Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Heidelberger Zeitung (44) — 1902 (Juli bis Dezember)

DOI Kapitel:
Nr. 150-176 (01. Juli 1902 - 31. Juli 1902)
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.23861#0017
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Mittivoch, 2. Juli lM2. Zweites Blatt. 44. Jahrgaug. — ^r. 151.

Erscheint täglich, Sonntags ausgenommen. — Preis mit Familienblättern monatlich 50 Pfg. in's Haus gebracht, bei der Expedition und deu Zweigstellcn abgeholt 40 Pfg. Durch die Post be.

zogen vierteljährlich 1.35 Mk. ausschließlich Zustellgebühr.

Anzeigenpreis: 2V Pfg. sür die Ispaltige Petitzeile oder deren Raum. Reklamezeile 4V Pfg. Für hiesige Gcschäfts- und Privatanzeigen ermäßigt. — Für die Aufnahme von Anzeigen an bcstimmt
vorgcschriebenen Tagen wird keine Verantwortlichkeit übcrnommen. — Anschlag der Jnserate auf den Plakattafeln der Heidclberger Zeitung und den städt. Anschlagstellen. Fernsprech-Anschluß Nr. 82

InLernationaler Schiffahrts-Kongreß ia
Düffeldorf.

Der von 2400 Terlnehmern besnchte Kongreß steht
unter dem Protektorat des KronPrinzen. Dieser
hat ihn persönlich am SamStag mit einer htibschen kleinen
Rede eröffnet, nachdem der SNinisterialdirektor Schnltz
eine Ansprache gehalten hatte. Der KrorrPrinz, der
durch seine jugendfrische Erscheinung ersichtlich das Wohl-
gefallen der Ausländer erregte, sagte:

„Jch dauke Jhnen von ganzem Herzen für die freundlrchcn
Worte üer Begrüßung, die Sie soeben an mich gerichtet haben.
Es ist mir eine aufrichtige Freude, am heutigen Tagc in ihrer
Ritte weilen zu dürfen, und es erfüllt mich mit freudigem
Stolz, Protektor einer so ansehnlichen und wichtigen Ver-
sarnmlung sein zu dürfen. Herbeigeeilt von allen Grenzen der
Erde, haben Sie sich, meine Herren, hier versammelt,
Urn die Ziele des internationalen Verkehrs und die Mittel
ZU ihrer Verwirklichung zu normieren. Jch sehe in der nermten
Versammlung diescs Kongresses nicht nur einen wichtigen Mei-
lenstein auf dem Wege seincr Entwicklung, sondern vielmehr
einen jencr Berührungspunkte, in denen sich alle Nationen der
Welt in Freundschaft die Hand reichen und neidlos ihre ge-
genseitigen Vorzüge anerkennen. (Lebhaftcr Beifall.) Meine
tnnigsten Wünsche für die Vcrhandlungen des Kongresses be-
gleiten denselben. Der Kongretz ist eröffnet." (Leb-
hafter Betfall und anhaltendes Händeklatschen.)

Staatsfekretär Graf Posadowsky betonte, daß
dieser Kongreß einen Beweis von der Schwerkraft der
wirtfchaftlichen und technifchen Fragen gebe, nnd ging
ouf die Bedeutung und Entwicklung der Schiffahrt, dieses
dölkerverbindenden Elements näher ein. Er begrüßte
dann im Namen der verbündeten Regierungen des derrt-
lchen Reiches den Kongreß nnd gab der Hoffnung Aus-
druck, daß die Verhandlungen dazu dienen, die Bande
der Gesittung, die die Völker verbinden, noch fester zu
kuiipfen. (Reicher Beifall.)

Aus dem Kongreß hielt dann auch der neue preußifche
Rerkehrsminister B u d d e, wie fchon kurz erwähnt,
?ine Rede. Bei der programmatischen Bedeutung der-
lelben sei sie hier auch ausführlicher wiedergegeben. Sie
iautete:

„Jm Namen der preußischen Staatsregierung habe ich die
^hre, den neunten internationalen Schiffahrtskongretz in Düs-
seldorf zu begrützen. Diese rheinische Stadt in ihrer weiteren
pingebung, die Sie bei Jhrcn Ausflügen besuchen werden,
ßt ganz besonders geeignet, um jedermann sichtbar zur Er-
sennlnis zu bringen, welche Segnungerr für das gesamte Volks-
teben sich aus der Verwirklichung der Arbeiten ergeben, die
sen Gegenstand Jhrer Verhandlungen bilden werden. Der
^olze Rheinstrom, der die Stadt Düsseldorf bespült, vermittelt
7^n unmittelbaren Vcrkehr mit dem grohen Weltmeer, mit dem
jsüernationalen Wclthandcl. Dank der Regulierung des
^stombettes gelangen dic Seeschiffe bis Düsseldorf und weitcr
»»fwärts bis Köln. Eine stattliche Flotte von vielen grotzen
Aid kleinen Schiffen vcrmittelt die Binnenschiffahrt auf dem
^iheinstrom und dcn seitwärts cinmündenden Wasserwegcn,
bjgpen Ufern werden die Wasserwege überall begleitet von
jfisenbahnen jeder Art und Landstratzen, die den Verkchr ins
^»nere des Landes vermitteln. So ergänzen sie den Verkchr
PÜ den Wasserstratzen, wie andererseits auch diese wicder als
d»8änzung dcr grotzen Verkehrsädern des Landes anzusehen
ls»d. Das eine Verkehrsmittel schlietzt das andere nicht aus,
/s»cht das andere nicht entbehrlich, sondern der eine Weg
»acht dcn andern erst recht lebensfähig, sei es, datz er ihm
,»»e Verkehrsobjekte zuführt, sei es, datz cr ihm einc crwünschte
»tlastung bringt. (Lebhafte Zustimmung.) Dieses gegen-

seitige Zusammenwirken aller Verkehrsmittel, aller Kräfte bis
zu den Sammelbecken, in denen der Wildbach gebändigt wird,
um seine zerstörende Kraft in nutzbare, wohlthätig wirkende
Energie umzusetzen, dies alles zeigt Jhnen Düsseldorf mit
seiner weiteren Umgebung (lebhafter Beifall), und indcm wir
uns auf dem Rheinstrom fahrend diesen Eindrücken überlassen,
gewinnen wir, jemehr wir uns in solche Gedanken vertiefen,
die Ueberzeugung, datz alle diese Verkehrswege zu Lande und
zu Wasser, mit nebeneinander konkurrieren können und sollen.
(Lebhaster Beifall.) Gewitz besteht eine Konkurrenz zwischen
Wasserstratzen und Eisenbahnen, aber es ist ein Wettstreit
edelster Art mit dcm herrlichen Ziel, die Kulturaufgaben zu
lösen, die uns zufallen. Dieser Wettstreit kann sich selbstver-
ständlich nicht ohne Meinungsverschiedenheiten und Jnteressen-
kämpfe vollziehen, die sich unter Umständen zu grohen Hinder-
nissen gestalten, aber wie der Techniker heutzutage absolute
Verkehrshiudernisse überhaupt nicht mehr kennt, wie der Wasser-
bau Strombarren hinwegräumt, und hohe Gebirgszüge über-
windet, so ist es die Aufgabe einer klugen Volkswirtschaft,
die erwähnten Jnteressenkämpfe derartig auszugleichcn, datz
alle Verkehrswege erschlossen lverden, die der wirtschaftlichen
Entwicklung Ües Volkslebens dienen können. (Lebhafter Bei-
fall.) Wird dieses Ziel erreicht, dann machen sich, wie Sie
hier am Rhein sehen, die Segnungen eines regen Verkehrs-
lebens, vermittelt durch Land- und Wasserwege, welcher Art
sie anch sein mögen, fühlbar; ebensowohl für den Landmann,
der seinen Acker bestellt, wie für die Jndustrie. (Wiederholter
lcbhafter Beifall.) Durch Fhre Arbeiten wirken Sic thatkräftig
an der Erreichung solcher Zicle mit und deshalb heitze ich Sie
namcns der kö'niglich preutzischen Staatsregierung nochmals
willkommen mit dem Wunsche, datz Jhre Verhandlungen gute
Früchte zeitigen mögen." (Anhaltender, sehr lebhafter Bei-
fall.)

Deutfches Reich

—- Ueber die Rede des Generalobsrstenvon
Loö schreibt der korrservative protestantische „Reichs-
bote" folgendes:

„Jn dem ehrlichen deutschen Soldaten Loe haben die
schlauen Drplomaten in Rom offenbar den rechten Mann ge-
sehen, um ihn zu einem vertrauensvollen Vermittler ihrer
Gedanken an den Kaifer zu machen. Es ist rührsrrd zu hören,
in welch optimistischer Weise fich Herr von Loe sogar über
Rampolla äutzert, dessen Leibblatt erst dieser Tage er-
klärte, in Deutschland werde die katholische Kirche schlechter
behandclt, als in der Türkei Aber so ist es immer gewesen:
die guten deutschen Ritter haben sich in Rom die Hucke voll
lügen lassen und haben sich dann sogar vielfach feindlich gegen
den Kaiser gestellt. Welches Unheil hat Deutschland dadurch
erlebtl Man lasse doch endlich die Römer im Vatikan reden,
was sie wollen, und höre nicht darauf. Das könnte dcn Her-
ren im Vatikan passen, wenn sie durch ihre Schmeichelei einer-
seits den dcutschen Kaiser anregen könnten, sich das Lob des
Vatikaris in noch höherem Matzc zu verdiencn und dadurch
zuglcich die Eifersucht der Franzosen wachzu-
rufen und so einen Wettlauf um die Gunst des Vatikans
zwischen Deutschland und Frankreich herbeizuführen."

Baden.

L.O. Freiburg, 30. Juni. Gestern unternahm der
Verein natioalliberaler jungerMänner Frei-
burg einen Ausflug über die Hochburg nach Emmen-
dingen. An der Tour betciligten sich gcgen 60 Mit-
glieder des Vcreins. Auf der Burg hielt Hcrr Dr. Kirsch
einen Vortrag über die Geschichte diescr bistorischen Stättc,

worauf der Abstieg nach Emmendingen unternommen wurde.
Dort erwarstten in der „Post" die Emmendinger und eine
ynzahl Freiburger Parteigcnossen die Ankommenden.Der Vor-
stand des liberalcn Vereins Emmcndingcn, Notar Wclcker,
entbot den Freiburger Gästen einen herzlichen Willkomm.
Landgerichtsrat Dr. Schwörer dankte als erster Prästdent
des Vereins für den herzlichen Empfang. Die Freiburger
hättcn es als eine Ehrenpflicht betrachtet, einer Hochburg
des nationalliberalen Gedankcns den ersten Besuch abzu-
statten. Es werde gegenwärtig viel über schlechte Orga.
nisation in der Partci und das leider in nur zu bercch-
tigter Weise geklagt. Jnrmerhin sei aber zu bedenken, daß
unsere Partei nicht in jeder Gemeinde einen Agitator be-
sttze, der über viel freie Zeit oerfügt. Mit einem Hoch
auf dre Stadt Emmendingen schloß der Redner. Nach dern
Vortrag verschiedener Gedichte durch Lehramtspraktikant
Scheffenacker sprach rn längerer Rede Landtagsabg. Pfefferle.
Die Gründung derartiger Vereine sei ganz besonderS im
Hinblick auf eine gewisse in der Partei eingetreiene Leise-
treterei zu begrüßen. Dcn älteren Partcifrcundcn mache
es Mut, eincn schaffeussreudigen Nachwuchs hlnter stch zu
schen. tzrnsichtlich der Parteivcrhältnisse sci hervorzuheben,
daß den Nationalliberalen keine so geschlossene Phalanx
mehr gegenüberstehe, wie noch vor wenigen Jahren. Der
Grund dieser Erscheinung liege vielleicht in der Stellung.
nahme der Partei zur Wahlrechtsfrage. Sonst sei die
Partei die gleiche geblieben, wie schon die nächste Woche
(Klosterfrage!) dies zeigen werde. Beim Zentrum sei dre
Taktik eine andere geworden. Staatsanwalt Junghanns
zog im Hinblick auf die Zentrumstaktik die Fabel vom
Raben und FuchS an und betonte die Notwendigkeit, der
Regierung zuzurufen: „Landgraf, werde hartl* Gewähre man
dem Zcntrum Klöster, so würde das nächst begehrenswertc Ob-
jekt der Partei die Schule sein. ES wäre merkwürdig, jetzt, wo
man überall die Klöster abschaffe, solche bei uns einführcn
zu wollen. Die Klöster seien durchweg in jesuitischcm
Geist gelcitet, der gewiß nicht das Wohl deS DeutschtumS
im Auge habe. Leider sei in unsrer Partei eine höchst
bcdauerliche Leisetreterei eingetreten, die nicht am Playe
sei. Einer stets offencn und scharfen Meinungsäußerung
gelte sein Hoch. Fabrikant Ringwald-Emmendingen er-
inncrt an glänzende Namen, welche mit dcr Geschichte der
Partei einerseits und Emmendingen und Freiburg ander-
seits verknüpst seien, an Liebenstcin, Rotteck, Duttlinger,
Welcker und Nebcnius. Dcr Redncr weihte dem Gedenken
dieser vorbildlichen Kämpfer des Liberalismus sem Glas.
Direktor Kellcr führte aus: Unsere Partei stehe gegen-
wärtig in ciner gcfährlichen Uebergangszeit, die Kampfes-
mut, Opferfreudigkeit und Konzentrierung der Kräfte seitens
der Parteimitglieder erforderc. Eine hauptsächliche Auf-
gabe der Jungen sei es auch, gegen jene Menschenmäkelet
Front zu machen, welche den Mann im Arbeitskitiel nicht
als voll anerkenne. Die Liebe zum Vaterland uiüsse den
Arbeiter wie den Fabrikanten zu gemeinsamer gleichberech-
tigter poliirschcr Arbeit vereinigen. Apotheker Buiffon-
Emmendingen forderte zu reger, geistiger Mitarbeiterschaft
in der Presse auf. Diese sei von den Parteigenossen durch
Abonnementund Mita^beiterschaftnoch viel zu wenig unierflützt.

Hreves üöer die Krankhcit des Königs
Eduard.

^ Die soebcn erschrencne Ausgabe des Londoner Aerztcwelt-
r.^tes „The Lancet" bringt an crstcr Stelle einen langen Auf-
^ ? von Sir Frederick Trcves über diejenige Krankhcit, an
König Eduard leidet rmd wcgen deren der gcnannte Arzt
dc, ^peration an dern König vollzogen hat, also über die Ap-
fz»»jcitis oder noch gcnauer über die Entzündung des wurm-
Ix^'gen Darmfortsatzes (appenäix vermikormis). Die Dar-
tz??»g von Dr. Treves ist nicht nur für die Beurteilung der
s^^airkung des englischen Königs, sondern auch für dic Wis-
tx!?lchaft im allgemcinen höchst bcdentsam; wir
E» daher drc wickstigstcn Punkte daraus mit.

Rcnn man bedenkt, datz die Appendicitis verhältnismätzig
hf,, Lcwöhnlichste akutc Erkranknng dcr Untcrleibsorgane ist,
itz »eichj mit Uusnahmc komplizierter Bruchschäden, ist es
ih^haft erstaunlich, datz man vor 20 Jahrcn noch nichts von
hch.i»utzte. Bezüglich dcs eigentlichen Wefcns der Krankheit
Treves zunächst hervor, datz sie durchaus als eine
jch"chfellentzündung (Pcritonitis) bezeichnct werden müssc,
zpch- »»derc Anschauung beruhe auf einen Jrrtum. Es giebt
^r, beiden Krankheiten keincn Unterschied der Erschcinun-
itzq' "l»rn es besteht Lberhaupt lcine Krankheit, bevor nicht das
^ davon crgriffen ist. Der besondere Teil des
als Appendix bczeichnet wird, kann schr bedcutende
»lz qh»ste Veränderungcn durchmachen, ohne datz deshalb die
bef »bpendicitis bckannte Krankheit entsteht. Dr. Trcves hat
^^^ander^ Operationcn, die aus anderen Gründcn vorgenom-
^»urden, dcn Appeudix fast völlig zerstört gefunden, ohne
^»s dieser Seitc eine Beeinträchtigung des dlllgcmeinbcfin-
Sii,,^)»:werkbar gewesen war. Dic Krankheit ist eine ent-
- Trörnng, die durch gewisse Mrkroorganismen her-
^rsch,'!^» äiird und als ein Katarrh beginnt. Die vielen Un-
Vif-„'»»ßgcn, die von den Aerzten noch innerhalb des Be-
»sth^ -Bseser Krankheit gemacht werden, nennt Dr. Trevcs
Migt und geradezu lächerlich.

Der zweite von Dr. Treves bcsonders bemerkte Punkt be-
zieht sich darans, datz die Krankheit autzerordentlich
hänfig gerade in eincm tropischen oder subtropischen Klima
auftritt. Ein grotzer Teil der von ihm wegen Appendicitis
bchandclten Paticnten kam aus den Tropen, und man mutz
daher dafür eintreten, datz nicmand nach eincm Lande, wo
Darmkrankheiten häufig sind, gehen sollte, wcnn er zu der-
artigcn Erkrankungen neigt. Solche Gebiete sind z. B. Jndien,
dic Sunda-Jnseln, China, Südafrika. Jn unscren Zonen
ist vielleicht die hüufigste Ursache für die Krankheit die U c b e r-
ladung dcs B l i n d d a r m e s. Wenn eine solche ver-
miedcn werden könnte, so würde die Appendivitis wahrscheinlich
zu dcn scltcnsten Leidcn dcr Mcnschhcit gehörcn. Sie findet
sich auch besonders häufig bei Kindern mit überstehciidcn Zäh-
ncn, bei Männern, dcnen die Backzähne zum Kauen fehlen,
bci Handluiigsreiscnden, die ihre Mahlzeiten sehr hastig cin-
zunehmcn pflcgen und zu viel essen, trinken und rauchen,
endlich bei Leuten, die ihr Esscn gewohnheitsmätzig hernnter-
schlingen, statt es langsam und ordentlich zu sich zu nehmen.
Nichts ist bezüglich eincr vorbeugenden Bekämpfung der Appen-
dicitis so wichtig wie die Erkcnntnis der Thatsache, daß die
Gefahr ungcmein verringert werden kann, wenn der Blind-
darm bon unverdaulichen oder unverdauten Speisen frcigc-
halten wird.

Dr. Treves wirft die Fragc auf, wic grotz die allgemcine
Stcrblichkeit an dieser Krankhcit sei. Man habe mchrfach cine
Sterblichkeit von 15. v. H. berechnen wollen, jedoch sei dieser
Satz wahrscheinlich noch bedeutcnd zu hoch. Dr. Trcves lömmt
nach seincn eigenen Erfahrungen und auf Grund nvch andercn
Materials auf die Schätzung von 5 v. H. Was nun die O p e-
ration selbst betrifft, so unterzieht Treves den Standpunkt
vieler Aerzte einer Kritik, demzufolge jeder Fall von Appen-
dicitis sofort opericrt wcrden mützte, sobald die Diagnose mit
Sicherhcit gestellt worden sei. Dicser Auffassung, drc namcnt-
lich in Amerika vertreten wird, steht cinc andere gegenübcr,
dic eine Operation nur im Fall des Zwangs zulassen will,
also wenn bereits eine Eiteransammlung ficher vorhanden ist.
Zunächst wendet Dr. Treves ein, datz die etwaige Durch-
bohrung oder brandige Zersetzung des Appendix keineswegs,

wie manche Aerzte meinen, in eine Parallele zu stellen sei
mit eincr ähnlichen Erkrankung des Magens oder einer Darm-
zcrreitznng, indem erstere weit weniger gefährlich sei rmd eine
sofortige Operation nicht unbedingt notwendig mache. Ueber-
haupt geht nach den Erfahrungen von Treves die sehr grotze
Mehrzahl allcr Fälle von Appendicitis von s e l b st vorüber»
wie schon der llmstand beweist, datz sie meistens von dcn Haus-
ärztcn behandelt und erledigt werden. Eine Operation kann
unter Umstäiiben sogar gefährlich sein, und zwar namentlich
dann, wenn sie während eines akutcn Anfalls von Appendicitis'
Vvrgenommcn wird. Daraus folgert Dr. Trcvcs gerade die
Notwendigkeit, unter Umständen mit der Opcration einige
Tage zu warten. Nur in einem Fall, und dicser ist gerade
bei dem englischen König zngetroffen, ist eine sofortige Ope-
rativn unvermeidlich, nämlich wenn ein dringendcr Verdacht
dcr Ansammlung von Eitermassen gegebcn rst. Es
giebt noch einige andere solcher „nltraakuten" Erschcinungen
von Appenüicitis, dic eines sofortigen opcrativen Eingriffs
bcdürfcn.

Daß die Operation überhaupt vorgenommen wird, erscheint
Dr. Treves zu befürworten, nnd zwar aus mehreren Gründen,
unter denen der hauptsächlichste ist, datz die Krankheit, auch
wcnn dcr erste Unfall ohne Operation übcrstanden ist, in der
Rcgel wiederkehrt; sodann ist die Entfernrmg des fraglrchen
Körperteils, werm sie bei sonst gutem Bcfinden des Patienten
borgenommen wird, eigentlich als ungefährlich zn bezeichnen.
Von übcr 1000 Kranken, die Dr. Treves operiert hat, starben
nur zwci, und einer davon tvahrscheinlich noch an anderer Ur-
sachc. Es kommcn natürlich auch Erkrankungeir ohne Rückfälle
vor, abcr diese haben dann gewöhnlich auch ihre Besonderheiten.
Sie sind einmal zu findcn bei Kindern, die zcitweise an Ver-
dauimgsstörungen gelittcn haben; ferner bei solchen erwach-
scnen Leuten, die ihr Essen nicht in der richtigen Weise zu sich
nchmcn, wovon schon obcn die Rcde war, dic aber nach cinem
übcrstandcncn Anfall ihre Gewohnheitcn ändern. Schlietzlich
mntz Dr. Treves freilich anch darauf aufmcrksam machen,
datz selbst die Bescitigung des Appendicitis nicht eine Geivähr
gcgcn jegliche Erkrankung im untcren Teil des Unterleibes ist.
 
Annotationen