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Heidelberger Zeitung (44) — 1902 (Juli bis Dezember)

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Nr. 177-202 (01. August 1902 - 30. August 1902)
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https://doi.org/10.11588/diglit.23861#0350
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Elsaß-Lotkringen.

— Klerikale und andere Blätler teilen mit, daß sich
bei der eingeborenen Bevölkerung des Reichs-
landes die Neigung zeige, sich dem Zentrum auzu-
' schließen, statt, wie bisher, bei der Wähl von Protestan-
ten zu beharren. Eine andere Frage ist es, wie der
Anschluß in nationaler Hinsicht wirken würde, das heißt,
ob er eine bessere deutsche Gesinnung der versteckt reichs-
feindlichen elsässischen Klerikalen herbeiführen oder ob
umgekehrt die reichsgegnerische Gesinnung durch den Ein-
fluß der Zentrumspartei eine Stärkung erfahren wird.
Jn dieser Hinsicht ist es sehr lehrreich, was in einer Zu-
schrift an die „Kölnische Zeitung" über die Gesinnungen
des niederen Klerus in den Reichslanden gesagt wird.
Da heißt es: „Wahr ist es, datz bei einem großen Teile
des elsässischen Klerus das Herz noch Frankreich
gehört. Der katholische Klerus bezieht seine Geistesnah-
rung fast ausschließlich aus Frankreich. Gerade die
katholischen Blätter des Elsaß bringen ihren Lesern jede
kleine Ilachricht aus Frankreich. Alles, was Frank-
reich betrifft, wird mit Wärme besprochen." Diese Kenn-
Zeichnung der Gesiunungen des reichsländischen Klerus
seitens eines guten Katholiken wird wohl zutreffend sein.
Jst dem aber so, so bietet das Verhalten des Zentrums
in der Polnischen Frage die Gewähr dafür, daß das
Zentrum sich durch seine zshn elsässischen Mitglieder mehr
beeinflussen lassen wird, als umgekehrt die zehnmal so
große altdeutsche Zentrumspartei die elsässischen Mitglie-
der beeinflussen wird. So ist also nicht anzunehmen, daß
der Anschluß der Sache des Deutschtums zum Vorteil
gereichen wird. __

Ausland.

Emgland.

London, 20. August. Die „Times" schließt
einen sympathischen Leitartikel über die Reds des Kaisers
Wilhelm in Homburg mit solgenden Worten:
„Wir hoffen, der Tag mag kommen, obwohl zugegeben
werden muß, daß noch kein Anzeichen dafür vokhanden
ist, datz er selbst dämmere, wo die Massen des deutschen
Volkes einsehen werden, daß Kaiserin Friedrich Recht
hatte zu wünschen, das britische Reich und das dentsche
Reich sollten durch Freundschaftsbande miteinander ver-
knüpft und durch die Gemeinschaft der Jnteressen und
des Ursprungs gekräftigt werden. Es giebt Jdeale,
wslche der Zeit, die sie erzeugt, weit voraus sind. Sie
wachsen unter den größten Geisteru und den erhabensten
Naturen auf. Dieser Schar allserlesener Geister gehörte
die Kaiserin an. Die Lobrede, welche ihr beredsamer
Sohn gehalten hat, übertreibt durchaus nicht ihre hohen
Ansprüche, in gutem Andenken gehalten zu werden in
ihrem Geburtslande wie in dem Lande, dem ihrs Lebens-
kraft gewidmet war vom Hochzeitstage bis zum Sterbe-
tage.

— „Kann und wird der Staat sich um den Verbleib
der R eserviste n bekümmern, die während des
Krieges einberlisen worden sind, um an der Front vor
dem Feinde Dienst zn thun, und die dadurch ihre Stel-
Ilmgen eingebüßt haben? Diese Frage wird jetzt fast
alltäglich von der einen oder anderen Zeitung aufge-
worfen, ohne daß man bis dato zu einer befriedigenden
Lösling gekommen ist. Eine gesetzliche Verpflichtnng
liegt nicht vor, aber der augenblickliche Zustand ist ge-
radezu unhaltbar. Hunderte, die dem Rufe Folge leisten
mußten, fanden bei ihrer Rückkehr, die weit später er-
folgte, als allgemein erwartet wnrde, ihre Stelllmgsil
besetzt, und sind bei der Bewerbung um andere Posten
noch insofern im Nachteil, als sie zum Teil über zwei
Jähre aus ihrem Berufe gerissen waren. Die meisten
Firmen bezeigen denn auch wenig Neigung dazu, ent-
lassene Reservisten anznstellen, und diese sind nun mit
ihren Familien in vielen Fällen harten Entbehrungsn
ausgesetzt. So geht augenblicklich unter der Ueber-
fchrift: Eine ausgeguetschte Zitrone", der Bries eines
entlassenen Reservisten durch die Zeitungen, in dem es
heißt: „Was wird für uns Reservisten gethan werden?

— Voraussichtlich nichts! Man ist mit nns fertig und
nun können wir gehen und hungern. Jch Habe bei
Paardeberg von einem halben trockenen Cake Pro Tag
gelebt, äber jetzt habe ich weniger zu essen als damals.
Seitdem ich zurückgekommen bin — vor vier Monaten

— habe ich immerfort nach Arbeit gesucht, aber ich kann
keine finden. Als ich zur Front gerufen wurde, ver-
diente ich vier Pfund Sterling wöchentlich, aber meinc
Stellung ist nun besetzt und ich habe mich in der Zwischen-

„Wie? Und Jhr sagtet mir nichts?" Ulla sprach diese Worte
zwar nicht, aber in ihren Mienen lagen sic nur zu deutlich.

„Stella riet davon ab unb Wildling >war auch dagegen.
Einmal sei es vorläufig nur Gerede und dann sei es zwischen
Euch ja auch schon lange aus —"

„Ja, das ist wahrl Mehr als drei Jährel Da ist man, Gott
weiß wie lange schon, vergessen," murmelte Nlla. Eine bittere
Cmpfindung kam ihr. Wie thöricht würden Männer und
Frauen sie finden, mit dieser Reue um längst Geschehenes und
dieser thörichten Hoffnung!

Also Anita Serano! Sie kannte diese gefeierte Schönheit
-des letzten Winters nicht einmal vom Sehen, denn in jene
Kreise kam sie nicht und im Theater und Konzerten war sie
ihr nie gezeigt worden.

„Schreibe deinem Vater", sagte sie, sich aufraffend, „ich
wolle es mir überlegen, Anna. Sage ihm auch, dah er mir
als Freund so wevt geworden, datz ich — hoffte — — ,ach
nein, schreibe, das lieber nicht! Jch will -—"

Und so stockte und schwieg sie und Anna lächelte sie dank-
bar an, denn sie nahm dies alles für gute Vorbedeutung.

„Der arme, gute Vater, er hat wohl ein Recht auf ein bitz-
-chen Liebel" sagte sie und fand durchaus nichts Befremdliches
in seinen Heiratsplänen. „Möchte er sich doch sein Leben nach
Wunsch einrichten", dachte sie weitcr. Datz Ulla in sich mehr
zu übcvwinden haben könnte, als die „thörichte Jdee", Fritz
würde jctzt zu ihr zurückkommen — fiel ihr gar nicht ein!

Wolzins zweite Frau werden I Das war ja eine Partie, um
welche tausende Ulla beneiden würden.

Während Ulla am anderen Morgen unklarer als je über
iher Cntschlüsse nachdachte und mit Unbehagen Annas forschende
Blicke auf sich ruhen fühlte, erlebte Wolzin in seinem Hause
eine Szene, an deren Möglichkeit er nie und nimmer gedacht
haben würde.

Die schlaffere Geschäftsleitung, die er sich unter dem Druck
seines FaMilienunglülP aus Mitzmut und Wequemlichkeit

zeit in meinem Berufe nicht vervollkommnet. Jch bin
ein verheirateter Mann mit vier Ktndern und wir haben
kaum das Notwendigste zum Leben. Was wird inan für
uns thlin! Ich bin fertig, nnd man ist mit mir sectig,
so wird es wohl sein — eine ausgepreßte Zitrone."

Aus Stadt und Land.

-i- Hohe Preise für seltene Frankenthaler Porzellanfigurcn.

Den höchsten bis jetzt bezahlten Preis dürften wohl zwei Fran-
kenthaler Figuren ans der ehemaligen Churfürstlichen Porzel-
lanmanufaktur zu Frankenthal mit der Marke C. T. dieser
Tage gebracht haben. Die Figuren, welche zwei Damen mit
Crinolincn darstellten, befaäden sich im Besitze der anch hier
wohlbekannten Antiquitätenfirma Gebrüder Bourgeois in Köln
a. Rh., und wurden, da sich einige der ersten Sammler davum
stritten, zum Preise von 8000 Mk. verkauft.

lV. Baden-Baden, 20. Aüg. (Z u den bevorstehen-
den Rennen.) Jm Mittelpunkt des Baden-Jffezheimer
Meetings steht der Grotze Preis von Bäden, der am dritten
Renntag zur Entscheidung gelangt. Um den Goldpokal
dreht sich vornehmlich das Jnteresse schon deswegen, weil hier-
bei die internationalen Kämpfe zum Austrag kommen, wozu
kein anderer Rcnnplatz sich so vorzüglich eignet wie Jffezheim.
Seii Bestehen der Rennen, vom Jahre 1858 an, ist der Grotze
Preis von 14 000 Frcs. auf 80 000 Mk. bis heute erhöht
worden. Des allgemeinen Jnteresses wegen, das dieses Ren-
nen stets beansprucht, wollen wir der Zeitfolge nach die Sieger
in diesem Rennen aufführen. 1888 A. Lupins „La Malcvdetta",
1856 Baron Nivicns „Geologie", 1860 Monf. Benoists „Ca-
pucine", 1861 P. Anmonts „Mon Etvile", 1862 Comte La-
granges „Stradella", 1863 A. de MontgoMerhs „La Touques",
1864 H. Delamarres „Vermoot", 1865 H. Delamarres „Ver-
tugadin", 1866 H. Lunels „Etoile Filaute", 1867 L. Andres
„Pey Blas", 1868 Comte Lagranges „Trocadero", 1869 L.
Delatres „Cerdague", 1870 fielen die Rennen aus, 1871 Duke
of Hamiltons „Monseignenr", 1872 Duke of Hamiltons
„Dami", 1873 Graf Joh. Renards „Hochstapler", 1874 Fürst
Hohenlohe-Oehringens „Jl Maestro", 1875 Ed. von Oppen-
heims „Gastgeber", 1876 Graf Joh. Tarnowskis „Przedswit",
1877 E. v. Blaskovits „Kincfem", 1878 und 1879 derselbe,
1880 A. Bältazzis „Tallos", 1881 Gräf Tassilo Festetics
„La Gondola", 1882 Graf Nic. Esterhazzis „Lehetetlen",
1883. Leutnant Frerichs „Brocken", 1884 Mr. I. Hammonds
„Floreüve", 1886 H. Bonys „Plaiscmterie", 1886 H. Jen-
nings „Nero", 1887 Graf Tassilo Festetics „Bülgar", 1883
Comte Le Marois „Wäverley", 1899 Prinz d'Arenbergs
„Tantele", 1890 Prinz d'Arenbergs „Dellow", 1891 A. de
Schicklers „Le Capricorne", 1892 Prinz d'Arenbergs „Perdi-
can", 1393 E. v. Fürstenbergs „Nickel", 1894 Fvhr. v. Münch-
hausens „Jlse", 1895 V. Mays „Armüruster", 1896 R. Wahr-
mmins „Tokio", 1897 Fürst Fürstenbergs „En bloc", 1898
v. Thiele-Winckkers „Slusohr", 1899 Comte de Juigttes „Gob-
seck", 1900 Fürst Hohenlohc-Oehringeris „Tamette" und 1901
A. de Schicklcrs „Ssmendria". Wenn man diese Liste durch-
geht, stötzt man auf die Seltenheit, datz ein und dasfelbe Pferd
dreimal hintercinander in demselüen Rennen fiegreich gewesen.
Es ist dies die berühmte Stute „Kincsem", welche in den Jahren
1877, 1878 nnd 1879 den Goldpokal heimführte. Jhrer phä-
nomenalen Leistnng willen hat der Jnternationale Club ein
Rennen ües Meetings „Kincscm-Rcrmen" getcmft. Der Grotze
Prcis ist nach Frcmkreich 21mal gewandert; dabei kommt in
Detracht, datz die Rennen bis zum Jähre 1878 unter französi-
scher Leitung stunden und dah an dcnselben die anderen Staaten
nicht teilgenommen haben. Nach Oesterreich ist der Goldpokal
lOmal, nach Deutschland 9mal nttd nach England 3mal ge-
kommen. Die heurigen Gewinnaussichten neigen wieder ganz
nach französischer Seite hin.

X Patentbericht fiir Vaden vom 19. Auaust 1902, mit-
qeteilt vom Internationalen Patentburean C Kleyer in
Karlsruhs (Baden), Krieqsstraßs 77. (Äuskünfte ohne Rechercben
werden den Abonnenten dieser Zeitunq kostenfre! erteilt,)
Die Ziffern vor den betreffenden Nummern benichnen die Klaffe.
Va tent an m eld u n oe n: 33b. K. 22779. Behälter für
Schmuckqegenstünde u. dgl. Ernst Keller, Pforzheim. 25 Februar
1902. 44 b. Sch. 17 599. Zigarrenabschneider. Josef Scklosser,
Mannheim. 3. August 190l. Gebrauchsmustcr-Ein-
tragungen: 42m 180463. Logarithmischsr Rechenschieber.
bestehend ans zwei aneinander verschiebbaren Teilen und einem
diese umfassenden Rsiter Feder. Albert Nettler, Lahr i. B.
22. Mai 1902. 71a. 181007. Pantoffel, dessen Oberteil aus
maschinengestricktem- oder gewirktem Stoff besteht. Karl Daut,
Mannhelm, r. 1, 4. 9. Januar 1902. 64 a. 181027. Flaschen-
verschlnßkork mit Befestigungshülse, mit in den Hohlraum der
letzteren hereirragenden Rändern sowie im Deckel angebrachten
Schnurloch. Woerner u. Cie., Rastatt. 24. Juni 1902.

Kin Hochherziges Wermächtnis zu Ounsten der
fchkestschen Weber.

Dsr Stadtgemeindc Schwsidnitz ist, wie man dem „Berl.
L.-A." schreibt, eine Millionen-Erbschaft zugefallen, deren Be-
trag dazu bestimmt ist, die Not unter den armen schlesischen
Handwebern zu mildcrn. Vor kurzem verstarb in Hirschberg
im Alker von 78 Fahren der Direktor Adolph Kessel. Kefsel

gestattet, hatte ihm schlimmere Früchte getragen, als er selbst
für möglich gshalten.

Jm Anfang hatte die sorgfältig eingerichtete Maschine
ihren Dtenst gethan, als ob er felbst mit gewohnter Umsicht
dirigierte und erfreut, ja sogar stolz, gratulierte er sich damals
zu diesem Erfolge, der ihm gestattete, sich seinem Kummer
um die Tochter hinzugebeu, ihre Angelegenheiten zu ordnen
und sie schliehlich in eine Heilanstalt zu überführen.

Dah dem „Glückskmde", wie man ihn oft genannt, das
tausendfältige Aergernis und die tiefe Demütigung feiner
Anna die Nerven zerstörte, bemsrkte er kaum. Niemand wagte
es, ihm zu sagen, daß er auch in seinen geschäftlichen Bezieh-
ungen launenhaft und ungerecht wurde — noch weniger wag-
ten es seine treuen alten Beamten, ihn zu warnen öder ihre
eigenen abratenden Meinungen gegenüber zu stellen, seit er
mehrfach in schroffer Weise solche bescheidene Versuche zurückge-
wiesen.

So war es gekommen, daß in den mannigfaltigen Betrie-
ben erst leffe, dann lauter ein anderer Geift aufkam, daß
Unordnung, Verwickelungen entstattden, die man so lange
üngstlich zu vcrdecken suchte, wie dies möglich war.

Das. Vertrauen auf die altgewohnte Gerechtigkeit des
Chefs war bereits durch iyn selber schüttert. Jm Aerger hatte
er sich zu Mitzgriffen hinreißen .lassen, die nicht wieder gut
zu machen waren; scine treuesten Beamten verliehen ihn tief
gekränkt uttd er machte in seiner Verstimmung nicht einmal
den Versuch, sle zurück zu halten. Die Reue käm zu spät,
er hatle das beängstigende Gefühl, datz die Zügel seinn Hättden
entgleiten, dasz er die klare Ue-bersicht verloren hatte. Und mit
wahrem Entsetzen mußte er es erleben, datz grotzartige Be-
trügereien auf seinem Cisenwerk entdeckt wurden: die Schienen,
welche er 'der Staatsregierung geliesert, erwiesen sich als falsch
gestempelt — beträchtliche Summen waren von zweien seiner
Beamten betrügerisch erworben. Eine gerichtliche Untsrsuch-
ung ergab freilich, datz Wolzin von alle-dem keine Ahnnng ge-
habt, aber zu seinem Entsetzen auch, daß eine ganze Gruppe

war einer alten Adelsfamilie entsprossen, aber schon sein Ur-
großvater, ein Handwerksmeister, legte den Adelstitel ab. Fn
seinen jüngeren Jahren war Adolph Kessel Beamter des Grafen
Henckel von Donnersmarck, und als der Graf im Jahre 187L
vom Fürsten Bismarck berufen wurde, um an den Beratungen
über dis von Frcmkreich an Deutschland zu zahlende Kriegs-
entschädigung teilzunehmen, mutzte Kessel den Grafen nach
Versailles begleiten. Jm Laufe der Jahre erwarb Herr Kessel
ein grohes Vermögen, das er stets in den Dienst der Wohl-
thätigkeit stellte. Als er alt wurde und sein Testament ab-
satzte, kam für ihn in Frage, ob er sein Bermögen den Berg-
lcuten oder den Webern zuwenden sollte. Er entschied sich sür
die Weber. Jn seinem im Jahre 1896 errichteten Testamente
ernannte er die Stadt Schweidnitz zu seiner Universalerbin;
alles was nach Auszahlung bedeutender Legate und Renten
übrig bleibt — Ende dieses Jahres dürfte die Summe etwa
214 Millionen Mark betragen — erhält die Erbin zur Er-
richtung von zwei Jnstituten in Schweidnitz, in denen Kittder
verstorbener oder noch lebender armer Weber aus den Kreisen
Hirschberg, Waldenburg, Lcmdeshut, Schmiedeberg, Neurode.
Glatz, Habelschwerdt Aufnahme, Verpflegung unld Erziehung
fittden sollen mir dem Zwecke, die Knaben dem Weberhandwerk
und der Mitarbeiterschaft im väterlichen Hause oder in den
Webereifabriken zu entziehen und sie für einen anderen Beruf,
in der Regel für ein Hattdwerk, vorzubereiten. Die Mädchen
sollen zu hauswirtschaftlicher Arbeit angeleitet werden. Jn
jedem Jnstitute werden Knaben und Mädchen getrennt sein,
keine Anstalt aber darf mehr als 50 Kittder gleichzeitig aufneh-
men. Der Erblasser hat die Stadt Schweidnitz, zu welcher er
keinerlei Beziehungen hatte, wohl deshalb zur Universalerbin
eingesetzt, weil Schweidnitz ungefä'hr in -der Mitte der Weber-
distrikte liegt.

Kleine Zeitung.

— Reichszttwachs untcr Wilhelm II. Wie die „Kl.
Presse" berichtet, steht ein historischer Erinnerungsslein
eigener Art, der auf Befehl des 5paisers jetzt mit einer
Jnschrift versehen warden ist, im Letzlinger Forst. 1!n-
weit des Dorfes Born findet man diesen sogenannten
„Prinz Heinrich-Stein"; er steht auf einer Anhöhe nnd ist
weithin sichtbar. Der Kaiser hat in diesen Tenkstein, der
im Jahre 1898 ansgestellt wurde, folgende Worte ein-
meißeln lassen:

Die

Deutsche Besitznähme
von Kiautschou

erfolgte am 14. November 1897,
der Karolinen und Marianen
am 12. Oktober 1899.
voir Samoa am 1. März 1900.

Einnährne der Takü-Forts
17. Juni 1900.

Einnahme Pekings 46. August ,1900.
llnterzeichnung
des Friedensschluß-Protokolls
7. September 1901.

— Studicrendc Dameu. Ini Iähr 1900—1902
'haben an den deutschen llniversitäten 14 Damen den Tok-
tor gemacht! Jn drei Fällen war Medizin das Fach, in
vier Fällen englische, je in einem romanische und ger-
manische Philologie und Biathematik. Zwei Tanien
erlangten dieDoktorwürde inPhilosophie, eine in Chemie,
eine in Geologie. Von den Promotionen sallen sünf
auf Halle, drei auf Heidelberg, zwei auf Göttingen nnd
je eine auf Berlin, Breslau, Freiburg und München.
Ilnter den 14 Aspirantinnen befanden sich acht Nord-
amerikanerinnen.

— Säbclmensurcn. Der Rechtspflegeausschuh der
Universität Göttingen hat vor knrzem folgende Ver-
fügung erlassen: „Es ist wiederholt zn unserer Kenntnis
gekommen, daß die grobe Unsitte der Säbelmensuren
auch an unserer Hochschule bedauerlich im Schwange
ist. Wir stnd entschlossen, dem Leichtsinn energisch zu
wehren, der geringfügige studentische Ehrenhändel der
Entscheidung durch schwtzre Wafsen unterwirft und wir
warnen die Herren Studierenden dringend vor den Fol-
gen einer Handlungsweise, die sich mit der gesnnden
Ordnung akademischen Lebens nicht vereinigen läßt."

— Einc ncue Gattnng von „Warenhänscrn" thut sich
jetzt in der mit Warenhäusern schon so reichlich versehenen
Reichshauptstadt auf. Diese handeln ausschließlich mit
Leb ensmitteln. Man findet in cinem solchen
Hanse eine eigene Konditorei und Bäckerei, Fleischverkauf
aus eigener Schlächterei, Milchverkanf aus cigener Mol-
kerei, Wurst aus eigener Wurstfabrik usw. Als Lockmittel
wird nun Zucker ausgeboten, der natürlich bessere Ware
sein soll und das Pfund nur 25 Pfennig kostet. Auf
vorgedruckten Zetteln wird daraus hingewiesen, daß Kon-

seiner Arbeiter als Hehler gedient hatts. llnd natürlich war
er als Berkäufer der Schienen zum vollen Schadenersatz ver-
pflichtet I

Das Endergebnis, welches seine Rechtschaffenheit zwar
als tadellos, seine Geschäftsführung aber als nichts weniger
als musterhaft erscheinen lieh, hatte ihm schlietzlich sein Leben,
wie er es jetzt führte, völlig verleidet. Unklar fchwebte ihm
ein Aufgeben aller Geschäfte vor, klar und brennend dagegen
der Wttnsch, Ulla zu heiraten und seinem freudlosen Dafein
einen befriedigenden Jnhalt zu geben.

Alle seine Gedanken weilten heute bei Ulla und er schalt
sich bereits, datz er seiner Tochter nicht den Auftrag gegeben,
ihm telegraphisch Bericht zu schicken, wie Ulla seine Wünsche
aufgenommsn.

Als ihm aber dann sein Diener mit der befohlenen Tasse
Bouillon — dem einzigen Frühstück, wozu er sich in seiner
heutigen Stimmung entschlietzen konnte — ein TelegramrN
von Anna brachte: „Ulla scheint nicht abgeneigt, hoffe das
Beste" — da lachte er in seiner Freude laut auf, zum grötzteN
Erstaunen des braven Karl, der.seinen Herrn seit Jahren
nie mehr lachen gesehen hatte.

Es war Wolzin plötzlich.zu Mute, wie -wenn er lange Zeit
im dichten Nebel gegangen wäre und nun ganz umgeben von
Sonnenschein in einer lachenden Gegend stände: seiner Zu--
kunst gegenüber.

Vergnügt ging er daran, sich zurecht zu machen, um naH
der Börse und von da ins Geschäft zu fahren.

Da kam Karl zurück und meldete leise, draußen sei eiu
Mcmn — ein Herr verbesserte er sich, der sehr erregt den HerrN
Geheimen Kommerzienrat zu sprechen wünsche. Eine Kcrrt^
hätte er nicht bei sich, seinen Namen wolle er auch NE
nennen.

(Aortsetzung folgt.)
 
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