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Heidelberger Zeitung (45) — 1903 (Januar bis Juni)

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https://doi.org/10.11588/diglit.11498#0762
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ehe er eizentlich Legonnen hatte, in sich zusammen. Zeuge
eines ähnlichen Vorgangs war die Welt Ende der achtziger
und Anfang dsr neunziger Jahre des vorigen Jahr-
hunderts bei den Streiks der Londoner Dockarbeiter. Der
Ausstand im Jahre 1889 gelang, weil er vorr den Sym-
pathisn des Publikums getragen wurde. Als dann aber
burch diesen Erfolg ennutigt, die Dockarbeiter den Gene-
ralstreik verkündigten, schlug die frühere Sympathie des
Publikums in das Gegenteil um; die Jnteressen der Ar-
beiter als Konsumenten vereinigten sich mit denen der
Arbeitgeber: der Generalstreik scheiterte. Gegenüber einer
jeden solchen Kraftprobe seitens der Arbeiter wäch st, was
ldie Sozialdemokratie vielleicht doch unterschätzt, das S o l i-
daritätsgefühl auch seitens der Arbeit-
geber, und je mehr dieses bei den letzteren stch elntwickelt,
um so mehr vermögen die grotzen allgemeinen Streiks
ihre wirtschaftlichen und politischen Schrecken zu ver-
lisren.

Euglaud.

— Ein Mrminghamer Herr, der sich an Mr. Chamber-
lain mit dsr Mtte gewpndet hatte, über die IIrsa -
chen des südafrikanischen Krieges aufge-
klärt zu werden, hat durch den Privatsekvetär des briti-
schen Kolonialministers die folgende Antwort erhalten:
„Es ist wahr, daß der Krieg verursacht wurde hauptsäch-
lich durch das Illtimatum und die Jnvasion britischen Ge-
'bietes. Weiter zurückgedacht, war an dem Kriege der
Wunfch der Mrrenführer schuld, eine Vormachtstellung in
Südafrika einzunehmen, wie dies Mr. Chamberlain
auch in seiner Rede in Southamptvn erklärt hatte. Es
ist ferner wahr, zu sagen, datz der 'Krieg niemals stattge-
suüden hätte, wenn besseres Einvernehmen erzielt worden
wäve. Wenn z. B. Mr. Krüger die Macht Englands
besser einzuschätzen gewußt hätte, wenn « verstanden hätte,
daß die Märchen bezüglich Hilfeleistung einer kontinenta-
len Macht unwahr waren, und wenn er sich darüber klar
gewesen wäre, datz die Kolonisten der Kapkolonie nicht in
wnen allgemeinen Aufstand eintreten würden, hätte der
Krieg vermieden werden können. Es wird Jhnen dies
beweisen, daß ein vielseitiges Mitzverstehen die unmittel-
Lare Ursache Zum Kriege war."

Aus Stadt und Land.

Heidelberg, 17. April.

^ Berzeichnis der Grundstircksverkiiufe im Monat März.

Verläufer: Friedrich Rummer Witwe, Handschuhsheim,
Näufer: Peter Huber, Landwirt in Handschuhsheim, Objekt:
6 Ar 88.Qm. Kaftanienpflanzung im Mühltal, Preis: 880 Mk.

B.: Lorenz Lauer, Wilchhändler Witwe, K.: Käspar Sau-
ter, Baugeschäft, O.: Haus Nr. 4 Dreikönigstr., 1 Ar 69 Om.,
Pr.: 28 000 Mk.

V.: Georg Edel, Architekt, und Genossen hier, K.: Jakob
Simon, Glasermeister hier, O.: Hautz Nr. 8 Brunnengasse,
4 Ar 32 Om., Pr.: 87 000 Mk.

V.: Reichsbank, Berlin, K. : Rudolf Trunzer, Architekt hier,
O.: 7 Qni. Hofraite an der Landfricdstr., Pr.: 386 Mk.

V.: Hermann Wink III., Landwirt Erben hier, K.: August
Layer, Bäcker und Wirt hier, O.: 9 Ar 02 Qm. in den oberen
Wiesenäcker und 1 Ar 99 Om. Garten im Dollgarten, Pr.:
2200 Mk.

V.: August Layer, Bäcker und Wirt hier, K.: Johann Hu-
ber, Sandwirt hier, O.: Desgleichen, Pr.: 2500 Mk.

V.: Friedrich Busch, Kutscher hier, K.: Philipp Ouenzer,
Professor hier, O.: 9 Ar 12 Qm. Acker in der hinteren Ofters-
heimgewann, Pr.: 8200 Mk.

V. : Heidelberger Baugesellschaft, K.: Johanna Maria Cgts,
Pensionsinhaberin hier, O.: 8 Ar 42 Qm. Acker im Rohr-
bacher Baubezirk, Pr.: 15 156 Mk.

V.: Stadtgemeinde Heidelberg, K.: Wilhelm Brand, Satt-
lermeister hier, O.: 3 Ar 56 Om. Hofraite an der Eppel-
Heimerstraße, Pr.: 18 000 Mk.

V.: Karl Veth, Baumeister hier, K.: Ludwig Kenne, Loko-
mwtivführer hier, O.: 1 Ar 68 Om. Bauplatz an der Mitter-
maierstraße, Pr.: 7000 Mk.

V.: Georg Huber, Landwirt Ehefr. Handschuhsheim, K.:
Stadtgemeinde Heidelberg, O.: Haus an der Mühltalstraße,
2 Ar 61 Qm. und 12 Ar 16 Qm. Hausgarten allda, Pr.:
15 000 Mk.

V.: Jak. motermel, Taglöhner Handschuhsheim, K.: Stadt-
gemeinde Heidelberg, O.: Haus an der Mühltalstraße, 2 Ar
77 Qm., Pr.: 8500 Mk.

V.: August Allstädt, Hutfabrikant hier, K.: Heinrich Frey,
Metzgermeister hier, O.: Haus Nr. 15 Friedrichstr., 2 Ar
17 Qm., Pr.: 47 000 Mk.

V.: Georg Schneider, Schiffer, K.: Georg Philipp Beck,

Privatmann hier, O.: Haus Nr. 58 Untereneckarstr., 1 Ar
77 Qm., Pr.: 25 500 Mk.

V.: Dr. Oßkar Middelkamp, Privatmann hier, K.: Dr. Jo-
hann Hossmann, Professor hier, O.: 23 Ar 15 Qm. Hofraite,
Hausgarten uttd Weinberg an der Gaisbergstraße Nr. 7 —
ohne die Gehäglichkeit —, Pr.: 106 000 Mk.

V.: Ludtpig Frauenfeld, Maler und Tüncher hür, K.:
Franz Geher, Privatmann hier, O.: 6 Ar 13 Qm. Acker im
Schafpfad, Pr.: 4000 Mk.

V.: Heinrich Kücherer V., Landwirt in Handschuhsheim,
K.: Phil. Kübach, Wirt in Handschuhsheim, O.: 10 Ar 86 Qm.
Acker in der Langgewann, Pr.: 5600 Mk.

V.: Georg Mich. Frauenfeld, Kaufmann, Handschuhsheim,
K.: Ludw. Gerbert, Bäcker, Handschuhsheim, O.: 5 Ar 89 Qm.
Garten im Bieth, P.: 2000 Mk.

V.: Karl Mutschler, Metzger Ehel. in Handschuhsheim, K.:
Philipp Leferenz, Jngenieur hier, O.: 8 Ar 88 Om. Acker in
der Langgewann, Pr.: 4740 Mk.

V.: Heinrich Genthner, Landwirt hier, K.: Derselbe, O.:
14 Ar 67 Qm. Acker allda, Pr.: 7830 Mk.

V.: Johann Morschhäuser, Rasierer in Amerika, K.: Jak.
Bürgy, Landwirt in Handschuhsheim, O.: 21 Ar 29 Om. Acker
im Büchcm, Pr.: 2550 Mk.

V.: Derselbe, K.: Georg Ad. Schneider, Landwirt in Hand-
schuhsheim, O.: 16 Ar 18 Qm. Acker im Röscher, 17 Ar 40
Om. Acker im Saubad, Pr.: 1230 und 2900 Mk.

V.: Derselbe, K.: Ferdinand Apfel, Landwirt in Hand-
schuhsheim, O.: 23 Ar 03 Qm. Acker im Röscher, Pr.: 1860
Mark.

V.: Derselbe, K.: Friedrich Heinrich Wernz, Landwirt in
Handschuhsheim, O.: 12 Ar 55 Qm. Wiese, Weinberg und
Kastanienpflanzung im Bauhof, Pr.: 900 Mk.

V.: Leon Weil, Hopfenhändler hier, K.: Christian Dieterle,
Bäckermeister hier, O.: Haus Nr. 9 Plöck, 4 Ar 07 Qm., Pr.:
70 000 Mk.

V.: Johann Phil. Groß, Schlosser hier, K.: Philipp Tho-
mas, Architekt hier, O.: 12 Ar 52 Qm. Acker im Neusatz, Pr.:
3800 Mk.

V.: Karl Veth, Architekt hier, K.: Martin Alt, Sattler und
Tapezier hier, O.: 4 Ar 53 Qm. Hofraite an der Kleinschmidt-
straße Nr. 4, samt Neubau, Pr.: 85 000 Mk.

V.: Gustav Mayer, Kaufmann hier, K.: Georg Sack, Haus-
meister Witwe hier, O.: Haus Nr. 12 Dreikönigstraße, 1 Ar
45 Qm.. Pr.: 27 000 Mk.

V.: Philipp Peter Haas Ehefrau in Schriesheim, K.: Karl
Bechtel, Gärtner hier, O.: 6 Ar 95 Qm. Weinberg im Falgen,
Pr.: 275 Mk.

V.: Stadtgemeinde Heidelberg, K.: Alois Veth ,Zimmer-
meister hier, O.: 7 Ar 03 Qm. Hofraite mn der Eppelheimer-
straße, Pr.: 8000 Mk.

V Schöffengerichtssitzung vom 16. April. Die Verhandlung
gegen Jakob Ebner von Heidelberg wegen Vergehens bezw.
Uebertretung der Gewerbeordnung wurde vertagt. Karl Meyle
in Haft erhielt wegen Diebstahls 6 Wochen Gefängnis.

!! Von der Bergstrasie, 16. April. (Unsere Kirschen)
werden für dieses Jahr wohl gcnossen sein, denn bon Montag
auf Dienstag und Mittwoch und selbst heute wieder hat es
jeden Morgen etliche Grad Kälte und Eis. Heute srüh ist
der ganze Oelberg mit Duft weiß, wie im vollsten Winter.
Gestern gegen Abend zogen dichte Schneewogen über das Ge-
birge. Auf dem weißen Stein, 546 Meter über dem Meere,
lag gestern 4—5 Zentimeter Schnee. Jn den Niederungen an
der Bergstraße war das Eis etliche Millimeter dick.
Auch den anderen Frühfruchten, wie Aprikosen, Pfirsichen,
Zwetschgen und Pflaumen dürfte die Kälte geschadet haben,
denn die Blüten schimmern alle dunkelrot entgegen. Der
Schaden ist auf alle Fälle sehr grotz, denn so schön und so reich-
lich, wie in diesem Jahrc, waren die Bäume noch selten mit
Blüten behangen. Es war dem Blütenstand der Bäume nach
auf eine volle Ernte, wie 1893, zu schlietzen. Auch der Klee
dürfte sehr gelitten haben.

Mannheim, 15. April. (S ch w u r g e r i ch t.) Unter dem
Vorsitz des Landgerichtsdirektors Walz trat heute das
Schwurgericht für das 2. Quartal 1903 zusammen.

1. Fall. Als vor nunmehr einem Menschenalter ein jun-
ger Mstizaktuar zum erstenmale mit jenen Schriftbogen zu
tun bUäm, die in so viele Menschenschicksale entscheidend ein-
greifeni da mochte ihm wohl schwerlich eine Ahnung aufdäm-
m.ern, daß sein Name auch einmal in solchen Akten als Jncul-
pat eine Rolle zu spielen berufen war. Jm Jahre 1874 er-
hielt dcr damals 21 Jahre alte Aktuar Franz Ueberrhein
aus Mannhcim seine etatsmätzige Anstellung. 1878 wurde
er zum Assistenten, 1882 zum Sekretariatsassistenten, 1898
zum Expeditor befördert. Sein Gehalt betrug zuletzt ohne
Nebengehälter 3780 Mark. Trotz seiner auskömmlichen Ver-
hältnisse — er hatte zuletzt auch eine billige Dienstwohnung
im Schlosse inne — stack Ueberrhein beständig in finanziellen
Nöten. Seine Frau ist unwirtschaftlich und seine drei Söhne,
obwohl sie alle schon in den zwanziger Jahren stehen, fallen
ihm zur Last. Er besatz keine Autorität weder seiner Frau
noch den Herren Söhnen gegenüber, die nie eine ihnen passende
Stellung sanden. So kam er zur Veruntreuung amtlicher Gel-
der, die ihm in der von ihm als dem ersten Bureaubeamten der
Staatsanwaltschaft verwaltyten Handkasse zur Verfügung
standen. Er mutz schon Mitte der neunziger Jahre mit seinen
Unredlichkeiten begonnen haben und er hat dann wohl das be-
kannte Rezept befolgt, immer ein Loch zuzudecken, indem er
ein anderes aufriß. Die Anklage beschränkt sich Mangels ge-

nügender Unterlagen auf das Jähr 1902 und beziffert dis
unterschlagene Summe auf 2192,33 Mark. Zur Verdeckung
ist die Kassenrechnung unrichtig geführt, ein unrichtiger Ab-
schluß gemacht und ein unrichtiger Beleg vorgelegt worden-
Auch unterschlug er Mahnbriefe, die an seine vorgesetzte Be-
hörde gcrichtet wurden. Der Verteidiger, Rcchtsanwalt Dr.
Katz, plädierte für Zubilligung mildernder Umstände. Es gebe
keinen ärmeren bedauernswerteren Menschen als einen Be-
amten in Not. Bei seinen Kollegen begegnete er Mitztrauen,
während sich ihm die Türen anderer Leute ohnehin verschlös-
sen. Wenn der Angeklagte es auch nicht gesagt habe, die
Schuld sei nicht bei ihm, sondern in seinen traurigen Fa-
milienverhältnissen zu suchen. Die Geschworenen bejahten die
Schuldfrage und die Frage der mildernden Umstände. Daö
Gericht verurteilte darauf den Angeklagten zu einer Ge-
fängnisstrafevon IJahr.

2. Fall. Eine verwickelte Handelsgeschichte bildete die
Grundlage der Anklage gegen den 20 Jahre alten Maurer
Philipp Schränkler von Hockenheim wegen Meineids. Dek
Friseur Theodor Krämer in Hockenheim hatte den AngeklagteN
beaustragt, für seine Rechnung ein gebrauchtes Rad zu ver-
kaufen. Schränkler bot die Maschine in der Keilbach'scheN
Ziegelei am Herrenteich bei Speher verschiedenen Arbeitern an,
u. A. dem Ziegler Valentin Holginger, der aber ablehnte, weu
Schränkler sich nicht auf ratenweise Zahlung einlaffen wollte-
Schließlich nahm der Ziegeleibesitzer Albert Keilbach das
Rad um den Preis vön 45 Mark, strich aber zum grötzten Aer-
ger Schränklers sofort 40 Mark ab, da er so viel dem Schränfi
ler vor einigen Jahren geliehen hatte. Einige Tage später
berkaufte Keilbach das Rad an den schon genannten Holzinger-
Als Krämer von Schränkler sein Geld verlangte, behaupteü
dieser, er habe das Nad dem Holzinger verkauft, aber kein Geld
erhalten. Krämer klagte gegen Holzinger, der Widerspruch
erhob, da er das Rad nicht von Schränkler, sondern von Keifi
bach erworben habe. Krämer berief sich auf Schränkler und
dicser schwor am 24. Septeniber v. I. vor dem Amtsgericlsi
Schwetzingen frischweg, er habe das Rad nicht dem Keilbach,
sondcrn dem Holzinger verkauft und jener habe für diesen guä
gesprochen. Nun brachte Keilbäch Zeugen dafür, daß er det
Käufer gewesen und Schränkler wurde wegen Verdachts des
Meineids eingezogen. Die heutige Beweisaufnahme bring'
nicht die erwünschte Klarheit, obwohl sie mehr zur Befestigung
der Anklage als zur Entlastung Schränklers Material liesert-
Der Leumund des Letzteren ist nicht günstig. Seit er sich nm
Fahrradgeschäften befatzt, geht er der Arbeit aus dem Wege,
liebt aber gut zu essen und zu trinken. Die Mittel beschafft el
sich auf eine Weise, datz eine Reihe von Strafverfahren gegc>>
ihn schwebt. Fast alle Fahrradfabriken, für die er Geschäfte
machte, hat er durch Unterschlagungen geschädigt. Die Ge^
schworenen vcrneinen die Schuldfrage, wonach der Angeklagtt
freigesprochen wird.

3. F a l l. Die 20 Jahre alte Stratzendirnc Anna Knoäst
aus Schwanebcck hat zu Gunsten ihres Zuhälters, des Gürb
ners Paul Kößler aus Möllendorf esnen falschen Eid geleistet-!
Als die Staatsauwaltschaft gegen Kößler vorging, lag d)t!
Knoche im Krankenhaus. Sie wurde, da von ihrem Zeugim
die Erhebung der Anklage gegen Kößler abhängig war, schr"'
im Vorverfahren eidlich vernommcn und erklärte, nach del
Angabe des mit der Einvernahme beauftragten RichteH
„kurz und frcch": „Es ist nicht wahr, er ist nicht mein Zuhän
ter, er hat auch nicht gewußt, wo das Geld her ist." Jn dek
Verhandlung vor der Strafkammer, welche Kößler zu di'O
Monatcn Gefängnis verurteilte, wurde dann nachgewiesev,
datz Fräulein Knoche gelogen hatte. Die Angeklagte sagb
heutc, sie sei im Krankenhaus überrascht worden durch die Ei»!
vernahme, sie habe sich vor Kößler gcfürchtet und überdies ft'
sie mit Kötzler verlobt. Das Urteil gegen die von RechtsaN'
walt Dr. Panthcr verteidigte Angeklagte lautet auf 10 M n'
nate Gefängnis abzüglich 3 Monate Untersuchungshaft'

4. F a l l. Ueber diesen Fall — er betrifft den ZimmermaN''
Johann Paule in Heidelberg — ist schon berichtet worden. ,

Röthenbach, 15. April. (Einen schweren Verlum
hat ein hiesiger Uhrenfabrikant erlitten. Jn der letzten Wocb^
beging cr die Unvorsichtigkeit, 1400 Mk. in Papiergeld als
wöhnlichen Brief nach Neustadt an eine dortige Firma abzr^
schicken. Der Brief kam nicht an. Wo er unterschlagen wur^'
ist noch nicht festgestellt.

Waldshut, 15. April. (Ein mächtiges S.teinsal^
l a g e r) ist in dcn letzten Tagen in dem Waldshut gegenübel'
liegenden Gebiet der Aare-Mündnng, zwischen Koblenz i>m
Klingnau (Schweiz), entdeckt worden. Schon vor 12 Jahr^
hattc dcr Zurzacher Bohrunternehmer K. Vögeli das Lagetz
angebohrt, geologische Gutachten stellten jedoch die Abbauwick
digkeit iu Zweifel. Die neuerdings angeordncte Kontrollbo?!
rung hat nunmehr die Richtigkeit der Vermutungen Vögelis
geben. Die Ablagerung wird von dem Entdecker auf 2 MiÜ^
nen Kubikmeter geschätzt.

Die Jdiotenanstalt in Mosbach.

— Die Jdiotenanstalt in Mosba^
streckt wieder einmal ihve Hände aus nach Hilfe uNj
Unterstützung. Es geht ihr wie ihren Pfleglingen,
kann immer noch nicht anf eigenen Füßen gehen E
stehen. Was fehlt ihr denn? Pfleglinge fehlen ihr nEt
und haben ihr noch nie gefehlt. Sie hat jetzt in ih^j

an, mithin können Sie auch seine Leiche niemals gefunden
haben."

„Dieses Verhör ist voraussichtlich das letzte," erwiderte der
Untersuchungsrichter, einen scharfen Ton anschlagcnd, „ich
„werde die Akten schließen und sie dem Anklagesenat überwei-
sen, der die Sache spruchreif erklären wird. Haben Sie mir
vielleicht noch etwas zu sagen?"

„Bevor Sie die Akten schließen, prüfen Sie meine Aussagen
noch einmal vom unparteiischen Standpunkt aus, sie enthalten
nur lautere Wahrheit."

„Sie stecken voll Widersprüche, ich habe Sie ost darauf auf-
merksam gemacht, wie kann da der Glaube an Wahrheit auf-
kommen?"

„Wenn Sie meinen Worten keinen Glauben schenken wol-
len, so kann ich Sie nicht dazu zwingen," sagte Röder ungedul-
dig, „Sie werden sich später einmal dieser Verhandlungen er-
innern und dann bereuen, daß Sie mir so grotzes Unrecht ge-
tan haben."

Der Untersuchungsrichter gab dem Gerichtsdiener einen
Wink, ohne die ernste Mahnung eines Wortes zu würdigen,
der Gefangene wurde in seinc Zelle zurückgeführt, und von
Lieser L>tunde an waren oie Untersuchungsakten geschloffen.

11. Kapitel.

Vernichtete Hoffnungen.

Die Zeitungen hatten wieder einmal reichen Stoff, eine
-ganze Woche hindurch brachten sie täglich Berichte über die
Auffindung der Leiche und die interessante Entdeckung, daß der
Universalerve des ermordeten Amerikaners schon seit vielen
Jahren in dürftigen Verhältniffen in der Stadt lebte.

Die dürftigen Verhältniffe des Musikers bildeten in allen
Kreisen das Gesprächsthema; ihn, den Glücklichen, suchten die
Blicke aller Theaterbesucher im Orchester, es wurde ihm un-
heimlich, wenn er die Operngläser auf sich gerichtet sah.

Frühere Schulkameraden, die ihn ganz bergeffen hatten,
erinnerten sich seiner plötzlich wieder und redeten ihn an, als

ob sie seit Jahren mit ihm befreundet gewesen seien, Väter
heiratsfähiger Töchter suchten ihn im Wirtshause auf und
boten ihm ihre Freundschaft an, Handwerker und Geschäfts-
leute sandten ihm ihre Preisverzeichniffe und bemerkten dabei,
daß er Kredit bei ihnen habe; Darlehen zu mäßigen Zinsen
wurden ihm von den Wuchercrn angeboten, und von Leuten,
die er niemals gekannt hatte, empfing er die freundlichsten
Einladungen.

Das alles brachte ihn nicht aus dem Geleise, er blieb schlicht
und einsach, er nahm nur aus den Händen seines Advokaten ein
kleines Darlehen an, um sich einen warmen Winteranzug an-
zuschaffen und eine bessere Wohnung zu mieten.

Mochten auch alle ihm Glück wünschen, er zweifelte noch
immer, er wollte und konnte sich seines Glückes erst dann
freuen, wenn er wirklich im Besitz des grotzen Vermögens war.

Der Dokior Geier war nun in den Angelegenheiten dieses
Klienten unermüdlich tätig, aber es verging doch noch eine ge-
raume Zeit, bis er sich im Besitz der amtlichen Dokumente be-
fand, mit denen er beweisen konnte, daß der Musiker Grimm
der einzige Verwandte Martin Grimms war.

Er mußte drum nach Newhork schreiben und von der dor-
tigen Behörde eine Bescheinigung einholen, daß der Vater
Martins nur dieses eine Kind hinterlassen hatte, und daß
Martin selbst nicht verheiratet gewesen war; dann erst gab
das Gericht dem Ilntrag des Rechtskonsulenten Folge, und auf
die Forderung Martin Grimms an Hugo Röder wurde nun
Beschlag gelegt.

Wochen waren darüber vergangen, der Frühling kündete
schon durch einzelne Vorboten sich an, als an einem Sams-
tag Abend dieser Blitz aus heiterem Himmel das Geschäfts-
haus Hugo Röder traf.

Am nächsten Tage eilte Hertha zum Justizrat Werner Han-
nemann, dem Verteidiger ihres Vaters.

Er war ein tüchtiger Jurift, ein ernster, ruhiger Mann,
der mit der Wahrheit niemals hinter dem Berge hielt, auch
dann nicht, wenn seine Worte die letzten Hoffnungen vernichte-

ten, dem Ertrinkendev den Strohhalm, an den er sich kla^
mern wollte, unter den Händen fortzogen. .

Der Justizrat war eben mit den Akten Röders beschäft"
als der Besuch Herthas ihm gemeldet wurde.

Der grotze, stattliche Mann erhob sich und ging dem
Trauer gekleidetcn Mädchen entgegen, dem er mit einem
ben Lächcln die Hand bot.

„Jch habe soeben die Akten noch einmal durchgesehcbll
sagte er, als Hertha neben ihm am Schreibtisch saß,
nächsten Donnerstag kommt ja die Sache vors Schtvulu
richt." -

„Und Sie haben gar keine Hoffnung?" sragte Hertha


bebender Stimme, indes ihr Blick voll unsagbarer Angst
seinem Antlitz ruhte.

„Nur die noch, daß die Geschworenen mildernde Umstst
bewilligen werden," erwiderte Hannemann. ^

„Mein Vater würde die Schuld nicht leugnen, wenn sic ^ ,
ihm ruhte." LZ

„Diese Behauptung, mein liebcs Fräulein, hat keinen
heren Wert, als jede andere landläufige Redensart," sagtc
an seiner Brille rückend, „Jhr Vater weiß wohl, datz nach ei»^,
Schuldgeständnis alles sur ihn verloren wäre. Er klamN^
sich jetzt noch an die Hoffnung, daß seine Unschuldsbeteues^
gen auf die Geschworenen Eindruck machen könnten: st'.p''
meine Ermahnungen überzeuqen ihn nicht, daß das eine ^
gebliche Hoffnung ist."

„So wüiychcu Sie selbst sein Geständnis?" fragte Hcr
mit wachsender Bestürzung.

„Es würde mir die Verteidigung insofern erleichtem ^
ich dann mit einiger Zuversicht auf die Billigung milveim^
Umstände hoffen dürfte."

„Also glauben Sie an seine Schuld?"

(Fortsetzung folgt.) ' *
 
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