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Vorwort festgelegt. Gott habe als der Werker den vorhandenen Ur^toff
geprägt, heißt es da — also: gleich dem Kaiser! Doch noch in anderem
zeigte sich die Strebung, auch dem Gott seine Grenzen zu setzen. In
seltsamer Gespanntheit standen ja in der Vorrede des Gesetzbuches als
die das Herrscheramt begründenden Mächte nebeneinander: „Die zwin-
gende Notwendigkeit der Dinge selbst und nicht minder die Eingebung
der göttlichen Voraussicht.“ Das war gewiß kein Gegensatz: denn das
Eigengesetz der Natur war von der göttlichen Voraussicht im Wirken
gar nicht verschieden. Andererseits aber gehorchte die Natur doch ihrem
eigenen Gesetz, der zwingenden Notwendigkeit der Dinge selbst, und
wenn G'ott seine Schöpfung nicht zerstören wollte, konnte er dem
Naturgesetze nicht entgegenwirken: Gott also wäre an das Gesetz seines
eignen Geschöpfes, der Natur, gebunden. Das war keine Leugnung der
göttlichen Willensfreiheit: denn Gott fügte sich dabei keinem anderen
Gesetz, als dem selbstgewollten und vorausgesehenen, dem eignen gött-
lichen Gesetz — das gleiche Mysterium also von Gebundenheit und Frei-
heit, das für den Kaiser Gültigkeit hatte: „Vater und Sohn, Herr und
Knecht“ der eignen Gesetze war ja der Kaiser, der niemals, solche Bin-
dung eingegangen wäre, hätte er dadurch aufgehört, Gleichnis der Gott-
heit zu sein. Denn des Kaisers Gesetze entsprachen genau so der Ne-
cessitas seines Geschöpfes, des Staates, wie Gottes Gesetz einer Ne-
cessitas der göttlichen Schöpfung glich: der Natur. Nicht an die Lehre
der Alten: daß mit der Necessitas auch die Götter nicht kämpften, ist
hier zu denken. Das Mysterium der Freiheit in der Gesetzesgebundenheit
ist durchaus vom Christlichen her zu verstehen, wie da ein später Zeit-
genosse des Kaisers manches erklärt: Der König — so heißt es stehe
zwar nicht unter, einem Menschen, wohl aber unter Gott und dem Ge-
setz. Dem Gesetze aber schreibe der König nur das zu, was das Gesetz
dem König zuschreibt. „Und daß der König unter dem Gesetz sein muß,
obwohl er Gottes Stelle vertritt, zeigt sich deutlich aus der Ähnlichkeit
Jesu Christi, an dessen Statt der König auf Erden regiert, da er (der
Gottessohn)... unter dem Gesetze sein wollte.“
In der Gesetzeserfüllung also liegt das Heils- und Erlösungsmysterium
des weltlichen Staats und des Kaisers. Ein, wenn auch barmherzig, so
doch willkürlich nur im Wunder wirkender und nicht dem Gesetz unter-
worfener Gott war da nicht zu ertragen. Denn eine willkürlich waltende*
nicht an das Gesetz der Natur und damit an das der Vernunft gebundene
Vorsehung mußte den Staat sprengen. Die Folgerung hat Friedrich II.
alsbald gezogen. Obwohl nämlich der Kaiser für seine Person die wun-
derwirkende Vorsehung keineswegs missen konnte, die unaufhörlich als
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Vorwort festgelegt. Gott habe als der Werker den vorhandenen Ur^toff
geprägt, heißt es da — also: gleich dem Kaiser! Doch noch in anderem
zeigte sich die Strebung, auch dem Gott seine Grenzen zu setzen. In
seltsamer Gespanntheit standen ja in der Vorrede des Gesetzbuches als
die das Herrscheramt begründenden Mächte nebeneinander: „Die zwin-
gende Notwendigkeit der Dinge selbst und nicht minder die Eingebung
der göttlichen Voraussicht.“ Das war gewiß kein Gegensatz: denn das
Eigengesetz der Natur war von der göttlichen Voraussicht im Wirken
gar nicht verschieden. Andererseits aber gehorchte die Natur doch ihrem
eigenen Gesetz, der zwingenden Notwendigkeit der Dinge selbst, und
wenn G'ott seine Schöpfung nicht zerstören wollte, konnte er dem
Naturgesetze nicht entgegenwirken: Gott also wäre an das Gesetz seines
eignen Geschöpfes, der Natur, gebunden. Das war keine Leugnung der
göttlichen Willensfreiheit: denn Gott fügte sich dabei keinem anderen
Gesetz, als dem selbstgewollten und vorausgesehenen, dem eignen gött-
lichen Gesetz — das gleiche Mysterium also von Gebundenheit und Frei-
heit, das für den Kaiser Gültigkeit hatte: „Vater und Sohn, Herr und
Knecht“ der eignen Gesetze war ja der Kaiser, der niemals, solche Bin-
dung eingegangen wäre, hätte er dadurch aufgehört, Gleichnis der Gott-
heit zu sein. Denn des Kaisers Gesetze entsprachen genau so der Ne-
cessitas seines Geschöpfes, des Staates, wie Gottes Gesetz einer Ne-
cessitas der göttlichen Schöpfung glich: der Natur. Nicht an die Lehre
der Alten: daß mit der Necessitas auch die Götter nicht kämpften, ist
hier zu denken. Das Mysterium der Freiheit in der Gesetzesgebundenheit
ist durchaus vom Christlichen her zu verstehen, wie da ein später Zeit-
genosse des Kaisers manches erklärt: Der König — so heißt es stehe
zwar nicht unter, einem Menschen, wohl aber unter Gott und dem Ge-
setz. Dem Gesetze aber schreibe der König nur das zu, was das Gesetz
dem König zuschreibt. „Und daß der König unter dem Gesetz sein muß,
obwohl er Gottes Stelle vertritt, zeigt sich deutlich aus der Ähnlichkeit
Jesu Christi, an dessen Statt der König auf Erden regiert, da er (der
Gottessohn)... unter dem Gesetze sein wollte.“
In der Gesetzeserfüllung also liegt das Heils- und Erlösungsmysterium
des weltlichen Staats und des Kaisers. Ein, wenn auch barmherzig, so
doch willkürlich nur im Wunder wirkender und nicht dem Gesetz unter-
worfener Gott war da nicht zu ertragen. Denn eine willkürlich waltende*
nicht an das Gesetz der Natur und damit an das der Vernunft gebundene
Vorsehung mußte den Staat sprengen. Die Folgerung hat Friedrich II.
alsbald gezogen. Obwohl nämlich der Kaiser für seine Person die wun-
derwirkende Vorsehung keineswegs missen konnte, die unaufhörlich als
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