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Heidelberger Zeitung (45) — 1903 (Juli bis Dezember)

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Nr. 150 - 176 (1. Juli 1903 - 31. Juli 1903)
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https://doi.org/10.11588/diglit.11499#0103
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Mmch, iz. W ISV. Zweites Blatt. I.i. zihr«.-N lör.

Vrscheint täglich, SonntagS auSgenommen. Preis mit Famllienblätten« monatlich 00 Pfg. in'» Hau» gebracht, bei ber Expedttion nnd den Zweigstationen abgeholt <0 Pfg. Durch di» Psir

bqogm vierteljährlich 1L5 M!. auSfchNrßkch Zustellgebühr.

AnzeigenpreiS: 20 Pfg. für dte Ispaltige Petit,eile »der dere« Raum. Reklamezeile 40 Pfg. FLr hiefige SeschSftS. und Privatanzeigen ermäßkgt. — FSr die Aufnahme von Ansei^«
an bestimmten Tagen wird keine Berantwortlichkeit übernommen. — Anschlag der Jnserate auf den Platattafeln dcr Hridelberger Zeitung und den stSdtischen Anschlagstellen. Fernsprecher 82.

^er Pommernbankprozeß und die Voden-
fpekulatiön.

Der Prozeß gegen die Pommernbank hat nicht nur
>Ür Bankleute, Juristen nnd Volkslwirte erhebliches Jnter-
^se, sondern auch für den sozialpolitisch Jnteressierten.
^srade jetzt, wo auch seitens der Regierung der Wohnungs-
^age größere Aufmerksamkeit zugewendet wird, deckt dieser
"rozeß wieder einmal die Schäden der Bodenspekulation
?uf. Käum irgendwo ist so deutlich sichtbar, wel-che für die
^olksgesundheit schädlichen und für die Verbesserung der
^ohnungen hinterlichen Wirkungen unsere großstädtische
'oodenspekulation hat. Der Prozeß zeigt eine fort-
ÜÄHrende Hin- und Herschiebung von Grund'ftücken. Da-
s'oi wird der Preis immer von neuem gesteigert, während
M bei keinem der Beteiligten auch nur ein Schimmer von
^orantwortlichkeitsgefühl dafür regt, daß der Boden in
"kn Großstädten in allererster Linie zur Anlegung ge-
>Under und nicht zu teurer Wohnungen verwertet werden
'ollte. Zur selben Zeit, als in Berlin eine Wohnungs-
!sot von nie gekanntem Umfange herrschte, die es nament-
"ch kinderreichen Familien sehr schwer machte, überhaupt
Wohnungsunterkommen zu finden, ließen die Pom-
^ornbank und die mit ihr zusammenhängenden Zweig-
oanken und Bodenspekulanten in der nächsten Umgebung
^orlins weite Gelände nnbebaut liegen, weil einsichtige
'llaininternehmer den hohen Phantasiepr-eis nicht bezahlen
^ollten, der gefordert wurde, oder die Grundstücke wur-
foa wirklich zu exorbitant hohen Preisen verkauft und die
^fieten mußten abermals steigen. Nur bei wesentlicher
k'inschrdnkung dieser Bodenspekulation wird es möglich
^in, in Verbindung mit gesetzlichen Maßnahmen das
, "^ohnungselend zu lindern.

Deutsches Reich.

. '— Tie täglichen Venchte über die B örse lauten

Tag zu -Tag t r o st l o s e r. Gewiß ist für ihren Ver-
?hr die sommerliche Stille nicht ohne Einfluß geblieöen,
^oesse^ ist poch auch nicht zu verkenncn, daß es diesem
^ orkehrsinstitut an der nötigen Bewegungsfreiheit ge-
^scht. Eine leistungsfähige und selbständig arbeitende
°ose ist riber für jedcn Staat ein unentbehrliches Ding,
namentlich in Zeiten Politischer Verwicklungen würden
chwere Einbußen nicht ausbleiben, wenn bei den gesteiger-
Bedürsnissen des Geldmarktes die heimische Börse ver-
^9on sallte. Deshalb wird sich die Jnangriffnähme der
. o f o r m d e s B ö r s e n g e s e tz e s auf die Dauer nicht
der Hand weisen lassen.

Preußcii.

^ Neuerd-ings sind von der preußisch-hessischen Eisen-
ohnverwaltung 538 Personen- und Gepäckwa-
k o n, sowie 3920 Güterwagen verschiedener Gattung
,Bestellung gegeben. Von den ersteren entfallen 65
n Ü den Bezirk Köln, 46 auf Stettin, 43 auf Breslau,
auf Erfurt, 32 auf Hannover, 30 auf Mainz, der Rest
^die übrigen Direktionsbezirke, am wenigsten auf Ber-

lin und St. Johann-Saarbrücken mit je 10 und auf Brom-
berg mit 6 Wa-gen. Von den 3920 Güterwagen sind 780
für Breslau, 475 für Bromberg, 780 für Köln, 806 für
Essen a. d. R., 680 für Hannover und 500 für Magdeburg
bestimmt.

— Jn den Kreisen der Jndustrie wer'den mehrfach- die
Kostenzu hoch gefunden für die U n t e r s u ch u n g des
indasJnland eingehenden Fleische.s.
Sobald ausreichende Erfahrungen über den Umfang der
vorzunehmenden Prüfungen gemacht sind, wird in eine
Nachprüfung der bezüglichen Kostensätze eingetreten
werden.

Aus Stadt und Land.

Sterblichkeitsbericht. Nach dem untcrni 10. d. M.
herausgegebenen Beröffentlichungen des Kaiserlichen Gesund-
heitsamtes zu Berlin über die Gesamtsterblichkeit in den 306
dcutschen Städten und Orten mit 16 000 und mehr Einwoh-
nern während des Monats Mai d. I. hat dieselbe — auf je
1000 Einwohner auf den Zeitraum eines Jahres berechnet —
bctragen: 1. weniger als 15,0 in 64, 2. zwischen 15,0 und 20,0
in 141, 8. zwischen 20,1 und 25,0 in 79, 4. zwischen 25,1 und

30.0 in 17, 5. zwischen 30,1 und 35,0 in 11 und 6. mehr als

35.0 in 3 Orten. Die geringste Sterblichkeitsziffer hatte in
dem gedachten Monate die Stadt Naumburg mit 9,9 und die
höchste die Stadt Greifswald mit 40,1 zu verzeichnen. Jn den
Städten und Orten des Großherzogtums Baden mit 15 000
und mehr Einwohnern sind folgende Sjerblichkeitsziffern für
den Berichtsmonat ermittelt worden nnd zwar: Jn Offenburg
12,2, Mannheim 17,1, Pforzheim 19,5, Konstanz 19,9, Karls-
ruhe 20,7 lohne Ortsfrcmde 19,3), Baden-Baden 23,0, Heidcl-
berg 24,1 sohne Ortsfremde 17,4) und in Freiburg 26,0 (ohne
Ortsfremde 19,9). — Die Säuglingssterblichkeit war im
Monate Mai d. I. eine beträchtliche, d. h. höher als ein Drittel
der Lebendgeborenen in 9 Orten, dieselbe blieb unter einem
Zehntel derselbcn in 87 Orten. Als Todcsursachen der wäh-
rend des gedachten Monats in unserer Stadt zur standesamt-
lichen Anmeldung gelangten 94 Sterbefälle — daruntcr 20
von Kindern im Alter bis zu 1 Jahre — sind angegeben: Diph-
therie und Croup 2, Untcrlcibstyphus 2, Lungenschwindsucht 13,
akute Crkrankungen der Atmungsorgane 9, Brechdurchfäll 2,
alle übrigen Krankheiten 62 und gewaltsamer Tod 4. Jm
Ganzen scheint sich der Gesundheitszustand gegenüber dem Mo-
nate April d. I. in geringem Grade verschlechtert zu haben.
Die Zahl der in unserer Stadt während des Monats April
d. I. zur standesamtlichen Anmeldung gelangten Geburten hat
— ausschließlich der vorgekommenen 5 Todtgeburten — 140
betragen; dieselbe hat die Zahl der Sterbefälle 94 um 46 mit-
hin überstiegen.

Mannheim, 12. Juli. (V o m 18. Kongreß der A l l-
gemeinen Radfahrer - Union.) Die Preisvertei-
lung hatte folgendes Ergebnis:

1. Nieberrad-Reigcnfahren: 1. Pr. V.Cl. Straßburg i. E.
mit 17,37 Punktcn. 2. Pr. V.Cl. Schiltigheim i. E. mit 16,67
Punkten. 3. Pr. R.V. Hagcnau i. E. mit 13,64 Punkten. 4.
Pr, R.B. „Schnecke" Köln a. Rh. mit 8,14 Punkten.

2. Meisterschaft im Neigenfahren: V.Cl. Schiltigheim i. E.
mit 117,54 Punktcn.

3. Gruppenfahren: Ehrenpreis: Geschwister Salverno-
Trier.

4. Niederrad-Kunstfahren um dic Meisterschaft der Union:

1. F. Lockhorcen-B.-Gladbach mit 57,24 P. 2. Eugen Pfeiffer-
Schw.-Gmünd mit 35,45 P.

5. Radballspiel: 1. V.Cl. Schiltigheim i. E. 2. Haupt-Kon-
sulat Nürnberg. 3. V.Cl. Straßburg i. E.

Beim Preis- und Blumenkorso trugen Preise davon:

, /c. Große Unionsvereine mit Konsulate: 1. Pr. Konsulat

! Pforzheim mit 11,27 P. 2. Pr. Konsulat Franksurt a. M.
: mit 9,27 P. 3. Pr. R.G. „Wormatia" Worms mit 8,73 P. 4.
s R.V. „Germania" Kaiserslautern mit 8,58 P. 5. Konsulat
i Ludwigshafen mit 8,10 P. 6. V.Cl. Stratzburg mit 7,96 P.
i — Für Blumenschmuck: 1. Preis Frankfurt. 2. Pr. Pforz-
heim.

L. Unions-Vereine und Konsulate mit weniger als 20 Fah-
rern: 1. Pr. R.V. Hagenau i. E. mit 11,53 P. 2. Pr. „Rhe-
nania"-Ludwigshafen mit 11,03 P. 3. Pr. Konsulat Stutt-
gart mit 10,36 P. 4. Pr. R.B. Bretzenheim mit 10,07 P. 6.
Pr. Konsulat Nürnberg mit 9,02 P. 6. Pr. R.V. Speyer mit
9,73 P. 7. Pr. Konsulat Köln mit 9,66 P. 8. Pr. V.V. Heidel-
berg mit 8,73 P. Für Blumenschmuck 1. Pr. Hagenau. 2. Pr.
Spcyer.

Q. Nicht der Union angehörige Vereine mit mehr als 20
Fahrern: 1. Pr. „Fröhlichkeit"-Neckarau mit 7,77 P. 2. Pr.
„Germania"-Lahr mit 7,65 P. 3. Pr. „Gerrnania"-Mann-
heim mit 7,57 P. Für Blumenschmuck: 1. Pr. Lahr, 2 Pr.
Mannhcim.

v. Richt der Union angehörige Vereine unter 20 Fahrern:

1 Pr. V.Cl. Schiltigheim mit 10,18 P. 2. Pr. R.Cl. Villingen
mit 9,41 P. 3. Pr. „Teutonia"-Frankfurt a. M. mit 8,47
P. 4. Pr. „All-Heil"-Tauberbischofsheim mit 8,16 P. 5. Pr.
R.V. Bretten mit 8,47 P. 6. Pr. „Badenia"-Grünsfeld mit
7,97 P. 7. Pr. M.R.B. Speyer mit 7,06 P. 8. Pr. R.G. Hei-
delberg mit 7,60 P. Für Blumcnschmuck: 1. Pr. Dietlingen,
2. Pr. Mundenheim.

O. Gruppen: 1. „Düsseldorpia"-Düsseldorf mit 10?h P.,
2. Konsulat Dessau mit 10Vs P. 3. B.V. Heidelberg mit 6
P. 4. Prestinari-Kunkel-Mannheim mit 4s/g P.

t?. Einzelfahrer: 1. Weßbecher-Ettlingen mit 14,47 P. 2.
Beeser-Celle mit 14,92 P. 3. Kettler-Mannheim mit 14,25
P. 4. Pr. Lux-Ludwigshafen mit 5 P. 5. Orelli-Waldhof.

O. Motorzweiräder: R.V. Neckarsulm.

H. Geschmückte Motorfahrräder: 1. Preis Gebr. Seifert;
2. Pr. Aßmann.

j. Geschmückte Motorwagen: 1. Pr. P. Dußmann. 2. Pr.
Frau A. Neidig. 3. Pr. Gg. Fuchs jr., 4. Pr. Gmelin. 5.
Pr. Friedle.

St. Blasien, 12. Juli. (K u r g a st.) Jm Hotel und Kur-
haus ist der Forschungsreiscnde und Schriftsteller Herr Eugen
Wolf zum Kurgebrauche abgestiegen.

X Bonndorf, 12. Juli. (Verhaftet.) Der Besitzer
der zur Gemeinde Stanfen gehörrgen Heidenmühle, A. Ber-
nauer, wurde verhaftet und in das Amtsgefängnis verbracht.
Er ist verdächtig und zum Teil geständig, sein Änwesen in
Brand gesetzt zu haben, weil er sich in bedrängten Vermögens-
verhältnissen befindet. Das Feuer konnte aber von Vorüber-
gehenden wieder gelöscht wcrden, ohne daß ein nennenswerter
Schaden cntstand.

Vom Bodensee, 12. Juli. (FürdiebayerischeBo-
dens ee-Dampfschiffahrt) soll ein n e u e s S a l o n-
dampsboot gebaut werden, das den Namen „Ltndau" er-
hält und die übrigen bayerischen Schiffe an Fahrgeschwindigkeit
übertreffen soll. Der Neubau, der 280 000 Mk. erfordert,
erfolgt, um die Konkurrenz mit den badischen, österreichischen,
schweizerischen und württembergischen Schiffen besser bestehen
und auch mit der Gürtelbahn erfolgreicher in Wettbewerb tre-
tcn zu können.

Bom Bodensee, 12. Juli. (EinStreikderPolizei)
ist nichts Alltcigliches. Jn Bregenz erklärten vier Stadt-
polizisten dem Bürgermeister, sie würden den Dienst aufgeben,
wenn nicht ihr kürzlich angestellter Führer, ein Tiroler, der
ihnen, wie es scheint, etwas zu sehr auf die Finger sieht, wieder
entfernt würde.

Aus Baden. Der PenstonSanstalt deutscher Journalisten
und Schriftsteller in München ist vom Stadtrat Freiburg
ein einmaliger Kostenzuschuß von 200 Mk. aus der Stadtkasse
bcwilligt worden.

Jhr Hochzeitstafl.

Skizze von A. M. Witte.

(Nachdruck verboten.)

lljK/ESas Gott zusammcngefügt hat, das soll dcr Mensch
tztjä Icheiden." Ernst und feierlich erklang des Priesters
^ast nnmerklich zucktc dic junge Braut zusammen.
dxZ TSroßen dunkeln Augen glitten scheu über dis hohe Gestalt
tzen s^annes, dem mit dem Ja vor deni Altar sie sich zu eigen
A-eist ' heilige Ernst der Stunde mochte sie so er-

tönte wieder. Jn hohen Klangwellen braus
tzix^>ubelnde Dankeshymne durch die gewölbten Mauern di
sistlD ^ der Gesang verstummte. Der Küster nahte de:

zog die Stühle des jungen Paares zurück. Ein letzü
^ Braut traf die segnende Christusgestalt, dann legte s
zogernd den Arm in den des Gattcn.

"ufhörlich tönten die Worte in ihr nach: Was Gott zi
Ustrigefiigt hat, das soll der Mensch nicht scheiden! —
n öuvor war ihr die Größe dcs Schrittes, der sie über d
Vaterhauses führte, so klar gewesen. Nie zuvc
^Nn > sie so ernst die Bedeutung der Formel: Es scheide Em
Tod! Sie sah nichts von den neugicrigen Blicken de
Rauer, hörte nichts bon den verschiedenen Segenswünschei
zuflüstertc. Ernst und bleich schritt sie an de
sU arn Arm dem Ausgange zu.

iLuch denn der Tod!" Sie war so jung, kaur
siiii i ^ Leben konnte unter Umstünden so lan

'ä S^bunden — für ewig, — durch freie Wahl. Nie
bräutlichen Gestalt in dem langschleppender
^llewande nachblickte, konnte ahnen, wie laut, wi
nch chx ygZ Herz schlug.

so blaß, Magda, bist du krank?" Liebevoll zog de
^ der jungen Frau an seine Lippcn. Ein dank
beschlich sie, daß er ihre Schwcigsamkeit s

„Jch habe etwas Kopfweh." — Es war kein Lügen. Jhr
Kopf brannte, wie im Fieber.

„Armes Kind!" Teilnehmend sah er sie an, „dann sprich
lieber nicht. Hoffentlich geht es bald vorüber." Sie nickte.
Schweigen war ihr eine Wohltat. Sie hätte auch nicht zu
sprechcn vermocht. Der Hals war ihr wie zugeschnürt. Wie
ein Blitz zog das letzte Jahr ihres Lebens an ihrem Geistesauge
vorüber.

Ein leiser Seufzer stahl sich auf ihre Lippen. Sie dachte
nicht dessen, der an ihrer Seite saß — ste dachte an Heinz Ded -
derseq, dem ihres jungen Herzens erste Neigung gegolten. —

Auf ihrem ersten Ball war sie ihm zuerst begegnet. Seit
jener Zeit traf sie ihn überall. Auch in ihr Elternhaus war er
gekommen. Man sagte, er weile so lange in der Stadt, um die
landwirtschaftliche Hochschule zu besuchen. Sie wußte es besser.
Sie las in seinen Augen, welcher Magnet ihn fesselte. Versunken
war die-ganze Welt für sie. Nur ein Wunsch beseelte ste, ihn
zu besitzen. Nichts von der weiten großen Gotteserdc — nur
ihn allein! —

Auf einem Gartenfeste war es. Die meisten Gäste hatten
sich schon verabschiedet. Sie stand allein mit ihm auf der
Terrasse. Die Mondnacht hatte alles in weichen Duft gehüllt.
Stumm schauten sie auf die ahnungsreiche Natur. Da hatte
er mit sanftcm Druck ihre Hand umschlossen. Sie ließ es ge-
schehen. „Wollen Sie Vertrauen zu mir haben?" flüsterte er,
„Jhrem Wappenspruch zufolge — „Ueber alles die Treue"!?"

Jn diesem Augenblick rief man ihren Namen. Die Eltern
suchten sie, um fortzufahren. Etn schüchterner Druck der Hand.
— Ein lehter tiefer Blick von Auge zu Auge.--

Vergebens erwartete sie am andern Tag seinem Besuch.
Er blieb fort. Am Abend erhielten die Jhren einen kurzen
Abschiedsbrief von Deddersen, eine Depesche rief ihn an daö
Krankenbett seines Vaters. Dann hatte sie nichts mehr von
ihm gehört. Seine Heimat wgr an der russischen Grenze.
Wer sollte ihr von dort Kunde gebcn! Einzelne Bekannte gaben
rhrem Erstaunen Ausdruck, daß der junge Mann wie cin

Meteor wieder verschwunden. Taktlose Menschen fragten, ob
sie den „Verehrer" sehr vermisse. Da regte sich ihr Mädchen-
stolz. Tief im Jnnern verletzt über sein Schweigen, war ihr,
als sei etwas in ihrem Herzen erstorben.

Bald danach lernte sie ihren jetzigen Gatten kennen. Er
arbeitete als Assessor unter ihrem Vater. Er suchte ein häu-
figes Beisammensein mit ihr, wie einst Deddersen. Nach acht
Wochen bat er um ihre Hand. — Die Eltern ließen ihr freie
Wahl. Um der Welt und Deddersen, falls ste ihn jemals wie-
dersehen würde, zu zeigen, daß sie ihm nicht nachtrauerc, gab
sie ihr Jawort. Der Verlobung folgte ein kurzer Brautstand.
Jetzt trug sie einen anderen Namen, einem andern hatte- sie
Treue gelobt. Muß man sie wirklich halten bis zum Tode, wie
der Geistliche gesagt?

Der Wagen hielt. Wie im Traume ließ sie alle Glück-
wünsche und Umarmungen über sich ergehen.

Endlich ging es zu Tisch. Magda vermochte nichts zu essen.
Sie konntc kaum auf die besorgten Fragcn, die ihrer erschrecken-
den Blässe galten, antworten. Es schien ihr eine Erleichterung,
als der Geistliche das Wort zur Tischrede ergriff. Er legte
ihr den alten Spruch der Familie zu Grunde: Ueber alles die
Treue! Er hob hervor, daß die hervorragende Tugend der
alten Germanen, welche einst die römischen Cäsaren bewogen,
ihre Leibwachen aus den Deutschen zu wählen, alle Glieder die-
ses Geschlechtes ausgezeichnet. Er gedachte jener Familienmit-
glieder, die auf verschiedenen Schlachtfeldern ihre Treue mit
dem Tode besiegelt, eines heldenhaften Sprossen, der, um sei-
nen Posten nicht zu verlassen, tapfer und kühn in das Wellen-
grab gesunkcn, und erinnerte daran, daß auch alle Frauen
und Töchter dieses Hauses die alte Germanentugend allezeit
hochgehalten, als ihr bestes Gut. „Auch Sie, teure Braut!"
schloß er seine Rede, „sind bon nun an in Treue eins mit dem,
der in Jhnen sein höchstes Kleinod, sein treues Weib sehen
darf, ob Glück, vb Leid den gemeinsamen Lebensweg umzieht."

(Schluß folgt.)

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