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Heidelberger Zeitung (61) — 1919 (Juli bis August)

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Nr. 149-175 (1. Juli 1919 - 31. Juli 1919) ohne Nr. 166
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https://doi.org/10.11588/diglit.3397#0059
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* Zur Angestettten-Beweguns. Wte u>ns nnt-

«eteilt wrrd. hat sich der ArLeitgeberverband in
Icjtler Stnn.de entsch oisen, die TÄrifvechandlnn-
<zon mit ven Angestellten heute nachmittag 6 Uhr
wioder auf.^nlohmen. Die Enticbeidnng diicfte
vlsd houte fallen. ^

* Die Eemeinschaft. Heute Abend lieft
Sylvia von Harden vom Nesidenztheater
Verlin, die nächsten Mittwoch einen Andersvn-
Abend hier veranstaltet. Dichtungen von Alfred
Lichtenstein und Jakob van Hoddis. Hendrik
Eoverts leitet den Abend ein mit der Lesung
aus Werken W. Nunges. K. v. Dretzlers. K. Hey-
nickes. A. Stramms und eigener Gedichte. F.Ȁ.
Wagner wird eigene Verse aus seinem,l9l8 et-
schicnenen Buch „Untergang". sowie noch unver-
öfsentlichte Eedichte lesen.

i___* . U..„

Badenev 1n Kuvland

Von eincim Angehörigen des Badischm Stuknr-
bataillons wird^ uns aus Kurland goschriedon,:

Purze Tage nur warcn wir an der Ekkau. Auch
Mese fand-en das Bataillon in fortgesetzter Vevüh-
rung mit bolschewistifchen Banden. Gawaltfame Er-
kunduugen führten uns bis Friodrichstadt. Grötzere
yognerische Kräfte waren nicht mehr aufirufinden.
Am 5. Juni kam der Bcfchl zum Futzmärsch nach
MUau. Jn 2 Tagen wurden 70 Kilomcter Suuück-
aelegt: dcr Weg war schlecht, denn es regnete iu
iStromen. Jn Mitau wurden wir Kvrladen Und
ain Pfingsffamstag tmfcn. wir am Mjbend iu Riga
ein. Mt kNngendem Svicl zvgen dis ^Badener
sum Schlotz, wo ste ihre Quartiere echielten. Wir
warcm als bcsonders zuverlässige TüUVve für dis
'-Sichsrung der Stadt bestimmt. Die pollitiische Las8
lifft hier noch gänzlich verworren. Die Fdont ilst ini
der Mhe von Wonden. Dort stehen stch Bwlten
und Eston gegoiOber. Dieise wollen. voN England
awgestiftot. die Doutsch n -urückv-ränge-n. Augem
Llicklich schwelben wäihrend eines Mrffenstillstandes
Verchandlungen. —

,Welch eine wuirdcvbare Stadt ist dicses Riga.
Dsr Älick von der herrlichen Düna ist LesauIberNd
schd'N. Die Tllvme des Doines lbehetvschen dcts
Stadtbild. Von dcn 60l) 000 Einwohnern ledcm
nöch 250 000 in Risa. Unendlich viele sind gemoc-
det, viele geflohen. Am Tage dcf EiNimihMe ha-
'ben die Bvlschowisten noch fürchtcrlich in den Gv-
fänsnissen gohaust; 13 Pastoron und 42 Ädlige wui:-
den hingeschlachtet. Die Letten sind den Deutschcn
N'cht wohlgesinnt und ohne Waffcn darf niemabd
die Kalsomen verlasscn. D'e Preise tn der.Stadt
sind ungeheilerlich: ein Pfund Vutter 40 M., esn
Pfund Sveck 60 M., ein Paür Stiefel 300 M- e ntz
Postkarte 1 M. und cine Zigarette 2 M. Wir hö-
r-en von.^der Heimat wieder. Man will nicht Llau--
hön, datz der Frieden Unterzeichnet werden soll.
Am Dünaufer liegt etn englisches KriogÄschiff. Jhm
gegoiEber im Schlotzgarten fihen dte Leuie Les
Sturmlbäiaillons. Es tst M-end giworden. Divfe
Englander 'svielen ünd singen 'ihre Nationall'.eder.
Da awf einmal aus hunderten von Kchlen: „Es
brcmst ein Nuf wie Donnerhallund ,^veutschlan.d,
Doutschland über Alles", „Morgenrot, 'ALorgenrot",
ünd,>O Deutschland hoch in Ehren". Noch glauD'n
wir «m Deutschlands Kvaft und Ghre.

Am 17. Juni wird auf der grotzen Esvlanade ein
Fest Eshalien. Offiziere und Mannschafften weti-
sifern. Gvaf v. d. Goltz konrmt auch himu uüd
freut sich über den Iubsl. die frohe Stimmicns urd
die Eoschicklichkeit. Mlitten in die Foststimmung
kommt dex Dofchl: An die Front. Die Ver-.
handlungm sollen scheitern. Am 20. werden wrr
verladen. Am 21. um 12.30 morsens treten wir
rum Dormarsch an und um 1.30 Uhr fchon pMeln
die evsten Maschinengewchre. Wir haben es mit
einem hartnäckigen Gegner zu tun, aüer er hült
dem Sturmlbataillon nichl Stand und Kiilometer
um Kilometer mutz er zurück. In Angriff und Ver-

teidigung, in llmgchung und Rücknahnve vergchen
7 schwere Tago und Nächte. Jcht hat sich dev Feind
nach starken Verlusten zurückgezogcm. Sein Plak,
Risa su bekomnien, ist vcreitelt. Mit Recht wurde
das Bataillon- bcsondors Lelodt, denn <rn den se-
fährlichsten Stellen wurde es vevwandt. Le'cdtzv
hübcn wit auch recht erhebliche Verluste. Mlüncher
unserer Brüder liogt in kurländilscher Erde Lsstcrt-
tet, mancher wurde verwundet zurückgchracht. Un--
ter den letztcren auch unser selieLter Kommandeu'r,
Major Böckelmann, der uns düs Abbild ddr
Tre-uo und Tavferkeit war. Nun stnd wtv wteder
in Riga und hadeü dort für Ruhe und Ordnung )u
sotgen. Aber nran svricht schon: Bald gehf es
wiÄdev nach vorne.

Neue Vücher

miitel": Hans Franck: „Eodiva": Nernhard Eoe-
nng: ,^Der Zweite": Eeorg Kaiser: „Europa": ^
August Strindberg: „Elückspeter": Otto Zoff:
„Schneestum": Arnold Zweig: „Die Sendung Se-
maels.

und die Franzosen. Jn> der letzten
Auffuhrung von Lchars „Eraf von Luxemburg" im
Wrener Stadttheater. die unter der musikalischen
Leitung des Komponisten selbst stattfcmd. und der
Angehörige der Wiener französischen Mission bei-
wohnten. kam es. wie uns ein Privattelegramm
aus Wien meldet. nach dem zw'eiten Akt auf der
Buhne zu ecner eigenartigen Kundgebung. Lehar
wurde von den Franzosen begrüßt und ihm gegen-
"^^^L°^uung ausgesprochen. ihn. seine Werke
und dre Wiener Darsteller bald in Paris begrützen
zu konnen. — Vezecchnend. datz solche ersten „An-
naherungen" beim „Fall Lehar" geschehen. Die
franzoirschen Mcssionen sollten sich dann doch auch
dce ernsten. grotzen. künstlerischen und wissenschaft-
Uen Errungenschaften der Deutschen ansehen.
Bcellercht, datz chnen dann noch weitere Einsichten
kommen wurden.

" - Aumor vom Tage

ra- * ! Der erste Schultag — ABE und

wrnimal Ems blerben vorläuifrg noch iir den Bü-
chevn — vorerst werden die Kleinen von der Leh-
revrn lrebevoll mit ilhrer nouen llmgebung ver-
rvaut Mmacht. Sie frcrgt dies und das. und so
wll denn auch iedes seinen Geburtstag ihr nen-
nen. 12. Mcirz. 25. Februar. 14. Dezemder — und
r-' Oktoberl" sagt ein kleines Blondes. »Sic
mgt! svvrnst entrüstet auf der hinterften Bank
dre Lresl auf. — „Sie lügt. das ist mein Eeburts-
Schrecken der Zeit. Meine Fm>u
^lncr und schenkte dort meiinem
lechsiahrrgen Walter ein Vrüderchen. Der gute
schlotz soine Muttex seden Abend in sein
-nachtgsbetlein ein: „Liober Gott. mach. datz Ma-
nach Hause kommt." Und d:e
tst wreder zu Hause. Aber Waltex hat seine
wovetfovmel noch fest rm Kopf und begrnnt «bends
»2iober Eott. mach, datz meine" (und
besinnt er sich plötzlich; Mcrma ift fa zu Hause
nun rst Vater fort auf Geschäftsro'csen) „lre-
vex Eott mach. datz Papa n,icht auf dem Tritt-
orrlt xersen mutz '. , (Iugond).

^ Cottasche Handbibliothck. Hauptwerke der
schönen Literatur in billigen Einzelausgaben, Nr.
205 bis 211. Preis 40 Pfg. Lis Mk. 2.20. Verlag
der Z. G. Cotta'schen Äuchhandlung Nachfolger,
Stuttgart und Berlin. Die soeben zur Ausgabe
gelangte neue Reihe der „Cott.aschen Händbib-
liothet". dieser nicht genug zu rühmenden wohlfei-
len Sammlung zur Verbre.tung guter Literatur.
zeichnet sich wieder durch gros^: Mannigfaltigkeit
und reiche Fülle des Inhaltes aus. An der Spitze
der sieben Bändchen Mht eine Probe Ludwig
Anzengruberscher lErzählungskunst: „Eott
verloren! und 'andere Dorfgeschichten", worin der
urwüchsige Humor und die warmhdrzige Menscb-
lichkeit des meisterhaften Schrlderers österreichi-
schen Bauernlebens aufs schönste zu Wort kom-
men. Die Verwickelungen einer leidenschaftlicheN,
unerwiderten Liebe zeigt seine grotze Landsmän-
Nin Marie von Eblier - Eschenbach in ihrer
kllnstlerisch höchst bedeutenden Erzählung „Chlod-
w:g" mit erschütt-crnder Seelengewalt und erstaun-
licher Formsicherheit. Packend und mit unpar-
teiischer Eerechtigkeit behandelt Ernst Eckstein
in seinem grotzangelegten Röman „Der Bilder-
schnitzer bon Weilburg" die stürmischen. unserer
Zeit so oorwandten sozialpolitischen Vsw.tznngen
des Banernkt'.egs. Mit dem „HadlaUb". dem zär-
ten Lieüesroman des Schreibers dcr Manessischcn
Händfchrift. wrrd der Cottaschen Handbibliothsk
eine der reizvollsten SchöpfUngen Eöttfried
Kellers angercrht. E.ne schöne HarMonie er-
füllt die in Stil und Sprüche gewahlt gehältenen.
von modernem Empfinden getragenen drei Erzäh-
lungen Curt Morecks. dlc in dsm Bändch"
„Der Umweg zur Lrebe und andere Novellen" ver-
erniat sind. D!e beiden. lctzten Nummern schlictz-
lich bringen zwei wertvolle Ergänzungen der Bis-
marckliteratur: Eottlob Egelh ^

marck für das deutsche Bolk dargestellt". cine durch
Dollständigkeit. gesch'.chtliche Treue ii".d lebcndig-
flirtzende Darstellung ausgcze chnete Biögräphle des
grotzen Kanzlers. und den bisher noch ungedruckie.i.
von Hermann v. Petersdorff herausgcge-
benen „Vriefwcchscl Bismarcks mit Kleist-Netzow".
in dem sich die e'gcnartige Freundschaft dcr be^den
bedeutenden Männer in allen Phäsen wieder
st'iegelt.

* Eobre, Paul: D-r unbekanntc Eott. Vec'uch
erner Nelrgion des modernen Esk-ef-

tet M. 4.— gebunden Mx. 6.— (Fr. Wllh Grv-
Leipz-rgl. Dsr llnterst'nts>kretär rnr
Kköegsmrnl,termm. Paul Eöhre. Ut oer Bsrfusser
dieses Buches: In einer Zeit. wi-.' der fck'nen
da eine Umwertung reliLiösci: Besriffe „nd Vor-
stelmnsen Vtelen als notivcnd'g ersck'Kint. wird
das Buch züm mindesten für all- die.ientsen di>7
sich mit relrgtösen Fragen bäschäfirgen. vvn Inter-
esse kein. "

? Küthrin. Röiman vön E'orn Engel. T'N-
scklretzlich Kriegszuschlag gc>h Mk. 6 50. goh, Mk.
9.10. Verkrg von Eretylein nnd Co. G m
b. H. in Leipzig. — Der Dichter 'Eeorg
Engel hat seinex grotzen Eem.'inde eine
Eabe befchert. die wir rn recht vislen Hön-
den sehen möchten. Mit gewcchntcr MMer'ch-'ft
führt uns Georg Eivgel in seinem ireuesten No°
mian „Kathrin" lebensvolls vnd daseinss-prühende
Figuren vor Augen. deren Sck-ickial wir mit ech4er
BeiweMn-a und voll Spannung verfolgen; eine
fesselnde Handlung und vrächtig gelunsene Natii.t-
schclderungen sind wertere Nor.;üge des Nuch.'^
Es ilt mlt seiner svnnigen Anmnt ein Hirtealic-L

wert fort von der Not der Zelt. elrre Rettuna in
die frredliche Heiterkeit der NLkUr! Und vor al-
lem. es M eine Dich 1Ung. die lhrem Derfas-
ser Ehre und dem Leser Fre-ude macht, Mr em-
pfühlen das Mch ängelegentlichst sowohl für die
visene Bücherei, wie als Geschenk.

* Planzen und Iaten in Kinderhetzen. Erleb-'
tes und Evfahrungen füt Mütter Und Erzieherin-
nort erwählt von Mürie Coppius. 3. Auf-
lase. Kart. Mk. 2.25. Hierzu TeUerungsMage
des Verlags und der DuchhmLilungeu. Berläg
B. E. Toubner. Leinrig und Berlin 1919. Ein
w-irkliches Schatzkäsklein ist dieses Büch. in dem
die Verfassertn mitteilt. was sie in iangMviger
Tätigkeit als Leiterin von K lsiuk>inderer^iehungs-
anstalten aus de»r an sich so kleindn Crlehnissen
mit Kindetn an Vsychalogischen> Dcdbachtungen
ünd pLdagögischen ErfMrungen gessammelt hat.
An einer Fülle wird gezeigt. w-de man die beii <vl-
lon Ktndern zu Tage tretenden SchwierigLoitön
-und Unarton am erfolgreichstcn Mtellon kann
und welchs Mvttel im Spiel und Delschäift-igung
gegochon sind. um die auten Lhamktereigenfchaften
des Kindes zu ontwickeln. Das Buch ist für jeden
FvouNd der Klernon wie für jeden Erforscher der
Kin.de'rfeele.durch diie Le-bs-rdigkeit und Fülle der
Bilder eine Queilc herzlichsser Freude.

Lungenkrankhciten unv ihre Vcrhütung von
Unw.-Prof. Dr. Michaelis. Nascn-. Hals-
und Luströhrenerkrar.kungen von Dr. Echter--
meyer. 15 z. T. favbigr Abbiildungen. Preis
gebunden Mk. 3—. Mar Hesses Verlag. Vsrlin
W. 15.' In rvelch erschrcckendem Masie die Erkran-
kungen der Atmungsoraanc. mamentlich die Tu-
bsrknlose' rn den letzterr I-jhrrm zugenonrünen hr-
ben. ist voretst nur den Eirrgeaveihten bekamnt.
Da iw'cheint nun zur rcchten Zeit das Buch des
bekannten Derlrncr Klinikers. allen deNdn zum
Trost uird zilr Erin.utigM'g. die dessen bodürfon.
In gemeinverständlich-.'r Därstelluna wird iüber
LrMö, Uoberanstrcngu.g. ungenügeuds Betäti-
g-ung derselb-eü ge'prochen. merdcn die wichtig-
sten Erkrairkungen wie Lungon- und Rlp-penfell-
entzüiidung, Bl-uthusten und besonders die mift
Recht gesürchtete Lnngcntuberrulo.se ab-
gohandvlt. D,r. Echtermeyer verbvgitst sich über
die Erkrankungen b-cr obereri Luftwcge vom oin-
fachen SchiMpfc-i und sciirör Verhsituua brs zjür
Kehlkolpftuberkii/ose und dcm Krobs. Gute. zu,m
Teil niobafarbige AbbrldnugeN untevMtzen dis
klaren Ansführungen. Dazu eine Fülle bclherzi'-
genswertet Aatihläge. ku,rr. d>.rs wirklich lohr-
rerche Büch sei wcitest-'r BcachtUUg emchfooken.

Neues aus aller Welt

Frirhling in Sancisonci

Der Knabe Frühliirg kam züm Park hineingegaN-
gen

Und unter sernem Schcitt dke Na-sen grüner pran-
gen

Und KroLus frcudobunt erwachon tbm ,u FützcN,

Dre weitzen Statuen rings 'aiUfiubelnd Gn be-
grützen.

Er stürmt mit einem Schwung der Schlotzterraste
Stufen

Und hat sern hell Äignal in -alle Wolt gerltfen —

Und dnrch den Laubeirgang und durch dcin Säulen-
bogen

Ist leichtbeschrvingt der Tan ins Schlotz h'meirr-
sezogen.

Hier schwebt er flül'ternd um m kühlen Marmor-
hallvn.

Unid tveibt sein klingend Spiol in Lemchtern von
Krystallen.

Berührt mit zartem Hauch dle sordenen Tapeten

Und weckt die Sehnsucht aüf in träumünden
Eeräten.

Die Sehnlsucht. dre hier wohrrt tn tedem Fenster-
boaen

Seit jensm Morgenrot. da Er hinweggezogen!.

Seit fenonr. Arorgenrot, da e r hrnweg-aegogen,

Von deren Schritt und Wort die stillen RLu-me
klangen.

Sre Sangen rrach dem Ton der lioblich sanften
Flöte ^

In jeder Sternennacht.. in jeder Abendröte.

Sie dürsterr nach dem Gerst, der forschond saNN
und sprühte.

Nackr sernem särarfen Schwevt. nach sginer grotzeu
Güte l

Die Sehnsucht tst erwacht und atmret tkef be,
klommen —

Dä Lo,mmt ein Surren fevn diurch läu!g Luft ge->
schwommen —

Ern Riesenvogel zieht im Bkauen selne Kreif«

,Mit Srlberschwr-ngen breit aiuf froher FrÜhlingS-
reise.

Da hebt die Sehnsucht auch dte traMllbefangneir!
Flügel » .

Letzte Drahtberichts

„Wir stnd Sicger, ihr seid Schwerne"
Bcrlin, 10 Iuli. Heute Nacht kam cs Unter d:n
Linden 6U einem peinl'ichen Zwischenfalt.
Es staMn an d> r Kanzlc eckc srcbeu franzö-
sische Soldatcn. d'e sich in a: siallrger Wcil-,
übör Passantcn L.lusti^ten. Ziclschc'.Lc 'hv s Spot-
tes wu'.do schli'tzlich ein älterer Hcrr. dc-.- crw-äs
länges Haar trng. Als d-escr sich dio Zuruse v-c-r-
bat, antwortcten b'o Franzoscn mit Gclachtcr i'nd
ue-uon Vcvböhnung n, Im Anger-blick .sa-mmelte
sich eine g ötz.'ic M'-'ngs um den b-l-ist^gtcn Poss'.--. -
rcn und crgr'if gegen die Franzos n Parte'. Al:
dcr fra"öösisch' Or crrtic mc-stc - Tbomas V r Mcngc
die Wortc zi r'ef: „M i r srn-d Sicgcr. Ihv
scid Schwcin c-" cntstand e'n nllgemern >' r
Dumült. Drc -M-cnge drängtc ai is Lie B lc'.d'-
gcr cin uiid es kiim zu Handgv'iflichkc ten. Di'
Franzoien slsicht ten, wu.d.n jcdc-ch bald. wi dcr
cingcholt nnd es entsoann sich c'.ne Schläger' i
Herbeieilen-den P.olrzer(nam1cn gclang es, dst
StroftcNdeir zu tr.nncn und d:e FrL7.ro:'n ru iL-
r r äig-ne:: S-ch rhcit fcstu'üchine i. Ss-f dc.
Pcrlpe^ach: wende festgcstellt, Latz swer Fränzo-
sen lcichtc Vcrtehui'gen am Ohr und Hiiii.iko^i
-davongctvag.'n hattcn. Src wu den nach der Boi-
schait geleit ct.

Hugo Nrcmann ch

Lcrpzi'S, 11. Ii-l'i. De' bckanntc MuMwlsscn-
schartor Prdf. Hugo N-iemann ist hicr kuvz vdr
dcr Voll-cnhung stin-'s 70. Lübensja-hves gcsto ibcir.

ilnd wirft sich in dic Lüft und bricht des Schwci-
gens Zügel

Und iaiichzt dcm Frühling zrr. dcr sie vorir VaNn
besrcite

And eilt dcm Bruder nach in grcnzcnlche Weite.

Marranne Kossel

^ Fraücttüberschuh nach dem Krrige. Ueber dcn
durch den Krie« hcrbeigeführteir Fraucnüb rschutz
hat der bokannts Mcdizina!statrst:k-r Sanitätsrät
Dr. Prinzin« in Ulrn rn der „Dcutschcn »nodisirrr-
schen Wochenschrift" vor einiger Zeit lntor<ssanrv
ssatistische Anigaben veröffentlicht. Danach epstr.'ckt
sich öer neuerliche Franenübecschuh gerade auf das
für -den Ecburtenzrvwachs wichtrgste Alter von 18
brs 45 Iähren. Vor Lenr Krreg cntsi.lcn m dics r
AlterVklasso auf 1000 männlichr Personen 1004
rveibliche, jetzt dagcgen 1166, sodatz der Frauen-
übevschuh währenid des Krieges um fast cln Scchstel
gestiogen i-st. Das Verhältnis ist auch d sha-lb u-n-
güitstiger gewovden, woil viole MfüÄDt' infolce
schwerev Vemvunduirg auf die -Gho vergichtcn ws'r-
den. Die FräUen werden demgeinätz weit mehr als
vor dein Kriego zUr Erwcvbstätigkeit «czwungew
sein. Äl!ls wertere Folge wrrd sich cin erheblrcher
NÜckgäng der Ecburtenzisfcr cjnstellen. In 27 IM
reü erst werden die jüngerenEenerationen mit dem
noymalen Gcischlcchtsverihältnrs in die Altersklasse
vou 18 Lis 45 Iahrerr eingetret-en sein: solangs
wivd es mitb'm nach Prinzing dauern. bis der
durch die Krvegsivevbältnisse hervoraeru'fene Fvauen-
Lberschutz wieder sirrigermatzenl ausgeglrchen sein
wird.

* Woher kommt das Wort Putsch? Die sprach-
liche Ableitung dieses jetzt nur allzu zeitgemätzen
Wortes ist nicht aufgeklärt: vielleicht hängt es
mit einem mlttelhochdeutschen Worte biutz, buta —
Schlag, Stotz zusammen. wobei man auch daran
denken mag. datz man mit kleincn Kindern „Butze-
köpfchen" macht. indem man Stirn gegen Stirn
stotzen lätzt. Sicher ist nur. datz Putsch etgentlich
ein schweizerr-sches Wort ist. das in der Bedeutung
„Stoß" schon in dem zu Zürich 1556 erschienenen

Wieder zurlick «ber den Ozean

Amslerdam, 10. Iuti. Reuter meldet aus New»
vork, daß das englische Lustschiff „N. 34"
gestern «rbeud die Nückfahrt nach Schottland
angetretien hät.

Verlin 10. Zuli. Anf. energischen Einipruch "
hrn sestattet dle EütLnte nunmohv den A b -
transport dsrDeurschen aus Nig a

Verlin. 10. Iul!. Der Strerk inLugau-
Oelsnitzer Steinkohlen - Nevier und
rm Zwickauer Nsvier ist beigelegr.

Berlin. 11. Juli. Uober die Wiederaür-
nahMe der Handelsbeziehungcn mrt
Jtalien faüd-en dicstr Tago in MÜnch^n Bc-
sprcchungcni statt. Wie die „Deutsche Tageizcitung"
meldet. soll darauf h-ingowirkt werden. datz
bcvld tn Nom ein!'- deutschö Handclsabteili ng und
:n Verlrn- eicke rtalienische Handclsabteilung bi'
dcü dwlomatischeN Äertretrmgen errichtet w-.id>'.

Berlistz 11. IAr. D-rc „Vossi che Zeitung" sch. ebt'
Entgegen änders lauteüd- n Nachr'chtcm HLren wi'
daß Eraf v. Brvckdorff-Nantzau d:n ihn.
anZebotenen Posten als dcutschcr Botschafter
in London abgelehnt habe.

Verlrn, 11. Inli. Zu den Ber'chten über Wis-
sels Nachfolger sagt he-r „Vorwärts", es müsse er-
rierit Äarauf hingewiesen rverden. datz brshcr nichk
einmal eiir Abschssdsgefiich des Miinisters vorlicgc.

Verlin, 11. Iuli. Die Lage imBerli ne v V er-
kehrsstreik ist unverändert. Im Nut-
haiisc wurden gchtern VerhandlUnigj'n geführi, zu
dcnen dre Vetkehrsgescllschaften nicht eingelad-sn
waren.

Dresdcn, 11. Julr. Die Domokraten. wetden vor-
anssichtllch nrcht i-n dre Regierung c-intreten. Es
dürfte zu e'mer E'migung zwischen den Leidcn so-
zialdeinokvatischen Parteien kommi"n.

Wrön, 10. Iuli. Wie 'dre Absndblatter melden
werden auf.den von Ungnrn nach.Niederöstsrrcrch
führenden Stratzsn seit cmigen Tägen Tetle der
Not-en Ärm-ce züsaminengezosen. -die! ver-
lätzliche Anhänger Bela Kuns sein sollen.
Besonders rn Altc-nbnrg ständen 5000 Mann Note
Trupporr zucn Einmarich rn Nieder-Oesterreich
bicreit.

VersaiLes, 11. Iuli. In der Umgebung von St.
Lonis ilog em Mün.ltionskager rn dis
Luft. ?^-ei deut/sche Krregsgefangenic wurdoN' gL-
! tötet und 12 schwer verwundet.

Nüdzronkäo, 9. I-uti. Evgen äberrd wnrde
L-outnlant Steffen ber erirein BatroUillengang
a:uf dciür -W-Sge von Alt- nach Nsü-Nadzionkau von
-,ni hintcr rhnr ge-henlxn Zrvilisten durch
Bistolen-chüsse ftintcrrücks evmordet. Anscheinend
licg t ein Na-Heakt vor. da durch rhiv Platate
aufrostzenden Inhalts entferr.t wurdem_

WittMii^k'öbslhtiiiiiicillittScidclbg.ssci!:!!!!;

Am 10. Zuli 1919, morgens 7 Uhr.

Wörme-
Grade
n. Cels.

melcerst. ^ höchstec

Wärmegrad seit
gestern

Mnd-

richtung

Himmel

Lns dr.
n NI

15,0

13.5

19,6

S.West

trüb

750.4

Nicderschlag 1.0 mm

Äiitlclwerte von geftern:

Tcmperatur 16,0

Tunstdruck ll.0 mm

Relative Feuchtigkeit_80,7 °/s_

Wasjerstände am H. IuU 1919

HeideIberg: 1,33 m, Heilbronn: 0,45 m
und in N e ck a r ste i rr a ch: 0,85 m__

Verantwortlich für Len gesamten Textteil
Kurt Fischer,

für den Änzeigenteil Älfred Schmitz
Notationsdruck und Verlag:
Heidelbcrgcr Verlagoanstalt u. Druckerei E.m.b.H.

deutsch.laleinifchen Dictionariolum puerormn von
Ioh. Frisrus vorkommt. sodann auch m I. Maalers
Buch „Die Teütsch Spraach". Zürich 1561. Im
hcutigcn Sinne eines unbedeutenden bewafsneten
Anfstandes ist es etwa seit 1840 von der Schwerz
aus in dic Schriftsprache gekommen. Es frnder
sich öfters bei G. Keller. doch soll dessen Erklarung.
cs habe in Zürich vordcm einen Reaenautz bedeu-
tet. unrichtig sem. Das Zeitwort putschen — slo-
tzen. einen Putsch machen. steht 1561 bei Maaler.
1781 bei Kindleben auch „anputschen". Hunde zum
Veitzen anreizen, aufwiegeln. Uns ist in diesem
Sinne anfputschen geläufig. Dre üblen Abterlun-
gen Putschismus und Putschist werden hoffentlrch
bald wieder aus der Sprache verschwrndcn.

* Dic Lesehalle für Landftrelcher. Jn Nishni-
Nowgorod besteht eine Leselralle für den in rus-
sischen Nomanen häufig geschilderten Typus der
Lotzjacken. der Barftitzler. Landstreicher oder. wie
wir sagen würdcn: Pennbrüder. Sie ist vor etwa
20 Iahren auf städtische Kosten neben dom Nacht-
asyl gcgrundet worden ünd eroberte sich in kürze-
ster Zeit die Sympathie der ärmsten und elendsten
Nagabunden. Die Halle ist für diese Leute em
Bildungszentrum. ein Ort in einer anderen Welt.
Das Z.mmer rst klern und schmutzig. die Luft un-
rnöglich. es gibt keirren freien Platz — alles ist be-
setzt. Kinder. Ereise. Entgleiste, Arbeitslose,
K'riegsinvaliden. alle sitzen sie da auf Stühlen.
auf der Drele. auf Bänken. stehen odcr lehnen an
der Warrd, gefangen vom Zauber des Vuchss. das
sie lssen. Sre lesen mit äutzerster HingeLung. mit
brennender Aufmerksamkeit, sie vcrgessen Zert,
Naum und Elend, Hunger und Revolution, sie er-
leben alles. was da in rhrem Buche stel)t. Laut-
loses Schweigen herrscht in dem Zimmer. nur
zuweilen von Seufzen oder einem kurzen Ausrm
unterbrochen. der durch das hocherrcgto Gcfuhl sich
aus der Brust ringt. Die Leute wählen nrcht nach
dem Katalog. sie nehmen das erste beste Buch oder
lassen sich vom Einband. elnenr Vilde auf dem
Deckel oder einem lockenden Titel beeinflussen. DAk
Arrdrang ist immer. iln Winter und Sommer und
zu allen Tageszeiten so grotz. datz schon langst wei-
tere Räume hätten geschasft werden müssen. ALer
die finanziellen Verhältnrsse der Stadt sind trost-
los. und es ist bei ernem dürftrgen Zimmer ge-
blieben
 
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