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Rotes Kreuz <Heidelberg> [Hrsg.]
Heidelberger Soldatenbüchlein: als Weihnachtsgabe — 1918

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Frommel, Otto: Weihnachtsgruß
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https://doi.org/10.11588/diglit.30973#0015
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Weihrrachtsgruß.

Von Otto Frommel.

Wenn es gegen Weihnacht geht, klopft uns die Brust
schneller. Eine Vorahnung des Festlichen, die Erwartung
von Gutem und Schönem, von Liebe und Wärme mitten
in rauher dunkler Zeit befüllt uns.

Auch der Krieg, der unbarmherzige Zerstörer, der fo
vieles Alte, Liebgewordene aus unserem Leben herausgerissen
und weggeschwemmt hat, konnte gegen den lieblichen Zauber
der Weihnacht nicht an. Sie kehrt wieder und wieder, fehn-
süchtig von uns erwartet, freudig von uns willkommen ge-
heißen, dankbar und wehmütig von uns verabschiedet.

Wir brauchen Weihnachten. Hätten wirs nicht, wir
müßtens erfinden. Denn dieses Fest, an dem — wenn auch
nur für Stunden und Minuten — die Welt ihr Gesicht
verändert und hinter den stählernen Zügen ein Menschen-
antlitz hervortaucht, ist uns eine kostbare Bürgschaft dafür,
daß Krieg nicht dsr eigentliche Sinn und Jnhalt unseres
Lebens ist. Mag das Wort „Friede auf Erden" bald nur
noch wie eine alte Sage gemuten, wie der Klang aus einer
verlorenen Heimat — an Weihnachten bricht dieses Wort
mächtig hervor, eine göttliche Botschaft, die sich sogar im
Donner der Riesengeschütze Gehör erzwingt. Wir hören sie
und eine verwandelte Welt blüht aus Dampf, Rauch und
Trümmern vor uns empor: Friedlich bestelltes Feld, be-
sonnter Wald, Vogelgesang, duftende Scholle, geschmückter

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