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Heidelberger Zeitung (44) — 1902 (Juli bis Dezember)

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Nr. 229-255 (01. Oktober 1902 - 31. Oktober 1902)
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https://doi.org/10.11588/diglit.23861#0752
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Fahrer ivird auf diese Weise zugleich geschaffen. Gefahren
tvird in zwei Kategorien: Wagen über 700 Kilo (schioere
Wagen), unter 700 Kilo (leichre Wagen). Für beide sind
wertvolle Preise ausgesetzt. Die Srrecke mutz in höchstens
80 Minuten zurückgelegt ioerden. Die Abfahrt der Wagen
erfolgt ab Mannheim vom Bahnhosplatz morgens 11 Uhr. Der
StartistinHeidelberg Uhr am Klingenthor.
Steuevn dürfen nur Mitglieder des Klubs, eine Neuerung,
die die Leistungen der Klubmitglieder zeigen soll.

Mannheim, 16. Oktober. (S ch w u r g e ri ch t.) 9. Fall.
Ein blutiges Ehedrama wurde heute vor den Geschworenen
aufgerollt. Unter der Anklage des Mordversuchs, begangen
auf seine eigene Frau, hatte sich der 28 Jahre alte Kaufmann
Philipp Betz von Mannheim zu verantworten; wegen Bei-
hilfe war mitangeklagt sein 22 Jahre alter Bruder, der Uhr-
macher Ludwig B e tz. Als Achtzehnjähriger hatte Betz
seine Frau in der Tanzstunde kennen gelernt und sie trotz des
Widerspruches seiner Eltern geheiratet, als ein ihrem Ber-
hältnis entsprossenes Kind zwei Fahre alt war. Die Frau
gebar ihrem Manne noch zwei Kinder, von denen eines inzwi-
schen gestorben ist. Die Ehe war unglücklich. Die Frau em-
pfarid eine unbezwingliche Abneigung gegen ihren körperlich
unbedeutenden und zu Ausschweifungen neigenden Mann und
knüpfte bald da bald dort Vephälmisse an. Jhr Mann trennte
sich etlichemale vor ihr, kehrte aber immer wieder zu ihr zu-
rück, sowohl er als sie leiteten Ehescheidungsprozesse ein, um sie
wieder beruhen zu lassen. Sein Bruder Ludwig riet ihui eines
Tages, als er ivisder durch einen Fehltritt seines Weibes aufs
äutzerste erregt war: Das Beste wäre, er briuge sie um, er
wolle ihm einen Rebalver dazu verschaffen. Er erhielt 6 Mk.
von seincm Bruder, kaufte den Revolver und nun lockten die
beiden Brüder die Frau auf den Llirchhof, wo Ludwig mit dem
Opfer vorausging, während der einen Schritt zurückgebliebene
Philipp zwei Schüsse auf seiue Frau abgab, von deuen einer in
den Nacken, der andere in die littke Schläfe eindrang. Die
Frau war lebensgefährlich verletzt. Durch den Schutz in die
linke Schläfe büßte sie den Geruchstnn und die Se'hkraft des
linken Auges vollständig ein. Nach der That lietzen die beiden
Brüder ihr Opfer im Stich und flüchteten in die Stadt, wo sie
noch in der Nacht verhaftet wurden. Heute soll diese blütige
Lhat ihre Sühne finden. Die Angeklagten sind unansehiiliche
kleine Lcute. Philipp Betz macht den Eindruck großer Sensi-
bilität. Die Haare sind ihm weit in die Stirne herabgewach-
sen, was das Kindische seines Aus'sehens noch vermehrt. Er
trägt eincn goldencn Klemmer. Ludwig Betz trägt grotze Gleich-
giltigkeit zur Schau. Auch der Hinweis auf schwerbelastende
Dinge prallt an seinem Phlegma ab. Der Angeklagte Betz er-
Wrt sich sehr ausführlich zur Anklage. Nachdem er erzählt,
wie cr seine Frau kennen gelernt und geheiratet habe, fährt er
fort: Jch liebte sie nicht besonders, erst als das Kind da war,
erwachte meine Leidenschaft. Jch verdiente damals mit meinem
Nebenverdienst 260—800 Mk. monatlich. Jch gab ihr alles,
weil ich vollständiges Bertrauen zu ihr hatte. Wir ivohnten
zuerst in der Schillerstraße in Ludwigshafen. Da machte mich
eines Tages die Schenkamme unseres zweiten Kindes darauf
aufmerksam, daß mnh meine Frau mir einem Pflästercr be-
trüge. Während ich einmal bei einer Wohlthätigkeitsvorstel-
lung als Klavierspieler mitwirkte, war der Pflästerer in meiner
Wohnung. Eine Hausbewohnerin teilte mir es mit. Jch war
wie niedergefchmettert. Um mich nicht der Schande vor den
Nachbarn auszusetzen, zog ich in eine andere Stratze. Dort
fing sie ein zweites Verhältnis an, mit einem gewissen Rech.
Als ich sie einmal darüber zur Rede stellte, sagte sie: Das ist
Loch nichts, weun man verheiratet ist und immer dasselbe
Gestcht zu sehen. Der zweite Angeklagte Ludwig Betz erklärt,
daß er schwachhörig sei und ein schlechtes Gedächtnis habc.
Dieses versagt auch stets bei entscheidenden Fragen. Er giebt
zu. dcu Revolvcr gekauft und seinen Bruder begleitet zu haben,
als dieser zu seincr Frau ging und später den Ausflug nach
Waldhof machte. Als die Schüsse auf dem Friedhof fielen, sei
er neben ihr hergegangen. Ob er sie am Arme geführt habe
bder nicht, könne er sich nicht genau erinnern. Seine Schwä-
gerin habe ihn am Boden liegend angefle'ht: „Ludwig bleib bei
mirl" Da sie nicht gewußt hätteu, ob sie noch bei der Frau
bleiben sollten, so ssien sie fortgegangen. Der Vorsitzeude hält
dcn Angeklagten vor, daß sie früher ganz andere Aus'sageii ge-
macht hätten. Die früheren Angaben P'hilipp Betz' wcrden ver-
lesen. Darnach stand schon am Mittag des kritischcu Tages
sein Entschluß fest, seine Frau zu töteu. Die Gräber habe mau
besucht, weil er seine Frau für den letzten Gang vorbereiten
wollte. Die Thräuen scieu ihm bei dem Gedauken gekommeu,
daß seine Frau uun auch bald da unten liegen solle. Ludwig,
Ler ansangs' übeühaupt nichts eingestehen wollte, hat iu eiuein
Wrief deu llntersuchungsrichter eigens ersuch't, ein Geständnis
ablegen zu dürfen und dann klipp und klar erklärt: Wir be-
schlossen, die Frau zu töten, nur dabei sein wollte ich nicht.
'Uud untertvegs hat er den Bruder ermahnt, nicht so erregt zu
seiu, sonst merkten es die Leute. Der Angeklagte Philipp Betz
erklärt bezüglich seiner früheren Aussagen, er sei bei seiiier
damaligeii Vernehmung schr erregt gewesen. Es beginnt uun-
mehr Lie EinvLrncchme der Zeugen. Dieselbeu iiehmen sehr
lange Zeit iu Anspruch. Die Frau des Angeklagten Philipp
Betz erklärt, von ihrem Rechte, das Zeugms Verlveigeru zu
dürfen, keinen Gebrauch machen zu wollen. Sie sucht ihrem
Manu die Schuld an 'den unglücklichen Familienvephältnissen
zuzuschiebeu, bestreitet aber ihre verschiedenen Liebesverhült-
msse nicht. Kaufmann Weißenburger Und Direktor Müller

Doch gefehlt, auch vor der Stadi setzre der Gaul seiueii ge-
mächlichen Tritt fort.

„Kutscher, fahreu Sie doch etwas schncller!" rief das
Oberhaupt der Familie.

Der Manu auf dem Bocke dre'hte sich herum — „Das Ge-
sicht kommt mir so bekannt vor," fuhr es Melzer durch den
Kopf — und sagte mtt freundlicher Miene: „Cntschuldigen Sie,
jch bin gar kein Kutscher, mir gehört der Schlitteu. Vorhiu
rief mich Jhr Ntädchen mi, und ich fragte sie, wer fahren wollte.
Na, dachte ich: Herrn Melzer kamist du ja fahren; jeden fähre
ich natürlich nichtl Aber Herr Melzer," fuhr der Rohlenker
mit gewinnendem Lächeln fort, „Sie müssen mich doch auch
kenuen, ich bin ja der Wildprethändler Ratzenberger, Sie
waren ja erst vorgestern Abend bei mirl"

Würe in diesem Augenblicke eine Bombe im Schlitten explo-
diert, so hätte Herr Melzer nicht mehr erschrecken können.
Verrät dieser Theekessel in seiner Thramgkeit die gauze Hasen-
geschichtel

Schuldbewußt — deun auch er wurde sich über seine unbe-
dachteu Worte, seineu „Mosbachjeu jerster IGüte" ßlar —-
krümmte sich Ratzenberger in sich zusammen, Melzer aber saß
zur Salzsäule erstarrt und wagte erst nach einiger Zeit, zu
feiner Gattin hinüberzuschielen.

Glücklicherweise 'hatten die beiden Backfische den Sinn der
Worte nicht erfaßt, die väterliche Ltutorität blieb also gewahrt,
Frau Melzer jedoch nahm die Sache von der humauen Seite,
sie fing über andere Gegenstände zu plaudern an.

Nur am Abend, beim Gutenachtsagen, konnte sie es sich
nicht verkneifen, ihrem Gatten ein spöttisches Wörtchen zuzu-
flüstern, das mit dazu beitrug, Herrn Melzer anf die dornen-
reiche Laufbahn eines nichtstreffenden Jägers verzichten zu
lassen; sie äußerte nur mit freundlichem Lächeln: „Du häst em
sanftes Ruhekissen, dein Gewissen ist —- hasenreinl"

von der chemischen Fabrik Zimmermann u. Co. stellen dem'
Aiigeklagten Philipp Betz, der bis Jannar etwa dreiviertel
Jahre, bei Zimmermami u. Co. 3 Jahre in Stellnng war,
twer seine Leistnngen ein gutes Zeugnis ans, nur seirie Pünkt-
tichkeit in der Einhaltimg der Comptoirstunden gäb zu Bean-
standungeii Anlatz. Dr. med. Firnbacher bekundet, datz er bei
dem Angeklagten Philtpp Betz schon im Mat d. I. eine nervöse
Tlnfregung festgestellt habe. Dr. med. Katz hat den Ange-
klagten an Epilepsie behandelt, selbst aber keinen Anfall mit
angeseheii. Um 4 U'hr nachmittags begarmen die Platdoyers,
nachdem der Fragebogen festgestellt war. Neben der Schnld-
frage mif versuchten Alord war eine weitere Schuldfrage auf
versuchten Totschlag gestellt, sowie eine Frage nach mildernden
Umständen. Dcr Staatsanwalt plädierte für die Bejahung der
ersten Schuldfrage. Als Verteidiger des Angeklagten Philtpp
Bctz trat Rechtsanwalt Dr. Holz auf, während Ludwig Betz in
Rechtsanwalt Dr. Selb seinen Bcistand hatte. Dr. Holz be-
cmtragte in erster Linie die Verrieinung beider Schuldfragen,
in zwciter Linie die Bejahung der zweiten Schuldfrage. Dr.
Selb vertrat die Anschauimg, datz die That nicht mit Ueber-
legung ansgeführt wurde und sein Klient wegen seiner ge-
ringen psychischen Widerstcmdsfähigkeit mildernde Umstände
verdiene. Die Geschworenen erklärten nach einstündiger Bc-
ratung die Angeklagten des versuchten Totschlages, bezw. der
Beihilfe hierzu schnldig, und bejähten die Frage der mildernden
Umstände. Das Gericht erkannte darauf gegen den Angeklagten
Philipp Bctz anf 2 Jahre 6 Monate, gegen Ludwig
Bctz auf 1 Jahr 6 Akonate Gefängnis.

Aus Badcn. Der Grotzherzog hat anf die Bitte des Land-
wirts Cölestin Löffler in Kath. Tennenbronn die
Patenstelle bei dem 8. Sohne desselben übernommen nnd gleich
einen silbernen Becher als Patengeschenk 'bestimmt.

X Patentbericht für Vaden oom 1t. Okwver 1902, mil-
geteilt vom Jnternationalen Patentbureau C. Kleyer in
Karlsruhe (Baden), Kriegsstraße 77. (Auskünfte ohne Recherchen
werden den Abonnenten dieser Zeitung kostenfrei erteilt.)
Die Ziffern vor den betreffenden Nummern bezeichnen die Klasse.
Patentanmeldungen: 11s. S. 16478. Papierklammer;
zus. z. Anm. S. 15783. I. Spieß, B.-Baden. 17. März 1902
42 r. W. 19160. Buchstabentafeln für den Lese- und Schreib-
nnterricht. Gustav Wiederkehr, Mannhetm, Friedrichsring 42.
17. Mai 1902. Patenterteilungen: 77b. 137179. Schlitt-
schuh mit gletchzeitig anzuziehenden Sohlen- und Absatzklauen.
Jakob Ueberle II., Heidelberg-Neuenheim. 12. Februar 1902.
38a. 137193 Zuschneidemaschine sür Kistenteile. Gebr. Kern,
Bühlerthal, Baden. 2t. Oktober 1901. Gebrauchsmuster-
Eintragungen: 34L. 184749. Klosetpapierrollenhaltegestell
und Andrückfeder aus einem gebogenem Drahlstücke. Wilhelm
Jakob, Hsidelberg. 15. September 1802. 31k. 184750. Kloset-
papierrollenhalteplatte, bestehend aus einer gedrehteu kreisrunden
Holzplatte. Wtlhelm Jakob, Heidelberg. 15. September 1902.
71a. 184 890. Jagdstiefel aus einem Stück, dessen Staubzunge
durch das Putterleder gebildet wlrd Wilhelm Weinschenk, Karls-
ruhe i. B., Rttterstraße 34. 2. September 1902. 341. 164 737.
Siebbehälter sür Suppmkräuter mit abnehmbaren Siebdeckeln an
beiden Enden. Johann Brüderle, Rastatt. 12. September 1902.

Das Keilserum gegen die Schwindsucht.

B 0 ü sse1, 14. Oktober. Der bekannte Löwencr Ge-
lehrte, Prof. D e n h s, hat, wie die „Köln. Ztg." berichtet,
eine Statistik üöer die von ihm mit dem Serum gegen die
Schwindsucht behcmdelten Krantheitsfälle veröffentlicht, bei de-
iien der Anfang der Behandlung in die Zeit zwischeu dem
1. April 1899 und Cnde Septemüer 1901 fällt. Jn üiese Sta-
tistik sind die Kranken ohne besondere Auswahl der günstigen
Fälle aufgenommen, und Professor Denys hat bei der Aufstel-
lung besonders den Umstand berücksichtigt, datz günstiger Ver-
laus und Heilung erst nach längerer Zeii festgestellt werden
künnen. Jn dem genamiten Zeitraume wurden nun im Ganzen
234 mit Tuberkulose behaftete Personen, bei dcnen der Bazil-
lns cmgetroffen wuvde, in Behandlung genommen. Von diesen
234 Kränken mutzten 80 ausgeschieden iverden, üei denen die
Anordnungcn für die Einführung des Serums von dem aus-
führenden Arzte nicht richtig befolgt worden sind und die Kur
daher in Frage gestellt ivorden ist. Professor Denys hat leider
die Erfahrung machen müssen, datz eine ganze Anzahl von
Äerzten die Grundrcgeln der Behandlnng verkannt und das
Serum tvirkungslos gemacht hat. Weitere 18 Kranke, die
wohl im Hcmbiimdrehen geheilt zu werden erwartet hatten,
hcrben die Behandlung anfgegeben, da sich der gewüiischte Er-
folg nicksi raschi genug einstellte. Von 'den danach übrig bleiben-
den Kranken wnrden 33 nicht mit dem Serum behandelt, da
dieses in dem letzten Stadinm der Schwindsucht meist wirkungs-
'los bleibt. . Doch giebt es Ausnahmem.zumcrl wenn eine denl
Fall ganz besonders cmgepaßte Behan'dlung und Crnährung
angewendet wi'rd. So wnrden bei einem jnngen Mädchen mit
sehr stark entwickelter Krankheit bald nach einem Blutsturz
sorgfältig geregelte Cinspritzungen gemacht urid bereits nach
drei Wochen waren, unter Aufhören des Hustens, Etzlust, Ge-
wichtszunahme und weitere Anzeicher der Genesimg bemerk-
bar) Von den 33 nicht mit dem Scrnm behcmdelten Personen
sind nur noch drei am Leben. Alle andern erhielten Ein-
'spritzungen mit verschiedcnartigem Erfolge. Das Ergebnis
war folgendes: 46 Kranke, Aeich 38 Prozent, von welchen nur
vier in einem Scmatorinm, die übrigen a'ber zu Hause behan-
delt wurden, sind vollständig geheilt. 28, gleich 20 Prozent,
sind beinahe hergestellt und gehen nach und nach vollständiger

Die Deutschen in London.

London, im Qktober.

Jn dem don der bekannten Londoner Verlagsfirma
Cassel n. Co. nnter der Redaktion von G. R. Sims er-
scheinenden Lieferungswerke „Living London" (Das le-
bende London) ist nnnmehr auch ein besonderes Kapitel
dem „deutschen Londan" gewidmet worden. Der Ver-
sasser dieser durch zahlreiche sehr gelungene Photogra-
vüren anschaulich gemachten Abhandlung ist Graf E.
Armfeldt, der sowohl durch seine Reisen in Afrika, als
auch durch seine militärischen Dienste im Sudan, wo er in
der von General Gordon geführten Armee Offiziers-
stellung bekleidete, bekannt ist. Das deutsche Leben in
London ist in der vorliegenden Arbeit dem Charakter des
gedachten Werkes entsprechend nur in kurzen Zügen dar-
gestellt und zeigt uns vornehmlich die heitere Seite des-
selben. Däbei ist aber ein schr synipathischer Ton an-
geschlagen nnd von Anfang bis zum Ende bewahrt,
was in einem englischen Werke bei den gegenwärtigen
Zeitlänften besonders angenehm berührt. Der Verfasser
schildert in der Einleitung zn seiner Whandlung die
Anknnft der Bremer und Hamburger Dampfer mit ihrer
Ladung von Einwanderern, die aus allen Gauen Deutsch-
lands stammen und allen Berufsklassen angehören, —-
nach London kommend, um da ihr Glück zu suchen oder
aber ihre Welt-, Sprachen- und ihre Menschenkenntnis
zn bereichern. Wenn man Graf Armfelt glauben will,
so fällt es nicht schwer, jedem Deutschen von Gesicht, Hal-
tung und Kleidung abzusehen, welchem Beruf er ange-
hört nnd was für eine Stellung er einnimmt.

Heilung entgegen. 27 Kranke hcrben sich wesentlich gebessirk.
Husten nnd Auswnrf haben bedeutend abgenvmmcn, Fieber
nnd Schweitz sind geschwunden nnd Eßlust isl ebenso wie Ge-
wichtsznnahme zn bemerken. Bei 6 Kranken har sich keinr Ver-
änderung, bei 5 dagegen Verschlechterung gezeigt und 26 sind
gesiorben. Professor Denys hält dieses Ergebnis für sehr zn-
friedenstellend und ist der Ansicht, daß bei Schwindsuchr im
ersten und zweiten Grade 80 Prozent der Erkranrungen kürrfrin
auf vollständige Heilnng zu rechnen haben. Während jetzr nocl,
18 000 Menschen jährlich in Belgren an der Schwindjucht
sterben, koiinte man, wenn die neue Heilmetsiode überall zur
Anwendnng käme, unter Berücksichtigung aller Fälle hoffen,
nunmehr 1 Kranken von 2 zn heilen uiid 8 von 10 zn rerren-
Es ist daher nach Denys befremdend, daß sich eine so große An-
zahl von Aerzten in Belgien immcr noch dem nenen Heiver-
fahren gegenüber gleichgiltig und sogar ablehnend verhält.
Als Beispiel kann dieiien, daß ein selbst an der Schwindsucht
erkrankter Arzt die Einspritznngen ablehnte und sie erst nach
Verschklmmcrnng scines Zustandcs, aber M spät, zn machen
erlaubtc.

Kandet und Aerkehr.

Mannheim, 16. Oktober. (Pr od u kt enbö r s e.) Ver 100 Kilo-
Weizeu hierländ. 16.— bis 16.40, Azima 16 50 bis 17.50, Saxonska
17.— bis 17.50, Gtrka 16.75 bis 17.25, Taganroq 16 50 biS
17.50, rumänischer 16 75 bis 17.50, Theodosia 17.50 bis 17.75,
amerikanische Winter II 16.85 bis —, Kansas II neu 17.— biS
—, Kalifornier 17.40 bis —, La Plata 17.— bis —,
Walla-Walla 17.25 bis Bahia blanca 17.50 bis

Semence Russe 17.50 bis —, Kernen 16 75 bis —Roggen,
Pfälzer neu 14.85 bis —, Russischer 14.75 bis —, Äsrste
hiesiger Gegend 15.25 bis 1575, Pfälzer 15.50 bis 18.50
Futtergerste 12.50 bis 12.75, Hafer Badischer 14.75 bis 15.25,
Russtscher 16.50—16.75, Rus. neuer 14.50 bis 14.75, Mais Amerik.
mixed. —- bis —. La Plata 14.— bis —, Donau
14.— bis —, Kahlreps Deutscher 24.00 bis —, Lcinöl mit
Faß 61— bis —, Leinöl bei Waggon 69.50 bis —
Rüböl mit Faß 60.00 bis —.—, Rüböi bei Waggon 57.50 biS
—.—, Petroleum Amerikany 17.60 bis —.—. bei Waggon 20.30
bis —.—, tn Fässern 21.75 bis —, Russisches 16.00 bis
—, bei Waggon 19 40 bis —in Fässern 20.75 biS
—70er Rohsprit 47.50, 90er Rohspnt 32.00, Rohsprit ver-
steuert 115.00

Weizenmehl 00 0 1 2 3 4

27.50 25.50 23.50 22 50 20.50 19 50

Roggenmehl 00: 23.50, 01: 20.50.

Tendenz: Weizen fester. Uebriges unverändert.

Litterarisches.

—" Neber Land mid Meer, die allbeliebte illustrierte Zeir-
schrrft, hat soeben den neucn, 46. Jahrgarig begonneri. (Teursche
Verlags-Anstalt.) Getren dem Beftreben, die Gediegenhert
des lrtterarischen Jnhalts mit bollkommener Gestalrung der
künstlerischen Beiträge zu verbinden, giebt sich „Ueber Land
und Meer" als ein echtes deutsches Familienülatt, das nicksi
nach flüchtiger Sensation hascht, sondern dauernd das Herz
erfrischen und den Geift zu erheben sucht. Hiervon erhälr mM>
aus dem ersten Hefte des neuen Jahrganges wieder die er-
freulichsten Proben. Den erzählenden Teil eröffnet ein Roman
von Richard Voß: „Für die Kronc", worin der Dichter das
Schicksal eines genialen jimgen Fürsten behandelt. Dazu ge-
sellen sich zwei heitere, im Hefte äbgeschlossene Erzählungeii-
'„Der Javaner" oon Georg Freiherrn von Ompreda und „Der
Aeltervater" von Fritz Skowronnek. Aus dem Aeuilleton hebeN
wir die liebenswürdjge Plauderei „Ein FreunLschaftsüild anö
dem Tierreich" von WilHelm Bölsche, die packende SchilderunS
des deutschen Lotsendienstes von C. Lund, die prächtige Alpen-
wanderung von Ernst Platz und die heitere Plauderei über
das Klubleben amerikanischer Studentinnen von Margarere
Müller hervor. Wie diese fesseln'den Aufsätze von zahlreichen
Jllustrationen begleitet sind, so finden wir in der AbteilunF'
die den Tagesereignissen gewidmet ist, durchweg künstlerissh
ausgeführte Nbbildungen. Von hohem Reize sind aüch di^
Kunstblätter, die in vollendeter Ausführung Meisterwerke de'-
modernen Knnst wiedergeben. Wir empfehlen unsern Lesersi'
sich von der iiächsten Buchhandlung die erste Nummer,
kostenlos geliefert wird, oder das erste Heft zur Ansicht korn-
men zu lassen, damit sie durch den Augenschein sich überzeugeN
könncn, was hier für den billigen Abonneinentspreis (viertcn
jährlich — 13 Nummern — 3.50 Pfg., jedes 14tägige
60 Pfg.) gsboten wird. ,

—* „Kerlchens Lern- und Wanderjahre von Felicira-'
Rose" betitelt sich der soeben erschienene zweite Band der über-
all mit dem größten Beifall aufgenommenen humoristisckE
Bibliothek: „Provinzmädel" Verlag von Rich. Bong, Berlch
W. 57. Preis brosch. 1 Mk., elegant geü. 1 Mk. 50 Pf.). D>^
Schicksale der Heldin, welche in „Kleinstadtluft", dem erstc''
Bande der Sammlung, in ihrer herzlichen Natürlichkeit upd
lebensfrohen köstlichen Laune aus allen Fährnissen und Abe^
teuern der frühen Kindheit siegreich hervorgegangen ist um
gleichsam unbewußt als holde Fee G'lück und Segen im Kresi
der Erwachsenen gestiftet hat, tritt jetzt in die ernstere Schü^
des Lebens ein. Sorgen und Pflichten, Kummcr und Leid iveb'
scn auch das „KerkcheiQ, inimer aber weiß es, selbst ds"
schlimmsten Dingen, die beste Seite abzugewinnen. Es ^
„nicht unterzukriegen" und findet in seinem duklen DraiV

Es ist eine bimte Gesellschast, der wir da begegrrehs
und das Gros derselben bilden vorwiegend Kellner,
seure, Bäcker und Handlungsgehilfen, sowie GouvernaN'
ten nnd Dienstmädchen, die bei ihrer Landung mit ein<n
Ollendorf und einem Plane von London bewaffnet zibck,.
lich ratlos den Boden der Weltstadt betreten. Als eü,
Warnung für die Vertreterinnen des „Ewig-Weibliche^^
kann die Schildernng der Agenten zweifelhafter Logü^
hänser gelten, die sich es zur Aufgabe machen, die jung^
Mädchen unter allerhand Vorspiegelnngen in ihre
zu ziehen. Zu bedauern ist dabei nur, daß der Verfasib
es unterlassen hat, auf die deutschen Jnstitutionen yi.
ziwieisen, die in London bestehen, wie das vorzügu^
„Heim der deutschen Gouvernanten" und die verschiedeNv
Heime für Dienstmädchen, wo Nenankömmlinge die deN ^
bar beste Unterkunft finden. Ebenso wünschenswert nüN^
es auch gewesen, wenn den ernsteren Seiten des deutsch^
Lebens größere Beachtung geschenkt wobden wäre n
wir vermissen da namentlich den Hinweis anf die zN"
reichen deutschen Kirchengemeinden, die deutschen Schkü
nnd die Wohltbätigkeitsanstalten. Auch ist es sehr n „
fallend, daß unter den Vereinen der bedeutendste , :j
selben, das deutsche Athenäum, der Verein für
und Wisscnschaft, ganz unerwä'hnt geblieben ist. ^ .^,i
Sehr anziehend ist dagegen das Le'ben und Trest
in den kleineren deutschen, meist der Geselligkeit g^c>ll
meten Klübs geschildert, und dieser Teil bildet eü K
lesenswerten Beitrag zur Geschichte des dentschen Lev
in der Themsestadt.
 
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