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Universitätsbibliothek Heidelberg, Heid. Hs. 3820,294
Lask, Emil; Rickert, Heinrich [Adr.]
(Heid. Hs. 3820,294): Brief von Emil Lask an Heinrich Rickert (Abschrift) — Falkenberg, 1903 September 1

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https://doi.org/10.11588/diglit.27642#0001
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Falkenberg, denA1.9.1903. l%lö{ Z°\\

Haben Sie vielen Dank für Ihren Brief, der mir eine ausseror-
dentlich grosse Freude bereitet hat ! Enthielt er doch in schärfster
Form, was ich stets so sehnlich gewünscht habe, die Entlarvung Ihres
»autosuggestiven» aktiven Interesses für Geschichte. Darin gebe ich
Ihnen allerdings nicht Becht, dass Sie erst durch Ihre Nietzsche^ Lek-
türe zu de» »grcssenwahnainnigen» Entschluss gekommen sein sollen,
selbst ein Philosoph zu sein, anstatt Philosophen zu verehren. Denn
erstens hatten Sie diesen Entschluss schon immer und sogar seine Ver-
wirklichung, und zweitens ist kein Grössenw&hn dabei. __
Dass Sie Ihren Fichte Bachen «üssen. ist eigentlich bedauerlich,
denn unter diesen Umständen ist doch selbst das Buch über Fichte in
letzter Linie eine Hemmung. Dass Sie noch gar keine Zeile endgültigen
Materials haben, habe ich nicht geahnt. Sie haben als© lediglich (für/^p
des Colleg Ausgearbeitete. Würden Sie somit Jetzt von der Arbeit zu-
rückstehen können, so hätten Sie gar keinen unnützen Zeitverlust zu
beklagen. Da kommt mir nun Folgendes in den Sinn. Wäre der Gedanke
so ganz absurd, die Arbeit einem anderen zu übertragen, der bei Hauff
gut angeschrieben ist, z.B. Hensel, der sieh Ihrer Auffassung in hohem
Grade annähern würde ? Für den Fall, dass die Encyklopädie nicht zu
stände käme (ich will aber »nichts gesagt» haben!) hatte Hensel Ja
so wie so die Absicht, wieder eine Frommannsehe Monographie zu über-
nehmen. Ist es da nicht sehr gut denkbar, dass Hensel mit Freuden
hören würde:V Der Fichte wird frei !
m Ich wollte Ihnen gleich am Sonntag antworten, zog es aber vor,
noch die Begegnung mit Professor Münsterberg bei Marxens abzuwarten,
in der Hoffnung, noch einiges Mündliche von Ihnen zu hören. Zu meiner
grössten Freude geht es Ihnen Ja im Ganzen besser als die Augenblicks-
stimmung vermuten lässt, in der Ihr Brief abgefasst zu sein scheint.
Die Begegnung (die ich wohl hauptsächlich Ihnen zu verdanken habe)
war sehr interessant für mich, und Professor Münsterberg hat mir gut
gefallen, wenn ich es ihm auch nicht verzeihen kann, dass er auch
das philosophische Ueberbrettl Desaeir zur Ausstellung citiert hat.
Stumpf geht nicht nach Amerika. Die philosophische Liste lautet darum
Jetzt: Windelband, Biehl, Lipps, E^dmann, Jodl, Ebbinghaus, Ziegler,
Simaei, Dessiir, Pfleiderer, Bindlng. _
Alle Eindrücke der letzten Tage treten zurück gegenüber der freu-
digen Erregung, die Ihre andeutenden Ausführungen über das Wirklich-
keitsproblem bei mir veranlasst haben. Sie haben recht, dass der Be-
griff der »objektiven Wirklichkeit» noch niemals ernsthaft in Angriff
genommen worden ist. Schuppe ist doch schliesslich ein Gemisch von
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