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Heidelberger Zeitung (45) — 1903 (Januar bis Juni)

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https://doi.org/10.11588/diglit.11498#0149
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'---i




Khromk.

^an. i.

l,Vom 1. bis zum 1i. Januar.)
Irr „Reichsanzeiger" hai noch am 31.

1.

l.

Dezemberwas

Zollrarifgeietz veröffentlicht.

Ler russische Minister des AeutzerR. Graf Lams-
dorff, reisr von Wien nach Petersburg zuriick.

Der ö sr e r r eichi s ch e und der u n gari s ch e
Minisierpräsidenr haben sich noch kurz voc JahreS-
jchlutz übcr üen Ausgleich vcrjrändigl.

2. Der Präfideul von Bcnezuela, C a st r o, stimml im
Grundsatz der Aurufung deS Haager Schiedsgerich-
res zu.

3. In Wien triil eine d e u l s ch - c z e ch i s ch e V e r--
sr ä n d i g u n g s k o n f e r e n Z ohne Aussichten aus
Ersolg zusammcn.

4. Der engere AusfchUtz der nationalli -
beralen ParterBadens triit in Karlsruhe
zusammen und beglückmünschr die narionalliüerale
Reichsragsfraktivn zu ihrem Erfolge.

ö. Der frühere spanifche Premierminister S a g a st a
stirbt.

7. England hai bei der Türtei nachträglich E i n-
spru ch gegen die Durchfahir von vier unbesrückren
russischen Kri e g s schifsen durch die Dar-
danellen erhobcn. Dre englische Presse wütet darüber,
datz Deutschland sich dem Protest nicht angeschlossen
hat.

Der Kaiser rriffr in Hannovcr ein.

Jn der Angelegenheit der K r o n p r i n z e s s i n von
-sachsen bringl das offiziöse „Tresüener Iourn."
eine lange Auslasfung, Ivelche die Versuche,
ihr eiue poliiische und konfessionelle Spitze zu geben,
zurücklveist.

Auf den Oberkammerherrn des KönigS oon Spanieii,
der sich im Wägen hinter dem des Königs befand,
grebt ein Geistesgestörter einen Revolverschutz ohne
zu treffen ab.

Das cz-echische E x e k u t i v k o m i l e e bezeich-
net die vom' Mrnisterpräsideiiten vorgelegten Sprach-
entwürfe als ungeeignet zu einer Grundlage der Ver-
srändigung.

13. Der Reichstag tritt wieder zusammen.

13. Das preutz. A b g e o r ü n e t e n h a u s wird mit
einer dom Grafen Bülow verlesenen Thronrede er-
öffnel. ^

Der Rückiriir des deurschcn Botschaftecs in Washing-
ton, v. Holleben, wird von der englischen Presse be-
nutzr, um gegen Derrtschlmid zu hetzcn und die deutsche
Polilik als unredlich zu schmäheu.

Der Kronprinz reist zum Besuch des Zaren-
paares nach Peiersburg.

An Ttclle Said Paschas wird Ferid P a s ch a, ein
gebildeter Albanese, zum Grotzvezier ernaimt,
Der Kronprinz trifft in Petersburg ein.
Die russischeri Blätter bewillkommneii ihn sehr liebens-
würbig.

Das österreichische Wgeordnetenhaus hat sich deri
Scherz eincr 50-stüudigen Sitzung zur Erledigung
czechtsch-radikaler DringlichkeitsankrAge gelesftrf,

Die Kronprinzessin von Sachsen ist llkft
ihrem Giron von Genf nach.Menroiie weitergereift.

8.

0.

10.

12

14.

14.

14.

10.

17

17.

Aeutschlands AlNveksöeziehrmgerr.

ielbstvm-srändtick^"^ p^iüscheri Intrresses steht
drr cz , ^ 'ffegeirlvärNg die Frage der NeriregoliiM
zuin S» " - etsbeziehungeu

usland e.

' hung
Nachdem

DeulschlandS
der neue Zolltarif zu-

stande gekvminen ist, ivird alles darauf ankommen, wel-
chen Gebrauch die gfegierung von der ihr dmnit gegebenen
Wasfe macht nnd wie fie die Position, welche Deutschlanü
als bester Konsument des Weltmarktes hat, bei den be-
vorstehenden Verhandlungeii anslilitzt. Gekündigt ist rioch
kein Handelsvertrag, Verhandlmigen mit anderen Skaa-
ten sind auch noch nicht eingeleitet. Soviel aber ist
sicher, daß T-eutschlnnd Wert auf die Erhrrltung guter
Haudelsbeziehungen zmn Auslaude legt mid vou diesem
Standpunkt aus künftig vorgehen wird. - Nndererseits
weiß die dentsche Regierung sehr wohl, daß das Aus -
land noch größeres Interesse anHa n-
d e I s v e r t r ä g e n m i t D e n t s ch l a n d h a t, sie
kann also in Ruhe die eimiial eiugeleitete Enüvickluug
der Dinge abwarten. Alleni Anscheine .nach wird inan
zunüchst daran geheu, einige Verträge zn ernenern, in
denen sich Aendermigen des dentschen antonomen Tarifs
vorsindvn sollen. Die Eriieiierung der Meistbegünsti-
gmigsverlräge dürfte eil't später herankoiiimeii, was auch
ganz vernünftig ist, da mmi erst überseheri muß, welche
K-onzessioiien Deutschland machen imißte, mii daran abzn-
messen, was für die Rteistbegünstigmigsklausel zu fordern
ist. Vornehinlich auch das Perhältnis gegenüber den
Vereinigteir Staaten von Nordanienka erforderst eine
Nenregeliing. Ein absolutes VteistbegünstigmigsvLrhält-
nis bestcht zwischen Nordamerika und Deutschland nicht
mehr, nachdem erftereb den Vertrag von 1828, dm es
mit Prenßen abgeschtossen hatte und der später auf
Deutschlaiid aiisgedehvt ivnrde, in anderm Sinne als in
dem der absolnten Meistbegüiistigimg selbst ausgelegt
hat. Selbswersländlich wird Teiitschland diest'ii von
NPrdamerlta eingenommenen Standpimkt bei den künß-
tigien Verhandlungen selbst zum Aiisgang nehnien. Es
könnte gar nicht anders vorgehen, wenn es nicht direkt
seine Znteressen schädigen wollte. Es ist taum aiizu-
nehnien, daß zwischen den größeren europüischen Staa-
ten Kündigungen der Tamfvorträge vorkommen werden,
ehe iiicht über die Erneuerimg der letzteren Einverständ-
nis erzielt ist. Diese hierbeizusühren, ist nnn das na-chste
Ziel der Regienmg. Jhr die Errichtimg desselben zu
erleickstern, wird ?lnsgabe sämtlicher Patnoten sein. Lei-
der ist jetzt schon zn beinerten, daß ein geivisser Teil
der deutsthen Presse seine Haltung stark wied ändern
müssen, wenn rlstn das Zeugnis gegeben werden soll, daß
auch er an der Erlangimg des gesteckten Zieles init-
arbeitete. Diese Organe sind in einem großen Jrrtum
befangen, Ivenn sie amiehineii, daß Deutschland ein größe-
res Interesse an der Erhattimg guter HandelSbeziehun-
gen ziim Anslande halie, als dieses selbst. Das gerade
Gegenteil ist richtig. Die Zahlen des Aus- nnd Ein-
suhrhandels reden hier eine gar nicht mißznverstehende
Sprack-e. Vor allem aber wird es imtttrlich Lar.ruf stn-
tonimen daß die interessiertm Kkkise selbst die zustan-
digeii NlPch.Pngsstelleu über die >n Betracht koimi'/udeil
.^ckndslsverhältnisse eingehend imterrichten. Die deut-
s-ckien Unterhändler inüssen dieSmal genau infoniiiert se'm,
um zu wissen, melck-e Interessen bei jeder vom Ansland
erhobenen Forderung aus dem Spiele stehen. Darüber
werden ja auch Rückfragen veranstaltet werden könne>ii.
Jedenfalls kann die Regierung allein zu guten Handels-
verträgen nicht-gelangen. Sie. inuß Unterstützung und
ainformation'von allen Stellen finden, d-ie sür den .Han-
del mit dem Anslande in Betracht koinmen. Daß Li-estz .

ihr anch von der Presse gewährt wr'rdeii, liegt im eigensten
vaterländischen Znteresse.

Per Kampf um Krupp im Meichstag.

Der Kumpf zwischen dem Reichstagspräsideiiten Grafen
B a l l e st r e m iind dern Abg. v. Vollmar um die Erwäh-
rmng der Kruppschen Augelegeuheit spielte sich uach 'dem aus-
führlichen Berichte wie folgt ab:

Abg. v. Bollmar: Erreicht ivordeu ist durch dic Kuuö-
gebung des KckserS gegeu das bayerische Zeutrum etlvas ganz
anderes, als bcabsichtigt ivar, ganz ähnlich, wie es mit den
Reden ivar, die gehalten worden sind im Auschluh an den
Fall K r n p p.

Präsident 'Gras B a l l e st r e m: Der Wirkliche Geheime-
rat Krupp war ein Privatmauu uud nichts weiter. Die Ver-
düchtiguugeu uud Veruuglimpfuuge», welche ihm vor seinem
Ende zuteil wurden, liegen auch gauz aus privatem Gebiete.
Die Trauerkuudgebuiigeu uud Stimpathiebezeuguiigeu nach sei-
nem Tode, vou wem sie auch ausgegangeu siud, betreffeu auch
imr private Gesühle (Widerspruch), uud ich werde uichr drildeu,
datz der Fall Kriipp hier im Reichstage bei Gelegenheit des
BudgetS verhandelt iverde. Jch bitte Sie, sich dauach zu rich-
teu. (Lebhafier Widerspruch uud grohe Uiiruhe bei den So-
zialdemortäten.)

Älbg. v. B o l l ni a r: Jch habc nicht die Absicht, den Fall
Krnpp auch nur im eurferuteste» mit ciuem Worte zu bespre-
cheu, ich will uur ztvei Redeu crörtcru, die iu aurheiitischer
Form im „Reichsauzeiger" vcrösfentlicht siird.

Präsideiit Graf Ballestrem: Jch bleibe bei meiuer
Eurscheiduug. Diese Redeu siud privater Natnr, auch wenn
sie im „Reichsairzeiger" gestanden haben. sEntrüsteter Wi-
derspruch, Lärnr uud lebhafte Zurufe bei den Sozialdenw-
krateu.)

Abg. v. Bollmar: Herr Präsidenr, wcim Sie mich
zwingcn, so bin ich selbstverständlich autzer Stande, zu tnn, was
ich für meiii Recht halte, ich stelle äber fest, daß jetzt sogar der
Grundsatz uicht mehr iuuegehalteu wird, deu der Her'r Prä-
sideut selbst für die Besprechung kaisebticher Reden aufgestellt
hat, imd datz wir im deurscheii Reichstage nicht metzr soviel
Redcfreiheit habcn wie in irgend einer Volksversammlrmg.
(Lebhafter Beifall bci den SozialdeNrokrateu.)

Prisiiöeiii Graf Ballestrem: Der Grundsatz gilt nur
für käiserliche Reden, toelche üffeiitliche Angelcgenheiten be-
treffeu. («türmische Zurufe üci den Sozialdemokrateu: Die
Redeu siud po'litische Akte gegeu uusere Parteil) Bei der
Slvckiemünder Depesche habe ich Sie ja auch uicht mrterbrochen.
(Lachen bei deu Sozialdemokraten. Zuruf: Da handelte cs
'ich ums Zemrnml) ES bleibt dabei, datz der Fall Krupp hier
uach keiuer Richtuug hin erivähut wird. (Fortdaueruder Lärm
bei den Sozialdemokraten.)

Abg. v. Vollmar: Jch iviederhole, datz ich des Falls
Krupp mit keiuem Worte zu gedenkeu beabsichtige. Es handelt
sich aber hier insoferii um eiue öffeutliche Augelegenheit, als
meiue Partei in dieseu Redeu beschimpft Ivorden ist. (Leb-
haste Zustimmung bei den Sozialdemokraten.) Die Reden
haben ans zwei Teilen bestanden; der einc Teil beträf den Fall
Krnpp, dcr andere war ein Prommziamento gegen die Sozial-
demosratie nud daraus muh eS mir gestattet'seiu, hle'r einzu-
gi'hci!.

Präsideut Tras Ballestrem: Jch bleibe bei meiuer
Eutscheiduug! Lärm bei deu Sozialdemorkaten. Znrns: DaS
heiht die Rechte des Präsidenten mitzbrauchenl) Das heißt
die Rechte Ivahruehmeu, die der Reichstag seiuem Präsidenten
übertrageu hat. (Widerspruch bei deu Sozialdemokraten. Zu-
rnf: Der Reichstag überträgt dem Präsidenten Rechte, um die
Redefreiheit zu schützen!) Wie der Präsident seine Rechte
Ivahriiimmr, ist seine Sache. (Stürmische Rufe: Reiii! An-
dguernder Lärm.) Jch bitte jetzt uicht mehr merne Anord-
nuiMn zu kritisieren.

Abg. v. Vollmar: Dem Herru Präsidenten ist wahr-

Um Geld.

^ Roman von F. Ilex.

(Fortsetzung.)

Altz s» der nächsten Tauzpau^ beiden Frermde sich,
derabredet, wieder tzläscN, sagte Sodhcn lächelnd: „Sieh
mür den Schwtrenöther I Jch lsiitte dich nicht im Traume
lur einen solchcn Hcrzens'kündiger gehalten l Die Kleine ift ja
Ichon ganz weg uud wollre von nichts andernr als von dir
nnterhalten sein. Ja, sie rühmte Deine Treue, dein Einstehen
lur die Freunde, was mich auf den Gedanken bringt, dah der
'leine Racker i'cher mich in dciner Gegenwart losgczogen hat,
was dir narürlich die günstrge Gelegenheit geboten hat, mit
pem Brusiroue der Ueberzeugung von meinen Tugcnden zu
Iprechen nnd das unschuldig versolgte Lamm in Schutz zu neh-
Menl Na, ich habe mich auch nicht schlecht revanchiert und dir
mii Loblied gesrmgen, wofür du dich mindestens mit rmem
Pelz von Nerz erkeimtlich zeigen mutztl"
ri , rrun zu ihr, o führet mich zu ihr," iutonierte där
Uebermüiige leise, indem er Steinbergk unterm Arm fatzte und
einer Dame -von mehr als junonischen Formen zuführte, die, rn
ernen Lehnstnhl zurückgelehnt, in eisriger Unterhaltung mit
einenr langmähnigen, etwas überspannt aussehenden Jüngling
^egrrfsen war. Die Dame, deren starke, sleischige Züge eher
schs heiteren -Lebensgenutz, als auf irgend cine Schwärmerei
N Philosophie, geschweige denn fur die pessimistisch« Auf-
Ichsung der Neuesten, hindeutete, bemcrktc sofort dre sich nähern-
Uniformeu uud grüßte Sodhen schon von weitem durch
gezrertes Winken mit dem Fächer. „Ah, Herr v. Sodhen, wen
rmgen Sie da?" fragte sie, nachdem sie den mit schlürfendcn
ä-chritten heraneilenden Sodhen zu einem Mit affektrerter
yingwung abgestatteten Handkntz zugelassen hatte. —-
. .. Freihcrr v. Steinbergk bittet um die Gnade, sich
p asentreren zu dürfen," säuselte der Schalk mit sölcher Unter-

würfigkeit in Sümme und Haltung. dah sich. PM kaunr eines
Lächelns erwehren koimte, währeno hkr dritte Herr, der bis
jetzt die Kosten der UnchiZ-aiiUug geträgen, die Gelegcuheit be-
mihte, sich vrä oer durch die UniforMen gleichsam faSzrnierien
DaE tzeräuschloS in das Nebrttzinimer zu retten. —

„Ah, Barou Sreiu — Steinbergk, sehr angenehm," hauchte
Tante Mathlldc» „Steiäbergk — Steinbergk, der Narne konrmt
mir so bekamit vor. Tind Sie Ver!v«mdt mit —doch, als
hätte sie sich auf estier Torheit ertappt, schlug sie sich fast hör-
bar mit i>er sleischigen, bon kostbaren Ringen frmkelndcn Hand
auf die üppig gewölbten, Vvn einem leichten Flaum beschat-
trten Lrpen Und sagte, wie für sich: „Das ist ja gar nicht mög-
lichl" — UM sich dann, ohne eme Autwort abzwvarten, sofort
Mit Sodhen in ein Gespräch über Nietzsche und den „Ueber-
mensckieu" einzulassen, auf das der Uuverbesserliche uuter be-
zeichnendem Augenblinzeln nach Paul, mit der ernsthaftesten
Meue von der Wclt einging. Letzterer kam sich als Drittcr
z'iemlich überflüssig vor, da die beiden Philosophen sich immer
eisriger in den Gcgeiistand des Gesprächs verticften und er
keine Möglichkeit fand — ganz abgesehen von dem angeregteri
Thema selbst —, sich an der lebhaften, keine Lücke lassenden
Unterhaltung in schicklichcr Weise zu beteiligen.

'Schon dacht« Paul gleich dem eben verschwundeuen lang-
haarigen Vorgäuger an eiuen möglichst geräuschloseu Rückzug.
als durch eine allzu energische Handbewegung der Fächer Frau
Mathildens Häuden entschlüpfte und ummttelbar zu seinen
Fützen nieberfiel. Mit dem Aufhebeu und Ueberreicheu des
Flüchtlings war jetzt auch dem bisher Unbeteiligten Gelegenheit
gegeben, einige verbinhliche Worte anziwringen, die unterstützt
von seiner vorteilhaften Erscheinung — auch ohne pessimistische
Anspielungen —-, den jungen Offizier Gnade vor den Augen der
zwar oberslächlichcn, aber im Grunde äutzerst gutmütigeu
„philosophischen" Taute fmden ließen. Auch hier gab die
wioder neu einsetzende Musik für Paul das Zeichen zum er-
sehnten Rückzuge, während Sodhen es sich nicht nehmen lietz,
mit affektiert graziöscn Schritten den Fettkowh stolz, als hätte

er eine regiereude Fürstin am Arm, zur Quadrille a la eour
zn sührest.

Währeud des Soupers, ivelches iu verschiedeueu Räumen
aufgetrageu wurde, hatte Sodheu seineu Platz Gisela und
Steinbergk gegeuüücr uud als Tischdame eine Justitutsfreundiii
der Erstereu, eiu Fräuleiu v. Plotzky, Tochter eines peusionier-
teu höheren Offiziers, die sich m dem Glanze des reichen
Hauses somcke, Ivährend andererseiis Gisela sich gcrue auf die
adlige Duzfreimdin etwas zugute tat. Paul befand stch in ent-
schieden gehobcner Stimmuug. Die Fülle an Licht uud Glauz,
die reichen Toiletteu, die vorzüglichen Speisen, die lange Rei-
heufolge ausgesuchter Weine und gewitz nicht zuletzt das Ge-
siihl, bei Gisela entschieden Eindruck gemacht zu habcu, während
er, ohue die Augeu zu verschlietzen, doch eine Menge annehm-
Larer Eigenschaften an ihr zu entdecken glaubte, trugen mcht
weuig dazu bei, ihu sich uach jeder Richtuug von seiuer besten
Secke zeigen zu lassen.

Die Tasel neigte sich ihrem Eude zu. Sodheu, der seiner
Gewohnheit gemätz dem Weiue tüchtig zugesprocheu, hatte dem
Freuude ioiederholt bedeutungsvoll zugetrimkeu, ihn mit deu
Äugeu zu immer kühuerem Drauslosgehen anfeuernd.

Der Gesprächsstosf war Paul uud feiuer Nachbarin nicht
ausgegaugeu; mau war vom Hundertsteu ius Tauseudste ge-
kommen, und Gisela erzählte gerade vou Mouaco, wo sie im
letzten Herbste iil Begleituug eiuer Tante geweseu und wo sie
der Versuchung, ihr Glück ani grünen Tisch zu probieren, nicht
habe widersteheu könneii; allerdings mit dem üblichen nega-
rivcn Ersolg. „Lieben Sie das Spiel, Herr von Steinbergk?"
waudte sie sich plötzlich au ihreu Nachbar, „ich kanu mir uichts
Aufregenderes denken," fuhr sie fort, „als deu Lauf der Kugel
zu verfolgen, schlietzlich daS Einschuappen zu hören und danu
immer noch Sckuiiden laug ickcht zu wissen, ob man gewonnen
oder verloren hat!" — Paul fühlte, wie ihm das Blut ins
Gesicht stieg. Er faßte sich jedoch angesichts der völligen Harm-
losigkeit der Frage sehr bald und ciitgcguete iu erwas ernsterem
Tone: „Fch habe wohl srühcr auch mauchmal das Glück ver-
 
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