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Heidelberger Zeitung (60) — 1918 (Juli bis Dezember)

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Seite 4

Heidelberger Zeitung

Montag, den 1t. November 1918

Fernsprecher Nr. 82 und 182

Nr. 264 "

Die Abgeordneten selbst sehen überarbei-
tet und müde aus und sind zugi Teil kaurn noch 'M
erlenn-en. Wit der. inffitärcschen Angelegenhei-
ten ist der Abgeordnete iS t r o b e l betraut. r-er in
-ueutrZentracht versucht, unter seinen Kameraden
Ordnung zu schaffen, was ihm häufig nur mit gro-
ber Mühe gelingt. Durch die Straften der Stadt
werden rach dein Reichstage zu die verschiedensten
Kriegsgeräte transportiert. Dort ein Zug,
der einen Flammenwerfer anbringt, auf der ande-
ren Seite ein Zug mit Maschinengewehr Bor dem
Portal steht ein Feldgeschütz mit Bespannung und
Munition. Der Reichstag selbst ist durch
Ordner in weitem Umkreis für das Publikum ab-
gesperrt. An den Kreuzungen der grö-
ßeren Straßen halten Wachmannschaften jedes
Auto auf und prüfen die Legitimation. In der
Stadt selbst ist es. an verschiedenen Stellen zu
Rauh und Plünderungen gekommen; wo
man der Täter habhaft werden kannte, wurden
sie sofort erschossen. Im übrigen geht un-
ter der Hand ein lebhafter Handel mit
Kriegsgerät und Munition vor sich.
Rote Fahrren auf Schloß und
Brandenburger Tor
B?»8n, 11. Nov. (Meldung des Arbeiter- und
Soldntenvates). Am 9. November 1918 hat Karl
Liebknecht die rote Fahne auf dem
Schloß gehißt. Auch vom Brandenburger To»
rocht die rote Flagge. Es herrscht bei der Bevölke-
rung großer Jubel.
Die Neuordnung in Baden
In seltsamer Verkennung der Sachlage bat das
Ministerium Bodman in den letzten Wochen ein
Zögern und Sträuben gegen die notwendige Neu-
ordnung der Dinge bewiesen, daß es nicht wunder
nehmen konnite, wenn die Entwicklung über seinen
Kopf gegangen ist. Der Hemmschuh, den es bildete,
ist beseitigt. Eine neue Volksregierung hat
die Geschicke unseres engeren Baterlanndes in die
Hand genommen, alle Parteien find an ihr be-
teiligt und wir wollen hoffen, daß es gelingen
wird, diese paritätische Zusammensetzung aufrecht
zu erhalten. Wir stellen uns daher auf dem' Bo-
den der neuen Regierung umd der b a d i-
schen Nationalversammlung und sc-
hossen auch Mr unsere Heimnat, daß die Neuord-
nung in Mi he und Ordnung vor sich gehen wird.
Hie gut badisch allewege!
An das badische Volk!
Angesichts der sich überstürzenden Ereignisse im
Reichs wende ich mich, gestützt aus die UebeMU-
sung vom der Unerschütterlichkeit des Vertrauens-
verhältnisses, das in Baden Fürst und Volk in gu-
ten und schlimmen Tagen vieler Jahrzehnte ver-
bunden Hak, heuteunmittelbar an das badische
Volk.
Baden hat sich bisher der volkstümlichsten
Einrichtungen im Reiche erfreut, so daß hier am
wenigsten Grund vor lag, zu übereiltem Entschlüs-
sen zu schreiten. Es ist aber mein fester Wille,
in Anlehnung an die Entwicklung des deutschen
Voltsstaates den Landständen den Ausbau auch
her badischen Verfassung und die Neugestaltung
)der Regierung in dem Sinne vorzuschlagen, wie
»r den Wünschen der überwiegenden Mehrheit des
badischen Volkes entspricht.
Der Landtag ist auf den 15. November 1918
einberufen. Mit der vom Vertrauen des Volkes
getragenen Regierung wird dieser Landtag dis
Verfassungssragen zu erörtern haben.
Ich gebe mich der festen Hoffnung -hin, daß das
badische Volk, nachdem es dis unendlichen Be-
schwernisse van vier Kriegsjahren mit Ruhe und
Kraft ertragen hat, auch jetzt in den wenigen Ta-

gen, die bis zu dem Zusammentritt der Lan-dstände
noch vergehen werden, Ruhe und Besonnenheit
bowahven wird. Nur eine friedliche Entwicklung
kann in dieser schwersten Zeit, die über das deut-
sche Volk gekommen ist, die künftige Wohlfahrt
des Landes verbürgen.
Karlsruhe, den 9. November 1918.
Friedrich.
Gleichzeitig ist dec Landtag auf den Io. Roo.
ei> Lernten und eine A mne st i e für Nahrungs-
mitt oliv er geh e n verk linde t.
Die Haltung Ser badischen
Ratiorralliberalen
Die nationalliberale Partei Badens, vertreten
durch den engeren Ausschuß und die Vorsitzenden
der Begirksorsanisationen, hat am Samstag ein-
stimmig den Beschluß gefaßt, von der Regierung zu
fordern: 1. die sofortige Einführung des p a r l a -
mentarischen S v st e m s in Baden und 2. die
sofortige Einber.ufung des Landtags. Das
Staatsininistermm wurde von diesen Beschlüssen
sofort in Kenntnis gesetzt.
Zn Karlsruhe
bat fick ebenfalls ein Soldaten- und Arbei-
terrat gebildet, der in der Nackt vom 9. zum 19.
November die Sffoutttcke Gewalt am fick genommen
bat. Die Ueberleitun« zu der neuem Ordnung voll-
zog fick in ruhiger Weise. - Karlsruhe bietet das
Bild ein« ruhigen Stadt, nur zahlreiche Memcken-
massen tmrckmöken die K-aiierstraßs und andere kar-
ren vor dem Ratbause der Dinge, die fick entwickeln
solleu. Heute mittag wurde vom Soldaten- und
Arbeiterryt ein Aufruf veröffentlicht, der den
aleicken Inbalt des in Heidelberg verbreiteten aui-
tveÄt. Zum Schluß bemerkt ter Aufruf, daß das
Generalkommando fick mit den Forderun-
gen des Soldatenr-ates einverstanden er-
klärte Und zugeiaat habe, fick sämtlichen Anord-
nungen zu fügen.
Auch in mehreren anderen Städten Badens, io
Freiburg. Baden - Baben Rastatt.
Brucklal rckw. wurden Soldaten- uM- Arbeiter-
räte «bildet.
In Mannheim
bat sich der Umschwung iebr rulck und in völliger
Ordnung — von Menickenansammlunsen im Lause
des gestrigen Tages und Abends abgesehen — voll-
zogen. Matrosen, die gestern Lier eintra-fsn und
den Bahnhof besetzen wollten, sollen den vorzei-
tigen Anstoß zu der revölutionär-en Bewegung
geaebew Locken. Man erwartete sie erst auf Mdn-
taa. So war bereits gestern früh der BaLnLof von
einem Kommando- des 40er Regiments besetzt. Den
ankommenden und durchfahrenden Urlaubern nahm,
man die Waffen! ab und ließ sie heimfackren. Ain
die Mittagszeit liefen die Soldaten mit. den roten
Abzeicken umber. wo fick «in Soldat blicken ließ,
der no-ck dis Achselklappen trug, wurde cr veran-
laßt. sie zu entfernen. Die Offiziere fügten fick in
Ruhe. Es wurde ein Arbeiter- und Solda-
tenrat gegründet, der im Einverständnis mit
dem Standortkommando in den NachmitLagsstun-
dem einen Aufruf ansM-aaen ließ, in dem zur' Ruhs
Und Ordnung gemahnt wird. Die öffentlichen Ge-
bäude wurden besetzt. Ferner bildete fick ein Wohl-
fahrtsausschuß. der lick ans Führern sämt-
licher Parteien zusammensetzt und auf dem- Boden
der frsibeitlicken Entwicklung an der Aufoechi er Hal-
tung der öffentlichen Ordnung Rucke und Sicher-
heit Mitarbeiten will. Er stellt sich insbesondere
vo-litNLen. mMtärMen und wirtschaftlichen Orga-
nisationen zur Verfügung. Der Vorsitzende des Ar-
beiter- und Soldatenrats ist der Unabhängige
Schwarz. Einigunasbestr-ebunaen zwischen So-
zialdemokraten und Unabkänm-aen find im Gange.
Morgen wird zur Demonstration voraussichtlich ein
Generalstreik stattfinden. Die Hauptstraßen
sind belebt« als sonst. Zu einer wirklich groben
Ansammlung -kam es gestern nur in den frühen
Nackinittaasnunden. wo das in O 7 gelogene Mi-
litäraeMngnis bslaaert wurde. Einige Gefangene

durchbrachen die Gitter an den Fenstern und ließen
kick an Handtüchern berab: später wurden sie frei,
willig Keransgelafien. Die Bevölkerung verhält
lick rubig und ernst, es ist nirgends zu Ausschrei-
tungen gekommen. Heute um die Mittagszeit gab
es Fliegeralarm, aus welcher Ursache, ist nickt reckt
zu ergründen; das Publikum kümmerte fick nicht
darum. Die MMenstillstandsbedinaunaen wurden
im allgemeinen, mit Fassung entaeaengenommen.
Mannheim, 10. Nov. Das Aktionskomitee des
Arbeiter- und Soldatenrates Mannheim bat Leute
früh die Ausrufung der sozialen Repu-
blik beschlossen.
Aus LLadL un) Umgegend
Die Lage in Heidelberg
ist, um es gleich vorweg zu nehmen, durchaus
ruhig, überall -herrscht Ordnung, zu irgend-
welchen Z w i s che n-f ä l l e n ist es erfreulicher-
weise nirgends gekommen. Die Vor-
Sänge, hie zur Bildung dos hiesigen Arbeiter- und
Soldatenrates geführt haben.- waren folgende:
Am Samstag gegen Abend trafen hier mehrere
Abgesandte Arbeiter- und Süld-atenräte aus
Mannheim und Foan-lfurt ein. Sie veranstalte-
ten, gefolgt von einigen Soldaten und Zivilisten,
einen Umzug über die Hauptstraße nach dem
Ludwigspias.. wo eine Lersar-Mlung abgehalten
wurde, nach deren Beendigung die Demonstranten
nach der Jäserkaserns zo^en Unter der Hand
war ein Soldaten!,rt gebildet worden, dessen Ziele
und Bestrebungen aber ziemlich planlos waren,
sodaß die Leitung der hiesigen sozialdemokr-atischen
Partei und der Gswernck.rften eingriff, um die
Bewegung in ruhige Bahne» zu leiten Dies ge-
lang ihr «rfreulicherrr-eike sehr L-o'Ä. s-ff-rß sich die
Neuordnung der Dinge ohne Störung der
öffentlichen Ordnung und ohne Zusammenstöße
vollzog.
Am Sonntag halb 12 Uhr bildete sich im Rat-
haus dann der Arbeit er- und sldaten -
rat, der zunächst aus 7 Soldaten und 7 Vertret
tern der ÄrL-ckterschafi besteht. Die Soldaten setz-
ten sich ans drei Vertretern der Iäserkompagnien,
zwo! der MasHin-ensen-chr-abteilung. einem Ver-
treter vom Landsturmbate.iklon Lind einem Ver-
treter der Lazarette zusammen. Den Vorsitz führe«
Stadtrat Maier «in- Arbeitersekretär Stock.
Um ein Hand- in Handartzfften mit den Behörden
zu gewährleisten, werden in Len Bezirksrat
Vertretr delegiert, mit dem Bezirksamt wird die
engste Fühlung genommen. Der Stadtrat. dem
die Herren Mai er und Tchneid-er seither schon
angehörten, arbeitet ruhig weiter. Als Kontroll-
organe de.Z Arbeiter- und Soldatenrates find be-
stimmt: Stadtv. Harter für die Polizei und die
öffentliche Sicherheit; Stadtv. ISt ock für sozial-
politische Verwaltung iArmenwesen, Nahrnngs-
mittsiWmt). und Stadtrat Maier für die städti-
schen Werke und die innere Verwaltung. Die
nötigen Hilfskräfte werden, von wo, sie sich bieten,
an-genoMM-en
Sämtliche bürgerlichen Parteien
erklärten, Hand in Hand mit dem Arbeiter- und
Soldatenrats arbeiten zu wollen Hu>m allgemeinem
Wohle der gesamten Bevölkerung und des- enge-
ren Vaterlandes Vaden. Der Arbeiter- und Sol-
dcMirat bat sämtlich.« öffentlichen Aemter und
Militärbehörden in Besitz genommen, wobei ihm
von den bisherigen Vertretern verständnisvolles
Entgegenkommen gezeigt wurde.
Es geschieht alles, um Ruhe und Ordnung in
der Bürgerschaft aufrecht zu erhalten. Zu diesem.
Zwecke tut man aber andererseits gut. sich abends
nicht mehr auf der Straße zu zeigen. Vor allem
gehören die Kinder von den Straßen!
Ebenso wie sämtlichr'öffentlichen Gebäude, ist der
Bahnhof besetzt. Dort wird jedem au-kommenden
-Soldaten, natürlich auch Offiziere, die Waffe ab-
genommen. Wesen Entfernung der Achselklap-
pen und Kokarden wird ein Zwang nicht ausge-
übt. Bei den hiesigen Truppen vollzog sich im
übrigen die Neuordnung ohne SchWierigkeiten.
Das Militär wird mit Instruktion oder Spazier-
gängen beschäftigt, der eigentliche militärische
Dienst findet weniger statt.
Die Straßen- boten ckm gestrigen Sonntag das
gewohnte Bild. Nachmittags war das Leben in
dem-Hauptstraßen außerordentlich stark. Die Extra-

blätter mit den Mcffenstillstandsbedingungen fa»
den naturgemäß das größte Interesse und lebhaft«
Besprechung. Die Wvilbevölkerung überwss
Eine kleine Anzahl Soldaten trug rote Schleifen
auf denr Waffenrock. Die Achselklappen waren
vielfach entfernt, selten die Kokarden. Offiziere
in Uniform waren wenig zu sehen. Es steht zu
erwarten, und'es ist dringend zu wünschen, daß die
nächsten Tage ebenso ruhig verlause» wie die ver-
gangenen. Es ergeht daher auch von dieser Stelle
d'.e Mahnung an die Bevölkerung: Ruhe ist die
erste Bürgerpflicht!
Die Teilnahme der bürgerlichen Parteien
Wie berichtet, haben sämtliche bürgerlichen
Parteien sich bereit erklärt, dem Arbeiter- und
Soldatenrat bei der Aufrechterhaltung der Ord-
nung behilflich zu sein. Nachmittags fanden Sitzun-
gen der Parteileitungen statt, die folgendes Er-
gebnis hatten.
Die Nationalliberale Partei hat dem
Arbeiter- und Soldatenrat folgende Mitteilung
übersandt:
»Die Nationalliberale Partei, vertreten durch
den Eeschäftsfühvend-en Ausschuß, hat einstimmig
b'ffchlofsen, dem Wünsche des Heidelberger Arbei-
ter- und Ssldatenrates auf Mitarbeit im Inter-
esse der öffentlichen Wohlfahrt zu entsprechen. Die
Partei M deshalb bereit, in den kleinen Rat Herrst
Universitätsprvfsffor Dr. Thoma und in den
großen Rat Herrn Direktor Dorn zu entsenden.
D>e nationalliberale Partei hat diesen Entschluß
gefaßt, weil sie fest darauf vertraut,, daß der Ar-
beiter- und Soldatenrat sich in den Dienst .der
öffentlichen Ordnung, der Einigkeit -des deutschen
Volkes und der Neuordnung Deutschlands durch
«'ne freigswäblte un frei beschließende National-
versammlung stellt".
Von der Fortschrittlichen Volks Par-
tei wurden die Herren Universitätsprofessor Mar
Weber und Stadtrat Anzinger und Assessor
Guido Leser entsandt.
Das Zentru m hat den Landtagsa-bgeordneten
G-ewerkul-aftssekretär Hartmann delegiert
Im übrigen herrscht jetzt, was auch für die bür-
gerffcksn P,arteten von Mchtigchkeit ist. voll-
ständige Preß- und Versammlungsfreiheit.

* Nationalliberale'Partei. Wie immer, treffen
sich auch heute die Parteifreunde im »Weißen Vock"
zur Besprechung der politischen Lage. Universi-
tätsprofessbr Dr. Thoma wird eine Absprache
halten. Zahlreiches Erscheinen dringend erwünscht.
— Ei» Heidelberger Reichskanzler. Der neue
Neick-ckanzler Friedrick Ebert ist am 4. Februar
1872 in Heidelberg g e b o r e n. wo sein Vater
Schneidermeister war. Er ist auck Lier- indie Volks-
schule gegangen und lernte in Heidelberg als Satt-
ler. Er wurde später Redakteur und ArbeiterMre-
tär. Seit 1905 gehörte er dem Vorstand der sozial-
demLkratiscken Partei Deutschlands -cm.
* Naturhistorisch-medizinischer Verein. Die aus
Dienstag, den 12. November festgesetzt« Sitzung
der medizinischen S-ektion ist bis auf
weiteres verschoben worden.
e- Einschränkung des EcfeubaLnserkebrs. In der
Karlsruher Zeitung wird balbamtlick mitaeteilt.
daß z-ablreicke Grivveerkrankrmaen beim gesamten
Deckonial. insbesondere beim Lokomotiv- und Zus-
begleitversongil auch in Baden den Vorübergehen-
den Ausfall einer Anzahl Schnell- und Wsrsonen--
züae erfordern, damit der Güter- und Lebcnsmit-
teivcrkenr aufrecht erhalten und' den Ansordsrunaon
der Heeresverwaltung entsprochen werden kann-.
Uecker dis Einschränkungen im Zugverkehr, die am
Montan. 11. November, in Kratt treten wird ein
Auskana in -den Stationen angeschlagen. Woselbst
nähere Auskunft erteilt wird. Es wird dringend
emvfoblen. den Reiseverkehr auf das allernotwen-
digtte Maß M beschränken.
* Keine Einstellung des Postverkehrs «ach
Oesterreich. Wie uns von zuständiger Seite Mit.
geteilt wird, ist der Brief- und Postanweisungs-
rerkehr mit den österreichischen Ländern nach wie
vor keiner Beschränkung unterworfen. Briefe nach
Oesterreich können wie, sonst aufgegcben werden.
Die Po-stveriwaltung bedient sich sodann ohne wei-
teres desjenigen Beförderungsweges, der ihr den
Umständen nach einwandfrei erscheint, Nachrichten,
daß Vrieffpost ans österreichischem

Neues aus aller Welt
* Zweifelhafte Volkssreunde. Wir Laben vor
nobleren Tagen bereits Mitteilungen gebrockt
«bar das neue WoMMrtsuntevnebmen. das sich
die wirtschaftliche Versorgung von Krieasverletzten
«n einem riesigen Netz von Kleinhandelsfilia-len
zur Aufgabe macht, die von einer Zentrale gespeist
werken. eine Aktiengesellschaft, die zu dem kavitali-
ier ton Renten der Kriegsbeschädigten eigenes Ka-
pital iE Verfügung stellt. Der in den Kleinban-
Lel veopf-lanzte Kriegsbeschädigte soll aber nicht
Selbständig!, sondern gehalten lein, seine Wäre von
Eer AktienaeseMckaft zu belieben. Es bandelt sich
Also um die Schaffung eines riesigen, auf Aktien
«übende naro-ßen Volksunternebmens. Gegen die-
sen Wam! LaLon fick nunmehr zaklreicke Handels-
Jammern erklärt, die übereinstimmend -ans den
EwecSelbaften Charakter des Unternehmens hin-
Hreffen: es liege für den ackckä-it licken Mittelstand
Seine Veranlassung vor. Tendenzen zu begünstigen.
Affe sie sick Lier offenbaren auch -sei die Lier in Vor-
schlag gebrachte Form der Festlegung von kavitali-
Kerton Krisasbckckädigtenrenten nickt einwandfrei.
Man bekommt von diesem EviindungsseÄuck. oer
Allerdings von dem dahinter -siebenden Berliner
DlbLahlunasgckckäft sehr ..großzügig" anaevackt W.
Den Eindruck, als ob es fick Lier um «in reines Er-
Lverbsunterwebmen auf Kosten unserer Kriegsbe-
schädigten bandelt. Im übrigen ist nichts übcr-
Nliissiiger als di« Vermehrung von Filialunterneh-
tnunaen bei dem Wiederaufbau unserer Klcinkän-
»elswirffcka-ft.
* Die Streichhölzer der Kompagnie. Der Spar-'
tamkeitsdrang ist durch jahrhundertelange Tradi-
tion ein Ideal des preußischen Heeres An allen
Ecken und Kanten wird gespart und es ist w-ahr-
A-aft erhebend für jeden Staatsbürger, mit anzu-
jphen, mit welcher Großzügigkeit die Organe der
Militärverwaltung dem Streben ngck Sparsamst
«och geh en. Das Bataillon eines brandenhurgi-
iche-n Grenadierregim-en-ts versandte B. an seins
Kompagnien folgenden Bataillons-esM: »Die
Kompagnien erhalten durch den Bataillonsfurier
zum Anheizen der Stubenüfen Streichhölzer. Zu-
ständig sind pro Tag und Ofen zwei

.Stück. Die Kompagnien haben über die Aus-
gabe Aufzeichnungen zu machen, falls von der Gar-
nisonsverwaltung später Abrechnung verlangt
wird. Den Kompagnien zur Kenntnis! — Wie
nun. wenn diese beiden Streichhölzer schlecht sind?
Wie nun, wenn eine Mannschaftsstube drei
Streichhölzer verbrauchen würde? Es ist nicht
«uszudenken.
* Preissturz auf den Pkerdemärkten. In oerfckie-
d 'nen Gebieten des Reiches, besonders aber in
Norddeutschland find infolge des nahenden Frie-
dens bedeutende Preisstürze aut den Meridemärk-
ten einaetreten. In Husum fielen! die Meise gs-
a en über dem Sevtembermarkt um 1900 bis 1500 Ak.
das Stück. Es wurde ein großer Teil unverkauft
abgetrieben. Es wurden gezahlt Mr Luruspserde
0000—8000 M.. gute Arbeitspferde 4000—6000 M.,
mittler« Arbeitspferde 3000—3800 M, ältere Ar-
beitspferd« 2400—3000 M.. gerinacr« 1800—2200M
* Bei der Getreidebei cdlaanakmc erschollen. Ein
tragischer Vorfall Lat fick in Ostbevern ereignet.
Bei dem im Felde siebenden Landwirt Fückten -
köttsv sollt« Getreide beschlagnahmt
werden. Die Frau und Tockter des -Besitzers leiste-
ten Widerstand, und der 16 I-abre alte Sohn Füch-
tenkötters gab auf den Gendarmen einen Rrool-
verickiusi -ab. wodurch der Beamte verletzt wurdie.
Hierauf machte ein HMsg-endarm. der den Beam-
ten begleitet hatte, von seiner WM« Gebrauch,
eck stoß die Frau und die Tockter und verwundete
Len Sobn lebensgefährlich.
* Der Ueberfatt auf den Oberbürgermeister.
Welch zweifelhaftes Vergnügen es heutzutage ist,
an der Spitze der städtischen Lebensmittelversor-
gung zu stehen, das hat der Oberbürgermeister
Kaiser von Neukölln erfahren. Eines Ta-
ges war der Händler Paul K o ch, «in einarmiger
Krüppel, zu ihm aufs Rathaus gekommen, um ver-
sönlich mit ihm zu sprechen. Koch hatte schon früher
einmal bei dem Oberbürgermeister Beschwerde
über die Lebensmittelversorgung in Neukölln ge-
führt. Als ihn Oberbürgermeister Kaiser in Ge-
genwart des Stadtrats Mir in seinem Amtszim-
mer empfing, wurde Koch sehr ausfallend, machte
den Oberbürgermeister für die schlechten Ernäh-
rungsverhältnisse verantwortlick und verlangte
seine Abdankung. Der Oberbürgernreister griff

nach der -Klingel Mf seinem (Schreibtisch, um Koch
durch einen Beamten entfernen zu lassen. Darauf
sprang Koch auf den Oberbürgermeister zu und
würgte ihn. Es kam zu Handgreiflichkeiten, Lei,
den Koch zu Boden fiel und den Oberbürgermeister
mit den Füßen heftig vor den Leih stieß. Gegen
Koch war auf Grund dieses Vorgehens ein-s An-
klage wegen versuchter Amtsnötigung und Körper-
verletzung erhoben. Das Urteil lautet« auf 100
Mark Geldstrafe.
* Der Schrei nach dem Gänsefett. In der
Frkf. Ug. befindet sich «in« Anzeige, die einen
wehmütigen Nekrolog auf zwei — Gänse darstellt.
Der ehemalig» Besitzer teilt der Oeffentlichkeit
mit, daß man ihm seine beiden Gänse gestohlen
und ihn damit um die ganze Martini- und Weih-
nachtsbratenfreud« gebracht hat. In der traurigen
Erwartung, daß die kapitolinischen Vögel schon
den Weg alles Irdischen gegangen sind, ruft er ih-
nen nicht zu: »Kehret zurück," sondern schließt
seine öffentlich; Kundmachung mit der melancho-
lischen. aber beweglichen Bitte: »Die Diebe wer-
dei; gebeten, wenigstens etwas Gänsefett ab-
zugsben". Hoffentlich sind die Diebe Kavaliere
und haben ein Herz im Leibe.
* Sträflingsrevolte in Ungarn. Aus dem
Zuchthause in Ila ur a brachen 450 Sträf-
linge aus. die mit Revolvern und Gewehren
bewaffnet fick eines Gisenbahn,zuges bemächtigten
und in der Richtung Budapest fuhren. Mit Ma-
schinengewehren ausgerüstete Soldaten nahmen
-en Zug bei Vas unter Feuer, 50 Sträflinge
wurden getötet, 100 verletzt, die übrigen gefan-
gen.
* Das Verfahren gegen drn Rittmeister Lnstia,
in Wien der wie bekannt, wegen seiner Zeugen-
aussage «n Kranzprozeß in Untersuchungs-
haft genommen morden war. ist eingestellt
worden, weil jeglicher Tatbestand einer strafbaren
Handlung fehlt.
* Kriegsgewinne. Das Stahlwerk Richard
Lindenberg, A-G. in RenMoid. erhöht auf
Vorschlag des Vorschlag des Vorsitzenden des Aus-
sichtsrats Dr. Walter Rath en-au ihren Bonus
von 25 auf 40 v. H. Da necken dem Bonus
noch «ine reguläre Dividende von 25 v. K. gezahlt
wird, so beläust sich die Eesamtausschüttung auf

nicht weniger als 65 p. H. Es wäre Zeit, die Ver-
suche verschiedener Gesellschaft en. durch- Ausschüt-
tung hoher Dividenden eine Erhöhung der Kriegs-
gewinnsteuer illusorisch zu machen, durch den so-
fortigen Erlaß einer Bundesratsverordnung ent-
gegenzutreten.
* Die „Gäben". Router meldet: Das Kriegs-
schiff „Gäben" ist der Türkei überbracht
und in einen türkischen Hafen gebracht worden.
* Zum zweiten Male silberne Hochzeit. An.
19. Januar 1893 hatte der Uhrenfabrikarbeiter W
Franz in Freiburg -i. sSchl. mit -seiner «Frau die
silberne Hochzeit gefeiert. Im November Dessel-
ben Jahres heiratete er zum zweiten Male. Heute
feiert er nunmehr das zweit« silbern« Hoch-
zeit s j u b i l ä u m.
Theater und Musrk
Heidelberger Stadttheater
„Die Räuber".
Wenn überhaupt ein Drama in dem Augen-
blick der größten Umwälzung unseres Vaterlandes
unsere Gedanken gefangen nehmen kann, so kam«
keines eher dafür in Betracht als /Schillers edles
Aufrührer-Stück „Die Räuber". Notwendig hierzu
ist freilich, daß dis Aufführung einigermaßen di-s
Bedingungen erfüllt, die man halbwegs an ein
Pro-vinzthoater stellen muß. Was am Samstag
geboten wurde, unterschied sich, es tut weh, das zu
sagen, fast in nichts von einer Schmiören-Djar>stel-
lung. Es ist dies um s-o bedauerlicher, als das
Theater zum größten Teile mit jugendlichen Be-
suchern angefüllt war. denen man -auf diese Weis«
den Maßstab vollständig verdirbt. Der einzig^
der ein höheres Niveau erreicht« war Walter
Horst als Karl. Es gelang ihm. d«m unglück-
lichen Räuber den Zug edler Begeisterung und
reinen Wollens M verleihen. Was neben ihm'
auf der Bühne stand, war fast Karikatur und schien
sogar zum Teil zu improvisieren. In dieser Be-
ziehung tri-fst auch hie Spielleitung Kurt Güb-
nes, dessen Franz leider auck völlig verunglückt
war. ein erheblicher Vorwurf. Auck die Ausstat-
tung bewegte sich auf der Höbe oder vielmehr TieW
der Darstellung. Ein unerfreulicher Abend! F- T,
 
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