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Heidelberger Zeitung (60) — 1918 (Juli bis Dezember)

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Ne. 215

Heidelberger Zeitung

Samstag, den 14. September -19l8

Fernsprechec^Nr. 82 und' 182

Seite 5

V Takt ist der Verstand des Herzens, Ä
Gützkow
rSSSSSKSASKS Ä TkSSSHSSESiGS

Rohrer war -ganz froher Laune geworden-
..Mems Damen, wenn uh arch blind bin. so
taffe ich mich dach nicht in dis Ense treiben. Auf
den Kopf gefallen bin ick nicht, und die nun von
uns allen geforderte Feststellung ist weiter kein
Kunststück. Ich bin bereit, Fräulein Rademann!"

flck aan, aufrichtig sein soll, so gestehe iM Weich geworden bis auf'die Lippen.

sind Sie, der Blinde, reicher als ich".

..Zu Wiehl!"
Witte, geben Sie ein paar Schritt« weit weg.
Sind Sie es? Dann sprechen Sie bitte ein paar
Worte, tvaawit ich mich auch davon ÄbÄAeuMen
kann".
..Jawohl. Herr Doktor, genügt Ihnen das?"
..Danks. Ihre Stnmne klingt hinreichend ent-
fernt. Und jetzt. Fräulein Bauer greifen Sie mir
flugs an dir« Rase! Jin gleichen Augenblick batte
sich Nobrer auch schon lautlos umaedrebt und Lotte
den Rücken arkebrU
Aber es ardsf ilm niemand an den Hinterkovi
sondern Zwei kleine feste Hände packten ihn an den
Achseln und drohten ibn zur früheren Stellung her-
um.
..So. und Ihre Nase kann ich jetzt wohl in Ruhe
lassen." hörte er Lotte ganz gelassen sprechen.
..Nein, blind können Sie nicht sein. Fräulein
Bauer".
Müde lachten fröhlich auf.
Und lachend kam auch Nora wieder auf sie zu.
SeHsunddrcißigstes Kapitel.
Von diesem ersten Male an fasten sie täglich
ehe Nora uwy> Latte den Heimweg astralen, zu
dritt beisammen, wobei st« der Stätte vergasten,
an der sie weilten, und wöbet auch der Winde an
sein Gebrechen nicht dachte, sondern in stiller
Frobh«t auf Lotte? Wort lauschte.
Eines Tages fragte er Nora: „Sagen Sie,
. Fräulein Radenmnn, das müssen Sie doch wissen,
soweit fühlen Sie ja mit mir, nicht wahr, alles
gönnt man nicht jedem? Ts gibt etwas, was man
' selbst mit dem L-abe» nicht M teuer bezahlt, nur
«in anderer soll es nix gewinnen, «in anderer es
nie' besitzen! Das gibt «s. nicht wahr, das akbt
es? Und das ists worauf sich mein Recht stützen
möchte' das ists, was ich von den Ansichten Ihrer
Freundin' für mich, für mich ganz, ganz allein ge-
winnen will, das Mädchen selbst, das dieses Recht
uns arme Blinde hier lehrt".
Und da fand Nora all ihre Ruhe und Güte
wieder.
„Sie liehen Lotte?" fragte sie lind, wie der
Druck, mit dem sie Rohrers Hand ergriff.
„Mehr als das, wenn die Liebe nicht schon
das Höchsts ist".
„Liebe mit Andacht ist mehr; Vertrauen ist
alles," sprach Nora leise, und ihr Gesicht war
„Kann es denn noch ein Vertrauen zu mir
geben?"
Kraft suchte dieser Mann bei ihr; so durfte sie
sich fetzt nicht an ihre Erinnerungen verlieren.
Schon besann sich Rohrer an seinen eigenen
Worten und Ideen aufzurichten.
„Der morgige Tag kann mich zum glücklichsten
Menschen machen!"
.Dann brauche ich Ihnen nichts mehr zu Wün-
schen. Dann sind Sich der Blinde. reicher als ich".

Gespenster des Glücks
Roman von Alfred MaLerno
(5t. Fortsetzung)
Nora warf Lotte einen fragenden Blick zu. und
vas lunse Mädchen verstand im Augenblick, daß es
noch einmal, aber in anderer Welle entschlossen
einairecfen müsse.
j-Z nswist Herr Doktor", begann Lotte recht
mvc ' rönnte Ihnen jetzt io passen, danke
'"jW.fu lagen und. sich damit zu begnügen uns
nur dleze Wetze zu verstehen zu setzen, dast wir
-^pnen die Wahrheit sagten. Das genügt aber
lang« nicht, denn von der RichtiMit stn-
'b A Worte sind wir allein felsenfest überzeugt."
schien in.der Tat auNutauen. denn er
vE^ach Lotte in einem Ton. der schon ziemlich
» " ins Scherzen .im'cklug.
sert'i» nicht, gnädiges Fräulein, ob Sie schon
nm und »der noch etwas sage» wollen. Kür
^s^"'bache aber, dice ick feststellen mochte, ist das
u,... ,nutzen belanglos. Ick erkenne nämlich dast
kintz "^"tzern die Kranen erbarmungslos über
o. ab wir sehen können oder das Augenlicht
°"lar«n bah«»."
. ''^Es ist «ine ungezogene Bemerkung Herr Dok-
di« eimugeben uns unter Stolz verbietet,
nnä." wahr. Nova? Wohl acker backe ich Ihnen
In» ^br zu sagen. Nämlich dast ick gewillt bin.
, sefouderten Beweis zu liefern. Ich bin
omf welche WMe so ein armer,
öl«-^EMister blinder Mann. der sich bloß
racker Mensch Mlt. imstande ist su erkennen.
Ihr 2 swegenüber auck . blind ist oder nickt. Wenn
wirklich so bejammernswert ist. wie
dürfte Ihnen diese Feststellung be-
Schwierigkeiten bereiten."
llck die richtige Freundin ausgesucht.
N„»Z^^^Nademann". wandte lick Robrer an
„Fräulein Bauer übertrifft Sie ia in ie-
Bemehuwn."
tin- /c-^^Etz Dank. Herr Doktor für das E-frich-
Sl-> Ihrer Unzufriedenheit mit mir.
rei-ichTI^en wohl meine Freundin fortan zurLeb-
«"^öen? Daraus wird lewer nichts."
^°Ener erkannte, dast ihm Mn Sckrem mistalückt
tHrn-nxl L Nora tat viel zu schalkhaft um lick im
unoe beleidigt Whlen zu können. Da blieb
beim übermütigen Ton
«us»ichkig sein wlt. io Mttebs ich
Cie Herde gerne beständig um mich hätte."
"^Uj.'der bobe Herr!" rief Lotts ehrfürchtig.
Dickst - anderen Worten." bedrängte Nora den
Horror immer härter, „mich werden Sie so neben-
'A geben lassens Sehen Sie und das ist meine
von der Sie Nichts wissen wollten".
-Moher Frennidin? vroteisk-erte LvU- eifrig
-«r^alMcht dock vhne den Beweis nicht daran, dast
i-A deins sehende Freundin bin. Allo Kisch ^nsts
"«rr Doktor, fordern Cie den Beweis."

Rohrer machte eine Bewegung, als wollte er
sich zu Nora vorbestgen und eine verwunderte
Frag« an sie stellen; aber es hatte etwas in ihrer
Stimme mitgeklungen, was ihn schweigen liest,
ihn und auch sie, lange schweigen.
Nora säst bei Frau Lenzberg in der dämmerigen
Stube.
Es war ein Winterabend wie vor drei Jahre»
und die Dämmerung trat lautlos und jäh ins
Zimmer und stand einen Augenblick lang wie ein
Schatten zwischen den beiden.
„Heute haben sie sich verlobt. Mutter". Ruhig
und schlicht glitten auch diese Worte von Noras
Lippen.
„Wer. Nara?"
„Meine Freundin Lotte und der blinde Chemi-
ker. von dem ich dir öfters erzählte".
Frau Lenzbergs Stimme verriet durchaus kein
Staunen. „Siehe, Kind," sprach sie beinahe an-
dächtig „auch dem hat das Leben gegeben".
„Auch ihr. Mutter!"
Die alte Frau aber beugte sich leicht vor, als
horche sie dem silberklaren Klingen nach, das No-
ras Ausruf' getragen hatte.
Und von ihm waren auch die Worte getragen,
die das Mädchen nach einer kleinen Pause mehr
zu sich selbst als zu Frau Lenzberg sprach.
.„Sie hat seine Hand ergriffen, an der sie ihn
führen Muß, denn ihr Schritt ist sicherer als der
seine. Er wird sich von ihr führen lassen, aber ei-
nen, Weg, auf den er nicht gefunde» hätte, wenn
er selbst hilflos und schwach iväre. So wird sie im-
merdar die Hand des Mannes in der ihren füh-
len, den Willen, der sie fest und dankbar macht,
sie wird ihm alles sein, was er verloren hat, und
was der nehmen mstß. der sagen will: ich bin und
weist, arum ich bin.. Und sie empfängt dafür das
glückliche Bewußtsein, dast er dies ganze reiche
Leben lebt durch sie und ihren Glauben an sein
Recht, das er von neuem vor den Menschen geltend
macht".
„Und von dir selbst sprichst du kein Wort?"
„Von mir, Mutter?" fragt« Nora verwundert.
„Ich bin Lottes Freundin, ick bin auch Herrn
Rohrer gut; er hat Mir manche harte Nuß ge-
reicht, aber soviel wie bei ihm, ist mir bei westi-
gen nur gelungen. Dock setzt und dabei —".
Frau Lenzberg unterbrach Nora hastig.
„Des Lebens Dornenkrone flickst du dir aus
Pflichten. Kind —
„Sie drückt mich nicht mehr. Mutter, meine
Stirne ist fest".
„Dann trägst du sie wie einen Lorbeerkranz."
lächelte Frau Lenzberg wehüttg.
Wenn dann das Gespräch der beiden auf den
lange Tötest kam, dann nahmen sie es, so bald es
auch verstummte, nicht wieder auf. Und ihr
Schweigen flocht dunkle Kränze, die sie am Grabe
des Verstorbenen leise niederlegten.
Sie benunddreißia st es Kapitel.
Nora fühlte sich zuweilest einsam, wenn ihrs
Blicke durch den Arbeitssaal flogen und die Freun-
din nicht mehr an dem gewohnten Watz sahen..
And Lottes Platz war jetzt auch wo anders, an

der Seite ihres blinden Gatten, mit dem sie glü^
lich war.
Nora griff sich in Gedanken flüchtig an die
Stirn. War den» schon wieder ein Jahr uM?
Und was hatte sie hinter sich gebracht in dieser
Zeit?
Ihrer Pflicht war sie treu gewesen; einer Ster-
benden hatte sie die Hand gehalten und ihr das
letzte Wort von den müden Lippen gelesen und es
mit leiser Wehmut wiederholt: Kurt.
Geräuschlos wechselte ein Jahr nach dem an,
deren. Daheim schien die Zeit still zu stehen, und
in der Anstatt war es wie immer. Neue Lehr-
methoden wurden erprobt. Nora und ihre Kolle-
gen hatte» manches dazu lernen müssen. Auch
Lotte kam, um zu sehen, ab die neuen Met hobest
auch ihrer» Manne zugute kommen könnten.
Und dann kam eine seltsame Stunde. An ei-
nem Tage, als nach atemloser Spannung die Aer-
zen eines ganzen Volkes stürmisch zu schlagen be-
gannen. Professor Wyndelsteiner hatte seins'
Mitarbeiter uni sich versammelt uU, eröffnete ih-
nen ein neues Feld ihrer segensreichen Tätigkeit.
„Meine Damen und Herren, in dieser Stunde
beginnt der Krieg! Leider war es in keinem
Kriege anders gewesen, darum sind auch wir schoif
in dieser ersten (Stunde vorbereitet und auf un-'
seren Plätzen. Ich wünsche es nicht, und niemand
-wünscht es, aber in wenigen Tagen schon wird sich
das Bild der Anstalt vielleicht wesentlich verän-
dert haben. Auch dann werden nur Blinde ihre
RAü'me füllen, auch dann Blinde ihre Hände nach
den Ihrigen ausstrecken, aber, meine Damen..und
Herren, unser ganzes Können, unsere höchsten rnd
letzten Kräfte denen, die heute mit leuchtenden
Augen hinausziehen, wohin sie das Vaterland ruft
die aber dereinst am Tage des Friedens an ihre
Umgebung werden die Frage stellen müssen: „Sag
scheint heute wohl auch die Sonne?" Eins jedoch
bedenken Sie, vor allem, meiste Damen und Her-
ren, unsere Pflicht dauert länger als der Krieg.
Ergriffen gingen die Lehrer und Lehrerinnen
auseinander. Nur eine Spanne Zeit blieb ihnen,
noch einmal tief aufzuatmen und dann besannest
die Wochen dahinzujagen, begleitet voM unnbläs
sigen Grollen der Geschütze, die mehr Dracheuzähnck
als Tod und Feuer spien, denn die Reihen dek
Deutschen lichteten sich nicht.
Das Volk sah nur immer die Mauer zu sei«
nein Schutze ragen; das Leid, das sich dahint-el
abspielte sah nur der einzelne. Die treuen Pfle-
ger der Kranken und Siechen blickten ihm zu tiejff
ins zuckende Herz.
(Fortsetzung folgt).

«loseph Keir Löhne
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