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Heidelberger Zeitung (60) — 1918 (Juli bis Dezember)

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Seite 2

Heidelberger Zeitung

Donnerstag, den 10. Oktober 1918

Fernsprecher Nr. 82 und 182

Nr. 287
_

Das Ringen im Westen
' DÄm mu« Vie Kampfe an der Westfront rm »ro-
chen Fufammcnbange befrackten. Das Fiel des
'französischen Eeneraliiitmus ist die Auilöluna und
Fertrümnroruug der den ticken Front. Nickis an-
deres. Diesem Fiele Mein Werden die ungeheu-
ren Verluste zum Opfer gebracht, die der Feind der
seinen hartnäckigen Angriffen erleidet. Mit dem
-geringen E-cGn'degewinn. den die Gegner erzielt
'Haden, wären diese Kraken Blutverluste wahrlich
'nickt bosmblt. Der Fsmd strebt denn auch einge-
-standener-maßen nach einem viel höheren Fiel. Es
sind Armeebefehle des amerikanlicken Generals
Veriding auf-ge-funden worden, aus denen unwider-
stealick die Abnckt spricht, durch die game deutsche
-Linie vorzEoßen um unsere Front EMrollen
und ins Wanken zu bringen. Alle -diele Befehle
sind am- dem Papier geblieben. Erreickt wurde das
-feindliche Fiel bis fett nie und nirgends.
Felm Tage schweren Kampfes an der M aas lie-
gen hinter unseren Truppen. Gerade hier ging der
A Mexikaner mit dein hartnäckigen Willen vor,
einen großen Durchbruckserfo-la zu erringen. In
'dickten Wellen stürmten die mnorikanlicken Tr:w-
ven vor und kaum geschlagen, erneuerten sie immer
wieder ihre tiefgeal lederten Angriffe. Trotzdem
«mb unsere Front nirgends den: Stotze nach. Ein
-gewisser Anfangserfolg der Amerikaner auf dem
.westlichen Maasufer blieb an den folgend» Tagen
-in vergeblichen weiteren Blutovfern stecken. Wir
können die Leistungen unserer Tapferen, die dort
wie an der ganzen übrigen Front den Feind mit un-
iacschwäckter Tapferkeit aüwebren. nickt bock genug
'-einsckätzen. Gerade in diesen Tagen -empfinden
wir die Heldensröße unserer Kämpfer doppelt tief
iund dankbar. Was ihnen bisher gelang, wird
-ihnen auch ferner gelingen. Dis Kämpfe sind noch
nickt abgeschlossen, denn der Feind hat noch Re-
serven genug nm sie fortzusetzen. Aber unsere Front
'-wird ihm standhaften!. Umsomehr und -um so nach-
haltiger. j-e tiefer der Kämpfer in der vordersten
'Linie davon durchdrungen ist. dal; -di« Heimat in
der Entschlossenheit unerschütterlichen Widerstandes
-mit Mn sims ist.
Ein Brief des Reichskanzlers
Professor Hans Delbrück veröffentlicht
Zn der Norddeutschen Allgenreinen Zeitung einen
SSrisf des fetzigen Reichskanzlers Prinzen Max
Mus dem Juli 1917, in dem der Prinz seine Mei-
nung über die damals vom Reichstag beschlossen«
Friedens - Resolution und darüber -aus-
teinandersetzte, in welcher Art sich der Reichskanz-
Ser Michaelis in seiner Antrittsrede vor dem
«Reichstage diese Resolution zu -eigen machen
Kennte, ach der Auffassung dr Prinzen Max hätte
Michaelis -etwa sagen können:
.Der deutsche Krieg ist mir vom ersten Tag
an ein Freiheitskrieg Mnvssen. Wer für sein
Recht und seine Freiheit kämpft, der hat Äch-
tung vor dem Recht und der Freiheit anderer
Völker zu haben, sonst ist ihm seins eigens -Sache
nicht heilig. Darum habe ich alle fsne Pläne,
die. unbekümmert um Recht und Freiheit ande-
rer Nationen, Deutschlands HegeinoniesteNung
erkämpfen wollen, als eine Verfälschung
der Motive empfunden, die uns wie ein
Mann zum Schwerte greifen liehen. Meine ei-
gene Weltanschauung fordert also von
mir mich auf den Boden Ihrer Re-
solution zu stellen, Aber ick kann Ihnen,
Meine Herren, nicht vorenthalten. daß ich den
Zeitpunkt bedauere, an dem Sie erneut das
Wort .Verständigung" in die Welt hinausru-
fen, Gewiß sind überall Kräfte am Werke, die
die Basis des Friedens suchen und einen Zu-
stand herbeisehn-sn, da die Völker wieder in ge-
genheiti-ger Achtung nebeneinander leben. Aber
von den feindlichen Regierungen hören wir den
Ton des Uöbermuts, aus dem herausklingt, daß
sie noch immer darauf hoffen, einem gedentütig-
ten deutschen Volke den Frieden diktieren zu
können. „Jagt erst euren König weg" und ähn-
liche Worte des Wahnsinns haben wir immer
wieder in den letzten Monaten aus England
und Amerika vernommen. Dieser Gesinnung ge-
genüber -ist es für mein Gefühl schwer, das
Mort „Verständigung" zu gebrauchen. Darum
«möchte ich, wenn ich mich auf den Boden Ihrer

- - Resolution stelle und mit Ihnen den Verstän-
digun-gsfrieden als ein Kriegsziel verkünde. Ih-
nen. meine Herren, und durch Sie dem -deutschen
Volke mit allem Ernst zum Ausdruck bringen,
da« mir der psychologisckr Augenblick für die
Verständigung noch nicht gekommen zu sein
scheint. Unsere Feinde wollen den Krieg
a outrance. Die Forderung der Stunde heißt,
alle nationalen Kräfte für das eine Zßel, den
Verteidisungskampf, zusammenraffen".
Delbrück knüpfte an die Mitteilung dieses
' Briefes die Bemerkm g: „Wer diesen Brief heute
I liest, wird fick sagen, wir wären vermutlich wei-
ter, wenn diese ebenso tapfere wie kluge Auffas-
sung früher an die leitende Stelle gelangt wäre".
Rumänien meldet „Wünsche' an
Im Gespräch mit einem Vertreter des Berl.
Tagsbl. erklärte Marghiloman nach Be-
merkungen über di« Kronprinzenfrage:
„Wichtiger als dies erscheint mir zurzeit dis
Frage, ob dis Mittelmächte g-swillt sind-, unter den
veränderten Verhältnissen den
rumänischen Wünschen Rechnung zu-
tragen. Jedes Entgegenkommen würde selbstver-
ständlich -sehr dazu beitragen, die Msenwärtig-s
Regierung zu stärken, dis Stimmung im Lande zu
heben und die freundschaftlichen Beziehungen zwi-
schen dem rumänischen und dem deutschen Volke
wiederherzustellen".
Marghiloman -fuhr fort, er fühle sich stark ge-
nug einem ruhigen zufriedenen Rumänien einen
sicheren Grenzschutz in aufrichtiger Neutralität ge-
gen jede Störung non außerhalb, besonders gegen
das Usbergr-eife-n von BalschewUi-EinMsien aus
Rußland oder Bulgarien zu garantieren.
Weiter äußerte Marghiloman sein Befremden
über die tadelnden Worte des bisherigen Staats-
sekretärs von Hintze, die er nicht begreife. Er sei
sich -bewußt, durchaus loyal gegen die Mittelmächte
gehandelt zu haben, während das Parlament un-
ter seiner Führung rasch« und gründliche Arbeit
geleistet habe. Zum Beweise feiner Loyalität
zeigte- Marghiloman Keinem -Besucher! ein« De-
pesche, in der er die sofortig« Durchlassung österrei-
chischer Divisionen, di« aus der Ukraine nach Bul-
garien streben, anordnet.
Der rumänische Mitarbeiter der N. Zür. Fig.
schreibt: „Es ist verfrüht, van einer Wiederauf-
n-ahme der kriegerischen Operationen durch Ru-
mänien zu sprechen, aber daß kein einziger
rumänischer Politiker, dis fetzige „-deutschfreund-
liche" Regierung mit inbegriffen, ernstlich daran
denkt, den Bukarester Frieden einen Tag
länger einzuhalt-en, als die deutschen Be-
satz ungstrnppen dies er zw in gen kön-
nen, ist heute jedermann klar".
Ein südslawischer Staat
Das B. T. meldet aus Wien:
Wie ich authentisch erfahre, wird am Freitag ein
Manifest des K a isers erscheinen, worin der
Monarch den Entschluß kumdgibt, daß Kroatien,
Slawonien, Bosnien und die Herzego-
wina wie auch Dalmatien zu einem Staats-
gantzen vereinigt werden. Graf Burian bat
ferner den Vertretern des Herrenhauses gegenüber
erklärt, Latz die gemeinsame Regierung bereit sei,
auf die Ides des tschechischen Staates ern-
zuse-hen
Triest fordert Autonomie
Der Beirat der Triester Handels- und Gewerbe-
kammer beschloß, eine an die Regierungsbehörden
gerichtete Kundgebung, worin verlangt wird, daß
jSt-acü und Gebiet Tri/est als einziger eigener
großer See- und Handelshafen des schämten
österreichischen Hinterlandes, losgelöst von ande-
ren benachbarten Ver-waltunssgebieten mit dem
österreichischen Reiche in seiner Gesamtheit als
selbständiges autonomes Gebiet in
dauernde unmittelbare Verbindung gebracht werde
daß ferner, um dem Reichs-Hasen Lauernd die un-
erläßliche ungestört« und ungehinderte Ent-wicke-
lungsfähigkeit zu sichern, die-ssm autonomen reichs-
unmittelbaren Gebiete Trieft die angrenzenden

Küstengebiete des ganzen Triester Golfes, die
sprachlich und wirtschaftlich zu Triest gravitieren,
anschchlossen werden.
Die tschechischen Pläne
Die Tschechen beabsichtigen dis Einführung
eines Bund es rat es. in den jede Nationali-
tät Oesterreichs ein Mitglied und zwei Beisitzer
zu entsenden hätte, um festzustellen, welche Fräsen
Len Völkern Oesterreichs als gemeinsame zu erklä-
ren wären. Die Führer der Deutsch - Schle-
sier erlassen erneu Aufruf, in den: gegen di« Er-
richtung eines tschechoslowakischen Slaates. dem
auch Schlesien ei «verleibt werden soll, St ellung
genommen wird.
Rücktritt des Kriegsministers
v. Stein
WTV. Berlin.. 9. Okt. (Amtlich.) Wie wir hö-
ren. ist Kriessmi-Mter. General der Artillerie,
v. Stein, auf seinen Wunsch von seinem Amt als
Staats- und Kriegsminister enthoben worden.
Gleichseitig ist er zum Chef des Feldartillerie-Re-
gim-ents 38 ernannt worden, lieber seins weitere
Verwendung ist Bestimmung noch nicht a-rtrosfen.
Als Nachfolger ist der Ches des Kriegsamts,
Generalm-aior SÄeu-h unter Ernennung sum
Ge-nisralleutnant bestimmt. (Scheuch ist. was nicht
allgemein bekannt sein dürfte. Elsässer. Cckrift-
leitungF
* ik »
Auch der stellv, kommandierende General in
Stettin, der in den Debatten des Hauviau-sickusses
im Reickstaa ort genannte Herr v. Vietins -
koff soll endlich zurücktreten. Man wird
dem Herrn w-ok>l auch nirgends ein« Träne nack-
weinen.
Milderung des
Belagerunqszustandsgesetzes
Der vom Reichskanzler in seiner Programm-
rede angskündigte Befehl des Kaisers an- dis
stellvertretenden Kommandierenden Generals zur
Milderung der Härten des Belagerungs-
zustands - Gesetzes ist auf Grund der ein-
gehenden Besprechungen, die am Sonntag i-n dem
neuen Min-isterrat stattgefunden haben und auf
Grund des Vortrages, den daraufhin der Reichs-
kanzler am Montag dem Kaiser in Potsdam ge-
halten -hat, nunmehr ergangen. Darnach haben sich
die stellvertretenden Kbmmndierenden Generale
in allen nicht rein militärischen Angelegenheiten,
also besonders auf dem Gebiet der Zensur, des
Vereins- und Verf-ammlungs-we-sens
mit dem zuständigen Oberpräsidenten in Verbin-
dung zu setzen And mit diesem das Einvernehmen
herzustellen. Wenn ein Einvernehmen nicht zu er-
zielen ist. so muß dis Angelegenheit dem Ober-
militärbefehlshaber in der Heimat, der
bekanntlich der Kriegsminister ist. vorgelegt wer-
den. und der Kriegsminifter entscheidet, wie die
„B. Z. am Mittag" feststellt. auf Grund der Wei-
sung des Reichskanzlers selbst. Damit ist
in Men Zensurangelegenhsiten und für das Ver-
eins, und Versammlungswessn die volle Ver-
antwortlichkeit des Rdi chskan-glers
vor dem Parlament gegeben.

Deutsches Reich
* Die Amnestiefrage. Bei der zu erwartenden
Amnestie soll es sich um Milderung von Härten
die dis Kriegslage -mit sich gebracht hat, handeln
und hierbei vor allem Schutzhäftlinge sowie
Leute, dis an Streiks beteiligt waren, und
sslck«, bis im besetzten Gebiet verurteilt wurden,
in Betracht kommen.
* Wahlrechtsreformen in den Bundesstaaten.
Die sächsische Staatszeitung meldet: Unter dem
Vorsitz des Königs und in Gegenwart des Kron-
prinzen fand «ine ISitzung des Gesamt Mini-
steriums statt. In ihr wurde als Tag der
Einberufung des vertagten ordentlichen Landtags
der 23. Oktober festgesetzt und das Ministerium
des Innern mit der Ausarbeitung einer- Gesetzes-
vorlage beauftragt, die das bestehend«- Land-
tagsw ahlr'echt zur Zweiten Kammer durch
ein solches auf brs-it-er Grundlage ersetzen
soll. — Der Landtag des Herzogtums Anhalt

ist mit einer Thronrede eröffnet worden, die u- G
auch ein» Umgestaltung des Landtagswahlrechtl
ankündigt.
Kein neuer Statthalter für Elsatz-Lothringetz
Der Statthalter von Elsaß-Lothringsn. vo»
Dallwitz, wird seinen Abschied nehmet
Einen Nachfolger wird er. da das BerfassunsK
leben Elsaß-Lothringens in neu« Bahnen gelenH
werden soll, nicht erhalten. In politischen Kr«^
sen !pricht man davon, daß der elsässische AbS?
ordnete Hauß oder der Straßburger OberbiiL
germeister Dr. Schwan der. zum Staatssikretäl
der reichsländischen Regierung cmsersehen fei.
Badische Politik
* Der Engere Nusschutz der natlib. Partei Baden«
tritt am Samstag mittag in Karlsruhe zu-
sammen, wobei Reichstagsabg. Dr. Juselmannt
Lörrach- die politische Lage un ddie letzten Vor-
sänge in Berlin behandeln wird.
* Oeffentlicher Anschlag der Reichskanzlerrcd'
rn Vaden. Nach Weisung des Eroßh. Ministeri-
ums des Innern an die Großh. Bezirksämter so»
die in der Reichstagssitzung vom 6. Oktober ge-
haltene Rede des Reichskanzlers PriN?
zen Max von Baden im Wortlaut durch
Maueranschläge in allen Gemeinden des
Landes verbreitet werden.
* Die Zweite Badisch« Kammer an den Prin^
zen Max. Der Präsident der Zweiten LadischM
Kammer. Abg. Kopf, hat dem Prinzen Mal
namens der Zweiten badischen Kammer M
llsbernahme des Reichskanzleramtes einen herz-
lichen Glückwunsch übermittelt. Darauf ist fol-
gende Drahtantwort eingegangen: „Ihnen und del
Zweiten badischen Kammer danke ick von Herzes
für gute Wünsche und treues Gedenken. Prinf
Max". .

Aus Baden
Mannheim. 10. Okt. In den letzten Tagen rock"
den hier zahlreiche ErnHrucksdieLstäbla
verübt. So wurden aus einem Kleiderickrank UM
30 Anzüge, aus einem anderen Laden msbE
Dutzend Handschuhe, aus einem Lederwarenges-chÄ»
Koffer. Reisetaschen ufw. entwendet. Auch ve»
fchiedens Kellereinbrücke sind in der letzte
Feit hier voraekommen. Bei om-em- dieser Eiü'
brück stahlen -die Di-ebe über 100 Flaschen Weiu-
Salat-öl Sveck und AAirste. Bei einem mMrM
Einbruch wurden zwei Fähchen Wein und SO FN
scheu Weißwein und bei einem weiteren DieHsüM
70 Flaschen Wein und ISO Ei-er entwendet.
Karlsruhe. 9. Okt. Evangelische Geist'
licke und Mitglieder der Eeneralsynode Labe»
eine Einladung erlassen zu einer Besprech» nif
am 16. Oktober im Evangelischen Vereinsh-ause M
Karlsruhe über die liturgische Fr-aas innerhalb dcl
evanaelM-protMantM-en Landeskirche Badens-
Die Ei-Uberufer der Versammlung treten für eine
reichere Ausgestaltung der badischen Gottesdienst-
ordnung im Sinne gröberer Beteiligung der Ge-
meinden ein.
Rastatt. 10. Okt. Die vor mehreren Wochen o«"
storbene Kaufmannswitwe Marie Blechner roN
hier bat der Stadt testamentarisch su allsSm-A?
wohltätigen Zwecken eine Summe von übe« 208 uw-
Mark vermacht. Davon sollen 120000 Mt Mr
Gründung eines Altersheims für alleinsteben»»
Frauvw verwendet werden.
Rastatt. 10. Okt. Dieser Tage wurde die Leo-
voldskaserne einer Vergasung untM-
zoaen. um das Unaesiefer zu vertilgen. Nack in-
ständiger Wirkung des Gases wurden die Raums
wieder geöffnet und der gute Erfolg zeigte fick M
Gestalt von Masken toten Ungeziefers. Als wo»
die Gase absiMen lieb, mutzte die Nachbarschaft 6^
räumt werden. - Spatzen und Tauben in den an-
liegenden Straßen, die in die Gassone geriet e»
gingen ein.
Wolfach. 10. Okt. AM Sonntag. 13. Okt. find«
hier die Jabresv ersammluna des Ver-
bands Badischer Krankenkassen MA-
Die Tagesordnung enthält u. a. die Besprechung M
Teue-runasforderungen der Aerzto und die neuen
Arztverträg-e und Aufgaben der Krankenkassen be>
der Volksgesundheits-pflege. _

Es kämpft der Mann, und alles will er wagen! A
L Schiller »
platanenallee Nr.14
Roman von Or. P. Meißner.
ßmeriksniscbes Lop/rigiit 1916 b> stob. l.utr, Stuttxsrt.
Nachdruck verboten — Alle Rechte Vorbehalten.
(11. Fortsetzung.)
Diese Szene trat lebhaft vor Lillys Augen, sie
«h den mir Lampions erhellten Garten, sah sich
Dm gegenüber, sah die unendliche Trauer und den
Schmerz in seinen Augen, sah ihn sehen. Do-
nals war ihr vielleicht nicht klar geworden, wie
jchr jener Mann litt, wie weh ihm ihre Art se-
jim haben mußte, sie war zu voll von ihrer Liebe
ck Ralf.
Dr. Helmstedt honnte ihr helfen. Damals schon
zatte sie mit Spannung und Interesse seinen Er-
jählungen gelauscht, wie er Wer seine kriminali-
Nsch-en Studien- 'berichtete, ihr Merkwürdige
stechtsfälle erzählte, deren Aufklärung seinem
Scharfsinn zu danken war. fSeit jenem Abend
satte sie ihn nie wieder gesehen, gelegentlich nur
purde die Erinnerung an ihn geweckt, wenn in
»en Tagesblätt-ern Reiseberichte von ihm -erschie-
-»en oder seiner tätigen erfolgreichen Mitarbeit
,ei der Aufklärung eines Kriminatverbrechens ge-
mckl wurde. Hülfen konnte er schon.
Aber — durfte sie ihn um Hilfe angehen! Ihr
Herz sträubte sich dagegen. Ihn. den Mann, dem
t« jenen furchtbaren Schmerz bereitet hatte, dem
le eine L-ebenshoffnung zerstörte, sollte sie um
HW« bitten! Es erschien ihr unmöglich, undenk-
bar. Würde er denn in diesem Falle jene damals
«olobte Freundschaft halten, würde er selbstlos se-
ins fein, der «inst heiß Geliebten für immer Ver-
vvoncn sein« Hilfe zu leihen? Nein — sie durfte
K nicht! Aber Ralf — der arme Ralf! Ihn,
»en Eelmbten mußte sie retten! War ihr schon
As erste kleine Opfer zu schwer? Mußte sie nicht
Ihren Stolz niederkämpfen um seinetwillen?
Nützlich swrang st« auf. Entschlossenheit in den»

blaffen Gesicht, sie wollte zu ihm, zu Dr. Helm-
stedt. Allein zu gehen, dazu fühlte sie sich nicht
stark genug, ihre einzige Fre-undin Irma sollte sie
begleiten.
Sie nahnc Hut und Jakett und verließ das
Haus. Als sie an Nr. 14 vorüberkam. wagt« sie
nicht aufzusechen. scheu eilte sie -auf die andere
-Seite der Straße, ihr Herz schlug hörbar.
Jetzt war sie vorüber und wandle sich dem Un-
tergründbahnhof zu.
„Lilly! — erzähle nichts, ich Habs alles in der
«V. Z." gelesen. Armes, warmes Kerlchen, Ich
wußte, daß du zu mir kommen würdest. Komm her-
ein. Mutter ist nicht da. Was soll geschehen? Du
mußt über mich verfügen, das erwarte ich von- dir".
Sprudelnd und hastig kamen diese Worte über
die Lippen Irma Schusters. Schlank und rank ge-
wachsen, ohne mager zu sein, fak man der etwa
Zwanzigjährigen an, daß sie die wohltätige Wir-
kung Les Sports wohl kannte. Ihr« Züge waren
nicht schön, nicht liebreizend, aber sympathisch, et-
was jungenhaft. Zwei luftige blaue Äugen blitz-
ten aus dem ovalen, länglichen Gesicht hervor.
Ein Kranz dicker brauner Zöpfe krönte den klei-
nen Kopf, Irma war im Tennisanzug, der freie
Hals zeigte die reizvolle Kupferfarbe. di« brünet-
ten Frauen eigen ist,
„Irma, ich bin dir ja so dankbar!"
„Dankbar, Quatsch, damit fang bloß nicht an!
Wär ne schöne Freundschaft, di« im Unglück nicht
bereit wäre!"
„Du bist so gut und ich fühle mich so maßlos
unglücklich. Du, Irma — steht in der Zpitung
ums von Ralf?"
„Andeutungsweise natürlich, das ist ja aufse-
ge-le-gter Blödsinn, wer Ralf kennt, aber die über-
klutzen Kriminalbeamten — natürlich!"
Lilly setzte der Freundin ihren Plan ausein-
ander. Dr. Helmstedt um Hilfe zu bitten. Sie
war viel ruhiger geworden, die etwas burschikose
voll Lebenslust überschäumende Art ihrer Freun-
din hatte sie wunderbar gestärkt, sie hatte wieder
Mut und Hoffnung gefaßt.
„Das ist ja famos, Lilly. Wo wohnt denn
dieses Wundertier, dieser Doktor Hern» — k>elm
—, ach so. Helmstedt?"

Sis schlugen im Telephonregisier nach. «Dr.
Helmstedt, Privatgelehrter, Meineckestraße 10,
Ämt Steincklatz 11672.
„Du. Lilly, wir wollen doch erst einmal an-
rufen, ab er da ist".
Irma ließ sich verbinden und erfuhr, daß der
Herr Doktor zu Hause sei und von 2 his 4 Uhr Be-
suchszeit habe.
„Das ist ja famos, jetzt ist es halb 3, den klei-
nen Weg von der HardenberMraße zur Meinecke-
strahe. den laufen wir, was?"
«Ja, gewiß, Irma".
«Na. dann kom-m!"
Als sie vor dem Hause Mei neckestraße 10 stan-
den, klopft« Lilly das Herz, es war ihr furchtbar,
dem Manne gegenüberzutr-eten. den sie vor zwei
Jahren an jenem Abend zum letzten Male se-
wtzsn hatte. Irma half ihr «in ihrer munteren
Art.
„Na. du los, nicht gezögert. Lilly, du mußt doch
an Ralf denken! Ich werde Lier unten warten,
denn eure Begegnung geschieht besser ohne Zeugen.
Los mein Kind, sei brav!"

„Wollen Sie bitte hier eintr-eten!!"
Die Tür schloß sich und Lilly stand klopfenden
Herzens in dem kleinen sSalon.
Echte Seidentepp-rcho bedeckten dis Wände. Waf-
fen und Geräts aller Art aus tropischen Ländern
standen und hingen umher. Eine breite, mit Ti-
gersellen überdeckt« Ottomane nahm fast die eine
Wand ein. Zwischen den mit echten Stores ver-
hängten Fenstern ragte drohend der -mächtige
Kopf eines Nilpferdes hervor, dessen glänzend
weiße Räftzähne aus dem Dämmer des Ra-umes
hervorleuchtetn. Von der Decke herab hing eine
türkische Moscheelampe, reich in Bronze gearvsr-
tet und mit rubinrotem Glas verziert. Vor einer
kleinen Tür war eine Portiere, aiuif deren rotem
Samt das goldgestickte Siegel des Sultans prangte
Lilly konnte sich trotz ihrer Erregung dem my-
stischen Eindruck Les ganzen Raumes nicht ent-
ziehen. er hatte etwas Bedruckendes und zugleich
Beruhigendes man hatte das GMHl, hier kannte
man nur leise flüstern. Ein feiner, aromatischer
Geruch nach türkischem Tabak lag über allem
lFortsetzung folgt.)

Theater und Musik
Erstes Konzert des Bachvereins
Es gehört Mut dazu, in diesem musikalisch^
Winter mit eiserner Zuversicht einzutretsn. Pt»
fessor Wolfrum hat ihn, aber leider war es ck?
den wieder Unwohlsein fernhält, nickst vergönn»»
den ersten Schritt selbst zu tun.
Zum Glück war in Direktor Nadis der voll
wertige Ersatz da, diesem Dirigenten, der MoM
sicher, zuverlässig und kundig, ihm Anyrrtraute»
zum unbedingten Gelingen bringt. Trotz'
Kampfes mit mißlichen Zeitumständen bat er da^
Orchester zum besten Erfolg geführt. Am we-o^
sten in Liszts, hier reichlich -bekannten „Prelvdes-
an melodischer Erfindung einer der besten unt^
den symphonischen Schilderungsstücken. Das
kam sehr frisch, klangschön und dynamisch glück "«
gefärbt, mit großer Steigerung am Schluß, -'ft
aus. Das Zeitmaß nimmt Radig geldnti-!?
breiter als Wol-frum, — Gsschnmcksache.
Harfe hatte sich verflüchtigt, dafür entschäd'S^
eine ganz ausgezeichnet« Oboe.
Beethovens „Weihe des Hauses" war w-itz
als solche der Spielzeit zu deuten», eine KoniM-
tion. di« nicht zu den gewaltigen Eingebung
gehört, ohn« darum aber di« Größe des
sters in seiner kraftvollen Sprache zu verlei h
Trübungen in den Violinen und bei den B
bläsern zu Anfang abgerechnet, wurde auch !?-
diese klassische Nummer alles Mögliche her->ck-
ben, wenn man dem Streicherkörver auch d'ckw
-mehr Kraftsehalt gewünscht hätte.
Eine richtig« HerzenswaU Wolframs
wohl der im Mittelpunkt des Konzertes
Interesses stehende Lisst-che „Totentanz",
Gipfelpunkt realistischer Schilderungskunst,. in
das Klavier als zweites Orchester mitarbeit-et,
in letzter Steigerung das Phantastischste
Phantastischen lebendig werden zu lassen. Ack
mag über den künstlerischen Wert denken wie v»
will, ihr Ziel erreicht die Kom-position. ,
Für den Flügel bedarf es dazu eines Son«
künstlers, der Mer das PianWsche hinaus iutz-^
mental schafft. And dazu hatte man den hier -E
 
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