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Heierli, Julie
Die Volkstrachten der Schweiz (1. Band): Die Volkstrachten der Innerschweiz: mit 12 farbigen Tafeln und 165 Schwarz-Abbildungen — Erlenbach-Zuerich: Eugen Rentsch Verlag, 1922

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https://doi.org/10.11588/diglit.68722#0134
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wand und Köstlichkeit bot, in Schwyz von der Obrigkeit befohlen, während die
gleiche Behörde sonst stets zur Einfachheit mahnte. In mehreren Schwyzer-
mandaten wird wiederholt: »Die Frauen sollen nicht mit leeren Huben, sondern
mit Käplin bedeckt zum Opfer gehen.« Aus den Mandaten läßt sich manchmal
der Zeitpunkt ungefähr erkennen, wann eine neue Mode im Anzug oder eine
alte im Abgang war. Im ersteren Falle erlaubte die Regierung noch gewisse Dinge,
die früher mit aller Strenge verboten waren. So war nach 1740 der Hinderfür
nicht mehr erwähnt, weil bemerkt wurde, daß die Adeligen keine solchen mehr
aufsetzten. Sie diktierte noch lange das Bedecken der Ohren, als dies längst
nicht mehr geschah. Dann wendete sich die ganze Aufmerksamkeit dem Entblößen
der Ohren und der Entfaltung der Hauben zu. Doch fand sich für diese Damen
ein Ausweg, indem verordnet wurde: »Sie sollen sich mit Floren bedecken.«
Im Ratsprotokoll von Schwyz heißt es im August 1739 wie auch im folgenden
Jahr 1740: »bis an die Ohrläppchen mit Käplin und Hüblin die Ohren bedecken.
Beim Kommunizieren soll das Weibervolk die Woll- und Schynhüte abziehen.«
Am 4. September 1740 beschwert sich Hauptmann Karl Reding, »daß man
seiner Frau die Buß abgefordert wegen daß sie in der Haube zum Opfer gegangen,
da doch schon andere vorher in Hauben, mit Woll- oder Schynhüten seien zum
Opfer gegangen hiermit jeder männiglichen ein gleiches Recht gelassen sein
solle. Worüber erkennt, daß die Buß solle aufgehoben, der Reifröcke und Ohren-
bedeckens halber es sei beim ergangenen Mandat verbleiben solle. Übrigens
solle man insgemein zum Opfer gehen mögen; aber nicht mit leeren Hauben,
sondern in Käplenen oder mit Schyn- oder Wollhüten.«
Den Schwyzerinnen gleich trugen die Mutschihube auch die Adeligen im
Kanton Uri. Im Kanton Unterwalden folgten nur die Aristokratinnen von Nid-
walden, in Obwalden dagegen gewann dieselbe an Umfang bezw. an Breite, zu-
dem wurde hier meistens der Hinderfür dazu beibehalten. Um 1740 hatte der Kopf-
putz in Obwalden eine so respektable Größe aufzuweisen, daß Frauen, die auf
diese breitausladenden Hauben auch noch den spitzigen oder gar zweigeteilten
Hinderfür aufstülpten, wirklich ausgesehen haben dürften, als hätten sie zwei
Hörner nach oben und eines nach jeder Seite hinaus (siehe das Porträt der
Frau Landammann Stockmann aus Sarnen anno 1747 in ihrem 47. Altersjahre,
Abb. 83). Noch in den 1780er Jahren müssen derart geschmückte Frauen zu
sehen gewesen sein, sonst hätte Dr. Meiners nicht jene Bemerkungen aufschreiben
können, s. S. 42. Die Hörner aus Band oder Leder geflochten, wie er sich
ausdrückt, waren die Rosen, und der Schleier darüber war die Haube. Diese
sogen.Rosen62) (Abb. 112) bestanden aus schwarzen, gesteiften Seidenbändchen,
die zwischen zwei Metallrädchen mit scharfen Zähnen hindurchgezogen waren,
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