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