Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Heidelberger Tageblatt: unabhängige Zeitung für Nordbaden — 1884

DOI Kapitel:
No. 1 - No. 25 (3. Januar - 31. Januar)
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.44124#0087
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext


Nonnen. Unter großem kirchlichen Gepräge hat vor

zwölf tſcherkeſsiſchen Nonnen, die in den Orden ,die
Mägde Mariens“ eintraten, stattgefunden. Sämmt-
liche zwölf Mädchen waren von einer außerordentlichen
Schönheit und zählte das jüngste derſelben erſt fünf-
zehn, das älteſte dagegen einundzwanzig Jahre. Die
heilige Ceremonie leitete der General - Superior
P. Pietro. In deſſen Hände leisteten die Einge-
kleideten den folgenden Eid: „Ich, . . . Dienerin
Maria's, ſchwöre bei Gott dem Allmächtigen, ein
Leben der Armuth, Mildthätigkeit und Keuſchheit zu
führen, nach den Regeln des heiligen Benedikt und
nach der Konstitution der Mägde der unbefleckten
Empfängniß. Amen.“ ;
~~ Ausgrabungen. Aus Muülhauſen wird
berichtet: Bei Ausgrabungen, die kürzlich in dem
benachbarten Rixheim der Bauunternehmer Nieo auf
seinem Grundſtücke vornehmen ließ, wurde eine Reihe
Gräber bloßgelegt, deren Inhalt alsbald die allge-
meine Aufmerksamkeit auf sich zog. Mit der größten
Vorsicht wurde unter der Leitung eines Maurers
weitergegraben, ſo daß die Gegenstände in unver-
ehrtem ’uſtand an den Tag gefördert wurden. Bis
jezt hat man Beile, Lanzen, Krüge, ſchöne Urnen,
werthvolle Gläser, Perlen von Halsbändern, Schnallen
mit Edelsteinen beſett, bronzene Ringe, Theile von
Schildern u. ſ. w. gefunden. – Man glaubt, daß
die fraglichen Gräber ſolche von Kriegern seien und
aus den Zeiten der Kämpfe Cäsars mit Arioviſt
stammen. ~ Wie es heißt, hätte ein ausländisches
Muſeum bereits eine hohe Summe für die Schätze
geboten; jedenfalls aber wäre es wünſchenswerth,
die für die Geschichte des Landes so interessanten
-zcufttrte würden, einem reichsländiſchen Museum
einverleibt.

— (Die Hinterlaſsenschaft eines Nachtwächters.)
Daß ein Nachtwächterpoſten unter Umständen auch
ein sehr einträgliches Amt sein kann, beweiſt die
Hinterlassenſchaft eines vor Kurzem verstorbenen
Berliner Nachtwächters Hoſfmann, der ein Revier
im Spandauer Viertel, im Centrum der Stadt, seit
einer langen Reihe von Jahren inne hatte. Hoffmann,
ein in ſeinem Amt sehr pflichttreuer Mann, war bei
der in ſeinem Revier stark vertretenen Kaufmannſchaft
y Lt zt
auch ließ er seine Tochter zur Künſtlerin ausbilden
und ist diese gegenwärtig ein beliebtes Mitglied der
Renz’ſchen Geſellſchaft..

~ Ein rieſiger Aal, so ſchreibt man aus
Cuxhaven, den 30. December, ein wahres Meer-Un-
geheuer, welches wahrscheinlich bei dem hohen Waſſer-
ſtande und durch die bewegte See während der letzten
Stürme verſchlagen und in eine der ſeichten Stellen
des Neuenfelder Watts gerathen war, iſt gestern da-
ſelbſt von dem Arbeitsmann Buhse noch lebend auf-
gefunden worden. Das Thier wiegt 25,5 kg, iſt
1,80 m lang und mißt zwischen Bauch und Schwanz
etwa 50cm im Umfange; es ist einstweilen in
H. Wildes Gasthof zur Schau ausgestellt.

~ Die Arbeit des Herzens. Mit jedem
Schlage wirft die doppelt wirkende Druck- und
Saugpumpe des menſchlichen Organismus 6 Unzen

Blut mit einem Druck von 13 Pfund auf den

Quadratzoll. Da das Herz in 24 Stunden 100,800

; Schläge macht, so leiſtet es in derſelben Zeit eine
_ Arbeit, als ob es ein Gewicht von 1 Tonne 120
îJuß hoch höbe. Bei einer Lebensdauer von 70
Jahren macht die Maſchine, welche nur aus 12 Unzen
Muskelfleiſch beſteht, 2,500,000,000 Schläge mit
einer nahezu volllommenen Regelmäßigkeit von An-

fang bis Ende, wobei keine Unterbrechungen für
Reparaturen, Schmieren u. dgl. vorkommen dürfen.

~ (Stockung im Suezkanal.) Aus Port

Said wird unterm 17. d. M. gemeldet: Der Dampfer
p„HNepaul“ ist soeben hier eingetroffen, nach einer

; Reiſe, welche wieder einmal zeigt, daß die jetzigen
gZuſtände dem Verkehr im Suezkanal durchaus nicht
genügen. Eine Stunde nach der Abfahrt von Suez
ſetzte der von der Geſellſchaft an Bord geschickte

_ ùLootſe bei hellem Tage und auf einer vollſtändig
geraden Strecke des Canals das Schiff so feſt an
Grund, daß es erst nach 21-ſtündigen großen An-
ſtrengungen wieder abgebracht werden konnte. Bei

der Ankunft in Jsmailia erfuhr man, daß eine

_ Meile nördlich vom Timſah-See ein anderer Dampfer
_ gesunken sei und in Folge deſſen zahlreiche Schiffe
_ auf das Freiwerden der Paſſage warteten. Rach
_ gJwei Tagen war das Wrack endlich gehoben, aber
Jobald das erſte Schiff die betreffende Stelle zu
paſſiren verſuchte, gerieth dasſelbe feſt, und es er-




Längerer Zeit beseitigt wurde. In langer Reihe
fuhren die Schiffe dann nordwärts, einmal sahen



einigen Tagen in Konstantinopel in der griechiſch-
katholischen Kirche zu Ferikoi die Einkleidung von

gte eine neue Stockung, die ebenfalls erſt nach



wir in der Nähe 'von Ismailia gleichzeitig nicht
t 1§ G t E SMO 000 cri.

in Bewegung ſetzten, sſo mußten die nach Süden be-

stimmten sehr lange warten, bis die Reihe an ſie
kam. Unter letteren befanden sich die P. und O-
Dampfer ,„Decean“ und „Sutley“, sowie drei nach
Tonkin bestimmte französiſche Transportſchiffe.

— [Eine Engelmacherin der ſchimmſten
Art] iſt dieser Tage in der Person der Frau Macken-
zie der Londoner Polizei in die Hände gefallen. In
dem Hauſe dieser Megäre fand man 5 Kinder im
Alter von ein bis 3 Jahren in einer dunklen Kam-
mer eingeſperrt, wo ſie, auf dem bloßen Boden lie-
gend, ſich selbſt überlaſſen, langſam verhungerten!
Zwei dieser armen Kinder -- zwei Knaben im
Alter von 1?ſ, bez. 3 Jahren, starben einige Stun-
den nach ihrer Auffindung an den Folgen der Ent-
behrungen und die anderen Kinder ſind so erschöpft,
daß man an ihrem Aufkommen zweifelt. Die ge-
wisſſenloſe „Pflegemutter“ sah oft drei bis vier Tage
nicht nach den Kindern und trieb sich in Wirths-
häuſern herum, wo sie ihr Sündengeld vertrank.
Ihre Verhaftung erfolgte gleichfalls in einem
Schnapspalaste, wo sie, während die ihrer Obhut
anvertrauten Kleinen vor Hunger weinten, die
Abende in lustiger Gesellſchaft zu verleben pflegte.

London hat abermals einen Theaterbrand zu
verzeichnen. Am Sonntag Abend brach in Lusby's
Singſpiel-Halle und Varietäten-Theater eine Feuers-
brunſt aus, die trotz der in kürzeſter Zeit am Brand-
platze erschienenen vierzehn Dampfspriten das Ge-
bäude gänzlich einäscherte. Die benachbarte Char-
rington'ſche Brauerei wurde gleichfalls von den
Flammen erfaßt, vermochte aber gerettet zu werden.
? angerichtete Schaden wird auf L. 40,000 ge-

. Dr. Gould, der Direktor der Sternwarte in
Cordova (Argentinische Republik), meldete dem Unter-
richtsminiſter in Buenos Ayres am 16. Dezember,
daß er fünf Kometen alle kleine, beobachtet habe.
Der „Buenos Ayres Standard“ glaubt, dies er-
kläre möglicherweise die beiſpielloſe Hitze, welche in
den La Plata-Staaten verſpürt wurde. In Buenos
Ayres zeigte das Thermometer im Schatten 1010
Fahrenheit, während es im Dezember ſelten über
93 zu steigen pflegt.

Ein billiges Weihnachtsgeſchenk. Einem
E t b LLL B
verſchwand. Er hatte sofort Verdacht auf das Dienſt-
mädchen, das mit einem Liebhaber „,behaftet“ ist,
und hielt demnach Nachschau in der Ktiche, und ſiehe
da, es fanden ſich hier in einer Kiſte wohlverpackt
LHC E R ZN

( . ,, U , ;
chen? - „Unser Dienstmädchen ist eine Diebin,
da ſchau mal her; ich muß ſofort auf die Polizei
und die Anzeige erſtatten.“ - „Ach laß das, das
arme Kind ist völlig unschuldig,“ sprach die Gattin
tief erröthend. ~ „Ja, wer hätte denn ſsonſt die
Cigarren genommen?!“ Keine Antwort und boden-
loſe Verlegenheit. + „Du haſt doch nicht ſelbſt die
Cigarren . . . ?“ — „Ach ja, vergieb, ich habe sie
selbſt genommen, um Dir damit wie alle Jahre, zu
Weihnachten eine Freude zu bereiten.“

~ [Das ſiebente Gebot.] Die Kinder eines
Filialdorfes plünderten auf dem Wege zur Schule
regelmäßig die Rübenäcker und übertrieben dies
ſchließlich derart, daß sich die beſtohlenen Bauern in

der Schule beklagten. Der Lehrer ließ deshalb

sämmtliche Schüler des Filials vortreten und wandte
ſich an den ihm am verdächtigſten vorkommenden
mit der Frage: „Peter, wie heißt das siebente Ge-
bot?“ „J han koine Rüebe g’ſtohle, Herr Lehrer!“
war die weinerliche Antwort.

~ Der mediziniſche Prozeßgang. Advokat:
„Jett kuriren Sie ſchon ein halbes Jahr an mir
herum und ich leide noch immer an meinem Uebel!“
- Arzt: „Jch habe alle Mittel probirt, nun weiß
ich keines mehr, als; eſſen Sie fleißig Aepfel! Das
wird helfen!“ - Advokat (nach acht Tagen dem
Arzt begegnend) : „Apropos! das Aepfeleſen + hat
geholfen; warum aber haben Sie mir das nicht
gleich geſagt? !“ — Arzt: „Hm! ja wissen Sie, wir
Aerzte haben halt auch unsern Prozeßgang !“

- Etwas lange. Der Herr Profeſſor iſt eben
in Berechnungen über das Wiedererſcheinen eines
Kometen vertieft, da ſtört ihn die Stimme des Stu-

benmädchens: „Gnädige Frau läßt fragen, wann

die Suppe servirt werden ſoll?“ „Ja, wann ?
wann?“ erwiedert der Profeſſor, träumeriſch auf-
blickend. „Warten Sie einen Moment.“ Er ſchreibt
einige Hiffern, und ruft dann plötzlich: „Am 27.

September 1915, Morgens 7 Uhr 16 Minuten 3!/,

Secunden präcis !“

D Friß: „Ja, Herr Paſtor, ich war so ſchläfrig

manic“ iſt heute Morgen bei Mine Head einge-






~ Der Tiefgerührte. Paſtor: „Du, liebes
Kind, alſo Du haſt so geweint heute bei meine
Predigt bei der Confirmation Deiner Schwester?!

und da hat die Tante mich immer gekniffenn.
— Ohne Geld. Man Jagt gewöhnlich, daß
man ohne Geld nichts machen kann; aber das ilk.
nicht wahr. Warum nicht? Ohne Geld kaam mm
Schulden machen. ".-. .
Lokales. .

* Heidelberg, 25. Januar. (Schon wieder einer ver.
duftet.) Das Ausreißen ſcheint hier stark in die Mode
kommen zu wollen, denn allwöchentlich hat man Gelegenheit
über derartige le zu berichten. Uebernimmt ba Uürttich . ;
L G FCE
s gehörig Gicht lz. und verkauft was aufzu- .
treiben und im Keller iſt. Doch der Tag der Abrechnuun
naht und mit demſelben die Entscheidung. Ungerne : .
von dem vereinnahmten Gelde trennent, zieht er es vor, .
lieber Alt-Heidelberg den Rücken zu wenden und dem
Eigenthümer das Nachsehen zu lassen. . r

Neueſte Nachrichten.

Wien, 24. Januar. Die „Polit. Korr.“ meldlete_
aus Rom: Mancini richtete an die italieniſcha
Vertreter ein Cirkular betreffs der nationala Wale
fahrten zum Grabe Victor Emanuel's; er bezeichne.
dieſelben als Kundgebung für die Monarchie in
Italien mit der Hauptſtadt Rom. R

Paris, 24. Jan. Eine Depeſche der „Agenne
Havas““ aus Honkong meldet aus Hanoi: Am 19.
d. M. stieß eine starke französische Rekognoszinnn
in der Richtung nach Bacninh bei der Vereingug
des Rothen und Schwarzen Fluſſes auf ſtarke Fein.
te§r}ſsn und wurde von denſelben erfolglos be.

hoſſen. .
Paris, 24. Jan. Der Kriegsminiſter hat den.
Verordnung erneuert, wonach der Zutritt zu da
Bureaus des Ministeriums jedem zu verweigern itte.
der nicht zum Heere gehört. + Es wird versichert,.
die Regierung beabsichtige einen Preisaufschlag aaf
Tabak und Cigarren, um dadurch eine jährlieclen
Mehreinnahme von 50 Millionen zu erzielen.
Edmond About ist zum Mitglied der franzöſischna
Akademie gewählt worden: er erhielt 19, Frannie.
Coppee 14 Stimmen. SU

London, 24. Januar. Die Abend-Journaleen.
wähnen folgendes Gerücht: Die Regierung tre.
um auf einen eventuellen plötzlichen Nothfal in
Egypten vorbereitet zu sein, Vorkehrungen zur Be.
reithaltung von 10,000 Mann Truppen, sowie doe
nöthigen Transportſchiffe. .

Madrid, 24. Januar. Das Demissionsgerueh
Serrano's iſt eingegangen. Derselbe kehrt berieen.
am Ende des Monats zurück. ~ Dem ,„Jmperial“.
zufolge würde außer in Paris auch in Wien, Lonnvonl.
Brüſſel, Athen, Bukareſt und Rom (Quirineil un
Vatikan) ein Wechſel der Vertretung Spaneinen.
eintreten. | .

Madrid, 24. Januar. Das „Amtsblatt“ ven.
öffentlicht ein Rundschreiben des Marineminiſterean.
die Kommandirenden der Marinebezirke, denselben.
einſchärfend, auf eine den Anforderungen des For.
ſchritts der Wissenschaft entſprechende Verbeſernn.
des Marinematerials Bedacht zu nehmen, damit dle.
Marine ihre Aufgabe, die JIntereſſen-Integrität.
Spaniens zu ſchützen, erfüllen könne. .



Kairo, 34. Jan. Gordon iſt in Port- Sin.
angekommen. Er gab die bisherige Absicht, ich.
über Suakim nach Khartum zu begeben af in.
Folge der Mittheilung, daß der einzige praktikablen.
Weg nach Khartum der über Korsko sei:. Gorden
B eI.2.e.eeee.eſt

Kairo, 24. Jan. Der Miniſterialrath beschloß .1
ein Rundſchreiben an die Mächte zu richten, won.
die Bildung internationaler Tribunale zur Theile.
tt. UHR Cds v
let iſt heute Äbend in Kairo angekommen und kon- j /.
ferirte noch mit S. E. Baring. j

Queenstown, 24. Jan. Der Dampfer „Ger-






getroffen. Alles wohl.



WF Zur gefl. Beachtung
Neue bis zum 1. Februar eintretende
Abounenten erhalten das Tageblatt bis

Eude d. M. gratis zugeſtellte_

Die Expedition.


 
Annotationen