Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Heidelberger Zeitung (45) — 1903 (Januar bis Juni)

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.11498#0690
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
gDgcn twu K 2 zu smmueu. Mau solle also orst dio Aut-
worr Bassormanns abwarton und üami beschlietzcn. Die
nntunter stürmisch bewegte DiSkussion zog sich bis gegen
12 Uhr hin. Zum Schluß wurde einstimmig eine Re-
solution angenommen, in welcher sich der Verein ener-
gisch gegen die Aufhebung des Z 2 des Jesuitengesetzes aus-
spricht. Die vorgeschlagenen Vorstandsmitglieder wurdeu
einstimmig gewählt.

U(t. P orzheiun 3. April. Herr Wittum hat dis
nationalliberale R e i ch S t a g s k a n d i d a t u r endgil-
tig angenommen. Das Zentrum bietet im 9. Wahlkreise
eiu Bild größter Verworrenheit. Ob es überhaupt zu
einer Kandidatur kommen wirch ist zweiselhast geworden,
nachdem iu deu eigenen Reihen die Ilnzufriedeuheit über
die Leitung im Wachsen begriffen ift. Die F-reisinnigen
haben endgilt'ig auf eine Kandidatur verzichtet. Bei einer
Stichwahl dürste dcr Freisinn sich für Wittum erklären.
Die Demokraten wollen Herrn Dr. Richter-Pforzheim alS
Kandidaten proklamieren. Ter „Bund der Landwirte"
hat Herrn Gutsbesitzer Hermann-Buckenburg bei Pforz-
hcim als Kandidat aufgestellt. Kommt das Zentrum auch
noch nachgehinkt, so stehen sich im Pforzheimer Wahlkreis
„nur" 6 Kandidaten gegenüber.

— Jn einer der nächsten Nummern des Gesetzes- unü
Verordnungsblattes wird eine mit dem Tage der Verkün-
dung in Kraft tretende Verordnung des Großh. Mini-
steriums der Justiz, betr. die G e sch ä f t s o r d u u n g
r >', r die Gemeiudevers a m m lungen uud
Bürgerausschü s s e, erfcheinen, durch welche die
Verordnnngeu vom 16. Nooember 1832, die öffentlicheu
Vorladungen zu Gemeindoversanimlungen betr., vom 29.
Dezember 1870, die Geschaftsordnung für die Gemeinde-
versammlungen und Bürgerausschüsse betr. und vom 18.
Juli 1890, die Einladungen zn den Versammlungen
des Bürgerausschusses ° und zu Gemeindeversammlungen
Letr., aufgehoben werden. Jn Z 2 der Verordnung haben
die ssither in gesonderten Verordnungen getryffenen
Bestimmungen üüer die Einladungen zu den G e-
m e i n d e v e r s a m m l u ngen und B ü r gera u s-
s ch ii s s e n mit wesentlichen Abänderungen und Er-
gänzungeu Aufnahme gefunden, so daß es sich im Hinblick
auf die Wichtigkeit der Beobachtuug der Formalitäteu
für den Rechtsbestand der Gemeindebeschlüsse empfehlen
dürfte, daß die Gemeinderäte sich eingehend über die Ab-
weichungen des jetzigen Verfahrens von dem seitherigen
belehren mächten. Das Gleiche gilt für die Bestimmungen
in Z 18 und 19 der Verordnung über die bei der A b -
stimmung in den Gemeindeversammlungen und
Bürgerausschüssen zu beachtenden Förmlichkeiten, deren
'Vereinfa-chung unter tunlichster Anpassung an die für dis
Städte der Städteordnung durch die Verordnung vom 23.
Dezember 1874 getroffenen Bestimmungen erfolgt ist.
Es soll dadurch insbesondere ermöglicht werden, daß bec
Abstimmungen über weniger bedeutends Gegenstände der
Gemeindeverwaltung ein vereinfachtes Verfahren beo-
bachtet werden kann, während in wichtigen Sachen die
namentliche Abstimmung gefordert wird. Zur Vermei-
dung von seither bestehendm Aweifeln ist die geheime Ab-
stimmung mittelst Stimmzetteln ausdrücklich für unstatt-
haft erklärt worden.

-s- A u s Bade n , 2. April. Wie auch die „Heidest
berger Zeitnng" meldet, wnrden bei der letzten Samstag
abgehaltenen Konferenz der Herren Kreisschulräte bezgl.
des Paragraphen 49 der „neuen Schulordnung", der
mit Recht die Teilnahme der Lehrer und Schüler bei Be-
srdigungen während der Schulzeit verbietet, keinerlei Ve-
'schlüsse gefaßt. Der Großh. Oberschulbehörde soll diese
Konferenz lediglich dazu gedient haben, nach Anhörung
der Herren Räte sich zu orieutieren über die Stimmung
im Lande. Die Lehrer geben stch der festen Hoffnung hin,
daß die Verordnung nicht geäudert werde. Darf ein an-
derer Beamter während seiner Dienstzeit Nebenverdien-
sten nachgehen? Niemals! So lange wir unsere Halbtags-
schule haben, bei der die Zeit, namentlich in Gegenden
mit minder begabtem Schülermaterial, so nirgends
a u s r e i ch e n - w i l l, werden' mit dererlei Feiern viele.
Stunden unnütz geopfert. Jm Winter ist es rein un-
möglich, die auf diese Weise versäumten Stunden einzu-

men hatte, aber im Jnnern hatten wesentliche Veränderungen
stattgefunden.

Die Schenkzimmer waren freilich immer noch niedrig und
dumpf, aber goldschimmernde Tapeten, hohe Spiegel in breiten
Goldrahmen, Büsten und Statuetten bekleideten jetzt die ehe-
mals rauchgeschwärzten unsaubren Wände.

Das Mobiliar bestand aus kleinen Tischen mit weitzem
Marmorplatten und eleganten Stühlen, an den Wänden ent-
lang zogen sich gepolsterte, mit rotem Samt überzogene Di-
vans, ein reich geschnitztes und mit allen Delikatessen der
Jahreszeit beladenes Buffet stand dicht am Eingange und zahl-
reiche Gasflammen erhellten die glänzenden Räume.

Es wareu nur zwei Gäste anwesend, der alte Herc Schrei-
ber, der in das Studium der neuesten Zeitungen vertieft
schien, und der Musiker Grimm, der heute, ai: eiiu-m Sonn-
abende keinen Dienst haite und mit der Kellnerin plauderte.

Gerhard Steintal stand mit selbstzufricdener Miene hin-
ter dem Buffet; er zog die Stirne in Falten, als er die Ge-
schwister eintreten sah.

„Was willst du hier, Marianne?" fragte er unfreundlich,
indem er ihr über das Buffet hinweg die Hcmd reichte. „Machst
ein Gesicht, wie die Katze, wenn sie in das Gewitter schaut. Hs,
.Karoline, ein Glas Bier für den jungen Herrn!"

Marianne warf einen verächtlichen Blick auf die Kellnerin,
die langsam näher kam und ihr mit trotziger Miene ins Ge-
sicht schaute; dann wandte sie ihr den Rücken.

„Du kommst nicht mehr zu uns, Gerhard," antwortete sie
mit gepretzter Stimme, „da muß ich wohl zu dir kommen. Es
kann nicht länger so bleiben, es mutz klar werden zwischen
uns."

„Mache mir jetzt den Kopf nicht warm," unterbrach er sie
rauh, „i^häbe weitz Gott an andere Dinge zu denken. Jch
kann nichsi jeden Tag zu dir kommen. Das Geschäft leidet es
nicht. Darauf mutzt du Rücksicht nehmen. Jst es nicht präch-
tig hier? Wie, Konrad? Kennen Sie ein schöneres Bierlokal
in der Stagt? Sapperment, wenn sich das erst herum gespro-
rhen hat, werde ich genug Stühle haben.

hok'N: im Somitter singe dies eh-er; aber dre Leuie se n >
ü e n die K inder n i ch t inehr. Gecade in der Ge-
nieinde „Freiamt", wo der Kampf am stärksleii scheint, in-
dem dem dortigen Lehrer die Fenster eiiigemorfen wurden,
weil er nicht singcn wollte, müssen jedesmal viele Stunden
geopfert werden. Der Lehrer soll hier noch in die stim-
denweit entfernten Höfe — !vie überall ini Schwarzwald
— und die Bücher abholen. Da muß er oft mit der La-
terne früh von zu Hanse weg und unterwegs sehr oft
singen. Man dcnke im Winter im Schnee des Schwarz-
waldes! Nur kerngesunde d:aturen köniien dies eine Zeit-
lang aushaltcn. Lehrer und- 5rinder, die ost ni-chl einmal
genügend gekleidet sind, sind hier stets in Gefahr, den
G'rund zu einem langivierigen Leiden zu legen. Der
Geistllche empfängt die Leiche erst am Kirchhofstore.
Nimmt man dazu, daß die „Freiamter" — wie Lehrer,
die schon oben amtierten, versich-ern — nur dann mit dem
Lehrer zufrieden sind, wemi er es mit drn ungerechtsertig-
ten Versäumnissen nicht genau nimmt, so wäre sehr zu
'wünschen, daß den Lehrern ausgiebiger Schutz von seiten
der Behörde zn teil würde. In Gemeinden, wo die Her-
ren Geistlichen mit Ruhe die neue Verordnung annahmen,
vollzog sich auch alles rulsig; wo die Geistlichen ni-cht mit
dieser einverstanden sinch scheint es auch die Gemeinde
nicht. Nach einem zu schließen, hängen die Leute nicht
so tief an diesem Leichengesang; sonst würden nicht immer
so viele Kinder bei diesem Gesang fehlen. Wir kennen
Fälle, wo des öfteren von 40 und mehr S-chülern nur
etwa 10. sogar nnr 8 zum Gesang erschienett. Bei den
attdern hieß es: ich d-urfte nicht resp. hatte keine Zeit. Ge-
wiß ein- Beweis, daß diese Sitte bei dem Volke nicht sehr
ernst genommen wird.

Preußen.

— Der Trierer S ch u l st r e i t hat seine äußer-
liche Erledigung d-adur-ch gesmiden, daß ein geistli-clstw
Lehrer als Weschichts- imd -Literatwrlehrer an das
Lehrerinnen-Seminar berufen ist und daß Bischof Ko -
rum die zuständige Pfarrgeistlichkeit mit dem
R e l i g i o n s u ii t e r r ich t für die katholischen
Schüleriimen beauftragt hat.

Aus Stadt und Land.

Trinkbecherautomaten. Die Grotzh. Eisenbahnverwaltung
gedenkt Trinkbecherautomaten auf den mit Trinkwasserbrun-
nen versehenen Grotzh. Eisenbahnstationen aufstellen zu -las-
scn. Die Automaten geben gegen Einwurf von 10 Pfennig
einen Trinkbecher von Nickelblech und gegen Einwurf von
20 Pfg. einen solchen aus Aluminium ab. Die Grotzh. Eisen-
bahnverwaltung nimmt an, daß diese Trinkbecher vom reisen-
den Publikum, das zum Teil die öffentlichen Brunnenbecher
auS verschiedenen Gründen nicht gerne benützt, ohne Zweifel
gern gekauft werden würden, wenn sich Gelegenheit hierzu
böte. Sie glaubt daher, die Einführung dieser Automaten als
Bedürfnis für das reisende Publikum ansehen zu dürfen.

Wiesloch, 4. April. (E l e k t r i s ch e s Li uyt.) Nbermals
eine Neuerung will das Elektrizitätswerk der „Wiesl. Ztg."
zufolge einführen, um seine Konsumentenzahl zu vergrötzcrn
und zwar handelt es sich diesmal darum, den minder Bemittel-
tend die Beschafung des elektrischen Stromes zu erleichtern.
Dies sucht das Werk dadurch zu ermöglichen, datz Anschlutz-
kosten die jetzt noch Manchen zurückschrecken, künftighin nicht
auf einmal, sondern berteilt auf einen Zeitraum bon 5 Jahren
in Vierteljährlichen Raten zu 75 Pfg. erhoben werden, autzer-
dem sollen diese Neucmschlüsse einerlei ob die Lampen im
Ställ, in der Scheune oder im Zimmer installiert werden,
ohne Preisverschiedenheit berechnet werden, d. h. ohne Er-
höhung des Preises für eine Stall- oder Scheuer-Jnstallation.
Der neue Konsument hätte sich also nur direkt die Beleuch-
tungskörper zu kaufen, die im Gegensatz zu früher jetzt kom-
plett betriebsfertig geliefert werden, so datz jegliche Nachrech-
nungen vermieden werden.

Mannheim, 4. April. (Die grotzherzogliche Fa-
milie beim Mannheimer Mnsikfest.) Sowohl
das großherzogliche wie das erbgroßherzogliche Paar werden
dem bevorstehenden Musikfeste die Auszeichnung ihres Be-
suches erweisen und dem am Ostermontag, nachmittags 5 Uhr,
im großen Festsaale stattfindenden Chorkonzert anwohnen.

!! Ettlingen, 3. April. (Z u m B ü r g e r m e i st e r -
Kandidaten) wurde in einer Versammlung von Mitglie-
dern des, Bürgerausschusses der ultr. Redakteur Häfner aufge-
stellt, unter der Bedingung, datz Häfner der aktiven, partei-
politischen Tätigkeit vollständig eutsagt, die Leitung seines Ge-
schäftes und der Redaktion des „Bad. Ldsm." in andere Hände
übergibt, nnd für den Fall, datz ihm für die nächste Landtags-
wahl eine Kandidatur angetragen werden sollte, dieselbe ab-
lehnt. Häfner versprach das.

Psorzheim, 2. April. (V e r m ä ch t n i s.) Tcr verstorbcnü
Fabrikant Gustav Rau hat der Stadt Pforzheim, wie glaubhast
verlautet, seine schöne Villa am Weiherberg mit großem an-
stotzenden Garten, sowie 50 000 Mark Kapital mit der Be-
stimmung hinterlassen, daß die Villa zu einem Erholungs-
hcim für schwächliche Kinder und gcnesende In -
d u st r i e - Arbeiter, in crster Reihe Arbeiter der Rau-
schen Fabrik, benutzt werden soll. Nau hat damit gezeigt, daß
er seines Ursprungs als Arbeiter nicht vergessen hat.

L Baden-Bnden, 3. April. (Hospitz Friedrichs-
b a dü Der badische Frauenverein hat im Anschluß an sei w
Sckiwefterstation vom Roten Kreuz im früheren Hotel Friev-
richsbad. Gernsbacherstratze, ein Hotcl übernommen, um
darin solchen Kurgüsten, für welche die unmittelbare Rühc der
Bäder nnd Kuranstalten notwendig odcr wünschenswcrt ist,
eme behagliche Wohnnng und gntc Verpflegnng zu bieten. Tie
Leitung des Hospitzes wird durch eine von der Abteilung II l
dcs Badischen Franenvercins bestclltc Persönlichkeit besorgt
werden. Die Eröffnung wird am 29. April stattfinden.

Konstanz, 4. April. (Di e Abschätzung des B r a n d-
platzes) an der Ecke der Hussenstraße und der Neugasse er-
gab, wie verlautet, an Gebäudeschaden die Snmme von
112 000 Mark.

Ans Baden. Jn Lösfingen (Amt Neustadt) wollte
eine Frau von Ilnadingen ihrcn Mann, der in der Gipsmühle
ist, besuchcn. Als die Frau an dem Wirtsgebäude bei der
alten Post vorübergehen wollte, wurde sie vom Haushund an-
gefallen, der sie gräßlich zurichtete. Die Bestie riß der Frau
einc Wange weg u. biß ihr 2 Zähne aus. Die Ledauernswerte
34jährige Frau wird wohl für Lcbenszeit entstellt bleiben.

Zur Irage der Schifföarmachung des Weckars.

Wic aus Stnttgart berichtet wird, erwartet man dort die
üadische Antwort, der eingehende iechnische und wirtschastlichs
Untersuchnngen vorangehen mnßten, nach einer an die Re-
gierung gelangtcn Mittcilung dcs badischen Bkinisters des Jn-
nern noch i m L a u f e des April d s. I s. Man
hofft, die Zustimmung Badens und namentlich die Zustim-
mung Mannheims solltc wesentlich erleichtert werden durch
weitere Zukunftspläne, die sich an die Neckarkanalifierung
knüpfen lasscn und, wie man nach den Ausführnngen des Mi-
nisters v. Pischeck annehmen muß, ernstlich geknüpft werden.
Gemeint ist die Verbindung zwischen Rhein und Donan,
statt durch den Main und den (auszubauenden) Ludwigska-
nal, mittels der Neckarkanalisation unter Zuhilfenahme des
Rems, der Kocher und der Brenz. Während bei der Main-'
Route der Verkehr vom Unterrhein zur Donau Mannheim
nmgehen wnrde, würde bei der Neckar-Routc die badische Han-
delsmctropole alle Vorteilc dieses großen Wasserweges gcnie-
ßen. Der Minister verhehkte sich nicht, datz dieses weit aus-
sehende Projekt Z u k u n f t s m n s i k ist, aber infolge der
Fortschritte der Kanalbaukunst, die bedeutende Höhenunter-
schiede zu überwinden vermag, ist das Projekt keineswegs nn--
möglich Nnd technische Studien haben ergeben, dah der Neckar
Donau-Kanal nicht blotz erheblich kürzer Iväre, sondern auch
sehr erheblich billiger käme als dcr Main-Donau-Ka-
nal. „Aber —- sagte der Minister — ich will dem Lande den
Mund nicht wässerig machen (Heitcrkeit) nach diescm grotzen
Kanal; ich hoffe, daß er kommen wird; ob ich es erlebcn werde,
ist allerdings zweifelhaft. Wohl aber hoffe ich es zu erleben,
daß wir den Schiffsweg mit 600-Tonnen-Schifsen wenigstens
bis Heilbronn befahren." Die Kosten der Neckarkanalisierung
bis Heilbromi werden auf 40 Millionen geschätzt, sie würden
von der Regierung nicht zu hoch erachtet werden gegenüber den
Vorteilen eines großen Schiffahrtsweges bis in das Herz des
Landes.

Wenn weiter in dem Bericht aus Stuttgart gesagt wird,
Stinimen von Kannlgcgnern hätten sich nicht vernchmen las-
sen, so ist das unrichtig. Heidelberg will sich seine land-;
schaftliche Schönhcit nicht dadürch rauben lassen, datz man dcN
Neckar dnrch Kanalisierung zn einer Art von stehendem Gewäs-
ser macht. Der Stadtrat und kürzlich noch der Gemeinnützigü
Verein hat sich entschieden dngegcn ausgesprochcn. Wir ver-
weisen auf die Petition des letzteren, in der Allcs zusammen-
getragen ist, was vom Standpunkt Heidelbergs gegen den Ka-
nalisicrungsplan gesagt werden mutz.

Jn Württemberg habcn die Kanalhofftiungen und Bestre-
bungcn eincn neuen Antrieb erhalten durch die von der würt-
tembergischen Eisenbahnverwaltung im rheinisch-westfälischen
Kohlengebiet erworbene Bcrgwerks-Gerechtsame und die Bohr-
versuche auf dersclben, für deren Anstcllung im Etat 200 OOst
Mark ausgesctzt sind. Jn der Kammcr wurde bereits die Hofs-
nung ansgesprochcn, datz im Fall des Gelingens anch die würt-
tsmbergische Jndustrie von diesem zukünftigen k. württember-
gischen Kohlenbergwerk ihren Kohlenbedarf werde bezieheN
können, was, wenn es auf dem Wasserwege niöglich wäre, fü^
das Land eine jährliche Ersparnis von 4 Millionen berech-
nen lasse. Der demokratische Abg. Kätz war von diesen Per- !
spektiven so entflammt, daß cr im Eifer gegen Badcn eine Faust
machte und meinte, wenn diese grotze Frage an einzelstaatlichcü
Eifersüchteleien scheitern sollte, dann müssen nicht blotz die
Eisenbahnen, sondern anch die Wasserläufe ganl
Deutschlands an das Neich übergehen. Das ist natür-
lich Phantasterei nnd es wird sich durch sie in Baden Niemand
davon abschrecken lassen, die eigenen Jnteressen zn vertreteN-
auch wenn sie deni Kanalprojekt nicht günstig sind.

§


„Es könnte auch anders kommen," sagte Marianne, wäh-
rend er lachend mit beiden Händen durch den krausen Vollbart
fuhr. „Das mnß furchtbar viel Geld gekostet haben."

„Umsonst habe ich es nicht," prahlte er, „und dabei ist die
ganze Geschichte schon bezahlt."

„So viel hast du geerbt?"

„Woher sollte ich es sonst haben?" fuhr er auf. „Was
sind das für dumme Fragen! Kann ein armer Teufel nicht
auch reiche Verwandten haben?"

„Jch habe von diesen Verwandten früher nichts gewnßt!"

„Muß ich dir denn alles auf die Rase binden?" sagte er
zornig. „Laß' mich mit den dummen Fragen in Rüh, sorge
lieber, daß ich Gäste bekomme. Du kommst ja in viele Häuser,
sag's überall, wie schön es hier ist, damit die Herren neugierig
werden.

Die Kellnerin war zu dem Musiker zurückgekehrt, die bei-
den plauderten leise miteinander, der alte tzerr nickte Kon-
rad zu, der eben zu ihm hinüberblickte.

„Kennen Sie den?" fragte Steinthal. „Er kommt mit-
unter her, er verzehrt wenig und spricht fast gar nichts."

„Ein alter Rentner," erwiderte Konrad, der anch jetzt die
Rolle noch nicht kannte, die Schreiber bei der Verhaftung Hugo
Röders gespielt hatte. „Er wollte mir einmal eine bessere
Stelle verschaffen, durch die Verhaftung meines Prinzipals ist
mchts daraus geworden."

,,-rue mir oen Gesallen, bat Marianne mit gepreßt,
Stnnme. „Cntlasse das Kellnermädchen."

Gerhard Steinthal lachte und griff nach dem vollen Bie
glase, das er auf einen Zug leerte.

„Jch kanns nicht entbehren," sagte er achselzuckend.

„Ein Kellner wird dir dieselben Dienste und bielleicht no
besser leisten."

„Und hinter meinem Rücken. mich bestehlen; ich kenne diese
Sorte aus meiner früheren Zeit. Nein, daraus kann nichts
werden."

„Sie sind nicht alle Spitzbuben," erwiderte Marianne, ihn

fest anblickend. „Du weißt das auch. Die paar Gäste kannsi
du selbst bedienen, nnd wenn wir verheiratet sind, will ich
gerne übernehmen; also, tue mir doch den Gefallen, und ent-
lasse das Mädchen."

„Du bist eifersüchtig," spottete er, „wie dnmm! Wenn ^
es nun auch sein wollte, und hinter jedem Herrn, dem du dsi
Wäsche bringst, einen Nebenbuhler witterte? Sei gescheit, Ma-
rianne, die Herren lassen sich lieber von einem jungen Mädche^
als von einem mürrischen Kellner bedienen."

„Jch weih besser, weshalb."

„Jetzt laß es genug sein!" rief er. „Zu befehlen HE
dn mir noch nicht, ich will meinen Willen behalten."

„Meine Schwester hat nur eine Bitte ausgesprochen," sagt»
Konrad unwillig, „Sie konnen sie sehr wohl erfüllen und werü
Sie das riicht wollen, sind Sie deshalb noch immer nicht
Grobheiten berechtigt. Mir scheint überhaupt, als ob det
Herzensbund fich gelockert habe, seitdem Sie zu Geld gekow-
men sind."

„Oho! Sie wollen mir Vorschriften machen?"

„Keineswegs, ich erinnere Sie nur an Jhre VersprechuN)
gen, die Sie jetzt nicht mehr einlösen zu wollcn scheinen.
meine denn doch, darüber müsse nun auch einmal ernstlich g^
redet werden, Sie könnens meiner Schwester nicht verargeü
datz sie wissen will, woran sie ist."

„Soll das heute abend noch geschehett?" spottete Steintho''
„Wollen Sie mir zumuten, datz unsere Familiengeschickt^
vor den Ohren meiner Gäste verhandelt werden sollen?
niuß denn klar zwischen uns werden? Ich sehe hier niE
Dunkles; was ich versprochen habe, das halte ich auch. aber i«
will nicht gedrängt werden."

„So sagst du immcr, wcnn ich Gewihheit berlange," -
widerte Marianne borwurfsvols,". „Du forderst ipimer ^
duld, aber der Geduldsfadcn kann auch einstial reitzen."

(Fortsetzung folgt.)


!


tz
 
Annotationen