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Heid.Hs. 4071

ANHANG E

Karl Freudenberg 247

Zur Erhellung des räumlichen Baues der biologischen Stoffwelt galt
es, ein Netz konfigurativer Beziehungen über das Reich der Naturstoffe
auszuwerfen. Freudenberg hatte daran bedeutenden Anteil. Die Ungewiß-
heit darüber, wann Substitutionen am Chiralitätszentrum von Inversion
begleitet sind, schränkte die Möglichkeiten der direkten Überführung von
Stoffklassen ein. Freudenberg arbeitete mit empirischen Regeln der opti-
schen Aktivität. Um seinen „Verschiebungssatz“ auf eine sichere Grund-
lage zu stellen, suchte er den Kontakt mit W. Kuhn, der zu den Begrün-
dern der modernen chiroptischen Methoden zählt. Erst in unserer Zeit,
also ein halbes Jahrhundert später, bahnt sich ein tieferes Verständnis
der optischen Aktivität an.

Die a-Aminosäuren und a-Halogencarbonsäuren wurden ebenso wie
zahlreiche Terpene und das Catechin von Freudenberg an den räumlichen
Bau der Glucose an ge schlossen. Ein großes Handbuch „Stereochemie“,
1933 erschienen, wies den Herausgeber K. Freudenberg als international
anerkannten Experten aus.

In Fortführung der Studien über pflanzliche Gerbstoffe hydrierte
Freudenberg 1925 das Cyanidin, das Aglykon des Rosen-Farbstoffs,
unter Bildung des Epicatechins, dessen sterische Beziehung zum Cate-
chin, einem Baustein wichtiger Gerbstoffe, geklärt wurde. Die systema-
tische Musterung der Gerbstoffe und ihrer Chemie erstreckte sich bis in
die 60er Jahre, im letzten Jahrzehnt vor allem von K. Weinges unter-
stützt.

Methodische Beiträge zur Zuckerchemie setzten die auf E. Fischer
zurückgehende Tradition fort. Um Freudenbergs Arbeiten zur Konstitu-
tion der Cellulose, des makromolekularen Gerüststoffs der Pflanzenwelt,
zu würdigen, sei daran erinnert, daß eine andere Schule in den 20er Jah-
ren dieses Polysaccharid aus niederen Einheiten durch Gitter- und Asso-
ziationskräfte zusammengehalten wähnte. Freudenberg gelangte bei der
Acetolyse der Cellulose zu etwa 60% Octaacetyl-cellobiose, wobei deren
weiterer Abbau in der Acetolysemischung berücksichtigt wurde; 1921
postulierte Freudenberg große einheitliche Ketten aus Glucose-Baustei-
nen. Das Studium der Methylierung der Cellulose mit anschließendem
Chlorwasserstoff-Abbau ergab nahezu quantitativ 2,3,6-Trimethylglu-
cose. Zusammen mit Beiträgen von Haworth und anderen Forschem er-
gab sich 1928 das uns heute geläufige Bild von der Cellulose-Struktur.
Freudenberg rechnete 1921 mit ca. 100 hauptvalenzmäßig /3-1,4-ver-
knüpften Glucose-Einheiten; später zeigte die Ultrazentrifuge in Sved-
bergs Laboratorium viele tausend Glucose-Einheiten für intakte Cellu-
lose an.

Bei der Spaltung der vollständig methylierten Stärke, des Reserve-

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