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Heidelberger Tageblatt: unabhängige Zeitung für Nordbaden — 1884

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No. 1 - No. 25 (3. Januar - 31. Januar)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44124#0058
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efunden. Die Verhandlung nahm zuerſt einen
ortrag des Direktors Molt über die Wirkungen
des in Rede stehenden Gesetzes entgegen und sprach
ſich dann dahin aus, daß die Induſtriellen im Ver-

¿eine mit der Regierung ſich darüber berathen möchten,
wie der Bestand und die Leiſtungsfähigkeit der
_ Jabrikkrankenkaſsen, die, wie die Sachen nach dem
_ Gepſet lägen, den Arbeitgebern unverhältnißmäßige
Odpfer auferlegen, zu ſichern sei. Ein Komite von
Jmduttriellen wurde zu diesem Zwecke gewählt. Man
denkt an die Bildung eines Rückversicherungsvereines,
_ unm durch denſelben das Risiko der iſolirten Fabrik-

krankenkassen zu vertheilen.
_ YHMüln, 16. Jan. Durch Vermittlung des Poli-
qeicommissärs Herwagen in Mülheim a. Rb. ist es

Jqgelungen, den muthmaßlichen Mörder der Familie
_ Stockhauſen, den bereits steckbrieflich verfolgten Till-

mann Hans, heute in Lüttich feſtzunehmen.
.. Frankreich.
Paris, 16. Januar. Es geht das Gerücht, die

Yeariſer beſchäftigungsloſen Arbeiter beabsichtigten
Hur dieſe Woche eine große, jedoch friedliche Kund-
_ gebung; sie wollten die Straßen von Paris durch-
Jgiehen und Brod verlangen. Die Regierung wird
natürlich dieſe Kundgebung nicht dulden. Heute
empfing die äußerſte Linke eine Abordnung der
_ Albeiter, welche das neuliche Sonntags- Meeting
organiſirt hatten. Die Delegirten erklärten, sie seien
keineswegs einverſtanden mit dem revolutionären
Veſchluſſe der Verſammlung, den die Anarchisten
veranlaßt hätten. Nach Schluß der Verſammlung
eien deren Veranſtalter zuſammengekommen; man
_ habe dann beſchloſſen, die heute Erſchienenen als
_ Abordnung an die Deputirtenkammer zu senden. In
_ der Provinz ſeien die Zuſtände gleich traurig; die
_ Verwaltung der Werke von Creuſot allein habe 1500
_ Öitalieniſche Arbeiter entlaſſen. Ueberall ſchicken die
Jabrikanten zuerſt die fremden Arbeiter fort, und

es ſei für die Deutſchen nicht rathſam, nach Frank-
reich zu kommen, wo sie, ganz abgeſehen von der
lebhaften Abneigung gegen die Deutſchen, nicht Be-
schäftigung finden könnten. Nicht nur aus Paris,
Ss % - cus
UWelberei in Frougemont (Vogeſen) 1500 Arbeiter

_ eine Artbeitseinſtellung angezeigt, weil sie die vom
Jabrikanten wegen ſchlechten Geſchäftsganges ange-
î kündigte Lohnherabsetung von 5 pCt. nicht annehmen
î bönnten. Aus ähnlichem Grunde sei eine Arbeits-
einſteluug in der Weberei Valentin in Provencheres
HHH2usgebrochen.

_ Haris, 16. Jan. Grevy empfing gestern den
_ Votſchafter Hohenlohe, welcher heute ſich nach Berlin

begibt und am morgenden Diner im Elyſee nicht

theilnimmt. - Der bisher in Clairvaux gefangen
. gehaltene Fürſt Krapotkin wurde nach hier überführt.

England.

Veondon, 16. Jan. Ubbereinstimmenden Pri-
vatdepeſchen der Blätter zufolge hat Bakers Beſuch

in Maſßanah den Vorschlag hervorgerufen, die Ba-
is der egyptiſchen Truppen von Suakim nach
_ Maſssanah zu verlegen, nachdem vorher durch Ver-

§ handlungen zwischen England, Egypten und Abyſ-

ſinien den begründeten Klagen des Letzteren abge-
_ holfen und desſen freundliche Neutralität gesichert
i3ſt. England würde die Beaufsichtigung der Häfen
_ des Rothen Meeres übernehmen. Baker nach Heran-
ziehung verschiedener Garniſonen mit 3000 bis
_ 4000 Mann zuverlässiger ſchwarzer Truppen sowie
_ ÿ000 Mann von Egypten zu ſchickenden Türken
_ von Maſsanah auf Kaſſalah maſchiren, unterwegs

den Sudan reorganiſiren und Rekruten werben,
während der Mahdi durch Bedrohung im Rücken
seitens Abysſiniens an der freien Bewegung gehin-
dert werde. Von Kassalah gedenkt Paſcha Abuha-
ras, dann den Blauen Nil entlang nach Khartum
zu maſchiren und dies bis Juni zu erreichen. Erglaubt,
dies werde ſich bis dahin halten können. In Kairo
glaubt man ebenfalls, daß die Reiſe Abdelkader's
bsc Zhart g s Hoffnung zuſammenhängt,

„Bureau Reuter“ aus Suakim vom 1I. ds., ist
Baker Paſcha von Massanah nach Suakim zurück-
tts Es heißt, daß es fich darum handle, die
ftwustato von Suakim nach Maſsanah zu
“t Desterreich-Uugarn.

ien, 16. Jan. Pongraz und Dürſschner ver-
in hartnäckigem Leugnen. Pongraz antwor-
auf alle Fragen mit großer Vorsicht und Ueber-
gung, ohne sich in Widersprüche zu verwickeln,
von dem dritten Mitſchuldigen iſt noch keine Spur.
Eiserts Befinden hat sich gebeſſert. Die Aerzte



London, 16. Jan. Zufolge einer Meldung des



hoffen das Leben desſelben zu erhalten. Es ist er-
mittelt worden, daß der Frauenmörder Schenk vor
seiner Verhaftung wieder einen Briefwechsel mit
einem Mädchen angeknüft hatte deſſen Name
iſt bis jetzt noch nicht genannt. Ihm wird au
die Ermordung eines vor zwei Jahren in Budapeſt
beraubten Mädchens zur Laſt gelegt. Heute Vor-
mittag wurde das Gerücht einer neuen Blutthat,
der angeblichen Ermordung eines Mannes am Nach-
markt, verbreitet. Thatſächlich fand wegen Eifer-
ſucht eine Rauferei in Stölzles Glasfabrik ſtatt,
wobei ein Betheiligter durch mehrere Meſſerſtiche
lebensgefährlich verwundet wurde. Heute Nacht
verhaftete die Polizei ein verdächtiges Individuum,
welches nach den gemachten Erhebungen als der
dritte Theilnehmer der Raubmorde in Mariahilf
erſcheint.
Spanien.

Madrid, 16. Jan. In der Kammer hob geſtern

Caſtelar den Einfluß hervor, den die in Frankreich

jeweilig herrſchenden monarchiſchen oder demokratiſchen

Prinzipien auf Spanien ausübten, und ſprach ſich
gegen die Reiſe des Königs nach Deutſchland aus.
Spanien bedürfe der Ruhe und müùſse sich jeder Ein-
miſchung in die Angelegenheit anderer Länder ent-
halten. Beja de Armijo erwiderte, es gebe kein
Dokument, wonach Spanien eine Allianz mit einer
fremden Macht eingegangen sei. Die Reiſe des
Königs hatte keine Allianzzwecke. Deutſchlands Ver-
halten Spanien gegenüber sei ſchon seit Jahren ein
äußerſt freundliches gewesen. Anlangend die Vor-
gänge bei der Ankunft des Königs in Paris am
29. Oktober habe die Regierung nach den dem
König Alfons von Grevy gemachten Erklärungen
weitere Erklärungen nicht verlangt. Der Minister
des Innern erklärte bezüglich der inneren Lag,
das Kabinet werde, wenn die Mazjorität die vor-
geſchlagene Transaktion arceptire, demiſsioniren,
damit der König mit der alten Majorität und der
miniſteriellen Linken ein neues Kabinet bilden könne.

Kairo, 12. Sir g». . äußert sich über die

Aufgebung des Sudan in der Times wie folgt : „Wenn
dieſe nichtswürdige Entſcheidung als endgiltig an-

genommen wird, so hat das Publikum ein Recht, |

zu verlangen, daß die nothwendigen Schritte er-
griffen werden, um den Rückzug der Garniſonen von
Khartum und anderen befestigten Plätzen zu sichern.
In dieſem Augenblick iſt die verhängnißvolle Nach-
richt bereits von den an dem Sklavenhandel inter-
eſſirten Kaufleuten in Kairo nach Khartum über-
mittelt worden, und binnen wenigen Tagen wird
ſich die Kunde weit und breit wie ein Lauffeuer ver-
breitet haben, daß der Sudan aufgegeben wird. Alle
Hände werden sich bewaffnen, um den gedemüthigten
Truppen, die trotzigem Gesindel weichen müſſen, den
Rückzug zu erſchweren. Khartum wird geplündert
und in Brand gesteckt werden, ehe die Garnison den
Fluß überſchritten haben wird. Dann nimmt der
Marſch seinen Anfang. Einen Haufen von Weibern
und Kindern, die ihre Heimſtätten verloren, ihre Ve-
schäftigung aufgegeben und alle Hoffnung verloren
haben, diesen Menschenknäuel werden die auf dem
Rückzuge befindlichen Truppen zu beschützen haben,
deren Kampffähigkeit durch die von den Flüchtlingen

mitgeſchleppte Bagage wesentlich beeinträchtigt wer- |

den wird. Eine schwere Verantwortung ruht auf

den Ministern, welche die Räumung des Sudan an |

geordnet haben. Wenn nicht sofort ausreichende
militäriſche Maßregeln getroffen werden, so wird das
furchtbare Schicksal, das Hicks Paſcha getroffen, eine
Wiederholung erfahren.“ : :
Kairo, 16. Jan. Oberſt Zohrab begab ſich nach
Konstantinopel, um 1000 Albaneſen für die egyp-
tiſche Armee anzuwerben. j :

Waſhington, 16. Jan. Das Repräſentanten-
haus nahm mehrere Resolutionen an. In einer
derselben wird Präsident Arthur ersucht, Infor-
mationen zu ertheilen über die Frage der zu nied-
. eure U ’]vsU heraus
nahmen der Union herbeigeführt werden. Gleich-
zeitig wird der Präſident aufgefordert, die erforder-
lichen Gesetzesvorlagen zur Verhütung solcher Hinter-
ziehungen zu machen. Dem Vernehmen nach wird
die Finanzkommission dem Kongresſe demnächst eine
Bill unterbreiten, wodurch r wenn auch
nicht allgemeine Zollreduktionen vorgeſchlagen werden.

Aus Nah und Lern.
Frankfurt a. M., 15. Jan. Das Frankfurter
Journal meldet, der muthmaßliche Thäter, welcher
am 29. Okt. v. J. das Dynamitattentat im Polizei-







präſidialgebäude verübte; fei iin Hamburtf verhaftet +

worden. Derselbe soll ein als Anarchiſt bekanntere f

Sachse sein, welcher eigens zur Verübung des Ver-
brechens hierher reiſte. Man vermuthet, daß er
Genoſſen habe, welche noch geſucht werden. Der
Verbrecher leugnet. . ..,

Mainz, 14. Jan. Gestern Abend hat ſich hier
jemand den ſchlechten Spaß gemacht, eine verhältniß-
mäßig bedeutende Menge Schießpulver, die ſich jeden-
falls in einer feſten Umhüllung befand, in das Rohr
einer der beiden vor der Hauptwache ſtehenden
Kanonen zu ſchieben und dann mittels eines Zün-
ders in Brand zu setzen. Der Schuß entlud ſich
mit einem heftigen Knall, die brennenden Reſte der
Pulverumhüllung wurden bis in die Mitte des Lieb-
frauenplates geschleudert, ein jäher Schrecken fuhr
den zufällig Vorübergehenden in die Glieder, der
Posten vor Gewehr rief „Heraus“, an allen Fenstern
und Thüren der benachbarten Häuſer ersſchienen er-
ſchrockene Gesichter und auf dem Platze vor der
Hauptwache sammelte sich eine neugierige Menge.
Weitere Folgen hat dieser grobe Unfug gläücklicher-
weiſe nicht gehabt. Wie derselbe aber unbemerkt
unter den Augen einer Wache hat verübt werden
können, iſt unerfindlich.

Badiſcher Landtag.

Karlsruhe, 15. Jan. 19. öffentliche Sitzung
der zweiten Kammer unter dem Vorsitze des Prä-
sidenten Lamay.

Am Regierungstiſch: Staatsminister Turban,
Präsident des Finanzminiſteriums, Geh. Rath El-
stätter, Miniſterialrath Seubert.

Eingelaufen sind nachſtehende Petitionen:

1) Die Bitte ſämmtlicher Schmalvieh - Metzger
des Großherzogthums wegen Gewichtsbeſtimmung
accispflichtiger Rinder betreffend, in gleichlautender
Fertigung tibergeben namens der Gemeinde
Schwetzingen von dem Abg. Frech, der Gemeinde
Wiesloch von dem Abg. Diemer, der Gemeinde
Freiburg von dem Abg. Röttinger, der Gemeinde
Achern. von dem Abg. Betzinger, der Gemeinde
Thiengen von dem Abg. Kast, der Gemeinde Hei-
delberg von dem Abg. Krausmann und Mays, der
Gemeinde Neuſtadt von dem Abg. Krafft;

2) Bitte der Gemeinde Falkensteig, die Errich-
tung einer Haltſtelle bei dem Bau der Bahn Frei-
hjrzrrvtart betr., übergeben von dem Abgeordneten

acker ; .

3) Ehrerbietigste Bitte des pensionirten Haupt-
lehrers Anton Troll von Grimmelshofen, Amts
Bonndorf, z. Z. in Hauenstein, Amts Waldshut,
Erhöhung seiner Penſion bezw. Unterstützung betr.,
übergeben von dem Abg. Kaſt.

Diese Petitionen werden den zuſtändigen Kom-
missionen überwiesen. '

Weiter wird eine von den Abgg. Pflüger, Vogel-
bach, Mays, Schneider (Karlsruhe), Krausmann,
Krafft, Grether unterzeichnete Interpellation nach-
ſtehenden Wortlauts verlesen :

Die Unterzeichneten erlauben sich, an die Großh.
Regierung die Anfrage zu richten:

1) It seitens einer der deutſchen Regierungen
bei dem Bundesrathe ein Antrag auf Ab-
änderung des Wahlrechts zum Deutschen
Reichstage, insbesondere auf Aufhebung der
geheimen Abstimmung gestellt worden? und

2) welche Stellung wird die Großh. Regierung
zu einem ſolchen Antrag einnehmen?

Diese Interpellation wird der Großh. Regierung

abſchriftlich mitgetheilt werden.

Es folgt die allgemeine Diskuſſion über das
Finanzgeset.
hunächſt ergreift das Wort der Vorſtand der



| Budgetkommission, Abg. Friderich.

_ An der weiteren Diskussion betheiligten sich von
Seiten der Großh. Regierung der Präſident des
Finanzministeriums, Geh. Rath Ellſtätter, von Seiten
des Hohen Hauſes die Abgg. Fiſcher, Sch ieider
(Mannheim), Edelmann, Pflüger, Wacker, Kiefer,
Friderich, Frank und Klein. :
Schluß der Sitzung Nachmittags 2 Uhr.

Vermischtes.

Paris, 12. Jan. Eine bedeutende Möbelfabrik
hat ſämmtliche Arbeiter deutſcher Nationalität ent-
laſſen. Wie es heißt, würden auch andere Fabri-
kanten infolge eines Uebereinkommens zwischen den
Arbeitgebern zu gleichen Maßnahmen übergehen.

~ (Er erinnerte sich ihrer). Der Herr
Graf war mehrere Jahre auf Reiſen geweſen. Der
erſte Bekannte, den er nach seiner Rückkehr in der
Heimath antrifft, iſt der Herr Baron, ein ehemaliger,
langjähriger Freund. Nachdem sie bei einer Flaſche
Wein eine ſolenne Begrüßung gefeiert, fragt der
Baron plötzlich ganz unvermittelt: „Erinnern Sie




 
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