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Heidelberger Tageblatt: unabhängige Zeitung für Nordbaden — 1888

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Nr. 257-282 (1. - 30. November)
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https://doi.org/10.11588/diglit.70375#1390
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AtaNes.
Rom, 23. Nov. Die von der Kammer beschlossene
Beseitigung der Todesstrafe in Italien ist durch die
Annahme des Strafgesetzbuches von Seiten des Senats
besiegelt worden. Es ist dies ein großer, folgenschwerer
Schritt; zum ersten Male wird in einem großen Staate
diese Strafe aufgehoben, und zwar zu einer Zeit, in
welcher es weniger als jemals angemessen erscheint, die
dem Staate zur Bekämpfung des Verbrechens und zum
Schutze der Gesellschaft gegebenen Waffen zu schmälern
und zu vermindern.
-«-km-.
London, 23. Nov. Die meisten Morgenblätter be-
sprechen die deutsche Thronrede in den Ausdrücken leb-
hafter Befriedigung über den freundlichen Hinweis aus
England und heben den friedlichen Ton der Kaiserworte
hervor. „Standard" sagt, niemals vorher sei Europa so
klar und kategorisch versichert, daß der einzige Zweck des
Dreibundes die Abwendung des Krieges sei. Nach dieser
Versicherung von so erhabener Stelle müsse das Publikum
des Argwohns oder des Zweifels sich entschlagen, den es
bisher hierüber gehegt habe. Die Bemerkung des Kaisers,
daß die Beziehungen Deutschlands zu allen fremden Mächten
gegenwärtig als friedliche erscheinen, gepaart mit den
übrigen Kaiserworten, sei von nicht geringer Bedeutung.
London, 23. Nov. Der irische Gcneralanwalt hat
die gerichtliche Verfolgung von sieben Abgeordneten wegen
Einschüchterung angeordnet.

Aus Nah rrrrd Fern.
* Karlsruhe, 22. Nov. Aus Anlaß der Instructions-
reise, welche eine Anzahl Landwirthe und Thierärzte der
Oberlaufitz im Sommer d. I. in das badische Oberland
gemacht haben, um die Verhältnisse der Rindviehzucht da-
selbst und besonders die Einrichtungen der Viehgenofsen-
schaften daselbst kennen zu lernen, ist dem Ministerium
des Innern durch das Königl. sächs. Ministerium des In-
nern eine Zuschrift zugegangen, inhaltlich deren für die in
hohem Grad zuvorkommende Aufnahme, welche jener
Excursion allenthalben bereitet worden ist, in verbind-
lichster Weise der Dank ausgesprochen wird.
* Eschelbronn, 21. Nov. Gestern Vormittag halb
11 Uhr brach in der Malzdarre des Herrn Carl Schuh-
mann zur „Sonne" hier ein Brand aus, welcher indcß
durch rechtzeitig erfolgten energischen Eingriff bald gelöscht
werden konnte. Dennoch beläuft sich der verursachte Material-
schaden auf ca. 500 Mk., der Gebäudeschaden auf 50 Mk.
* Sinsheim, 23. Nov. In nächster Zeit werden an
den Hufbeschl gsschulen des Landes wieder öffentliche
Prüfungen im Hufbeschlage abgehalten. Dieselben finden
statt: am 26. December d. I., Vormittags halb 9 Uhr
beginnend, in Tauberbischofshelm, am 29. December, Vor-
mittags 9 Uhr beginnend, in Karlsruhe, ferner in Frei-
burg am 3. Januar k. I. und in Mcßkirch am 4. Januar.
Wer die Prüfung ablegen will, hat unter dem Bürger-
meisteramt seines Wohnorts ein schriftliches Gesuch unter
Namhaftmachung derjenigen Schule einzureichen, an welcher
er die Prüfung abzulcgen gedenkt. Der Anmeldung müssen
der Geburtsschein des Bewerbers und der bürgermeister-
amtlich beglaubigte Nachweis über eine mindestens vier-
jährige Thätigkeit im Schmiedehandwerk beigelegt sein.
Bezüglich der weiteren Bedingungen verweisen wir auf die
ministerielle Bekanntmachung im „Wochenblatt des landw.
Vereins Nr. 47.
* Eichtersheim, 22. Nov. Seit Jahren sah Eichters-
heim keinen so stattlichen Hochzeitszug wie heute. Kein
Wunder, waren doch die Brautleute niemand Geringeres,
als das Freifräulein von Gemmingen-Hornberg, älteste
Tochter des Grundherrn von Gemmingen in Michelfeld,

und Freiherr Maximilian von Sulzer-Wadt, Premier- '
lieutenant a. D. aus Winterthur. Eine namhafte Zahl
hoher Herrschaften und eine weit größere Menge Neu-
gieriger von hier und den umliegenden Ortschaften wohnten
dem feierlichen Akte der Einsegnung in der festlich ge-
schmückten Pfarrkirche hier bei. — Die hohe Braut, eine
anmuthige Erscheinung voll innigster Herzensgüte, ver-
brachte ihre Jugcndjahre bis zu ihrer heutigen Vermählung
größtentheils im Elternhaus — Schloß in Michelfeld —
und begibt sich jetzt an der Seite ihres eben angetrauten
Gemahles, des Freiherrn Maximilian von Sulzer-Wadt,
der als ein sehr leutseliger und charaktervoller Herr ge-
schildert wird, auf Reisen nach dem schönen Italien. —
Mögen die innigsten Segenswünsche, die für das verehrte
Paar heute zum Himmel stiegen, im reichsten Maße an
ihnen in Erfüllung gehen!
* Lauda, 22. Oct. Nächsten Sonntag, den 25. d.
Mts., feiert der Gesangverein hier sein 25 jähriges Stif-
tungsfest. Dasselbe findet im Vereinslocale statt und
nimmt Abends halb 7 Uhr seinen Anfang. Sämmtliche
Ortsvereine haben Zutritt. Nach dem angegebenen Pro-
gramm verspricht das Fest ein recht schönes zu werden.
* Wertheim, 22. Nov. Heute wurde hier ein Mann
zu Grabe getragen, dessen Tod über die hiesige Stadt
hinaus in weiteren Kreisen herzliche Theilnahme finden
wird. Leben doch durch das ganze Land hin zerstreut
Männer, welche Schüler waren des Hofraths Dr. F. A.
Neu der auf dem Gymnasium zu Wertheim, an welchem
er ein volles Menschenleben hindurch ohne Unterbrechung
gewirkt und wo er nach einem im wohlverdienten Ruhe-
stand verbrachten glücklichen Lebensabend im 83. Lebens-
jahre verschieden ist. Mit ihm ist eine jener Persönlich-
keiten dahingegangen, wie sie das Leben nur selten zur
Entwickelung gelangen läßt. Der Besuch der Hochschulen
Leipzig, Berlin, München und Heidelberg hatte seine reichen
Geiftesgaben entfaltet und ihn vor engherzigen Anschau-
ungen bewahrt. Sein angeborener Natursinn ließ ihm die
landwirthschaftlichen Reize der Heimath stets in erneutem
Lichte erscheinen, obwohl er auf größeren Fußreisen die
Schönheiten fremder Länder geschaut. Und diesen Sinn
und dieses Verständniß für die Natur war er bemüht, in
seinen Schülern zu wecken und sie zum Naturgcnuß durch
eifrige Pflege der damals in ihren Anfängen befindlichen
Turnerei zu befähigen. In ihm waren die Mannes-
Tugenden, welche der Jugend in den Musterbildern der
klassischen Litteratur des Alterthums vorgeführt werden,
verkörpert. Strenge Wahrheitsliebe, ein in jeder Richtung
makelloser Character zierten den Mann, der unter keiner
Jugend stand nicht nur als Lehrer, sondern als Vorbild
eines ächten Familienhauptes, eines treuen Freundes, stets
opferwilligen Bürgers und begeisterten Vaterlandsfreundes,
eines Mannes, der für eine vernünftige Freiheit auf allen
Lebensgcbieten immer furchtlos einzutreten wußte. Und
dies Alles mit einer Anspruchslosigkeit und Bescheidenheit,
die eine wahrhaft rührende genannt werden konnte. So
hat seine nach allen Richtungen voll entwickelte Persönlich-
keit auf seine Schüler gewirkt, und so wollen wir alle,
die sie gekannt haben, sie in treuem Andenken bewahren
und auch fernerhin wirksam sein lassen.
* Würzburg, 23. Nov. Domcapitular Kluehspies,
66 Jahre alt, ist heute Früh gestorben.
* Wieseuthal, 21. Nov. Gute Kartoffeln sind heute
nicht bloß sehr selten, sondern auch allenthalben entsprechend
theuer. Um so mehr Interesse dürfte deßhalb die Nach-
richt haben, daß dieselben hier in Wiesenthal (Station der
Rheinthalbahn) in unserem Sandselde nicht bloß ausge-
zeichnet gut und schmackhaft gewachsen, sondern auch um
einen ganz annehmbaren Preis erhältlich sind. Sehr gute
Waare könnte man gegenwärtig mehrere tausend Centner
L 3 Mark kaufen.

„Mutrer! soll ich wirklich herernkommen?"
Sie sah ihn erstaunt an.
„Ich sagte, daß ich dies Haus niemals anders denn
als Gast betreten würde. Ich habe ja alle Rechte auf
meine theuere Heimalh verwirkt, und obgleich Deine Liebe
mir so ganz und voll vergibt, so möchte ich doch die
Heimath meiden, wenigstens so lange, bis das Gerede
vorüber ist und ich mehr Muth habe, meiner Zukunft fest
in das Angesicht zu sehen." .
„Paul!" sagte sie sanft und ernst und doch so zärt-
lich. — „Wenn Du Unrecht gethan hast, so ist nichts edler
und ehrenhafter, als dessen Folgen gleich einem Manne
zu tragen. Ein solcher Mann kämpft solchen Kampf mit
sich selbst aus."
„Meine theuere Mutter! Ach, mit was habe ich all
diese Deine Liebe verdient?"
Sie aber fuhr ernst fort:
„Dein Herz war stets edel und gut, und der Dichter
hat Recht, wenn er sagt: Es irrt der Mensch, so langer
lebt. Deshalb komme nur herein und lasse Deine Mutter
nicht vereinsamt und traurig zurück. Bleibe zu Haus,
zeige durch Deine Aufführung, daß es Dir mit den ge-
faßten Vorsätzen Ernst ist, und das Uebrige hoffe von Gott
und der Zukunft. Folge meinem Rathe, mein lieber Paul."
Ach, halte er auch früher diesem guten Rath der lieben
Mutter gefolgt, wie vieles Leid, wie vieles Weh wäre
ihm, der armen Malwine und Andern enpart worden!
Er heftete die Augen nachdenkend an den Boden, ver-
suchte, sich die ganze Situation klar zu machen und ein
tiefer Seufzer entstieg seiner Brust.
Malwrne, o, der Gedanke an sie stellte sich vor ihn
hin, wie der Engel mit flammendem Schwerte. Was ge-
schah mit ihr? Konnte er ihr je wieder in die treuen,
zärtlichen Augen sehen? Doch seine Mutter wollte ja fest
zu ihm stehen, sie wollte ihn an ihrer Hand führen, sein
Rathgeber, sein Hort und seine Stütze sein! — Ach, nie-

mals hatte er seine Mutter so geliebt und verehrt, wie
in dieser Stunde.
Sie mußte Pauls Gedanken in seinem ernsten, von
tiefem Weh durchzogenen Gesichte gelesen haben, denn
sie sprach:
„Die Zeit heilt alle Wunden, doch nun komm' herein,
o, wir werden sehr glücklich in unserer gegenseitigen Liebe
sein, ich werde nichts weiter von dem Himmel verlangen,
nun ich Dich, meinen Sohn, bei mir habe. O, ich fühle
es tief, ich selbst trug einen großen Theil der Schuld an
Deinem Unglücke, ich habe zu sehr darauf gedrungen,
daß Du Malwine heirathcn solltest, doch wir wollen all'
das Vergangene mit der Verstorbenen begraben. Du aber
bleibst bei mir, mein Sohn, und machst mich auf's Neue
zu einer zufriedenen und glücklichen Mutter."
Bald darauf saßen Mutter und Sohn in traulichem
Gespräche wieder vereint in dem Zimmer. Er fühlte,
daß die Mutterliebe der beste Balsam für die Wunden
seines Herzens sei, und als er sich später in seinem lieben,
alten Zimmer zur Ruhe begab, da fühlte er die Liebe
seiner Mutter erst recht innig und tief und gelobte sich,
in ruhiger Ergebenheit auszuharren und seine Mutter so
glücklich zu machen, als es unter den gegebenen Verhält-
nissen nur möglich war.
Der gefürchtete Scandal blieb aus, die geschäftigen
Zungen, welche sich noch mit dieser Angelegenheit be-
schäftigten, verstummten nach und nach und schwiegen end-
lich ganz.
Ihre neuen Beziehungen, ihre Heirathsvorbereitungen
waren so geheim gehalten worden, daß Niemand eine solche
Möglichkeit träumte.
Auch Ralph war verschwiegen — und erzählte Nie-
manden etwas, als seinem kleinen Weibchen, vor der er
nie wieder etwas geheim hielt.
Und Malwine —!
(Schluß folgt.)

Vermischtes.
— Eine junge Dame, Fräulein Marie M. in Wien,
Tochter eines Hernalser Hausbesitzers, hatte sich vor einigen
Tagen mit einem jungen Officier verlobt. Sonntag-Vor-
mittag, so erzählt die Zeitschrift Straßenbahn, bestieg das
Brautpaar einen Tramway-Waggon, da Fräulein Marie
ihren Bräutigam ihrer in der Stadt wohnenden Pathin
vorstellen wollte. Der Wagen füllte sich rasch, und plötz-
lich sagte die junge Dame ihrem Bräutigam leise, er möge
einer vor ihm stehenden Frau in mittleren Jahren seinen
Platz einräumcn. Der Officier schüttelte den Kopf und
flüsterte seiner Braut, während er ihr Mrtlich die Hand
drückte, zu: „Ach was, die ist schon alt, gegen die braucht
man nicht mehr galant zu sein." Das Mädchen wurde
bleich. Am Thore des Hauses ihrer Pathin angelangt,
erklärte sie dem Bräutigam, sie wäre nicht wohl und wolle
allein hinaufgchen — am Nachmittag bekam der Officier
seinen Berlobungsring zurück. Ein Brief begleitete den-
selben, in welchem die energische junge Dame schrieb:
„Ich verzichte auf den Bund mit einem Manne, an dessen
Seite ich jeden Abend erschrecken müßte, weil wieder ein
Tag vergangen, ich älter und so seiner höflichen Behand-
lung unwürdiger geworden bin. Wann immer ich der
Frau begegne, die heute unfern Weg gekreuzt, werde ich
dankbar ihre Hände schütteln, bat sie mich doch vor einer
unglücklichen Zukunft bewahrt."
— Wie ein Student einenRector belehrt.)
Der berühmte Professor Ernesti in Leipzig hatte sich an-
gewöhnt, die Studirenden zuweilen mit „Er" anzureden.
Einst, als er Rector der Universität war, ward ein Stu-
dent, der seinem Wirthe eine Ohrfeige gegeben hatte, vor
die akademischen Gerichte gefordert. Er erschien und die
erste Frage, welche Ernesti an ihn richtete, lautete: „Warum
hat Er seinem Wirthe eine Ohrfeige gegeben?" — „Eure
Magnificenz", antwortete der Student sogleich, „der Kerl
redete mich mit „Er" an, und das ist offenbar wider die
Achtung, die man einem Leipziger Studenten schuldig ist."
— Der Rector wandelte das „Er" schnell in ein freund-
liches „Sie" um.

Vokales.
* Heidelberg, 24. Nov. (Bürgerausschuß.1 Die gestern
Nachmittag halb 5 Uhr in der Aula der Realschule staltfindende
Bürgerausschuß'Sitzung eröffnet Herr Oberbürgermeister Dr.
Wilckens, indem er zuvor des unlängst erfolgten Hinscheidens
des Geh. Rath Professor Dr. v. Schulze-Grävenitz gedenkt. Er
bezeichnet den Verstorbenen als einen Mann, dessen Verlust
nicht nur die hiesige Hochschule, sondern auch die Gemeindever-
tretung tief zu beklagen habe, und dessen wissenschaftlich reiches
Leben gleichzeitig auch ein warmes Interesse für städtische An-
gelegenheiten umfaßt und ihn daher in allen Kreisen beliebt
machte. Die Versammlung ehrt den Abgeschiedenen durch Er-
heben von den Plätzen. Ferner heißt Vorsitzender die beiden
neugewählten Mitglieder Henrici und Jacobi willkommen. Der-
selbe führt alsdann den ersten Gegenstand der Tagesordnung
auf: Die Aufstellung der Hiebs-, Cultur- und Wegbauvorschläge
für den Stadtwald für 1889 betr. Nachdem sodann Hr. Krall
einige Worte bemerkt, bringt Herr Klingel den Wunsch zum
Ausdruck, daß ine Bänke ausschließlich vier- und nicht zweisitzig
sein möchten, daß ferner bei den Bäumen unterhalb der
Kanzel Beseitigungen vorzunehmen und betreffs des Wasserfalles
Verbesserungen zu treffen seien. Herr Oberförster Obermayer
wünscht, daß die Bänke mindestens vier- bis fünfsitzig seien, und
daß sich ferner bei der Kanzel am besten eine Anpflanzung immer-
grüner Gesträucher empfehlenswerth mache. Herr Mays be-
merkt sodann, daß es wünschenswert!) sei, namentlich den Boden
unterhalb der Bänke gut zu fundamentiren. Nachdem darauf
noch Hr. Dr. Eisenlohr einiges bemerkt betreffs der unter 4o auf-
geführten Fußweg-Anlage, erfolgt Abstimmung und einstimmige
Genehmigung des Gegenstandes. Der zweite Vorlage-Gegen-
stand: Die Verwendung der 1887er Ueberschüsse der städtischen
Sparkasse betr., wird ohne Discussion einstimmig genehmigt.
Dritten Gegenstand bildet „die landesgesetzliche Krankenversiche-
rung der Dienstboten". Herr Reis findet es auffällig, daß
keine Sterbegelder gezahlt werden, da doch die Leistung solcher
Seitens Betreffender nicht allzu erheblich fallen könnte.
Herr Bürgermeister Dr. Walz entgegnet, daß die Gemeinde
Sterbegelder nicht gewähren könne, und daß im Uebrigen die
Leistung gewichtiger sei, als es Vorredner scheine. Herr Reis
kommt auf seine Ausführung nochmals zurück, sodann macht
Herr Stadtrath Lehmann aufmerksam, daß über diesen
Punkt nicht genügende Klarheit herrsche und führt Berichtigungen
betreffs desselben auf. Herr Jrion stellt die Frage, ob der in
früheren Lehrverträgen existirende Paragraph, laut welches der
Meister verpflichtet ist, vorkommenden Falles den Lehrling zu
verpflegen, auch in der neueren Bestimmung bestehe oder hin-
fällig werde. Herr Bürgermeister Dr. Walz bescheret Frage-
steller dahin, daß in Zukunft der Meister für das Krankengeld
aufzukommen habe. Darauffolgende Abstimmung ergiebt Geneh-
migung des Gegenstandes. Da der vierte und letzte Gegen-
stand die Besoldungsverhältnisse des Herrn Oberbürgermeisters
Dr. Wilckens betrifft, so überträgt Herr Oberbürgermeister Hrn.
Bürgermeister Dr. Walz den Vorsitz und verläßt die Versamm-
lung. Herr Rechtsanwalt Leonhard recapitulirt sodann
im Wesentlichen die in der Vorlage aufgeführten, hier ein-
schlägigen Gründe, welche die Annahme des Gegenstandes recht-
fertigen, und betont insbesondere, daß die Stadt es hoch aner-
kennen müsse, in ihrem Oberbürgermeister einen Mann zu be-
sitzen, der mit seltener Energie und Ausdauer die große Ge-
schäftslast seines Amtes zu bewältigen wisse, daß dessen Wunsch
umso berechtigter sei, als in anderen Städten bereits günstigere
Gehaltsverhältnisse herrschten und daß vor allem bei dem konse-
quenten, Allen gerecht werdenden Charakter des Hrn. Oberbürger-
meisters niemals ein Parteiregiment eintreten werde. «Bravo-
rufe.) Folgt einstimmige Genehmigung und Schluß der Sitzung-
* Heidelberg, 24. Nov. (Berufung.) Herr Geh. Rath
Professor Kußmaul hier ist, wie wir hören, an das Krankenbett
des russischen Großfürsten Georg Michaelowitsch nach Cannes
berufen worden und vor einigen Tagen dorthin abgereist.
! -j- Heidelberg, 24. Nov. (Ein Wort über dem Grabe eines
s zu früh Heimgegangenen.) Am vorgestrigen Tage übergab man
s die sterblichen Reste eines Mannes der Stätte, wo ewiger Friede
x und ewige Ruhe ist, wo Ungerechtigkeit v. Herzlosigkeit des Lebens
keine Macht mehr üben: der Heimgegangene war unser lieber
Mitbürger Herr Wilhelm Mai. Diese wenigen Zeilen, die wir
dem so früh entrissenen Manne widmen, können und sollen ihm
nichts nachrühmen, was nicht Jeder, der ihn nur ein wenig
, näher kannte, selber an ihm rühmt: den geraden biederen
! Charakter, die Offenherzigkeit, den echten deutschen Sinn.
weinen auch Viele an den Gräbern der Großen dieser Welt,
die das Leben schändeten, aber in ihren Herzen denken sie anders!
es werden Palmen und Kränze auch auf die Särge Derer ge-
legt, die Kummer und Herzeleid über eine Menschheit brachten,
l aber es ist weder wahre Liebe noch wahre Verehrung, die da
 
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