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Rotes Kreuz <Heidelberg> [Hrsg.]
Heidelberger Soldatenbüchlein: als Weihnachtsgabe — 1918

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Neumann, Carl: Das Gasthaus zum Ritter in Heidelberg
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https://doi.org/10.11588/diglit.30973#0045
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geworden. Von Haus aus war es ein Privathaus, ein
besonders reiches und kunstreiches, uud seine Erbauung im
Jahr 1592 hängt mit den religiösen Versolgungen zusammen,
die Spanien dazumal über die Niederlande verhängte. Der
Erbauer des Ritter war eiu reicher Tuchhändler aus der
Stadt Tournay (Doornik) in den südlichen Niederlanden,
der in der glanbensverwandten Pfalz eine Zuflucht und neue
Heimat suchte und fand. Sein Name war sranzösisch Belier,
aus deutsch Widder, und an der Stirnseite seines Hauses
erblickt man heut uoch zwei anspriugende Widder als seine
Wappentiere. Die Lage des Hauses bei der Hauptkirche,
die frei zwischen den Plätzen lag, wo die verschiedenen Warcn
der Märkte seilgeboten wurden, war eine der gesuchten. Aus
dsm Wert des Vauplatzss erklärt sich auch die heut unge-
wöhnliche Form des Umrisses, in dem das Haus aus der
heutigen Umgebung fremdartig aufsteigt. Heut stehen die
Häuser mit ihren Längsseiten in der Straßenzeile, und der
Mauerkörper ist horizontal abgeschlossen, ebenso wie die Dach-
firstlinie, die darüber emporragt. Jn der alten Zeit waren
tiefe Grundstücke üblich, die ihre Schmalseite nach dcr
Straßsnwand kehrten und solgerichtig statt der wiederholten
Horizontalen einen Dreiecksaufriß mit ihrer Giebelseite dar-
boten. Bedenkt man, daß in den alten Zeiten diese Auf-
stellung die Negel war, fo ergibt sich eine ganz veränderte
Straßenwand gegenüber der heut üblichen. Schmalfront
reihte sich an Schmalsront, Giebel an Giebel, und so zeigten
statt der gleichmäßigeniHorizontalabschlüsse die alten Straßen
eine luftige, gleichsam flackernde, nach oben züngelnde, durch
die Verkürzung einer lang sich ziehenden Straßenflucht sich
vielfach verschneidende Linienwirrnis. Am Hauptftraßenzug
und gar am Markt das Gesicht seines Hauses herauszu-
stecken, auch wenn der Naum eng war, war gefchäftlicher und
persönlicher Ehrgeiz. Es gibt ein alt-sranzösisches Sprich-
wort oder eine Redensart: „eincn Giebel nach der Straße

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