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Heidelberger Zeitung (45) — 1903 (Januar bis Juni)

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https://doi.org/10.11588/diglit.11498#1205
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lung am 16. Jum die lebhafteste Anerkeunung und den I in St. Petersburg und des Generalkonsuls in Odessa über
herzlichsten Dank aus. i die von den russischen Behörden getroffenen Maßnahmen

——— - ! zur Bestrafung der für die Ausschreitungen in Kischinew

> ^erantwortlicheu Personen.

England.

London. 17. Juni. Jm Unterhause fragte heute
Sir Edw. Grey den Premierminister. ob er der Pleinung
sei, daß gegenwärtig feindselige Absichten
gegen eine Kolonie mit Selbstverwal-
tung bestehen, um sie an der freien Ausübung ihres
Rechtes zu hindern. Statt des Premierministers antwor-
tete Chamberlain: Ja, wir sind dieser Ansicht; es
besteht etwas derartiges. Ich erkläre, daß ich nicht den
leisesten Tadel gegen Deutschland erhebe, das seiu
unzweifelhaftes Recht ausgeübt hat. Wir haben kein
Recht, dies als eine unfreundliche Handlung zu betrachten
oder eine andere Behandlung zu erwarten, so lange die
Politik Großbritanniens darin besteht, sich dieser Behand-
lung zu unterwerfen. (Beifall.) Nachdem Kanada
den englischen Gütern eine Vorzugsbehandlung bewilligt
hatte, habe Deutschland in voller Ausübung seines Rechts
Kanada aus der Stellung, die es als ein Glied des briti-
schen Reiches einnahm, entfernt und es dem Schema der
Tarifbestimmungen unterworfen, wodurch kanadische Gü-
ter in Deutschland einem weit höheren Zoll uuterliegen.
Warum handelt Deutschland in dieser Weise? Die deut -
schen Z e i t u n g e n haben erst vor wenigen Wochen
alle miteinander erklärt, die deutsche Politik gehe dahin,
Kanada dafür zu st rafen , daß es England besoudere
Vergünstigungen einräume, und dies nicht so sehr, um
Kanada zu strafen, als vielmehr, um die anderen
Kolonien abzufchrecken, seinem Beispiel zu fol-
gen. (Beifall.) Die deutschen Zeitungen haben ausge-
sprochen, daß sie in Südafrika Pläne für eine Vor-
zugsbe^andlung dieser Art erblickten; sie wünschten dem
Einhalt zu tun. Sie regten an, mit einer Unterscheidungs-
bestimmung nach der andern gegen kanadische Waren vor-
zugehen. Sie hofften, dadurch diejenigen ihrer südafrika-
nischen Freunde kräftig zu unterstützen, die sich gegen die
vorgeschlagene Vorzugsbehandlung Englands erklärten,
und hofften, daß disse Aeußerungen in Südafrika gelesen
werden würden, und keine britische Kolonie es wagen
würde, Unterscheidungsbestimmungen zu Gunsten Eng-
lands zu treffen. Sir Edw. Grey fragt, ob uns eine
feindliche Ausnahmebehandlung einer
englischen Kolonie be k a n n t s e i. Aller -
dings, und wir bedauern sie; nicht in dem Sinne, daß
wir uns unter den obwaltenden Verhältnissen beklagten;
wir bedauern vislmehr die jetzige Politik, die eine solche
Behandlung möglich macht. Sir Edw. Grey fragt ferner,
wie wir einen solchen Fall verhindern werden. Aber da
liegt eine andsre Voraussetzung vor, nämlich, ob wir uns
mit solchen Fällen zu beschäftigen haben werden oder nicht.
Jch habe angeführt, wie die Angelegenheit kürzlich in
Deutschland stand, aber man sehe sich die deutsche
Presse jetzt an: es ist ja sehr schwierig, den Wechsel »n
der Meinung zu llerstehen, aber an der Aenderung ist nicht
zu zweifeln. Wir hören nichts mehr von wei -
tern Unterscheidungsmaßnahmen gegen
K a n a d a.

London, 18. Juni. Unterhaus. Auf eine
Anfrage über die Lage im Somalilande erklärte Kriegs-
niinister Brodrick, es sei anzunehmen, das; General Ma-
ning und Oberst Cobbe nunmehr ihre Kräfte vereinigt
haben. Zu der Annahme, daß Galadi bedroht sei, liege
kein Grund vor. Das Vorrücken der Abessinier veranlaßte
den Mullah, sich nach Nordosten zu wenden. Seine be-
rittenen Truppen sollen sich in der Nähe von Darnot be-
finden. Manning hat keins Verftärkungen verlangt, doch
sind solche in Berbera (Jndien) in Bereitschaft. Wir ha-
ben von Manning nichts erfahren während der letzten drei
Wochen, weil er damit beschäftigt ist, seine Streitkräfte
bei Bohottle zusammenzuziehen. Lord Cranborne er-
klärte, er erwarte die Berichte des britischen Botschafters

Die deutsche Seesischerei.

Der Deutsche S e e f i s ch e r e i - V e r e i n ist seit
einer Reihe von Fahren bestrebt, die Betriebe der großen
Heringsfischerei gegen die Verluste zu schützen, welche da-
durch entstehen, daß die Heringsnetze in See durch pas-
sierende Grundschleppnetzfischer und Handelsschiffe beschä-
digt oder verloren werden. — Eine große Herings-
fischerei gibt es nur in der Nordsee. Sie beginnt im Juni
und dauert bis znm Nooember. Jhr Betrieb besteht darin,
daß die gefangenen Heringe auf See, unmittelbar nach
dem Fang, in Fässern gesalzen werden. Das Schiff setzt
abends die „Fleet", eine sechs Meter unter der Meeres-
fläche in einer Linie von 3000 bis 6000 Meter Länge hän-
gende Netzreihe aus, denn der Hering geht nur bei Nacht
in das Netz, in dessen Maschen er mit den Kiemeu hängen
bleibt. Mit Tagwerden wird die Netzreihe eingeholt, der
Hering herausgenommen und gesalzen. Da die, wie ein
Vorhang oder Zaun, senkrecht im Wasser hängende Netz-
reihe durch die Grundschleppnetzfischer, welche ihr Netz mit
Dampfkraft über den Meeresgrund hinschleifen, besonders
leicht und oft beschädigt wird und dadurch viel Geld ver-
loren geht, sorgte der Deutsche Seefischerei-Verein dafür,
daß deutsche und niederländische Heringsfischer so zerstörte,
in See treibende und geborgene Netze unter einander aus-
tauschen. Ein vom Deutschen Seefischerei-Verein ent-
worfener Vertrag regelt die Angelegenheit.

Obgleich, dank den Bemühungen des Deutschen
Seefischereivereins, sowie der Reichs- und
Staatsbehörden, unsere Heringsflotte seit 1872 auf 145
Logger angewachsen ist, beziehen wir noch für 30 Millionen
Mark Salzhering jährlich aus dem Ausland. Diese Flotte
muß auf etwa 1000 Logger anwachsen, wenn das Ziel
des Deutschen Seefischereivereins erreicht werden soll, wel-
ches dahin geht, daß der in Deutschland konsumierte Salz-
hering nur oder hauptsächlich von Deutjchen gefangen
wird.

Kleine ZeittrnsL.

— Polizei nnd Frcil,audcl stehen bekanntlich auch in
Amerika häufig auf gespanntem Fuß, ja, zuweilen könnten
sich Polizei und Polizeiverordnung anderer Länder, sagen
wie z. B. Deutschlands, noch vorzügliche Muster aus Ame-
rika holen. Was aber noch seltsamer ist, manche freiheits-
diirstende Seele dankt es den amerikanischen Blauröcken,
daß sie .ihn vor so manchem Unfug schützen, der im deut-
schen Vaterland Narreufreiheit hat. Kein mstternächtiges
Gröhlen schwankender Gestalten ranbt dir mehr den
Schlaf, lieber Leser, wenn du nur erst die Freiheitsstatue
im Newyorker Hafen begrüßt hast. Und wenn Schopen-
hauer im letzten Kapitel seiner Parerga über Lärm und
Geräusch sagt, es sei eine Barbarei, *daß die Jnfamie des
Peitschenknallens geduldet werde, und es sei zu hoffen,
daß die intelligeuten und feiner fühlenden Nationen den
Anfang machen, daß dem Unfug überall gesteuert werde,
so ist dies Ziel in Amerika wirklich erreicht. Der rohe
Fuhrknecht, der sich eine solche Herausforderung des ganzen
Publikums, wie sie im Peitschenknallen liegt, heraus-
nehmen wollte, käme unter 30 Tagen strengen Arrestes
nicht weg. Wenn so Amerika vorgeht, so wäre es auch
im Deutschen Reich kein Abbruch heiliger Menschenrechte,
wenn man dem Peitschenknaller Stock und Schnur ver-
kürzte, bis sie unschädlich werden.

— Nessnshemdcn. Die eifersüchtige Dejanira hat
ihrem Gatten Herkules ein Opsergewand mit einer Salbe
eingerieben, die sie von dem tückischen Centauren Nessus
unter Vorspiegelung falscher Tatsachen erhalten hatte und
die auch den Tod des zeusentsprossenen Helden bewirkte.
Acht französische Kürasfiere haben vor kurzem ein ähnliches
Erlebnis mit frischen Hemden bestanden, das zwar nicht

so tragisch auslief, aber doch recht unbequem war. Als dit
reinlichkeitsbeflissenen Krieger die von der Wäscherin ebev
abgelieferten Hemden angezogen hatten, wurden sie, wie
das „Journal des Debats" erzählt, von einem unerträg'
lichen Jucken und Brenneu befallen, als hätte der He^
der Fliegen, Wanzen, Läuse eiue ganze Armee seiner kleü
nen Ouälgeister gegen sie losgelasscn. Tas Jucken wurd^
so stark, daß man den Herrn Major bat, sich die neue Epü
demie anzusehen und kraft seiner höhreren Jntelligenl
Abwehrmaßregeln zu trefsen. Nach langer UntersuchuNfl
kam man zu der Erkenntnis, daß nur die Hemden die
Ursache der Plage sein Iönnten. Ein mutiger Kamernd
gab sich freiwillig zum Versuchskaninchen her; kurze Zeib
nachdem er im Hemde stak, geriet auch er in recht lebhaM
Bewegung und hatte nichts eiligeres zu tun, als aus deM
Nessusgewande Zu kriechen. Einem Mediziumanne, der
zur Aufklärung des juckenden Rätsels herbeigerufen wurde,
gelang es endlich, Licht zu schaffen. Man hatte die HeM'
den im Freien getrocknet und sie über eine Weißdornheckr
gebreitet. Diese Hecke war nun der Sitz von Raupew
kolonien aus drr verhaßten Familie der NonnenraupeW
deren Haare und flüssige Ausscheidungen die Haut star^
reizen und Nesselsucht hervorrufen. Für die StöruvS
ihres Blättermahles hatten sich die Raupen nach deiw
Muster des sterbsnden Centauren gerächt.

— Ein vcrlvckcndcr Postcn. Jm Jahre 1832 wurde'
Herr von Neßly aufgefordert, sich um die erledigte Sekre-
tärstelle beim Fürsten Milosch von Serbien zu bewerbev-
Jn Kragujewatz angelangt, ward er sehr freundlich voM
Jürsten empfangen; da derselbe indes mannigfach drinM
liche Geschäfte zu erledigen hatte, ersuchte er Herrn voN
Neßly, sich eine Stunde lang im Garten zu ergehen, ww
rauf er mit Muße die nötigen Einlpitungen mit ihm be-
sprechen werde. „Sie sind so gut wie angenommcn"-
mit diesen Worten verabschiedete er Herrn von Neßly^
der sich auch sofort mit einem ihm als Cicerone beigegm
benen Hofbedienten nach dem sogenannten Parke begab-
Kaum hatte er den Garten betreten, als er an einer E i cls e
einen Gehenkten erblickte. Herr von Neßly, der eben
nicht sehr starke Nerven hatte, prallte entsetzt zurück und
fragte mit bebender Stimme seinen Begleiter, was die^
zu bedeuten habe. „Das ist der frühere Sekretär des
Fürsten", entgegnete jener fast gleichgiltig. Herr vcM
Neßly suchte sofort das Weite.

Verantwortlich für den redaktionellen Teil F. Montua, fb'-
den Jnseratenteil Th. Bcrkenbusch, beide in Heidelberg.

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si u töm A len^e5tallr2nt

'Äiupf8kra88e 77. fieiüelberg. 6cke ssjenenztta;^-

merksam; aber ihre Worte und ihr ganzes Wesen standen nicht
mit einander im Einklang. Auf der einen Seite stellte sie mir
jedes denkbare HinLernis in den Weg, während sie mich auf
der anderen Seite in jener Weise ermutigte, in meiner Vewer- !
bung fortzufahren. „Jch weiß nicht, ob ich überhaupt jemals
heiraten werde", seuszte sie; „Sie wissen ja, was für erü
schreckliches Temperament ich habe und wie sehr ich durch die
Nachsicht der Meinigen verwöhnt worden bin. Wenn Sie eine
sügsame Frau wünschen, dürfen Sie an mich nicht denken. Papa
und ich, wir leben beständig auf dem Kriegsfutz. Beachten Sie
meine Warnung, lieber Freund — Sie sehen, was Sie zu er-
warten habcn!"

! Noch an diesem Abend bat ich um eine Unterredung mit
Catheron; er hörte meine Werbung mit liebenswürdigem
Lächeln an, sagie mir aber, ich müsse warten; ich sei biel zu
jung, mich schon zu binden. „Meine Tochter ist mehrere Jahve
älter als Sie", schloß er, „aber im Charakter ist sie ein bloßes
Kind, das seine eigenen Gefühle noch nicht versteht. Kehren Sie
zu Jhren Studien zurück; bedenken Sie, daß die Zukunft, von
der Sie sprechen, nur durch unermüdliche Arbeit geschaffen
werden kann, aber besuchen Sie uns jeden Sonntag. Ein ruhi-
ger Tag auf dem Lande wird Jhnen nach den Anstrengungen
der Woche eine wohltuende Erholung sein; behandeln Sie
meinc Tochter, als ob Sie Jhre Freundin, oder Jhre Schwe-
ster wäre. Wenn Sie zwei Jahre älter und erfahrener sein
werden, können wir vielleicht an eine Heirat denken. Selbst
von einer Verlobung soll vorläufig nicht die Rede sein, um
Jhnen beiden die Freiheit der Eheschließung zu lassen."

Jch hatte gegen diese vernünftige Anordnung nichts ein-
znwenden. Mit einer Photographie der beiden Schwestern be-
schenkt, kehrte ich nach London zu meinen Studien zurück. Als
ich am nächsten Sonntag wieder im Dorfe erschien, trug ich
einen Trauerflor um meinen Hut und in meiner Tasche einen
schwarzumrandeten Brief, der die Nachricht von dem Tode mei-
nes jüngsten Vetters enthielt.

Herr von Catheron drückte mir seine Teilnahme in herz-
lichen Worten aus; Eveline dagegen nahm meine Mitteilung
sehr kühl auf.

frei und offen wie sonst; mir sehlte der Mut, ihr von Eveline
und meiner Liebe zu erzählen. Was ich über den Hauptmann
von Catheron zu berichten gehabt, hatte meiner Mutter ein
Vorurteil gegen ihn und seine Tochter einflößen können. Noch
war ich nicht verlobt, es eilte also nicht damit, meiner Mutter
von meinen Beziehungen zu den Catherons Kenntnis zu geben.

Von jetzt an wär ich ein ständiger Mitarbeiter der ange-
sehensten Zeitschriften und verdiente damit ein hübsches
Sümmchen, das ich für Eveline sparte, denn ihr Vater hatte
mir gelegentlich gesagt, es würde sehr unklug von mir sein,
vom Heiraten zu sprechen, ehe ich mir nicht wenigstens eine
kleine Summe gespart hätte.

Der Herbst ging in einen natzkalten, unangenehmen Win-
ter über. Jch setzte meine Studien rastlos fort, ohne mir eine
andere Erholung zu gestatten, als die Sonntagsruhe bei den
Catheron.

Das Weihnachtsfest hätte ich in Schloß Desmond verleben
können, wo meine Eltern während der Abwesenheit Onkel Bru-
nos, der den Winter nur in einem südlichen Klima vertragen
konnte, Haus hielten. Jch war aber von Eveline eingeladen
worden und bermochte es nicht über mich zu gewinnen, ihr
eine abschlägige Antwort zu geben. Mein Lohn war jedoch
der unfreundlichste Empfang, den ich bis jetzt von ihr erfahren
hatte. Unter dem Vorwand, fürchterliche Kopfschmerzen zu
haben, zog sie sich wenige Stunden nach meiner Ankunft in ihr
Zimmer zurück. Aufs tiefste betrübt, kehrte ich am Abend
wieder heim, wehmütig des Schlosses Desmond und der dort
zu froher Festfeier nm meine Eltern Versammelten gedenkend.

An Eveline zu schreiben, war mir nicht erlaubt; ich mußte
mich daher gedulden, von der Ursache ihrer Verstimmnng nicht
eher Kenntnis zu erhalten, als am nächsten Sonntag, wo ich
vielleicht Gelegenheit finden würde, sie danach zu fragen. Jch
war überzeugt, daß etwas Ungewöhnliches vorgefallen sein
müsse, was sie so vollständig aus dem Gleichgewicht gebracht
hatte, und dieser Gedanke beunruhigte mich. Es wurde mir
so schwer, meine Aufmerksamkeit der Arbeit zu widmen, und
ich sah dem Ende der Woche mit steigernder Ungeduld entge-
gen.

tung meines Lebens entscheidend war. Mit einem Buche in de
Hand am Fenster sitzend, war ich eingeschlafen, und erst cn»
der schwere Band mit lautem Getöse auf den Fußboden nieder^
fiel, erwachte ich. Regen prasselte gegen die Fensterscheibc
und an meiner Tür wurde heftig gepocht. Jch erhoh mE
eilte an die Tür, öffnete und erblickte eine Frauengestalt, dc
ren Umrisse unter den bergenden Falten eines Umschlag^
nicht zu erkennen waren. Das Gesicht verhüllte ein dickstc
Schleier, der mit ciner hastigen Bewegung zurückgeschlagc^
wurde. „Eveline!" rief ich. „Was um des Himmels wim
sührt Sie zu dieser Stunde hierher? — Jhr Vater ist A k
Mcht -" x

O, ihm fehlt nichts!" erwiderte sie ungeduldig, obgleiw
die Ursache ist, daß ich jetzt hier bin. Sehen Sie mich doch Mw
so an, als ob sie ein Gespenst erblickten, Georg! — Da, nehm^
Sie mein Tuch und meinen Hut; ich werde so lange bei ihjpZ
bleiben, bis meine Sachen trocken sind, und dann führen ^
mich in irgend einen Gasthof, wo ich wohnen kann, nach Hcc"'
kehre ich nie wieder zurück!"

„Aber Eveline!"

Sie schüttelte ungeduldig den Kopf. Nie war sie mir
ner erschienen als an diesem Abend. Mit dem ungezwungen^
Wesen einer Königin, die in der Wohnung eines Untertatz
Zuflucht sucht und weitz, daß sie ihm durch ihre Gegenwart ctt
Ehre erzeugt, warf sie sich in einen Sessel. „Es nützt
nichts, mir eine Predigt zu halten", rief sie; „komme, was
wolle, zu meinem Vater kehre ich nie wieder zurück! Wir
ten am Weihnachtsabend einen heftigen Streit mit eina» ^
und vermieden es seitdem, einander zu begegnen. Maw
Sie kein so entsetzliches Gesicht, Georg! — Jch will bloß t §
was so viele Mädchen in meiner Lage alle Tage tun, K §
Stelle als Erzieherin suchen. Mcin Vater würde mir U
Einwilligung dazu nicht geben, deshalb entfernte ich
heimlich aus dem Hause und fuhr nach London. Jch
ohne Geld und muß Sie bitten, mir etwas zu leihen und
eine Wohnung zu besorgen. "

iFortsetzung folgt.)
 
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