Verkündigungs-Blatt sör die Kesirke Heidelberg, Meinheim, Schwetzingen, Desloch, Sinsheim, Sp-ivze», Mosbach, Neckarbischofsheim, Sberbach, KscheH
Buchdruckern und Expedition: Brunnmgaffe 24.Mklldnrn, Adelsheim, §0eberg, Äanbkrbischosöheim nnd Merlhkäk» Buchdruckerei und Expedition: Brmmenzaffe Ich-
äL S16
1888
Freitag, 14. September
Druck und Verlag von Larl Pfeffer
vorm. Wurm L Pfeffer in Heidelberg.
Verantwort!. Redacteur Friedrich Kley
in Heidelberg.
Anzeigen: die 1-spaltige Prtitzeti« »der deren Raum für »ul-
»Lrts 10 Pfg., Lokalanzeigen 5 Mg., Stellengesuche und
WohnungS-Anz. 3 Pfg., Reclam« SA Pfg. Bei mehnn. Erschein,
bedeutenden Rabatt. GratiS-VerbreiNmß durch Mauer-Unschlag.
eiöelbergtr Uageblaü
Erscheint täglich außer Montag. AbsnnementspretS mit
'ttn wöchentl. Unterhaltungsblatt „Alt Heidelberg", für Heidcl-
*trg: monatlich 50 Pfg. mit Trägerlohn, durch die Post be-
zogen viertclj. Mk. 1.25 ohne Zustellungsgebühr.
Der Verfall des Nihilismus
.Ein bemerkenswerthes Zeichen der Besserung in den
Äffischen Verhältnissen ist unstreitig der offene Abfall
^ichoniirow's, des einstigen Führers der Nihilisten,
r dvcumentirt diesen Schritt durch Veröffentlichung einer
Erdings erschienenen Broschüre. Dieselbe enthält eine
-^bändige Absage von dem Nihilismus, der sich in seiner
sherjgen terorristischen Grundrichtung offenbar in voll-
- ^iger Auflösung befindet. Vieles hat mitgewirkt, diesen
lurchtbarcn Auswuchs russischer Unkultur und zurückge-
eiv "er staatlicher Entwickelung allmählig zu erschüttern:
. Nerseits die Strenge, mit der man dagegen eingeschritten
. ' anderseits die Einsicht, daß mit der ganzen terroristi-
^en Bewegung doch nichts erreicht worden ist, drittens
!ck k i.? zurückgehende Theilnahme der russischen Gesell-
Mft für die socialrevolutionäre Agitation, was sich schon
raus ergiebt, daß ihnen die Gelder aus Rußland unge-
sinb" .Irlich zufließen, so daß sie nicht einmal im Stande
ihr revolutionäres Organ regelmäßig herauszugeben.
^"^Egierungskreisen beobachtet man denn jetzt auch in
^Ueri, in welchen Personen revolutionärer Bestrebungen
M Verantwortung gezogen werden, größere Nach-
dem jetzt fast ausschließlich ganz junge
Unb ' welche eben die Schule verlassen haben, die hier
sii? den Besitz verbotener revolutionärer Schriften,
der ^ldsammlungen für die politisch Verschickten u. s. w.
biü ^gierung in die Hände fällen und in der Regel nicht
d>erb ganzen Strenge der gesetzlichen Vorschrift bestraft
Voiv?' So steht z. B. auch gegenwärtig kein größerer
^"Uscher Proceß auf der Tagesordnung. Allerdings ist
ej ""ht ausgeschlossen, daß sich doch noch immer irgend
rin ^"^tischer Jüngling finden könnte, der die Hand zu
G sw Attentat erhebt, aber eine große Verschwörung im
gef n Wenigen, welcher Kaiser Alexander II. zum Opfer
lick kann gegenwärtig allem Anscheine nach glück-
hem ills ausgeschlossen betrachtet werden. Wenigstens
wan gegenwärtig diese Ansicht in der Kreisen der
ru rc " Politischen Polizei, die über das Treiben des
wichen Nihilistenthums im Auslande gut unterrichtet ist.
den Tichomirow's Austritt aus der Nihilistenpartei
in de" Zerfall derselben. Seine Bekenntnisse sind
rnick Beziehung recht bemerkenswerth. „Ich habe
litt? ..efinitiv überzeugt", schreibt er z. B.", daß ein revo-
K. s"äres Rußland im Sinne einer ernst sich bewußten
existirt. Die Masse des Volkes und selbst
lich bsitlfchaft haben gezeigt, daß die Revolutionäre sämmt-
kin ^.Grunde gehen können, ohne daß sie vom Lande
Hüfe erhielten. Ich habe einst selbst gleich den An-
gesagt, daß die Regierungdurchden Terrorismus des-
organisirt werde, aber was als Zeichen der Desorgani-
sation bis 1884 gelten konnte, ist später vollständig ge-
schwunden. Ueberhaupt ist meine Meinung, daß politische
Morde die Regierung so lange in eine Verwirrung brachten,
so lange sie glaubte, daß eine drohende Gefahr vor ihr
stünde; nachdem sie sich aber einmal überzeugt, daß es
eine nichtige Schaar ist, welche sich nur deßhalb mit poli-
tischen Mordthaten abgibt, weil sie nicht die Kraft besitzt
zu einer wirklich ernst bedrohlichen That, hat sie keine
Merkmale der Verwirrung mehr gezeigt. Sie hat sich
ein festes System zu eigen gemacht und geht ihren Gang
ohne Wanken und Schwanken." Schließlich spricht sich
Tichomirow auch offen dahin aus, daß eine „starke
monarchische Gewalt" gegenwärtig für Rußland durch-
aus nvthig ist. Hieran könne auch nichts geändert werden,
so lange es im Lande unzählige Millionen Leute gibt, „die
in der Politik nichts Anderes wissen und nichts Anderes
wissen wollen."
Wie weit alle Aussprüche und Bekenntnisse Tischo-
mirow's aufrichtig gemeint sind, läßt sich natürlich nicht
ermessen; aber jedenfalls ist sein offener Abfall von
den Nihilisten eine bedeutsame Thatsache.
Deutsches Reich.
Berlin, 12. Sept. Der „Post" zufolge werden auf
der Reise des KaisersWilhelm nach München, Wien,
Rom und Neapel im Gefolge sich befinden: der Comman-
dant des Hauptquartiers General Wittich mit drei Flügel-
adjutanten, Staatsminister Graf Herbert Bismarck mit
einem Sccretär, Obersthofmarschall v. Liebenau, Hofmar-
schall Graf Pückler, der Chef des Militärcabinets General
v. Hahnke, der Ehef des Civilcabinets Geh. Regierungs-
rath Miesner. — Die Prinzen Arnulf und Alp ho ns
von Bayern sind heute Morgen hier eingetroffen und von
dem Prinzen Albrecht, dem Gouverneur General v.
Werder, dem Polizeipräsidenten und den Mitgliedern der
bayerischen Gesandtschaft empfangen worden.
Berlin, 12. Sept. Wie der „Börsencourier" bereits
heute zu melden weiß, behauptet Mackenzie in seiner Schrift,
er habe ebenso zeitig wie die deutschen Autoritäten Kaiser
Friedrichs Krankheit als Krebs erkannt. Er habe aus
Rücksicht auf den hohen Patienten, welcher in keinem Falle
eine äußerste Operation zugestehen wollte, für seine Pflicht
gehalten, die richtige Diagnose zu verheimlichen. Daß aus
der Reise von England nach Toblach Berlin nicht berührt
wurde, ist mit Wissen und Willen und ausdrücklicher Ein-
willigung Bismarcks geschehen.
Wilhelmshaven, 12. Sept. Heute Vormittag fand
in Gegenwart Kaiser Wilhelms ein Angriffsmanöver
gegen den Jadebusen statt, das Nachmittags fortgesetzt
wurde und mit einem Landungsmanöver endigte. Die
Landung des Kaisers erfolgte um 7 Uhr.
Hesterreich A«g«rs.
Wien, 12. Sept. Kaiser Franz Joseph, Kron-
prinz Rudolph und der Prinz von Wales sind
heute in Belovar eingetroffen und von der Bevölkerung
mit Begeisterung empfangen worden. Die Stadt ist reich
geschmückt
Irarrtreich.
Paris, 12. Sept. Bei dem gestrigen Banket in
Cherbourg zu Ehren Carnots hielt Carnot eine Rede,
in welcher er hervorhob, das Vertrauen der Bevölkerung
zu der Regierung werde dadurch hervorgerufen, daß sie
sich der Anstrengungen wohl bewußt sei, welche beständig
von der Republik gemacht werden, um Frankreich die un-
bestrittene Machtstellung zu geben, welche die sicherste Ge-
währ für den Frieden sei, den das Land aufrechterhalten
wissen wolle. Die Regierung wisse, was sie von der
französischen Marine erwarten könne, sie wisse wohl, daß
sie unter allen Umständen auf dieselbe rechnen könne. Die-
selbe Ueberzeugung hätten auch die Kammern, deßhalb
werde Frankreich keine Opfer scheuen, welche nothwendig
erachtet würde, um ihm alles zu geben, was er haben müsse.
Italien.
Rom, 12. Sept. Wie die „Agencia Havas" meldet,
wird Kaiser Wilhelm am 11. October, Nachmittags 2
Uhr, hier eintreffen.
PnAkeWd.
London, 12. Sept. Admiral Sir Geore Elliot be-
fürwortet die Bildung vonMarine-Freiwilligen-
Corps zur Bewachung der britischen Küste. Die Ad-
miralität müsse das Material hergeben und einzelne Ort-
schaften die Leute. Admiral Elliot meint, daß das zu
gründende Freiwilligen-Corps mindestens 25000 Mann
zählen müsse. Die einzelnen Städte an der Küste sollen
zu ihrer speciellen Vertheidigung Kanonenboote und Torpedo-
boote von der Admiralität erhalten, welche dann mit Frei-
willigen zu bemannen wären. Endlich citirt Admiral
Elliot zur Unterstützung seiner Ansichten eine interessante
Stelle aus dem „Naval Chronicle" vom September 1810,
welche lautet: „Wir haben eine größere Marine, als die
ganze Welt zusammen genommen und können mit derselben
einer großen Anzahl von Ländern Trotz bieten, dennoch aber
können wir unsere Küsten nicht vor Schaden bewahren."
London, 12. Sept. Der „Daily News" wird aus
Rom gemeldet, ein Expeditionscorps von 25000 Mann
würde im November gegen den Negus abgesandt. 2000
Gewehre gehen demnächst nach Massauah ab zu dem Zwecke,
die Stämme bei Keren zu bewaffnen. Armstrong erhielt Ordre
auf 100 schwere Kanonen zur Vertheidigung der Küste.
Die Sirene.
^onian, frei nach dem Amerikanischen, von Ernst v. Treuenfels.
(Fortsetzung.)
Ivine "Es. thut mir leid. Sie zu unterbrechen", sagte Mal-
ihrem Mädchen, „doch ich bin genöthigt, Mrs.
die ö - ^fehle darin unberücksichtigt zu lassen. Ich werde
die benutzen, die ich immer benutzt habe, und an
Toi^ gewöhnt bin. Emma, Sie können mir mit den
g? und Packeten folgen."
die d der Schwelle begegnete ihr die Frau Verwalterin,
Wagen hatte vorfahren hören, und die nur so
^iind ^°gert hatte, um eine frische Haube mit rothen
Bitzer ""fzusetzen und eine fleckenlos weiße Schürze mit
dein rn zu vertauschen, bevor sie ihrem Lieblinge —
D^I°sinwangigen, liebenswürdigen, eigenwilligen, kleinen
^gege^'l^s ^r Stunde seiner Geburt kannte,
lvie>)''B^ine dHeure Miß Malwine, welches Glück, Sie
Msehen, — Sie wieder zu Hause zu haben!"
eg .Malwine küßte die runden rosigen Wangen liebevoll;
zn r / wohlthuend, dieses liebe, treue Gesicht wieder
und um so wohlthuender, im Gegensätze zudem
ein K den sie von anderer Seite empfangen hatte —
der E??» der sie doch geärgert und ein Gefühl
ihkxz Arüstung in ihr wachgerufen hatte, daß sie in
lvix -in ers Haus, ihren Geburtsort heimkehrend, dort
lverdpn r divße Bekannte, oder wie ein Gast empfangen
E" sollte.
gegx„"^ hätten Ihnen gern ihren schuldigen Nespect ent-
ich ^bracht, aber es war nicht angenehm — so glaube
El — oer Mrs. Nollis —"
d^lteri "s ^8 in dem Tone, der Manier der Frau Ver-
fijhl ch^. das wieder dieses unbestimmt beängstigende Ge-
Malwine hervorrief, doch sie sagte jetzt noch nichts.
">rch bin auf dem Wege nach meinen Zimmern Frau
Verwalterin, meinen eigenen alten Zimmern. Ich hörte,
daß man meine Zimmer als Gastzimmer benutzen will,
aber das wird wohl natürlich nur ein Mißverständniß
sein. Ich bitte, schicken sie mir ein Glas Milch und
etwas Bisquit, Frau Verwalterin! Wir haben zeitig ge-
frühstückt, und ich weiß, daß Papa gern spät Gabelfrüh-
stück nimmt."
„Wir haben das Gabelfrühstück jetzt um halb 11 Uhr,
Miß Malwine. Mrs. Nollis hat es so lieber, und das
Diner ist um 3 Uhr."
Und ihr Vater hatte das Diner immer um fünf Uhr
gewünscht, und konnte nie dazu bewogen werden, eine
andere Stunde zu wählen.
„Nun, schicken Sie mir jedenfalls etwas. Komme,
Emma. Hier!"
Malwine zeigte den Weg und eilte mit leichten
Schritten durch die wohlbekannten Hallen, die großen
Treppen hinauf, zu der Thür, die die Reihe ihrer früher
bewohnten Zimmer abschloß, und in welcher von außen
der Schlüssel steckte.
Sie sank, nachdem sie eingetreten war, in einen der
niedrigen Schaukelstühle und hing so ihren Gedanken nach.
Eine lange Zeit saß sie so da, während Verschiedenes ihr
Hirn durchkreuzte und ernste Schatten die süßen blauen
Augen umdüstertcn; sie blieb so sitzen, bis die leichte Er-
frischung, die sie verlangt hatte, ihr gebracht wurde.
Ich glaube, ich muß mich umkleiden und zu Mrs.
Nollis gehen, da ich sie noch nicht gesehen habe", dachte
sie. „War sie krank oder wollte sie mich absichtlich nicht
begrüßen? Wird sie freundlich zu mir sM oder — was
bedeutet dieser sonderbare Empfang?"
Zehntes Capitel.
Erste Eindrücke.
Malwine hatte gerade ihre Toilette beendigt und
stand zwischen den Blumen, die sv reichlich das Erker-
fenster schmückten, als ein leises schüchternes Klopfen an
der Thür hörbar und von Emma beantwortet wurde.
Die Frau Verwalterin kam, um das Geschirr zu
holen — froh, einen noch so geringen Vorwand zu haben,
ihre junge Herrin, die sie so innig liebte, einen Augenblick
sehen zu können.
„Kommen Sie nur herein, Frau Verwalterin", sagte
Malwine freundlich. „Ich dachte gerade daran, ob ich
nicht heruntergehen sollte, um Mrs. Nollis zu begegnen.
Ich bin begierig, sie zu sehen — Papa sagt, sie wäre so
wunderbar schön. Ist sie auch so gut, wie schön? — Ist
sie so elegant und würdevoll, wie ceremoniös, Frau Ver-
walterin?" —
Malwines blaue Augen sahen sehr ernst aus bei
diesen Fragen und der Frau Verwalterin ehrliches Gesicht
erröthete unbehaglich unter ihren Blicken.
„Sie ist ungewöhnlich schön, das ist nicht zu bestreiten.
Miß Malwine, und so würdevoll und vornehm, daß Sie
niemals denken würden, sie sei von armer Herkunft. Doch
— Miß Malwine, Liebe, ich kann Ihnen nicht sagen,
was ich denke, — Sie werden es schon selber herausfinden,
aber ich bin nicht sehr für sie eingenommen."
Ein ernster, gedankenvoller Ausdruck breitete sich über
das Gesicht des jungen Mädchens.
„Doch Papa betet sie an — sie muß gut sein oder
Papa könnte sie nicht lieben, meinen Sie nicht?"
Es lag ein ernsthaftes Drängen in ihrem Tone und
in den Worten, das da zeigte, sie wollte hoffen, gegen ihre
Ueberzeugung.
Einige Minuten später ging Malwine hinunter und
traf ihren Vater im Speisezimmer, der sie augenscheinlich
daselbst erwartete. Er blickte sie mit liebevoller Bewun-
derung an und küßte zärtlich ihre Stirne.
„Was ich für eine reizende Tochter habe! Liebste, Du
gleichst Deiner Mutter auf ein Haar — gerade so sah sie
aus, als ich sie heirathete, und meine höchste Hoffnung für
Dich ist, daß Du ihr in Allem gleichen mögest."
Buchdruckern und Expedition: Brunnmgaffe 24.Mklldnrn, Adelsheim, §0eberg, Äanbkrbischosöheim nnd Merlhkäk» Buchdruckerei und Expedition: Brmmenzaffe Ich-
äL S16
1888
Freitag, 14. September
Druck und Verlag von Larl Pfeffer
vorm. Wurm L Pfeffer in Heidelberg.
Verantwort!. Redacteur Friedrich Kley
in Heidelberg.
Anzeigen: die 1-spaltige Prtitzeti« »der deren Raum für »ul-
»Lrts 10 Pfg., Lokalanzeigen 5 Mg., Stellengesuche und
WohnungS-Anz. 3 Pfg., Reclam« SA Pfg. Bei mehnn. Erschein,
bedeutenden Rabatt. GratiS-VerbreiNmß durch Mauer-Unschlag.
eiöelbergtr Uageblaü
Erscheint täglich außer Montag. AbsnnementspretS mit
'ttn wöchentl. Unterhaltungsblatt „Alt Heidelberg", für Heidcl-
*trg: monatlich 50 Pfg. mit Trägerlohn, durch die Post be-
zogen viertclj. Mk. 1.25 ohne Zustellungsgebühr.
Der Verfall des Nihilismus
.Ein bemerkenswerthes Zeichen der Besserung in den
Äffischen Verhältnissen ist unstreitig der offene Abfall
^ichoniirow's, des einstigen Führers der Nihilisten,
r dvcumentirt diesen Schritt durch Veröffentlichung einer
Erdings erschienenen Broschüre. Dieselbe enthält eine
-^bändige Absage von dem Nihilismus, der sich in seiner
sherjgen terorristischen Grundrichtung offenbar in voll-
- ^iger Auflösung befindet. Vieles hat mitgewirkt, diesen
lurchtbarcn Auswuchs russischer Unkultur und zurückge-
eiv "er staatlicher Entwickelung allmählig zu erschüttern:
. Nerseits die Strenge, mit der man dagegen eingeschritten
. ' anderseits die Einsicht, daß mit der ganzen terroristi-
^en Bewegung doch nichts erreicht worden ist, drittens
!ck k i.? zurückgehende Theilnahme der russischen Gesell-
Mft für die socialrevolutionäre Agitation, was sich schon
raus ergiebt, daß ihnen die Gelder aus Rußland unge-
sinb" .Irlich zufließen, so daß sie nicht einmal im Stande
ihr revolutionäres Organ regelmäßig herauszugeben.
^"^Egierungskreisen beobachtet man denn jetzt auch in
^Ueri, in welchen Personen revolutionärer Bestrebungen
M Verantwortung gezogen werden, größere Nach-
dem jetzt fast ausschließlich ganz junge
Unb ' welche eben die Schule verlassen haben, die hier
sii? den Besitz verbotener revolutionärer Schriften,
der ^ldsammlungen für die politisch Verschickten u. s. w.
biü ^gierung in die Hände fällen und in der Regel nicht
d>erb ganzen Strenge der gesetzlichen Vorschrift bestraft
Voiv?' So steht z. B. auch gegenwärtig kein größerer
^"Uscher Proceß auf der Tagesordnung. Allerdings ist
ej ""ht ausgeschlossen, daß sich doch noch immer irgend
rin ^"^tischer Jüngling finden könnte, der die Hand zu
G sw Attentat erhebt, aber eine große Verschwörung im
gef n Wenigen, welcher Kaiser Alexander II. zum Opfer
lick kann gegenwärtig allem Anscheine nach glück-
hem ills ausgeschlossen betrachtet werden. Wenigstens
wan gegenwärtig diese Ansicht in der Kreisen der
ru rc " Politischen Polizei, die über das Treiben des
wichen Nihilistenthums im Auslande gut unterrichtet ist.
den Tichomirow's Austritt aus der Nihilistenpartei
in de" Zerfall derselben. Seine Bekenntnisse sind
rnick Beziehung recht bemerkenswerth. „Ich habe
litt? ..efinitiv überzeugt", schreibt er z. B.", daß ein revo-
K. s"äres Rußland im Sinne einer ernst sich bewußten
existirt. Die Masse des Volkes und selbst
lich bsitlfchaft haben gezeigt, daß die Revolutionäre sämmt-
kin ^.Grunde gehen können, ohne daß sie vom Lande
Hüfe erhielten. Ich habe einst selbst gleich den An-
gesagt, daß die Regierungdurchden Terrorismus des-
organisirt werde, aber was als Zeichen der Desorgani-
sation bis 1884 gelten konnte, ist später vollständig ge-
schwunden. Ueberhaupt ist meine Meinung, daß politische
Morde die Regierung so lange in eine Verwirrung brachten,
so lange sie glaubte, daß eine drohende Gefahr vor ihr
stünde; nachdem sie sich aber einmal überzeugt, daß es
eine nichtige Schaar ist, welche sich nur deßhalb mit poli-
tischen Mordthaten abgibt, weil sie nicht die Kraft besitzt
zu einer wirklich ernst bedrohlichen That, hat sie keine
Merkmale der Verwirrung mehr gezeigt. Sie hat sich
ein festes System zu eigen gemacht und geht ihren Gang
ohne Wanken und Schwanken." Schließlich spricht sich
Tichomirow auch offen dahin aus, daß eine „starke
monarchische Gewalt" gegenwärtig für Rußland durch-
aus nvthig ist. Hieran könne auch nichts geändert werden,
so lange es im Lande unzählige Millionen Leute gibt, „die
in der Politik nichts Anderes wissen und nichts Anderes
wissen wollen."
Wie weit alle Aussprüche und Bekenntnisse Tischo-
mirow's aufrichtig gemeint sind, läßt sich natürlich nicht
ermessen; aber jedenfalls ist sein offener Abfall von
den Nihilisten eine bedeutsame Thatsache.
Deutsches Reich.
Berlin, 12. Sept. Der „Post" zufolge werden auf
der Reise des KaisersWilhelm nach München, Wien,
Rom und Neapel im Gefolge sich befinden: der Comman-
dant des Hauptquartiers General Wittich mit drei Flügel-
adjutanten, Staatsminister Graf Herbert Bismarck mit
einem Sccretär, Obersthofmarschall v. Liebenau, Hofmar-
schall Graf Pückler, der Chef des Militärcabinets General
v. Hahnke, der Ehef des Civilcabinets Geh. Regierungs-
rath Miesner. — Die Prinzen Arnulf und Alp ho ns
von Bayern sind heute Morgen hier eingetroffen und von
dem Prinzen Albrecht, dem Gouverneur General v.
Werder, dem Polizeipräsidenten und den Mitgliedern der
bayerischen Gesandtschaft empfangen worden.
Berlin, 12. Sept. Wie der „Börsencourier" bereits
heute zu melden weiß, behauptet Mackenzie in seiner Schrift,
er habe ebenso zeitig wie die deutschen Autoritäten Kaiser
Friedrichs Krankheit als Krebs erkannt. Er habe aus
Rücksicht auf den hohen Patienten, welcher in keinem Falle
eine äußerste Operation zugestehen wollte, für seine Pflicht
gehalten, die richtige Diagnose zu verheimlichen. Daß aus
der Reise von England nach Toblach Berlin nicht berührt
wurde, ist mit Wissen und Willen und ausdrücklicher Ein-
willigung Bismarcks geschehen.
Wilhelmshaven, 12. Sept. Heute Vormittag fand
in Gegenwart Kaiser Wilhelms ein Angriffsmanöver
gegen den Jadebusen statt, das Nachmittags fortgesetzt
wurde und mit einem Landungsmanöver endigte. Die
Landung des Kaisers erfolgte um 7 Uhr.
Hesterreich A«g«rs.
Wien, 12. Sept. Kaiser Franz Joseph, Kron-
prinz Rudolph und der Prinz von Wales sind
heute in Belovar eingetroffen und von der Bevölkerung
mit Begeisterung empfangen worden. Die Stadt ist reich
geschmückt
Irarrtreich.
Paris, 12. Sept. Bei dem gestrigen Banket in
Cherbourg zu Ehren Carnots hielt Carnot eine Rede,
in welcher er hervorhob, das Vertrauen der Bevölkerung
zu der Regierung werde dadurch hervorgerufen, daß sie
sich der Anstrengungen wohl bewußt sei, welche beständig
von der Republik gemacht werden, um Frankreich die un-
bestrittene Machtstellung zu geben, welche die sicherste Ge-
währ für den Frieden sei, den das Land aufrechterhalten
wissen wolle. Die Regierung wisse, was sie von der
französischen Marine erwarten könne, sie wisse wohl, daß
sie unter allen Umständen auf dieselbe rechnen könne. Die-
selbe Ueberzeugung hätten auch die Kammern, deßhalb
werde Frankreich keine Opfer scheuen, welche nothwendig
erachtet würde, um ihm alles zu geben, was er haben müsse.
Italien.
Rom, 12. Sept. Wie die „Agencia Havas" meldet,
wird Kaiser Wilhelm am 11. October, Nachmittags 2
Uhr, hier eintreffen.
PnAkeWd.
London, 12. Sept. Admiral Sir Geore Elliot be-
fürwortet die Bildung vonMarine-Freiwilligen-
Corps zur Bewachung der britischen Küste. Die Ad-
miralität müsse das Material hergeben und einzelne Ort-
schaften die Leute. Admiral Elliot meint, daß das zu
gründende Freiwilligen-Corps mindestens 25000 Mann
zählen müsse. Die einzelnen Städte an der Küste sollen
zu ihrer speciellen Vertheidigung Kanonenboote und Torpedo-
boote von der Admiralität erhalten, welche dann mit Frei-
willigen zu bemannen wären. Endlich citirt Admiral
Elliot zur Unterstützung seiner Ansichten eine interessante
Stelle aus dem „Naval Chronicle" vom September 1810,
welche lautet: „Wir haben eine größere Marine, als die
ganze Welt zusammen genommen und können mit derselben
einer großen Anzahl von Ländern Trotz bieten, dennoch aber
können wir unsere Küsten nicht vor Schaden bewahren."
London, 12. Sept. Der „Daily News" wird aus
Rom gemeldet, ein Expeditionscorps von 25000 Mann
würde im November gegen den Negus abgesandt. 2000
Gewehre gehen demnächst nach Massauah ab zu dem Zwecke,
die Stämme bei Keren zu bewaffnen. Armstrong erhielt Ordre
auf 100 schwere Kanonen zur Vertheidigung der Küste.
Die Sirene.
^onian, frei nach dem Amerikanischen, von Ernst v. Treuenfels.
(Fortsetzung.)
Ivine "Es. thut mir leid. Sie zu unterbrechen", sagte Mal-
ihrem Mädchen, „doch ich bin genöthigt, Mrs.
die ö - ^fehle darin unberücksichtigt zu lassen. Ich werde
die benutzen, die ich immer benutzt habe, und an
Toi^ gewöhnt bin. Emma, Sie können mir mit den
g? und Packeten folgen."
die d der Schwelle begegnete ihr die Frau Verwalterin,
Wagen hatte vorfahren hören, und die nur so
^iind ^°gert hatte, um eine frische Haube mit rothen
Bitzer ""fzusetzen und eine fleckenlos weiße Schürze mit
dein rn zu vertauschen, bevor sie ihrem Lieblinge —
D^I°sinwangigen, liebenswürdigen, eigenwilligen, kleinen
^gege^'l^s ^r Stunde seiner Geburt kannte,
lvie>)''B^ine dHeure Miß Malwine, welches Glück, Sie
Msehen, — Sie wieder zu Hause zu haben!"
eg .Malwine küßte die runden rosigen Wangen liebevoll;
zn r / wohlthuend, dieses liebe, treue Gesicht wieder
und um so wohlthuender, im Gegensätze zudem
ein K den sie von anderer Seite empfangen hatte —
der E??» der sie doch geärgert und ein Gefühl
ihkxz Arüstung in ihr wachgerufen hatte, daß sie in
lvix -in ers Haus, ihren Geburtsort heimkehrend, dort
lverdpn r divße Bekannte, oder wie ein Gast empfangen
E" sollte.
gegx„"^ hätten Ihnen gern ihren schuldigen Nespect ent-
ich ^bracht, aber es war nicht angenehm — so glaube
El — oer Mrs. Nollis —"
d^lteri "s ^8 in dem Tone, der Manier der Frau Ver-
fijhl ch^. das wieder dieses unbestimmt beängstigende Ge-
Malwine hervorrief, doch sie sagte jetzt noch nichts.
">rch bin auf dem Wege nach meinen Zimmern Frau
Verwalterin, meinen eigenen alten Zimmern. Ich hörte,
daß man meine Zimmer als Gastzimmer benutzen will,
aber das wird wohl natürlich nur ein Mißverständniß
sein. Ich bitte, schicken sie mir ein Glas Milch und
etwas Bisquit, Frau Verwalterin! Wir haben zeitig ge-
frühstückt, und ich weiß, daß Papa gern spät Gabelfrüh-
stück nimmt."
„Wir haben das Gabelfrühstück jetzt um halb 11 Uhr,
Miß Malwine. Mrs. Nollis hat es so lieber, und das
Diner ist um 3 Uhr."
Und ihr Vater hatte das Diner immer um fünf Uhr
gewünscht, und konnte nie dazu bewogen werden, eine
andere Stunde zu wählen.
„Nun, schicken Sie mir jedenfalls etwas. Komme,
Emma. Hier!"
Malwine zeigte den Weg und eilte mit leichten
Schritten durch die wohlbekannten Hallen, die großen
Treppen hinauf, zu der Thür, die die Reihe ihrer früher
bewohnten Zimmer abschloß, und in welcher von außen
der Schlüssel steckte.
Sie sank, nachdem sie eingetreten war, in einen der
niedrigen Schaukelstühle und hing so ihren Gedanken nach.
Eine lange Zeit saß sie so da, während Verschiedenes ihr
Hirn durchkreuzte und ernste Schatten die süßen blauen
Augen umdüstertcn; sie blieb so sitzen, bis die leichte Er-
frischung, die sie verlangt hatte, ihr gebracht wurde.
Ich glaube, ich muß mich umkleiden und zu Mrs.
Nollis gehen, da ich sie noch nicht gesehen habe", dachte
sie. „War sie krank oder wollte sie mich absichtlich nicht
begrüßen? Wird sie freundlich zu mir sM oder — was
bedeutet dieser sonderbare Empfang?"
Zehntes Capitel.
Erste Eindrücke.
Malwine hatte gerade ihre Toilette beendigt und
stand zwischen den Blumen, die sv reichlich das Erker-
fenster schmückten, als ein leises schüchternes Klopfen an
der Thür hörbar und von Emma beantwortet wurde.
Die Frau Verwalterin kam, um das Geschirr zu
holen — froh, einen noch so geringen Vorwand zu haben,
ihre junge Herrin, die sie so innig liebte, einen Augenblick
sehen zu können.
„Kommen Sie nur herein, Frau Verwalterin", sagte
Malwine freundlich. „Ich dachte gerade daran, ob ich
nicht heruntergehen sollte, um Mrs. Nollis zu begegnen.
Ich bin begierig, sie zu sehen — Papa sagt, sie wäre so
wunderbar schön. Ist sie auch so gut, wie schön? — Ist
sie so elegant und würdevoll, wie ceremoniös, Frau Ver-
walterin?" —
Malwines blaue Augen sahen sehr ernst aus bei
diesen Fragen und der Frau Verwalterin ehrliches Gesicht
erröthete unbehaglich unter ihren Blicken.
„Sie ist ungewöhnlich schön, das ist nicht zu bestreiten.
Miß Malwine, und so würdevoll und vornehm, daß Sie
niemals denken würden, sie sei von armer Herkunft. Doch
— Miß Malwine, Liebe, ich kann Ihnen nicht sagen,
was ich denke, — Sie werden es schon selber herausfinden,
aber ich bin nicht sehr für sie eingenommen."
Ein ernster, gedankenvoller Ausdruck breitete sich über
das Gesicht des jungen Mädchens.
„Doch Papa betet sie an — sie muß gut sein oder
Papa könnte sie nicht lieben, meinen Sie nicht?"
Es lag ein ernsthaftes Drängen in ihrem Tone und
in den Worten, das da zeigte, sie wollte hoffen, gegen ihre
Ueberzeugung.
Einige Minuten später ging Malwine hinunter und
traf ihren Vater im Speisezimmer, der sie augenscheinlich
daselbst erwartete. Er blickte sie mit liebevoller Bewun-
derung an und küßte zärtlich ihre Stirne.
„Was ich für eine reizende Tochter habe! Liebste, Du
gleichst Deiner Mutter auf ein Haar — gerade so sah sie
aus, als ich sie heirathete, und meine höchste Hoffnung für
Dich ist, daß Du ihr in Allem gleichen mögest."