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Heidelberger Zeitung (46) — 1904 (Januar bis Juni)

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Nr. 51-77 (1. März 1904 - 31. März 1904)
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Dielckag, I. Mrz I8V.

lKvstes BLsrtt.

46. ZahWSg. — M 51.

Erscheint täglich, Sonntag« aukgrnommen. Prei» «it FamilientlLtter» monatlich SV Pfg. in'» Hau» gebracht, bei der Expedttion und de« Zweigstationen abgeholt 40 Pfg. Durch di« V»K

b-»o^n vierteljährlich 1,3ö Mk. au,schlietzlich Zustellgebühr.

KnreigenpreiS: 30 Pfg. für die Ispaltige Petitzeile »d« dere« Raum. Reklamrzeile 40 Pfg. Für hiefige SeschästS- und Privatanzeigen ermätzigt. — FSr die Aufnahme von Anzeigm
»n bestimmten Tagen wird keine Verantwortlichkeit übernommen. — Snschlag der Jnserate auf den Plackattafeln der Heidelberger Zeitung und den städtischen Anschlagstellen. Fernsprecher 8S.

Deutscher Reichstag.

Berlin, 29. Febr.

Weiterberatung des Iustizetats. F r e md e u-
^echt.

^ Die ganze siebenslündige Sitzung drehte sich um den
^önigsbergcr Geheinibimdprozeß. Dabei spielte sie sich
^ recht leeren Bänkcn ab.

Abg. M ü l l e r - Meiningen (freis.) schnitt das Thema an.
N dem Königsberger Prozeß und in der Duldung eines russi-
Mn Bemntcn aber zur Ucberwachung crblickt er eine Licbe-
si^nerei gegen das despotische Rutzland. ^Seine Angrifse habcn
Veraulassung, datz hinter einander die Minister Schön-
»Ddt und v. Hammerstein und der Staatssekretär von
s.-sichthofen antworteten. Alle drei kühl und formell. Es
^si iein Gesetz verletzt worden, es ist alles irn Wege Rcchtens
jsiichehen, sowohl im Königsbierger Prozetz, w!e bei der Ueber-
^tzchung uud ben Ausweisungen. Der Minister des Jnuern
nichts von russischen Agenten autzer dem einen Beamtcn,
k>- 5?Elarte noch einma'l, alle Behauptungen der Sozialdemo-
^ mie iu dicser Bcziehung für unerwiesen und nicht beweisbar,
^^nete aber an, datz die Sozialdemokratie Agenten unterhaltc,
^ wuch fremde Bricfe in ihre Gewalt bringen mützten.

^ Dft ?sbg. Satiler (natlib.) und Spahn (Zentr.) bc-
usichn die Verpflichtungen des Gastrechts, denen aber ebenso
arke Verpflichtungcn der Gäste gegenüücrstehen.

Das Hauptdueli spielte sich zwischen Bebel, dcr gcgcn
i,?) "Schergendienst" der preutzischen Regierung loszog, und
Reichskanzler ab. Letztercr führte aus: Alles, was
i^geu angcbliche Liebedienerei des Rcichs gegeu die russisckie
iiFlllerung gesagt worden sei, entsprcche nicht der Wahrheit.

Sozialdcmokratie habe sich an dem Vertrieb der russischcu
^siiften betciligt nnd unter diesen Schriften befanden sich
j^isinde terroristischer und anarchistischer Natur. Die frem-
Studentcn werden bei nns ebenso behandelt, wie die ein-
s^-tzsischen; was sie aber tun dürfen oder nicht, das zu ent-
I >°wcu nur A^g^xung zu und nicht fremden Nihi-
uud ihren Beratern und der sozialdemokratischen Partei.
Üä> öiese fremden Nihilisteu ir-ieder eiumal mausig machen
yls.in der lctzten Zeit, so werde er dafür sorgen, datz solche
AZp-k ausgewiesen werdcn. Jn keinem cmdercn Lande der
werde eine solche Aufführung wie die der Herren Man-
^itnrnm und Silberfarb (grotze Heiterkeit) geduldet werdcn.

es am Platze ist, Dnldüng für solche, die sich au-
^ betragen! Aber soweit sind wir in Deutschland nocki
sch, .chekommen, datz wir uns von solchen Schnorrern und Ver-
^^°rern ctwas gefallen zu lassen brauchen. Der Zwcck de

der

Bemühung ist auch nur der, uns mit Rutzland zu ver-
^>5 Revolution und den Krieg zn entfeffcln. Wir wer-
.^rhindcrn, datz von dcutscbem Gebiete aus solche Trei-
betrieben werden und toir wcrden unsere vertraucns-
iHi/si friedlichen Beziehungen anfrcchk erbalten, die uns jetzt
anderen Staateu verbinden. (Lebhaftcr Beifall.l
sig tach eincr Reihe versönlicher Bemerkunaen wurde der Au-
?d>^öer Sozialdemokratcn auf reichsgesetzliche Regelung dcs
"idenrechts abgelehnt.

4um Tod des kleinen Prinzen Heinrich.

26. Febr. Der Zustand des erkrankten
U,.,^öei.i Heinrich verschlimmerke sich gestern se'hr. Die
stellten eine erhebliche Steigerung des Fiebers und
htz^?'öiiftreten schwerer allgemeiner Krämpfe fest, die noch
De^o.^tlldauerten. Nachmtttags trat dann der T o d ein.

Prinz verschied sanft nach fast dreiwöchigem
.^serislager. Die Kteler Bürgerschaft teilt aufs
tzx, 'Est^llste die Trauer 'des so sehr beliebten Prinzen-
Es Der heute verstorbene Prtnz war am 9. Jannar

Sechftes Konzert des Bachvereins.

^^rige Schlutzkonzert des Bachdereins war „historischer
uud „Novitäten-Abend" zugleich, denn die drei klas-
hicht ^^risterwerke, die das Programm, umfatzte, erlebten
°>ist isi- ihre erste hiesige Aufführung, sondern gehören anch
siiih den allerseltenstcn Gästen in deutschen Konzertsälen.
Hei stuii .dveicn ist das überaus bedauerlich, denn alle
ikrdient ^^rdig der grotzen Namen ihrer Schöpfer, alle drei
üum eisernen Besitzstand unserer konzertierenden
ön gehören — auch d-ie Cantate, obwohl dem
nur cine einzige Choralstrophc, die aber im Tonsatz

Tex öuMt.

^-dnr-Messc, die Beethoven nnter der Wecknummer
Are U-Mge-beu, steht in der Wertschätzung der Musikwelt
eDiess^ b?unz -ande-rs geartete Ricsenschwester in D-dur, die
irn Wcge. Das ist nngerecht. Denn, zeigt
?uUeK z.^uicht die stilistische Vollendung jcnes Monumental-
>n des Meisters Schaffen den gewaltig r-agenden
irüü si^ uuch an den Messetext mit ganz andereu
so ist sie doch nicht minder reich -an Schön-
iMrn, ''-sR«sten Beethovens" und bletbt an Jnnigkeit nnd
Ausdrucks nicht hinter anderen We-rken der gleichen
^ir seb?^' ^twa hinter dem „Fidelio", zurück. Jch bin
-en»- öl bewntzt, was ich damit sage, wenn ich auch bis
'^zuc, v ^5" ?^end- die Messe nur sehr slüchtig im Klavier-
i> Die hnttc, und nicht ahnte, was darinsteckt.

7>>Ng i,u^^--?-viptische Grötze, die der D-dnr-Messe in Erfin-
Äfn sinz Gepräge gibt, fehlt n-atürlich. Jhre For-

^Zßderbz,, -' tnapper, ab-er sic müssen es sein, da sonst ein
. zwischen Form und Jnhalt unvermeidlich
I wic^. stsitindung ist nämlich von ebenso -grotzer Einfach-
Fr s^,„^rzllchkeit. So zeizt die fast Hahdn'sche Diktion vie-

Heidelberg, 1. März.

si sie'-ba! >>sdem wohllautgesättigten „Benediktus" Züge,
iparer für die gcistliche Musik Franz Liszt's kennzeich-

1900 geboren, als scin Bnter no-ch in Ostasien weilte.
Prinz Heinrich hatte tnrz oorher, am 4. Januar 1900,
den Oberbesehl iiber das ostasiatische Kreuzergeschwader
abgegeben und bereitete sich in Singapore auf die Heim-
reise vor. Dort erhielt er die srohe Botschaft von der
Geburt des dritten Sohnes. Nach der Heimkehr sand
am 16. März im Sch'losse die Taufe mit großer Feierlich-
keit statt. Der Kaiser war dazu eingetroffen. Als
Pateu wareu außerdem die Großherzöge von Hessen uud
Oldenburg, der präsidierende Bürgermeister Dr. Leh-
mmin für die Freie unö Hanseftaldt Hamburg, Kapitän
z. S. v. Müller für das Offizierkorps des kurz vorher
hoinrgekehrten prinzlichen Flaggschiffs Deutschlands er-
schieuen. Auch der Reichskanzler Graf Bülow uud der
Staatssekretär v. Tirpitz wohnten der Feier bei. Der
Kaiser hielt den Täufling während des Aktes und gab
ihn dann an die Prinzessin Heinrich zurück. Der Kleine
wuchs und gedieh und war die Freude der Gltern. Fast
tägli-ch, so schreibt man der „Köln. Ztg.", sah man den
blüh>enden, pausbackigen Priuzen durch die Kieler Stra-
ßen fahren. Am 10. F-ebruar ereilte ihn im Schlosse der
Unfall, von dem er sich nicht wieder erholen sollte, Auf
dem Schlosse weht jetzt die Flagge halbstocks. Tiese
Trauer herrscht in den Räumen, die bisher das glück-
lichste, ungetrü'bteste Faniilienlebeii bargen.

Kiel, 29. Febr. Gestern Vormittag 10 Uhr fand
die feierliche Uebers ü h r u n g der Leiche des
Priuzen Hei n r i ch vom königlichen Schlosse nach
der Nikolaikirche statt. Vor dem Leichenkondukt schritt
eine Abteilung Matrosen mit geschultertem Gewehr sowie
eine Abteilung Seesoldaten. Hinter 'dieseu trugen
F-ähnriche z. S. den weißen ^Darg, der die Leich-e des
Prinzen Heinrich b-arg. Dem Sarg solgten der Groß-
herzog von Hessen, Prinz Heinrich, Hoschargen, Angsstellte
und 'die Dienerschaft des Schlosses. Auf dem Wege vom
Schloß durch die Dänische Straße über den Markt bikdete
die Mannschaft der Kieler Garnison Spalier. Hmter
dieser drängte sich eine zahlreiche Menschenmenge, welche
den Zug an sich vorüberziehen ließ. Bei der Ankunft in
der Nikolaikirche läuteten die Glocken und der Sarg
wuvde vor dem Alt-ar niedergestellt. Als auch die Prin-
zesfin Heinrich mit Gefolge zu Wagen eingetrofsen war,
fand eine kurze Trauerfeier statt.

Kiel, 29. Febr. Heute Vormittag fmid in der
Nikolaikirche die von Probst Becker goleitete Trauerfeier
der Beisetzung des jungen Prinzen Hein-
r i ch statt. Um lls^ Uhr erschien der Kaiser, Prinz und
Prinzessin Heinrich von Preußen, der Großhcrzog von
Hessen und die Frau Prinzessin von Battenberg. Mit dem
Chorgefcmg „O Haupt voll Blut und Wuuden" begann
der Trauergottesdienst, cm den sich die Einsegnung der
Leiche schloß. Nach der Einsegnung trugen 12 Fähnriche
zur See den Sarg in die Totenkapelle, wo er vorläufig
beigesetzt wurde. Nachdem die Herrschaften ein stiües
Gebet in der Kapelle verrichtet hatten, verließen sie dis
Kirche und begaben sich ins Schloß zuvück.

nend sin-d nnd mach't diesen Tonfatz in seiner einsachen innigen
Schönheit zu einer Art Bindeglied zwischen der „Schöpfung!"
und der „Graner Messe."

Herr Prof. Dr. Sittard, der sich- noch kurz vor seinem, Tode
durch scine Kritik des HeideÜerger Musikfestes einen gcmz ge-
wissen Grad von Unsterblichkeit gesichert hat, h-at einen „Mu-
sikführer" zu der Messe geschrieben, der wohl gestern in aller
Händc gewescn ift und so ein Eingehen auf die Einzelheiten
des Werkes erübrigt. Es sei mir nur gestattet, auf einige Ein-
zelschönheiten noch hinzuweisen, die in der Analhse zu knrz
kamen, weil deren Verfasser in knappem Raunr einen Idm-
barra!; cks rickes8e zu bewältigen hatte. Da mutz ich insbeson-
dere dcr obstinaten bangen Seufzer der Holzbläser im Mise-
rere, der Pizzikato-Ueberleitunz zum Ouoniarn tu solus"
mit dem unmittelbar anschließenden Holzbläser-Vorspiel, sowie
der kühnen Ausweichungcn am- Schlusse des zweiten Satzes ge-
denken. Die quellende Melodik und Stimmführung des „In-
carnLtus" 'hat mit der trcmszend-entalen Mhstik der hohen
Meffe an dieser Stelle nichts gemein, Beetho-

ven finde-t aber doch auch schon h-ier beim

„Kruzisixus" cinen ergreifenden Ansdruck des Schmer-
zes. Mit großer Feierlichkeit malt er die Pracht und
Herrlichkeit des „secket ack ckexteram" aus. Ebenso pompäs
wtrkt der Orgelpnnkt am Schlusse des Credo, um so mehr,
nach der vorhergehenden Stelle (et vitsm), die ziemlich rück-
wärts schaut.

Am Schlusse des Scmctus verdient die reizvolle Rückle-itung
nach A-dur -Erwähnug. Jnr „Agnus" ist die schlichte Lieblich-
keit der Episode „Oona nobis pacem" interessant im Gegen-
satz zu der Parallclstelle iu der dlissa solemnis, an der Beetho-
vcn cin-gedent des „8i vis pacem, para bellum" eine Art
Kricgsfurienentfesselung vornimmt. Wenn- auch die C-dur-
Messe noch die stilistischen Merkmale des ersten „Versuchs"
auf geistlichcm Gebiete trägt, crfaßt ste doch ihre Aufgabe mit
Bcethovcnschem Ernst und Tiefsinn und —- von einer damals
uncrhört neuen Seitc, so daß Lie Wirkung ihrer crsten Auf-

Deutsches Reich.

— Z u r U n t e r o f f i z i e r s r a g e ist dem Reichs-
tage eine Resolution d-er nat.-lib. Abgeovdneteri v. Heyl
und Genoss-en zugegangen, die verbündeten Regierungen
möchten in Erwägung darnber eintreten, inwieweit die
Gewinniing einer ansrcichenden Zahl von Nnterofft-
zieren für Arniee und Ftotte durch Ueberbürdung
der emzelnen in Folge nngleichmäßiger Verteilung der
dieiistlichen Obliegenheiten un>d durch unzuläng-
Iiche Löhnungs verhältnisse erschwert ist, um
tnnlichst bald V e r b e s se r u n g s v o r s ch l ä g e an den
Reichstag gelangen zu lasfen.

Badcn.

-Bam m entha I, 28. Febr. Der national-
tiberate Verein Bammenthal-Reilsheim hielt
heute im Saale zum „Deutschen Reich" eine öffentliche
Versammlung a'b, welcher Herr Professor Quenzer
aus Heidelberg anwohnte. Die Versammlung war von
etwa 130 Zuhörern aller Parteien besncht. Der Vor-
stand, Ratschreiber Laue r, begrüßte die Mitglieder und
die Parteifreunde sowie die anwesenden Btitglieder an--
'derer Parteien, deren Besuch stets willkonimen sei,
und hob hervor, 'daß es sehr erfreulich sei, nicht
allein bei Wahlen die Herren unserer Parteileitung
kennen zu ternen, sondern daß wir auch in anderen
Zeiten in enger Fühlung durch Whaltung von Versamm-
Inngen mit ihnen bleiben. Hierauf ergriff Herr Professor
Qnenz e r das Wort zu einem Vortrag über die jetzig«
politische Weltlage nnd den russischi-japanischen Krieg.
Redner wußte die Zühörer dur-ch seine sehr interessanten
humorvollen Ausinhrungen und Darstellungen volle ^/»
Stund-en an sich zu sesseln. Seine Worte wuvden mit gro-
ßem Beifall aufgenommen. Auf Anregnng der Versammo
tung ergriff Prof. Quenzer noch einmal das Worr, um
über die Stellungnahme der nationalliberalen Partei zur
Wahlreform zu sprechen, da aber erst 'heute der Landes-
ansschuß in Karlsruhe zur Erledigung 'dieses Prmktes
zusammengetreten ist, so konnte er nur seine p-ersönliche
Stellung zu dieser Frage zum Ansdruck brin'gen: anch
diese Rede fand lebhaften Beifall. Hierauf d-ankte dev
Vorstand dem Redner für seine sehr lehrreichen Vorträge
unb brachte zum Schluß >ein Hoch auf Kaiser und Groß-
herzog aus, worin die Versammlung begeistert einstimmte..
Wir können den Vereinen anderer Orten die Neran-
staltung derartiger Versammlungen nur empfchlen.

Bayern.

M ü n ch e n , 29. Febr. Bei der 'Gesamtab-

st i m m u n g über das Landtagswählgesetz stimmten 156-
A b -g e o r d ne t e ab, davon 96 mit ja, nämlich das Zen-
trnm, 'die Sozialdemokraten, ferner die Wgeordneten
Gebhard-t (B. d. L.), Lutz (fr. Vgg.) und Köhl (Dem.),.
dagegen stiminten bie Liberaleir und die Freisinnige Ver-
einigung anßer Lutz. Das Gefetz ist sonnt, da die erfor-
derliche Zweidrittelmehrheit fchlt, gesallen.

führuny (13. September 1807) ähnliches Staunen und
„Schütteln, des Kopfes" errsg-t zu häben scheint, wie bei einer
späteren Generation eiwa d-ie Kirchenmusik Franz Liszts.

Der Rest des Prozramnies gehörte ausschlietzlich dem
Schutzpairon des Bachbereins. Die Kantate „Jch bin ein gu-
ter Hirt'", aus den Sonntag lVlisericorckias Oomini gelarigite
in einer Bearbeitung W o l f ru m s zu Gehör, deren Trag-
weite ich nach dem Klavierauszug leider n-icht genügend wür-
digen kann. Wie sehr Bachs, in -der Zwangbesctzung der zu-
fällig erreichbaren Mi-ttel zu Papier gcbrachte, geniale Jm-
provisationen — als welche doch wohl die meisten Kantaten
aufzufassen sind — -der koloristischen Rctusche bedürsen, um zn
neuem Leben crweckt zn wevden, darüber haben mir zahlreichs
Originalaufführungen mit g-anz simpler „pietütvoller" Aus-
führung des Generalbasses die Augen und Ohren geöfsnet. Da
aber die gestcrn gehörte Wolfrumsche Bearbeitung an Kl-ang-
schönh-eit nichts zn wünsch-en übrig lietz, sogar vielfach über-
raschend schün klang, so besitzen wir mindesten-s eine lcbens-
fähige Kantate des Altmeisters mehr. Wieviel in diesem
Fall von der Lebenssähigkeit dem Marbeitcr zukoninit, kcmn ich
nicht entschei-den. Mag sein, datz er nur die Orgelstimme aus-
gesetzt hat, mag sein, datz er die ganze Jnstrument-ation „tin-
giert" hat, jedenfalls war schon allein -die Aufführun-g cine
Tat im Sinne der „Neuen Bachgcsellfchaft", die fich die Nen-
belebung der in der großen Bachausyabe aufgespeicherten
Schätze angelegen sein läßt. Das „Violoncello piecolo" der
zweiten Arie (Alt) scheint der Bratsche übertragen worden zu
sein.

-Aus Bachs kolossales „Magnificat" näher e-inzugehen, darf
ich mir versagen, da ich die Geduld meiner werten Leser nicht
mehr in glcichem Uebcrmaß, wie kürzlich, auf dic Probe stellen
möchte. Die ausgezeichnete Analhsc von Robert Franz.
Lem Restaurateur der Partitur, oder wenigstens die -zeift--
und tcmperamentvolle „Einführung" Wolfrums war ja wohl
in Jedermanns Hand. Das Werk zeigt nns nicht nur d-enl
„Altmeister" ohnc Allonge-Perrücke, sondern bringt in der
 
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