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Heidelberger Zeitung (44) — 1902 (Juli bis Dezember)

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Nr. 177-202 (01. August 1902 - 30. August 1902)
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https://doi.org/10.11588/diglit.23861#0365
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Samstag 23. August 1902.

Zweites BLatt. 44. Jatzrg ng. — 196.

Erscheint täglich, Sonirtags ansgenommen. — PreiS mit Familienblürtern monatlich S0 Pfg. in'S HauS gebracht, bei der Expedition und den Zweigstellen cbgeholt 4V Pfg. Durch die Post be.

zogcn vicrteljährlich 1.35 Mk. ausschließlich Zustcllgebühr.

Anzeigenpreis: 20 Pfg. für die Ispaltige Petitzeile oder deren Raum. Reklamezeilc 40 Pfg. Für hiesige Geschäfts- und Privatanzeigen ermäßigt. — Für dic Aufnahme von Anzeigen an bestimmt
sorgcfchriebeneu Tagen wird ksine Vcrantwortlichkeit übernommen- — Anschlag der Jnserate auf den Plakattafeln der Heiüclberger Zeitung und den städt. Auschlagstellen. Ferusprech-Anschluß Nr. 82

Deutsches Reich.

— Tro B e t r i e b d e r g e b n i s s e der deut -
schen Eisenbahne n im ÄNonat Juli lassen im
Vergleich zum Vorjahre eine Zunahme des Verkehrs er-
kennen. Tieselbe ist zwar uicht so bedeutend, daß ste
erheblich ins Gewicht fällt, doch deutet sie darauf hin,
datz sich eine laugfame Besserung anbahnt. tzm Personen-
verkehr hat sich gegenüber dcm Juli des Vorjahres eine
Mehreinnahme von 2.8 LNillionen Mark ergeben. im
Güterverkehr eiue solche von 2.1 Millionen Mark. Der
Gesamteinnahme gegenüber macht das eine Steigernng
von etwas über 3 Prozent aus und man wird dieselbe
mit Genugthuung regiftrieren.

— Tas pensionsfähige Dienst-Ein-
k o mmen derOffiziere und der hiernach zuständi-
gen Pensionsbezüge ist bekanntlich neu geregelt worden.
Ter Zahresbetrag des Pensionsfahigen Diensteinkom-
mene beträgt jeßt sür den kommandierenden General
21 930 Mark; für den Ehef des Generalstabs der Armce,
für die Generalinspekteure der Kavallerie und der Fuß-
artillerie, sowie für den Chef des Jngenieur- und Pio-
nierkorps und Generalinspekteur der Festungen u) be!
18 000 Mark Dienstzulage 21 990 Mark, b) bei 12 000
Mark Tienstzulagc 18 990 Mk., für den Divisionskom-
mandeur als Generalleutnant 16 465 Mk., für den
Divisionskommandeur als Generalmajor 13 966 Mk.,
für den Generalleutnant mit dcm Gehaltc seines Grades,
aber ohne Tienstzulage 13 206 Akk., für den Brigade-
Kommandeur als Generalmajor 12 008 Mk., für dcn
Generalmajor mit dem Gehalte seines Grades, aber
ohne Tienstzukage 11 116 Mk., sür den Brigadekomman-
deur als Oberst 10 816 Nik., sür den stabsoffizier als
RegimentSkommandenr 9364 Mk., für den Stabsoffizier
als Bataillonskommandeur 7013 Mk., für den Haupt-
maun und Rittmeister 1. Klasse 6363 Mk., fnr den Haupt-
mann und Rittmeister 2. Klasse 4168 Mk., für den
Oberleutnant 2660 Mk., für den Leutnant 1960 Bkk. —
Ein Leutnant erhält nach zehnjäbriger Dieirstzeit 488
Mark Pension, ein Oberleutnant 638 Mk., ein Haupt-
mann zwciter Klasse 1041 Mk. Ein kommandierender
General wird nach 40 Dienstjahren 16 493 Mk. Pension
erhalten.

Homburg, 22. August. Ter Ka i s e r besuchte
heute Vormittag das Atelier des Bildhauers Fritz Gerth
und fprach sich anerkennend über den Entwnrf zu einer
Tenkmalsbüste Kaiser Wilhelms I. für Homburg aus.
Gleichzeitig befahl der Kaiser die Ausfiihrung eines
Hessendenkma ls, das die städtischen Körperschaf-
ten seinerzeit wegen der Größe abgelehnt hatten, auf seine
eigene Kosten und teilte dies dem Oberbürgernieister und
dem Landrat mit. lkeber den Platz wird heute Nachmittag
Bestimmung getroffen werden.

Bapern.

N ü rnbe r g, 22. August. Der M a g i st r a t hat
heute beschlossen, dem Antragc des Gemeindbkollegiums
beizutreten, wonach an das Staatsministerium eine
Vorstellung gerichtet werden soll, es möge bei Bundes-
rat und Reichskanzler dahin wirken, daß die Einf u h r
lebender Schweine aus Oesterreich und Jtalien
gesiattet werde in öffentliche Schlachthäuser mit direkter
Babnverbindung unter den gleicheu Bediugnngen wie die
Einiuhr von Rindvieh aus Oesterreich.

40)

Eine Geldheirat.

Roman von L Haidheim.

(Fortsetzung.)

Da stand cs aber ganz unleugbar: „Selidoff — Zahlnug
eingesrellt. Panik an der Börse."

„Aber sind Sie denn dabei cngagiert?" ricf er Wolzin
zu, der immer bleicher wurde.

„Tas giebt eine furchtbare Krisel" stöhnte Wolzin, der
fich schon wieder aufraffte, dabei aber so betroffcn aussah,
daß Andler kein Zweifel blieb, Wolzin drohten daraus große
Verluste. Dicscr ging gedankenvoll hin und her — faßte dies
an und jenes und klingelte dann seinem Diener.

„Wir fprechen später noch darüber, Wolzin. Jch gehe
— Sic werden zu thun haben!" veräbschiedete er sich und wurde
nicht zurückgehalten.

Als er aus der Thür ging, trat Karl ein und Wolzin rief
ihm enrgegen: „Karl, sofort Koffer packen, wrr reisen nach
Petcrsburg — du kommst mit — nm drei Uhr geht der
Zug."

„Donnerwetter, das sieht ernst aus. Aber auf die Weise
werden wir dic Hitzfliege hier einstweilcn los," dachte Andler
befriedigt.

» *

Am Abend dieses Tages erhielt Anna von Glaichen eine
Tepesche ihres Vaters, welchc ihr meldete, daß er in dringender
Sache auf unbestimmte Zeit — Wochen viclleicht — verreisen
rnüsse. Näheres morgen. Sie solle der lieben Ulla Nachricht
geben.

Wohin konnte der Vater nur gercist sein? Am anderen
Tage löste cr von Königsberg aus die Frage: „Reise nach
Petersburg, Moskau, Odessa, Kaukasus — gebe später Adres-
len."

Sachscn.

— Jn Sachsen hat ein kürzlich vor tzem Dresdener
Kriegsgericht verhandelter Fall von bösartiger
S o l d a t e n s ch i n d e r e i viel Aufsehen erregt und
zu Besprechungen in den Blätteru geführt, weil das Ur-
teU fm keinem rechteu Verhältnis zur Schwere ders
Strasthat steht. Es handelt sich hier um einen Fall, den
der Gerichtshof selbst als wohlerwogene Soldatenschinde-
rei bezeichnete. Eiu Unteroffizier hatte fortgesetzt einen
Rekruten brutal mißhaudelt und was seine Rohheit be-
sonders charakterisiert, sich an den Ouälereien noch er-
götzt. „Viel Spaß", heißt es iu einem Verhandluugs-
bericht, „hat es dem Unteroffizier gemacht, weun er den
Rekruten iu raffiuierter Weise bis zur vollständigeu Er-
schöpfuug peiuigte, und nicht bloß er selber, sondern auch
andere Üuteroffiziere habeu sich belustigt, wemi zum
Beispiel der Rekrut, der dreifache Kleidung (Drillich-,
Tuchrock uud Btantel), Fingerhandschuhe imd Ohren-
lappen hatte anlegeu müsseu und dem uoch obeudrein
eine brenueude Tabakspfeife iu den Muud gesteckt worden
war, vor dem übermäßig erwärmten Heizkörper der
Mannschaftsstube mit zwei Gewehreu „übte". Trotz-
-dcm war die Strafe eine aufallend mikde. Während uach
dem Militärstrafgesetzbuch Gefängnisstrafen bis zu drei
Jahreu und daneben Dienstentlassung oder Degradatiou
zulässig wäreu, wurde uur auf zwei Mouate drei Wochen
Gefängnis erkauut, nach welcher Zeit dieser Ilnteroffizier
z also weiter als Soldaten-„Erzieher" sungieren wird.
s Eine solche Strafe, so meinen dazu die „Dresd. Nachr."
s mit Recht, dürfte wohl schwerlich zu einer Verminderung
oder Vermeidung ähulicher Rohheiten beitragen.

- Prcuste».

Berlin, 23. August. Nachdem die schou vor
eiuiger Zeit bei der S t a a t s e i s e n b a h u v e r -
s w a l t u u g eingesührteu A r b e i t s a u s g l e i ch s-
i stelle n sich als zweckentsprechend crwiesen haben, sind
uach eiuer neuereu Auweisung des Eisenbahnministeriums
die mit dieser Einrichtung gemachten Versuche fortzu-
setzen. Die Eiseubahndirektiouen, die Ausgleichstellen
bisher uicht errichtcteu, Habeu diese Frage erneut zu
prüfen und uötigeufalls mit der.Eiurichtung solcher
Stellen porzugehen.

— Wie die „Neue Pol. Korr." mitteilt, hat der
O b e r P r ä s i d e n t der Provinz Poseu schriftlich an-
geordnet, daß diejenigen Studenten aller Fakultäten,
die von ihm eiu Stipendium beziehen, außer der Ver-
Pflichtuug, nach dem Studium füuf Jahre in der Provinz
r Poseu zu wirken, uoch die Verpflichtung überuehmen
! müssen, die poIuische SPrache zu lerueu.

^ Aus Stadt und Land.

! -p Dompteur Cliarlcs Mcnagerie-Circus, welcher gestern
hier eingetroffen, gieüt heute Samstag, abends halb 9 Uhr
seine Eröffnungsvorstellung. Der „Ludtvigshafener Anzeiger"
schreibt über dieses Unternchmcn: Die ricfige Wagenreihe ent-
hält eine große Anzahl von Tiercn ans allen Teilen der Erde;
es ist eine zoologische Nusstellung in einer Ausdehnung und
Mannigfaltigkeit, wie sie feltcn in ambulanten Menagerien
! geboten wird. Durchaus angenehm bcrührt die peinliche!

? Sauberkeit, worin sich die einzelnen Käfige präsentieren, eine
s Rcinlichkeit, die den gcfürchteten Geruch nicht aufkommen läßt.
j Der Katalog wcist von vielen Ticrgattnngen ganz prächtige
! Exemplarc auf, znm Beispiel verfügt die Menagerie über eine
' ganzc Anzahl stattlicher Löwen, von denen namentlich Nero,

'der sich als Kunistreiter zu Pferde vorstcllt, cin imposantes
Excmplar ist. Vicl bewundert imirden auch die lieblichen Lö-
wcubabys. Ferner sehen wir ciiieil mächtig-en Königstiger aus
Bengalen, Pumas, die bckaimtcn amerikanischcn Silberlöwen,
afrikaiiische Leoparden, geftreiftc Hyäncn, ungarische und russi-
sche Wölfe, cinen Rüsfel- und eineu Wickelüär, cin Wasser-
sch'lvein, Schalal u. s. w. Mit der eigentlichen Menagerie ist
ein Circus verbunden, worin sich Ncro selbst wie fcin römischer
Namcnsvetter in eigenstcr Perso'n als Circuskünftler proüu-
ziert, er zeigt sich als Seiltänzcr nnd Panneaureitcr, als Jockey,
und läßt sich von seinem Bändiger Gharlcs in Freihcit füt-
tern. Man muß dcm kühncn Dompteur für dicse hervorragen-
den Dressiirleistungen alle Nchtuug zollen. Fesselnd find auch
die Vorführungeu vou Wülfen und Leopardcn durch Fräulciu
Kora und Herrn Schmitt. Schr gcschickt ist dcr grotze Elefant,
der ein grohes Talcnt als Musiker an den Tag lcgt: er ist lodig-
lich Orgelvirtuose, wobei ihm noch möglich ist, die großc Trom-
mcl zu schlagen. Zur Belohn-ung wird er an der Tafel gast-
lich bewirtet. Scine Akrobatcnstückchen führt er mit elcfan-
tischer Weishcit und Eleganz aus, die alle Bcwunderung vcr-
dient. An die Circusvorführungen schließt sich die Füttcrung
dcr Ranbtierc an. Der Circus bleibt 6 Tage hier, deshalb
versäumc niemcmd den Besuch, uud wer scinen Kindern eine
hübsche Frcude bereiten will, hat dort die schönste Gelcgenhcit.

LC Konstanz, 21. Aug. (H an d we rk s kamm e r.)
Es hat ungewöhnlich lange gedauert, bis endlich einIahre s-
beri ch t von einer badischen Handwerkskammer das
Licht der Welt erblickt hat. Der Konftanzer Kammer gebührt
das Berdienst, „bahnbrechend" in Baden vorgegangen zu sein,
nachdem in andern Staaten des Deutschen Reiches längst dis
Berichtc übcr das zwcite Geschäftsjahr in Bearbeitung genom-
men sind. Leider läßt sich das Sprichwort: „Was lange währt"
n. s. w. auf das vorliegende Elaborat nicht anwenden. Dis
117 Drucksciten umfassende Schrift enthält größtsnteils Pro-
tokolle, Verordinmgen, Gutachten, statistische Tabellen und der-
gleichen, von denen das Wissenswerte bereits in der Tagespvefse
vcrüffentlicht wurde. Eine systematische Darstellung der ge-
machten Erfahrungen, aus der man ein Bild über die Lage des
Handwerks in jenem Bezirk gewinnen könnte, bietett auch der
„Thätigkeitsbericht" nicht. Der Aufklärung fehr bedürftig
erschernt im Jnteresse des Ansehens unserer Presse eine Notiz
im Kapitel „Ausstcllungswescn". Es heitzt dort: „Ein cmderer
Unfug auf dem Gebiete des Ausstellungswefens besteht darin,
datz gcwisse Korrcspoiidenz-UnternehMungen neucrdings gegen
gute Bezahlnng in ciner Rcihe von Zeitungen und Zcitschriftcn
Besprechungen uber ausgestellte Gegenstände allcr Art erschei-
nen lassen. Diese Referate können vom Aussteller selbst ver-
faßt werden nnd uiüssen, da sie auch in großen Blättern erschei-
ncn, bci unbcfangcncn Lesern den Glaubcn erwccken, als hmrdle
es sich nm hervorragende Ausstcllnngsobsekte. Jn Wirklichkeit
ist für die Berbreitung solcher Rcklameartikel nur die vorherige
Bczahlung des Honorars maßgcbend. Jn eincm Fall, der nns
bekannt gcworden ist, wurdc für eine Besprechung im Umsang
von höchstens 10 Zeilcn oder 90 Worten der hübsche Preis von
35 Mk. verlangt." Es ist sehr bedauerlich, daß der Verfasser
des Jahrcsberichts die Namcn dieser „Korrespondenz-Unter-
nehmcn" und „großen Blätter" nicht genmmt hat.

Dicnstnachrichten. Ernannt: Bodemüller, Hcrm.,
Vermessungsassistent in Sinsheim, zum Lagerbuch- uud Fort-
führimgsbeamtcn für dcn Fortführungsbezirk Eppingen. Ver-
sctzt: F i s ch e r, Kamill, Bezirksgcometer in Eppingcn nach
Bühl. Bertragsmätzig aufgenvmnielr: Bauerschmidt,
Fr„ Schrcibgehilse, bei dem Bczirksgeomcter in Eppingen.

Aas „Krmee- und Marinevoröereilungs-
instilnt", ein Schwinder.

Jn Berlin ist üiescr Tage ein großer und überaus frecher
Schwiudel aufgcdeckt word'en. Ein „Armee- und Marine-
vorbereitungsinstitut" hatte in letzter Zeit Prospektc versandt.

Ulla atmete erleichtert auf, die Entscheidung würde sich also
wochenlang verzögern. Dann brachten die Zeitnngen Nach-
richten Lbcr den Sturz eines der reichsteu und größten russischen
Handelshäuser. Sechzig Millionen hatte Selidoff Bater seinem
Sohn hinterlassen, die in einer Reihc der glänzendsten und
gewmnbringendsten Unternehmungen angelegt und über allen
Zweifel rentabel waren. Der junge Gardeoffizier, der nichts
von Geschäften verstand, überließ den bewährten Beamten die
Leitung derselben und that wohl daran, wie es schien. Kein
Mensch hatte eine Katastrophe geahnt und plötzlich, wie ein
Mitz aus heiterem Himmel erfolgte der Zusammenbruch des
großartigen Uiiternehmens, dessen einzelne Gründungen so
lcmge vorzüglich ineinander gegriffen hattcn. Wie es hieh, zog
dicser Stnrz eiue ganze Reihe anderer Bankhänser nach sich.

Wolzin telegraphiertc fast täglich, nm die aufgeregte und
geängstigte Tochter zu bcruhigen: Alles sei in Ordnung. Meinte
cr das alles wöhl ehrlich — oder war es vielleicht eine fromme
Lüge?

Ulla fürchtete letztercs und ihr Vater schrieb ihr dieselbe
Meimiiig. Außerdem deutete.er an, daß uubegreiflicherweste
Wolzins Rus als ehrlicher Mcmn in allen Kreisen der Stadt
bezweifelt, ja cmgegriffen würde. Thatsachen schiene man nicht
zu lenncu. Aber war es nicht schon schlimm und unbeschreib-
lich ärgerlich, all diesen dunklen unbestimmteu Gerüchten wehr-
los gegenüberzustehen?

Wolzins Rechtsbeistand hatte in dessen Auftrag eine Unter-
suchung üestimmter Anklagen beim Gericht erbeten, schien aber
nichts erreichen zu können, so lange Wolzin selber nicht zurück-
kam. Und da man überall Burghausens intime Freundschaft
sür diesen kannte, hütete man sich» in seiner Gegenwart das
heikle Thcma zri berühren.

Jm Grunde störten Anna diese vorsichtig gehaltencii Mit-
teilungen, die sie auch nur znm Teil ersnhr, nicht in ihrer Ge-
nesung.

Der heitere Verkehr mit Ulla, die tiese, seelische Ruhe, in
welcher diese die Freundin zu erhalten wußie, thaten beinahe

Wundcr, »nd Amia war von jrhcr viel zu schr gewöhnt, sich
als Hauptperson zu betrachten, nm jetzt Ulla näher zu bcoüach-
ten, dic in dcn letzten Jahren gründlich gelernt hatte, ihr Jnnen-
leben dem Blick andcrer zu verschlicßen.

'Einc sehr crfreuliche Abwcchslung brachte heidrn Frcundin-
ucn Leontlues uud Stcilas Besueh, die ganz bcgeistcrt crzählten,
daß ihrc ülteste Schwcfter, die nicmals für sich an Glück ge-
glaubt, die Braut eincs reichen Fabrilbesitzers gewordcn sei,
der nebeu Llamrupps riue Villa üewohnte. Der Mann war
Witwcr und Rosa bekam vier Sticfkiiidcr, aber das war gerade
fllr sie das Richtige. Als dic erste Frende über diese Ncuigkeit
vorübcr war und man mm von alten uud ncuen Bekannten
plauderte, fragte Anna, als Ulla cinmal hinausgcgangen war»
direkt nach Fritz und ob das Gerücht sich bestütigt habe.

„Nicht bcstütigt, aber crhalteu," sagte Lcontine, uud Stella
berichtete, mau sche ihn sehr selten, aüer Freunde dcr schöncn
Anita Serano — General Polzigs — hätten erzählt, Anita
nnd Fritz wärcn nenlich bcim Rennen unzerrrennlich ge-
wesen und Anita habe schr lebhaft mit ihm gcplaudert und
gelacht.

Dagegen ersuhr dann Ulla, als Anna nicht zugcgen war»
von dcn beiden Schwcstern, cs habe in der Zeitung gestandcn,
der Regicrimgsrat a. D. Hans von Glaichen sci für dic Stelle
eines zweiten Dircktors der ncu gcgründetcn Bank von H. in
Aussicht gcnommen.

Hans von Glaichcn Bankdirektor?

Ulla wollte es nicht glauben.

Was Ulla für uiiwahrschcinlich hiclt, war dennoch so.

Das Glück hattc Hans von Glaichcn von ncucm zugelächelt;
aus dem öden Grau Prach plötzlich cin goldener Somicnstrahl
für ihn.

Als cr an jencm Tagc in dem Wirtshaus am See von Hilde
Abschied genammen, ging cr zu Fuß zur Bahnstation. Jhm
war so gehoben zu Mute, dankbare Liebe in scincm Herzen auf-
gekeimt — so dankbare Licbe, wic cr sie nie empfundcn, der
chrgeizige Strcber, der cwig rechnende Egoist.
 
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