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Heidelberger Gerneral-Anzeiger — 1.1883

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Nr. 1 - Nr. 10 (1. Oktober - 11. Oktober)
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Heidelbergs

Nr. 6.

Eingetragen in der Reichs-Zeitungs-
Preisliste Nr. 2137»

General- W Anzeiger

für die Pfalz, den Brurhein, den Odenwald und die Main- Taubergegend

zugleich: parteiloses politisches Volksblatt siir den Gewerbe- und Bauernstand.

Erscheint täglich mit Ausnahme der Sonn- und Feiertage.
AbonnementShreis sür Heidelberg:
vierteljährlich M. l.— , pro Monat 35 Pfg., ohne Trägerlohn,
durch die Post bezogen M. i.4N.

Samstag, den 6. Oktober 1883

Insertions-Gebühren: die 1-spaltige Petitzeile oder deren Raum
für Heidelberg 3 Pfg., für auswärts 5 Pfg.
Bei Jahres-Anzeigen Rabattbewilligung.
Reclame 10 Pfg. pro Zeile.

Deutsches Reich.
Baden-Baden, 4. Okt S. Maj. der Kaiser
speiste gestern bei der Herzogin von Hamilton
und empfing später den deutschen Gesandten Wirkt.
Geheim. Legationsrath v. Bülow zum Vortrag.
Den Abend brachte der Kaiser in seinen Gemächern
zu. — Der spanische Gesandte bei dem Cabinette von
St. James, Marquis de Casa la Jglesia, ist
heute hier angekommen.
Berlin, 28. Sept. (Die Zusammensetzung der
Bevölkerung Berlins.) Nach Richard Bockhs sta-
tistischem Jahrbuch befanden sich unter den bei der
Zählung von 1880 gezählten 1,122,333 Bewohnern
Berlins nur 486,784 geborene Berliner, 575,202
aus den preußischen Provinzen Gebürtige, 46,356
aus den übrigen Staaten des deutschen Reichs,
13,734 aus dem Auslande und 234, deren Ge-
burtsort unbekannt war.
Berlin, 4. Okt. Die Zahl der jungen kathol.
Geistlichen, für welche der Bischof von Culm Dis-
pense nachsuchen wird, beläuft sich auf beinahe 800.
(Köln. Ztg.)
Stuttgart, 1. Okt. Die Konferenz der israe-
litischen Lehrer Württembergs und die Plenarver-
sammlung des Unterstützungsvereins findet am 29.
Oktober im Hotel Eisig hier statt. Folgende Ge-
genstände sind auf die Tagesordnung gesetzt. Vor-
trag über deutsche Dichter (Referent Oberlehrer
Elsäßer in Laupheim), Normallehrplan der jü-
dischen Religionsschule (Oberlehrer Stern in Eß-
lingen), Besuch des Religionsunterrichts (Metzger
in Cannstatt.)
München, 4. Oktober. Der definitive Schluß
der Ausstellung ist vom Centralcomitä ans den
15. Oktober festgesetzt worden.
Leipzig, 4. Okt. Das Tageblatt meldet: Gegen
Antoine (Metz) ist vom Reichsanwalt auf Grund
des vorliegenden Belastungsmaterials die Einlei-
tung der Voruntersuchung angeordnet. Die
Verhaftung desselben verfügte der Untersuchungs-
richter in Metz. Ueber die von Antoine erhobene

Sein eigen Blut. N«.«
3) Aus den Papieren eines Criminalisten.
Von N. I. Andreas.

(Fortsetzung.)
Friede und Eintracht herrschte in dem Pfarrhause.
Der Pfarrer segnete oft die Stunde, in der er sich ent-
schlossen hatte, das Kind bei sich aufzunehmen, das ihm
nun in seinen alten Tagen eine Stütze war. Und Elise
suchte jede Gelegenheit zu ergreifen, dem Vater, wie sie
ihn in kindlicher Zuneigung nannte, Freude zu bereiten.
Weiter konnte ich an dem Abend nichts erfahren.
So viel ich auch nach dem Gehörten darüber nachsann,
ich konnte keinen Grund darin finden, daß das junge
Mädchen eine so grauenhafte That verübt haben sollte.
Dennoch aber wurde sie von allen Anwesenden mit seltener
Einmüthigkeit der That bezichtigt.
Ich muß hier zur Orientirung meiner Leser noch
Folgendes mittheilen;
Die vorher erwähnte Wirthschafterin des Pfarrers
war seit mehreren Jahren todt, so daß Elise einzig und
allein den kleinen Haushalt besorgte. Fremde kamen
selten, ja fast nie in das Pfarrhaus, und auch dann
blieben sie Abends nicht dort.
Den Abend Pflegte der Pfarrer im Gespräch mit
seiner Pflegetochter zuzubringen, mit welcher er alle An-
gelegenheiten und Vorkommnisse seiner Gemeinde berieth
und oft auch erwähnte, daß er sich bei der Gelegenheit
von den, guten Herzen und dem klaren Verstände seines
Töchterchens mehr und mehr überzeugt.
Auch an dem Abend der unseligen That hatte kein
Fremder das Pfarrhaus betreten. Elise hatte mit dem
Pfarrer das Abendbrot eingenommen. Der Pfarrer
verlangte noch eine Tasse Thee. Elise brachte sie ihm
und begab sich dann aus dem Zimmer. Als sic wie-
der zurückkehrte, fand sie — wie sie sagte — den Pfarrer
todt auf seinem Platze. In der Voraussetzung, daß ihn
der Schlagfluß getroffen, alarmirte sie das Städtchen.
Bald war der Kreisphysikus zur Stelle, der aber sobald
er das Zimmer betrat, das Gesicht in ernste Falten legte,

Beschwerde werde das Reichsgericht zu entscheiden
haben.
Gotha. Am 1. Okt. fand die 139. Leichen-
verbrennung (Fräulei Anselm Moser von hier) statt.
Straßburg i. E., 3. Okt. Unsere höheren
Schulen haben das neue Schuljahr bereits be-
gonnen und sind von jetzt an auf Grundlage der
allgemeinen Vorschriften vom 20. Juni d. I.
thätig. Dieselben werden zur guten körperlichen
und geistigen Entwicklung der Jugend viel bei-
tragen, da zum Voraus durch weise Entlastung
jeder Ueberbürdung vorgebeugt ist, so daß bei-
spielsweise die unterste Gymnasialklasse nicht mehr
als 27 wöchentliche Stunden hat. Besonderes
Augenmerk ist auf Leibesübungen gerichtet. Daß
der Religionsunterricht in den Verordnungen mit
Auszeichnung behandelt ist, kann nur einen wohl-
thuenden Eindruck Hervorrufen, namentlich wenn
wir lesen, daß beim Zeugniß der Reife zum Ab-
satz „Aufmerksamkeit, Fleiß und Betragen insbe-
sondere das Verhalten des Schülers im Religions-
unterricht in Betracht zu ziehen ist. Auch die
„Hinzufügung von Wünschen und Hoffnungen" be-
weist, daß bei Abfassung der neuen Vorschriften
das Gemüth mitgesprochen hat. Alles berechtigt
zur Hoffnung, das aus diesen Paragraphen gute
Früchte hervorgehen werden.
Oesterreichisch-Ungarische Monarchie.
Buda-Pesth, 4. Okt. Die Konferenz der Unab-
hängigkeitspartei nahm einen im Reichstag einzu-
bringenden Antrag an, der das Vorgehen der Regie-
rung in der kroatischen Frage entschieden tadelt.
Schweiz.
Zürich, 4. Okt. Unsere Universität zählt augen-
blicklich 31 weibliche inskribirte Studenten, von
welchen 30 der Medizin, 10 der Philosophie und
1 der Chemie angehören, 7 von ihnen sind aus
Deutschland und zwar je zwei aus Baden und
Schlesien und je ein aus Bayern, Ostpreußen und
Sondershausen. Den Doktorgrad haben sich be-
reits 30 Damen erworben, 23 in der medizinischen
denn die Atmosphäre daselbst war mit dem Dunst der
Blausäure geschwängert und die Rückstände in der Tasse,
die der Verstorbene benutzt hatte, sprachen deutlich da-
für, daß der Thee mit Blausäure vermischt war.
Da kein Anderer Eintritt in das Pfarrhaus hatte
wenigstens zu so später Stunde nicht, da ferner Elise
den Thee sür den Pfarrer stets bereitete und auch zu
geben mußte, ihn diesen Abend bereitet zu haben da
außerdem in der Ecke ihres nach dem Hofe hinaus-
gehenden Fensters ein kleines Fläschchen mit Blausäure
gefunden wurde, so war der Verdacht, der auf dem
jungen Mädchen ruhte, ein schwer gravirender, der ein-
mal nicht so leicht zu besiegen war und der nothwen-
digerweise zu ihrer Verhaftung führen mußte. Zu dem
kam noch, daß sie mit Entschiedenheit den Besitz von
Blausäure läugnete, trotzdem das Fläschchen in der
Fensterecke ihres Zimmers gefunden worden war. Ja,
dieser letztere Punkt bot eigentlich dem Untersuchungs-
richter den wichtigsten Halt, und der Bürgermeister von
L. hatte vollkommen Recht, als er die vorläufige Ver-
haftung der Pflegetochter des Pfarrers beschloß.
Hätte mir nur einer der vielen Leute, die ich be-
fragte, einen Fehler, eine schlechte Eigenschaft des Mäd-
chens entdeckt, ich wäre mit mehr Ruhe an die Unter-
suchung gegangen, so aber Peimgte mich der Gedanke,
daß hier vielleicht ein unschuldiger durch ein unglück-
liches Zusammentreffen von Umständen um Ehre und
Leben kommen könne.
Es hätte nicht viel gefehlt und ich hätte unter irgend
einer Form mich von dieser Sache zu entbinden gesucht,
wenn nicht wieder der Ehrgeiz des jüngeren Crimi-
nalisten mitgesprochen hätte, der mich anspornte, durch
scharfe Combinationen vielleicht Licht in die Sache zu
schaffen, die bis jetzt noch vollkommen dunkel war.
Zweites Kapitel.
Nach einer, unruhig verbrachten Nacht begab ich mich
am nächsten Tage früh acht Uhr nach dem Bürgermeister-
amt. Der Bürgermeister, ein alter, würdiger, ehren-
hafter Herr, empfing mich, nachdem ich mich ihm gegen-
über legitimirt hatte, mit der größten Zuvorkommen-
heit, versprach auch, über meinen Amtscharaktcr mit
Ausnahme der dort stationirten Polizeibeamten gegen

und 7 in der philosophischen Fakultät. Von letz-
teren studiren 3 Geschichte, Philosophie und Philo-
logie, 4 Mathematik und Naturwissenschaft.
Frankreich.
Paris, 1. Okt. Der Kopf General Riviöre's
wurde in Shantoi ausgefunden. Das chinesische
Contingent in Hongkong wurde in Folge eines
Mißverständnisses zwischen den Civil- und Militär-
behörden aufgefunden.
Paris, 4. Okt. Der kgl. Großbritanische Ge-
sandte Lord Lyons ist gestern Abend von Walmer-
Castle, dem Landsitze des Lord Granville, wieder
dahier eingetroffen. — Das große Loos der Lotterie
von Lille, bestehend in 200,000 Fr., ist dem Stadt-
rath smitgliede Maulion in Douai zugefallen. Dieser
Beamte hat soeben, wie die Franzosen sagen, den
„Antheil Gottes" ausgetheilt. Derselbe schenkte
4000 Fr. den jungen Jnstitutszöglingen des Hospizes
„Comtesse", welche die Räder der Glücksmaschine
im Palais Rameau in Bewegung setzten, 5000 Fr.
dem Wohlthätigkeitsbüreau zu Lille, 8000 Fr. den
Gemeinden des Vienne-Departement, der Heimath
der Familie Maulion, und endlich 8000 Fr. als
besondere Unterstützung für dienendes Personal und
unglückliche Familien. Der „Figaro" sagt bezüg-
lich der hartnäckigen Weigerung des Kriegsministers
General Thibaudin den General Millot als Chef
des Generalstabs der franz. Armee anzunehmen,
daß im Jahre 1870 die hervorragend höfischen
Generale die Armee verdorben hätten und daß im
Jahre 1883 die nur republikanisch gesonnenen
Generale ihre ähnlichen Unglücksfälle bereiten
wollten. Erfahrung und Unglück frommen nichts;
die Republik macht dieselben Fehler wie das Kaiser-
reich. Der Streit zwischen dem Chef des Cabinets,
Jules Ferry und dem Kriegsminister Thibaudin,
welcher sich weigerte, dem Empfange des Königs
Alphons beizuw.ohnen, gibt in diesem Augenblicke den
Blättern Veranlassung zu heftigen Auslassungen gegen
den einen oder den anderen der beiden Minister. Ferner
wird bemerkt, der Präsident der Republik, welcher
Jedermann zu schweigen nnd den Beamten selbst Ver-
schwiegenheit zur Pflicht zu machen.
Im Uebrigen war der Bürgermeister ganz der An-
sicht wie alle Bewohner des Städtchens, nämlich, daß
Elise Jordan den Mord verübt habe.
Ich war daher nach meinem Besuche auf dem Bürger-
meisteramt nicht klüger als vorher und begab mich nun-
mehr unter Begleitung des Bürgermeisters nach dem
Pfarrhause, uni daselbst den Thatbestand an Ort und
Stelle auszunehmen, wie auch, um mich durch die em-
pfangenen Eindrücke leiten zu lassen.
Das Pfarrhaus befand sich nur etwa tausend Schritte
vom Bürgermeisteramt entfernt, in einer schönen breiten
Straße, der einzig derartigen, die das Städtchen auf-
zuweiscn hatte. Noch immer wurde das Haus der
Schreckensthat von Neugierigen umlagert, denn Kauf-
leute und Handwerker hatten, durch die Schreckensmär
veranlaßt, stillschweigend ihr Tagewerk sistirt, um Muße
zu gewinnen, die Angelegenheit zu verfolgen um am
Abend das Ergebnis; des Tages im Gasthause besprechen
zu können.
Als ich mit dem Bürgermeister erschien, machte
die Menge ehrerbietig Platz, und bald darauf hatten
wir das Haus betreten, an dessen Thür sich der uns
folgende Gendarm postirte.
Ich fand noch Alles so wie am Tage der That.
Selbst die Leiche befand sich nach auf Anordnung des
Bürgermeisters an derselben Stelle, trotzdem diese be-
reits Verwesungsspurentrug, die ein Verweilen in ihrer
Nähe nur schwer gestatteten. Der Körper des alten
Herrn lag in den Sorgenstuhl zurückgelehnt. Vor ihm
auf dem Tisch lag das Manuskript einer Predigt. Die
erkalteten Hände hielten noch ein Exemplar des Loeal-
blattes. Sie hielten es so fest wie beim Lesen selber,
woraus anzunehmen, daß der Tod den alten Herrn sehr
schnell überrascht, und daß ein eigentlicher Todeskampf
nicht stattgefundcn habe.
Es mußte eine ziemliche Dosis Blausäure verwendet
worden sein, um diesem ohnehin gebrechlichen Körper
die Seele zu rauben.
Im Uebrigen befand sich Alles im Hause in bester
Ordnung. Die Spinden und Commoden waren stimmt-
 
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