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Heidelberger Zeitung (44) — 1902 (Juli bis Dezember)

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Nr. 150-176 (01. Juli 1902 - 31. Juli 1902)
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https://doi.org/10.11588/diglit.23861#0174
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nicht den Rang hätte ablaufen lassen. Es werde jetzt
schwer halten, einzuholen, was man versäumt hat! Höchst
Wahrscheinlich!

Afrika.

— Aus Pretoria wird geschrieben, daß man dort
nicht einen einzigen B n r und keine einzige Burensrau
sieht, die nicht Abzeichen der Trauer um die im
Felde gefallenen nahen Verwandten trügen. Die Bu-
ren, die vom Felde einrückten und ihre Gewehre abgaben,
hatten alle Trauerflore um die alten, .verwitterten Hüte
gewunden. Es galt da den Vater, oder den Sohn oder
die Brüder zu betrauern. Ein junger Bur erzählte auf
erne an ihn gerichtete Frage, im Dezember 1899 sei er
mit dem Vater und zehn Brüdern in den Krieg gezogen.
Der Vater sei 63, der älteste Brnder 34 und der jüngste
12 Jahre alt gewesen. Von diesen 12 Verteidigem des
Vaterlandes siüd nnr drei iib'rig geblieben; die andern
liegen in allen Teilen der früheren Nepubliken auf dem
Veld begraben.

^ Asicn.

— Tas SchicksaI der „ fremden Teufel"
inChina wäre besiegelt gewesen, wenn die Erfiiwung
des schlitzäugigen Kwokyukying, eines Eingeborenen im
Kanton-Bezirke, sich bewährt hätte. Kwokyukying hatte
dem Vizekönig der Provinz den Antrag unterbreitet, ihm
seine „wundervolle und trefssichere Maschine, die den
modernen enropäischen Gewehren in vieler Hinsicht weit
überlegen" sein sollte, in Person vorführen zu dürsen,
wurde aber mit seinem Nnliegen an den kommandieren-
den General Chunghip verwiesen, der den Erfinder in
höflicher und liebenswiirdiger Form, wie sie die chinesische
Sitte nur immer zuläßt, einlud, vor versammelten Trnp-
pen und anf dsm Paradefelde Beweise für seine glän-
zenden Versprechungen abznlegen. Die Erfindung er-
streckte sich auf eine Art Mitrailleuse, die in der Minnte
so nnd soviele hundert Pfeile auf den Feind abzufeuern
vermochte. Kwokyukying wiederholte sein Erperiment
ldreimal, und ebenso oft versagte der Apparat. So wird
sich denn „John Chinamann" wiederum vertrösten müs-
sen, während die „fremden Teufel" nen anfatmen kön-
nen.

Aus Stadt und Lund.

X Oeffentliches steilographische? Preiswettschreiben. Am

19.—21. d. M. fand in Badcn - Baden die 6. Jahresver-
sammlung des Südwcstdeutschen Verbands für Nationalstcno-
graphie statt. Aus dem Programm wolleu wir auszcr dem
öffentlichen Wettschrelben nur' eine öffentliche Schülervor-
führung und den Fcsworirag erwähnen. Herr Hauprlehrer
Bl. Müller aus Baden-Baden führte etwa 50 Schüler aus den
verschredenen Schulanstalten dcr Stadt Baden-Baden vor, von
denen die mcistcn 11 und 12 Jahre alt waren. Unter dem
zahlrcichen Publikum befanden sich auch drei Vertreter dcr
Stadt, mehrere Schulmänner und eine Reihe Anhänger an-
derer Systeme. Die Kinder erwarben sich durch ihre hohe
Leistung bei Laien wie bei Fachleuten grotzen Beifall. Der
sich daran schlietzende Vortrag des Redakteurs des Badener
Badeblattes, Herr Herm. Koelblin, bchandelte mit feinem Takt
die so heiklc Systemfrage. Redner trat als Kcnner verschie-
dener Systeme mit Begeisterung für die moderne Stenographie
ein, als welche er die Nationalstenographie bezeichnete, wofür
ihm ungeteilter Beifall gespendet wurde. Der wichtigste Akt
des Programms war das öffentliche Preiswettschreiben. An
demfelben bcteiligten sich Vcrcine aus' Baden, Elsatz und
Hessen. Am auffallendsten ist der Verein für Nationalsteno-
graphie Heidelberg dabei hervorgetreten, nicht blotz durch
die Zahl der Preisgekröntcn, sondern auch durch die Qualität
der errungenen Preise. Von den 30 dort Anivcfenden betei-
ligten sich 20 am Wcttschreiben. 16 Preise wurden von ihnen
Lrrungcn, darunter die drei höchsten. Aus dem Protokoll des
Preisrichters seien hier nur die Namen der betreffenden
Heidelberger Sieger erwähnt: 1. Abteilung, eine Schnelligkeit
von 60 Silben in der Minute erhielt dcn 2. Preis Emil Hoff-
mann, den 3. Preis Dina Schulmeister. 2. Abteilung, 60
bis 80 Silben, 1. Preise: Lina Schilberth, Otto Ganter,
Martha Glöklen und Josef Haas. 3. Abteilung, 80—100
Silbcn, 1. Preis: Konrad Nething. 4. Abteilung 100—120
Silben, 1. Preise: Frie'drich Steuerwald, Fulius Rötzlcr;
8. Preis: Heinrich Diesbach. 5. Abteilung, 120—140 Silben,
2. Preis: Eugenie Henny; 3. Preis: Luise Stcinmann.

6. Abteilung, 130—150 Silben, 2. Preis: Lina Gcrhards.

7. Mtcilung, 140—160 Silben, 1. Preis: Meta Kesselbach.

8. Abteilung, 200—220 Silben, 1. Preis: Otto Gerlach.
8. Wteilung, 240—280 Silben, 1. Preis: Hugo Beller.
Der Verein für Nationalstenographie Heidelberg darf sich nur
übcr seinen glänzenden Erfolg freuen. Er zeigt dem Laien
loie dem Fachmann ganz deutlich, mit wclcher Gründlichkcit
und Gewissenhaftigkeit in dcm erst drci Jahre bestehenden
Verein gearbeitet wird.

-i- Mannheim, 23. Juli. (R e f o r m g y m n a s i u m.j
Der Stadtrat hat an den Bürgerausschutz eiue Vorlage betref-

diesen paar Wochen in der höheren Kultur gemacht haben,"
fagte Ulla.

„Das soll Jhr Verdienst sein, gnädiges Fräulein, wie Papa
bchauptet."

Da tanzten eben Leontine und Wildling vorbei. Sie hatte
nie Tanzstunde gehabt, aber Ulla und Julchen hatte jeden Abend
mit ihr und Stella Walzer, Polka und Francaise geübt, bis
es ganz leidlich ging. Die Natur, die das Talsnt gegeben,
that das beste dabei.

Dann kümmerten sich weder Ulla noch ihr Tänzer um die
anderen, sie hatten mit sich selbst zu thun und nach dem Schlutz
des Tmizes begann Fritz, seinem „ehrenvollen Auftrag" nach-
zukommen.

Ms Bruder des Bräutigams räumte man ihm willig jedes
Vorrccht cin und seine strahlend heitere Laune, seine liebens-
würdige Gewandtheit machten ihn und Ulla in einer Viertel-
ftunde zum Mittelpunkt des jugendlichen Kreises. Ulla traf
cinzelne Bekannte von der Schulc her un'd kannte von früher
anderc Damen, mit denen sie die gleichen Bälle und Gesell-
schaften besucht; es gelang ihr ebenso, wie Fritz, sich durch ihre
frische und ansteckende Fröhlichkeit zur Geltung zu bringen. Der
reichlich gebotene Champagner that auch sein Teil, wie ebenfalls
die ganze festlich schöne Umgebung; kurz, die Stimmung Ivar
von Anfang eine vorzügliche.

Und dabei dies sütze Gefühl der Zusammengehörigkeit,
das beide immer mächtiger durchströmte.

Es schien sich für alle ganz von selbst zu verstehen, datz
man die zwei ruhig miteinandcr gehen lietz, ohne viel Bemer-
kungen darüber zu machen.

Wohl fragte hier und da eine flüsternde Stimme: „Das
giebt wbhl ein zweites Brautpaar?" Aber die Antwort war
allcmal dieselbe: „Kein Gedanke, sie haben beide nichtsl"

Ulla und Fritz waren so glücklich, wie noch nie znvor im
Lebeu. Die Rosen dufteten um sie her, die Musik spiclte
ihre sützen, beransebenden Weisen, Fluten von Licht umwogten
fie, Glanz und Sckiönheit blickten ihnen überall entgegen und

fend eiu Reformghmnasium gemacht. Jm Dezember 1901
uuterbrcitete der Stadtrat dem Kultusministerium folgende
Vorschläge: 1. Das Nealgymnasium bleibt in seiner bisherigen
Organisation unverändert fortbcstehen. 2. Es wird eine neue
Realschule nach dem in unsercm Lande bisher in Ettenheim
und Baden - Baden eingeführten Altonaer System er-
richter. Die Anstalt trirt im Herbst 1902 mit dem nach dem
Lchrplan der Realschule zu uuterrichtenden dreiklassigen Unter-
bau, sowie mit den beidcn, nach der realen, bezw. realgym-
nasialen Seite gehenden viertcn Klassen ins Leben. 1903 Ivird
die fünfte, 1904 die sechste, 1905 die siebente Klasse hinzukom-
men. Erst kurz vor diesem Zeitpuukte wäre sich schlüssig zu
machen, ob der Realschulzweig daüei bestehen bleiben oder voll
ausgebant werden soll. 3. Der Reformschule werden einige
Parallclklassen der Oberrcalschule zugewiesen, sie hat ferner
in VI, sowie in den bciden Zweigen von Q III diejcnigen
Schüler aufzunehmen, die aus der Oberrealschule sich ihr zu-
wcnden. Es würde also von vornherein mit einer Frequenz
von 300—350 Schülern zu rechnen sein, jene der Obcrreal-
schule hiugegen sich auf ca. 650 vcrmindern. 4. Die Rcform-
schule wird einer eigenen Leitung unterstellt. 6. Sie wird in
den noch reservierten und den durch die Ueberweisung von Pa-
rallelklassen freiwerdenden Räumen des Oberrealschulgebäüdes
au der Tullastratze untergeüracht. Das Ministerium äutzerte
sich zustimmend. Dem Stadtrat ist dann ein Statut für die
ncue Schule übermittelt wobden, das im wesentlichen seiner
Auffassung entspricht. Jn Bezug auf die Berechtigungen der
nencn Anstalt sind die Verhandlungen noch rncht völlig zum
Abschlusse gelangt. Doch besteht die Aussicht, datz den beiden
Abteilungen diesclben Bercchtigungen zugestanden werden, wie
sie die denselben entsprcchenden Anstalten regulärer Orga-
uisation — Realschule bezw. Realgymnasium — gewähren.
Da an Mittelschulen mit sechs Jahreskursen der Berechtigungs-
schein für Einjährig-freiwilligen Militärdienst nur nach Ab-
legung 'einer Wschlutzprüfung am Schlusfe der oberstcn Klasse
ertcilt werden kann, wird die Stadtverwaltung auf eiuen bal-
digen weiteren Ausbau der Schule bedacht sein.

Städtische Aürsorge für arme Kinder.

— Eine in sozialpolitischer Beziehung bemerkens-
iverte Einrichtnng hat, wie der „Reichsanzeiger" mitteilt,
die städtischs Armenverwaltung in Wi I h e l ms h a v e n
getroffen, indem fie einen Vertrag mit der Waisenkom-
mission des Kreises Bersenbrück abgeschossen hat, wonach
der Kreis Bersenbrück gegen eine von der Stadt Wil-
helmshaven zu leistende Zahlung von jährlich 100 Mark
für jedes Kind ärmere, der Stadt Wilhelmshaven über-
wiesene Kiitder bei gut situierten Familien des Kreise^
unterbringt, auch die Kinder entsprechend beaufsichtigen
läßt nnd nach vollendeter Schulpflicht dafür sorgt, daß die
Kinder im Kreise verbleiben, sei es als Dienft-
boten im Kause der Pflegeeltern oder als Dienst-
boten in einem anderen Hause des Kreises. Auch
will sich der Kreis bemühen, den Pflegekindern männ-
lichen Geschlechtes, sobald sie die nötige Reife und Erfah-
rung erlangt baben, eine mit Dienstpflicht verknüpfte
Pachtung (sogen. Heuer) zu verschafsen. Von dem
Pflegegelde, das die Stadt Wilhelmshaven mit jährlich
100 Mark für ein .Kind an den Kreis Bersenbrück zahlt,
werden alljährlich durchschnittlich mindestens 20 Mark
a»f ein Sparkassenbuch belegt -mit der Bestimmung, daß
die so angesamtneltcn Veträge mit dcn Zinsen dem Kinde
zufallen, wenn es bis zum 21. Jahre oder bis zum Ein-
tritt in den Militärdienst oder bei Mädchen bis zur Ver-
heiratung im Kreise Bersenbrück als Dienstbote bleibt.
Das Pflegegeld von 100 Mark zahlt die Stadt Wilhelms-
haven bis zur Schulentlassnng des Ldindes. Sie hat von
diesem Vertrag bei einer Anzahl von Kindern bereits Ge-
brauch gemacht. Die Einrichtung scheint sich zu bewähren.

Meise-Monneinents.

Abonnenten und Freunde nnseres Blattes, die in den
Sommermonaten ihren ständigen Wohnort auf kürzere oder
längere Zeit verlassen, während derselben aber die „Heidel-
berger Zeitung" nicht vermissen wollen, erhalten solche auf

Wunsch täglich unter Kreuzband nachgesandt. Wir berechnen
für Abonnements, einschlietzlich Frankcrtur, pro Woche 50 Pf.

Kleine Zeitung.

— Ncustadt, 22. Juli. Ein aufregendes

drautzen vor den offenen Balkonthüren und Fenstern zog
sachte eine schöne, geheimnisvolle Sommernacht herauf, sütze,
nie gekannte Empfindungen in ihren Herzen erweckend,. dah
sie vor ahnungsvoller Wonne leise seufzen mutzten.

Plötzlich erstrahlte in dieser Dunkelheit der ganze Garten
in tansend farbigen Lichtern und wie aus weiter Ferne lockten
die Klänge eines meisterhaft geblasenen Waldhorns in sühem
Liebeslied.

>Alle standen ergriffen und lauschten selbst dann noch, als
das Lied bereits beendet war. Dann strömte die Gesellschaft
in den Garten hinab, Paar um Paar den Klängen der Polo-
naise folgend un'd 'die Kiihle der Nacht mit Wohlbehagen ein-
atmcnd.

Der Oberstleutnant war nicht der Mann, der seinem heute
so hell schimmcrnden Glücksstern blindlings vertraut hätte.

Schon bald nachdem sie die Villa Wolzin betraten, unter
dcr Einwirkung allcr dort herrschenden Pracht hatte er mit
äutzcrster Bestimmtheit sciner kleinen, ganz in frohem Lächeln
anfgehenden Frau zugeflüstert:

„Du pass' mal auf, da kommt was hinterherl" eine Ver-
kündigung, die angstvolle Sorge in ihr wachrief. Freilich, die
Sorge verschwand jedesmal wieder. Was sollte denn auch
kommen.

„Wir nehmen ja nnser Glnck so dankbar hin!" rief ihr
Herz dem ctwa im Verborgenen lauernden bösen Schicksal wie
um Gncrde bittend zu.

Burghausen, mit seinen zahlreichen Orden geschmückt, fühlte
sich sehr behaglich in diesem Kreise, der ihn mit so manchen
alten Bekannten wieder zusammenbrachte. Als ihm der
Oberstleutnant mit derselben düsteren Miene, wie seiner Frau
gcgenüber, dieselbe Ueberzeugung aussprach: „es werde schon
ein schauderhafter Rückschlag folgen", riet er ihm, den Neid
dcr Götter durch den bewutzten Ring ä W Polykrates zu ver-
söhnen.

Die Gabe schien dem Oberstleutnant aber wohl zn gering,
so datz er sich mit der Wiederholung seines Unkenrufcs begnügte

nächtliches Abenteuer passierte dem Vorstand
des pfälzischen Zentral-Reinigungsinstituts Kurt Bach-
inann in der Landauerstraße. Derselbe kam heute nach
Mitternacht in ziemlich fröhlicher Laune nach seiner
Wohnung nnd wollte sich in Abwesenheit seiner Frau in
aller Gemütsruhe ins Bett begeben. Plötzlich gewahrle
er zn seinem Schrecken einen fremden Mann vor der
Thüre des Schlafzimmers, welcher nach kurzem Wort-
wechsel mit geladenem Revolver auf ihn losging. Bach-
mann schlug mit dem Regenschirm auf den Eindringling
los. Auf das Geschrei eilte der Hausherr, der alte Becker,
herbei und mit dessen Hilfe entriß Bachmann dem Ein-
dringling den Revolver und feuerte in der Aufregung
vier Schüsse anf denselben ab, jedoch ohne ihn zu ver-
letzen. Beide Männer brachten den Eindringling die
Treppe herab und bastden ihn auf der Straße an einen
gegenüber stehenden Baum fest, bis die Polizei ver-
stän'digt war und kam. sie stellte lant „Pf. K." fest,
daß der ungebetene nächtliche Besucher ein Schlosser aus
Ludwigshafen ist und zwar der 16jährige August Sohns,
welcher bisher in der Anilin- und Sodafabrik arbeitete.
Ob der Mann wirklich einbrechen wollte und es auf Bach-
manns Kasse abgesehen hatte, oder ob er lediglich im
Dusel die Thür verwechselt hat und stch dann iiberfallen
glanbte, ist noch nicht festgestellt.

— Ncnstadt, 23. Juli. Laut „Pfälz. Kurier" wurde
heute früh in dem Reisegüterschuppen des hiesigen Bahn-
hofs ein Einbruchsdiebstahl entdeckt. 10 große Reisekörbs
waren erbrochen oder aufgeschnitten, und ihr Jnhalt wac
auf einen Haufen zusammengeschiittet. Die Diebe hatten
es anscheinend auf schmuckgegenstände und sonsstge
Wertsachen abgesehen. Wie viel entwendet worden ist,
kann erst durch die Untersuchung festgestellt werden.

— Frankfurt, 24. Juli. Wie der „Rheiu. Kour."
meldet, besteht die Absicht, für den Kaiserlichen
H o f eine Etage des Hotels Jmperial in Frankfurt a. M.
'dauernd zu mieten, um so fiir den Kaiser bei einem dor-
tigen Aufenthalte ein angemessenes und stets bereites
Quartier zur Verfügung zu haben.

— Von dcr Einimpfnng, welche Dr. Garnault
mit Stoff von Nindertuberkulose vor etwa vier Wochen
an sich selbst vornahm, um die Theorie bes Professors
Koch zn widerlegen, war bereits die Rede. Am 13. Juli
bewerkstelligte Dr. Garnault eine zweite, indem er den
Tuberkelstoff nicht mehr auf eine offene Wunde legle,
sondern unter die Haut des linken Armes, danstt er mit
seinem Fleische verwachse. Diese zweite Jmpfung wurde
jedoch nicht gemacht, weil die erste erfolglos geblieben
war. Jm Gegenteil hatte sie tuberkulöse Beuleu ver-
ursacht, über deren Natur man vom 12. Juli ab nicht
mehr im Zweifel sein konnte. blnd doch ist die Jnfektion
von der Hautoberfläche ans schwer zu erzeugen, schreibt
Dr. Garnault an den „Temps". Die Meerschweinchen,
welche der Nindertuberkulose doch so leicht zugänglich
sind, und die ich acht Tage nach mir selbst infizierte, schei-
nen noch nicht angesteckt zu sein. Aus meinem ersten Ver-
suche ergiebt sich, daß der Mensch, wie nur irgend ein
Tier, ftir die Rinderstiberkulose empfänglich ist. Jch
machte den zweiten Versuch, weil ich befürchtete, daß dis
Tuberkulose der Haut allzulange oder überhaupt ganz
auf der Oberfläche bleiben würde. Mir war aber daruM
zu thun, mit unwiderleglichen Resultaten die Jnfekston
der Ganglien zu erreichen, wodurch alle wissenschaftlichen
Probleme, die sich darstellen, gelöst werden sollen. Die
Leichtigkeit, mit der die Jnfektion durch Hautritzung her-
beigeftihrt wird, die Thatsache, daß jedes Meerschwein-
chen, das nach dem Verfahren infiziert wird, welches ich
das zweitemal anwandte, in einem Zeitraume von aller-
längstens acht Wochen dem Tode verfällt, können Fach-
leuten einen Begriff von der Gefahr geben, die ich laufe.
Jch erachte jedoch, daß die bereits erzielten Resultate und
die, welche ich binnen knrzer Frist mit Gewißheit erlangen
werde, reichlichen Ersatz nnd darüber für den Verlust
eines einzigen Menschenlebens gewähren, das von einem
frei über seine Eristenz verfügenden Manne dargeboten
wird.

— Eine unlicbsnme Nnterbrechnng der Eisenbahn»

fahrt verursachte dieser Tage einer der großen Elephanten
des Zirkus Busch. Als sich der Zirkus auf der Fahrt
nach Hamburg befand, ertönte plötzlich unweit Osnabrück
auf freier Strecke das Notsignal. Als man nach deM
Thäter Nmschan hielt, ergab sich, daß einer der Elephan«
ten mit seinem Rüssel die Notleine zog.

— Ncwhork, 23. Juli. BuffaIo Bill, von
seinem Auftreten mit seiner Truppe „Wild-West" in alleN

uiid sich vornahm, das Schicksal wenigstens nicht durch Froh^
locken zu reizen.

So ging er mit seincr grimmigsten Miene einher, er
der stolze Vater des Bräutigams, des „Glückspilzes", wie mcw
Hans seitens seiner sogenannten Freunde titulierte. Nach
wenig Minuten vergatz er dann seine Absicht, das tückische Fak'-
tum zu bctrügen, war eine Weile lustig und vergnügt, wie ihw
ums Herz war, und wurde nur inimer wieder durch die Selig^
preisungen irgend eines dcr neuen Bckannten an seine „Pflickst
gegen sich selbst" erinnert, so dah Ulla recht hatte, als sie ihw
im Vorbeigehen während der Polonaise lachend zurief:

„Sie sind ja der reine April, Herr Oberstleutnantl"

Er verstand sie sofort und nickte ihr und Fritz zu.

Wer was sollte er den beiden sorglosen KiNdcrn mit seinev
trübcn Ahnungen kommen?

Statt dessen kam ihm der Herr des Hauses mit einew
kleinen, trotz Frack und darauf prangendem Orden, zienilicu
gewöhnlich aussehenden älteren Herrn entgegen, dessen Eastß
und Manieren sofort zeigten, datz er nicht gewohnt war, si"
auf dem Parkett zu bewegen.

„Der Geheime Kommerzienrat mit dem gewöhnlichen klcü
nen Kerl?" lag es wie eine unausgesprochene Krage auf allen
Gesichtern. Und dabei gingen sie Arm in Arm und lacht^n
Ivie ein paar schelmische Schuljungen über irgen'd ctwäs, iva^
der kleine Dicke gesagt hatte. «,

Auch der Oberftleutnant sah öie beiden herankommen uv
ihm war, als müsse er den letzteren schon irgendwo
haben. Ueber das ganze Zimmer hin rief ihm Wolzin ave
schon zu: „Herr Bruderl Herr Bruderl Jch möchte Fh^
meinen liebsten Frennd vorstellen!" , ^

„Wird mir eine Ehre sein!" Mit diesen Worten trat iüne,
der Oberstleutnant entgegen, dann blieb er plötzlich mit dem
Ausdruck des höchsten Erstaunens vor dem breitlächelnve
Fremden stehen und schien seinen Augen nicht trauen s
wollen.

(Fortsetzung folgt.)
 
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